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ARCHIV
FÜR
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.
In Verbindung
mit dem Verein für Reformationsgeschichte
herausgegeben Ton
D. Walter Friedensburg.
IX. Jahrgang. 1911/12.
•oQo-
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1912.
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Inhaltsverzeichnis.
Seite
Fr. Roth, Dr., Professor in München, Sylvester Raid, der
Brand-, Proviant- and spätere Rentmeister des Mark¬
grafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kolm¬
bach, and Georg Fröhlich, der Verfasser der „Historia
belli Schmalcaldici“.
O. Clemen, D. Dr., Professor in Zwickau, Briefe von
Antonius Musa an Fürst Georg von Anhalt 1544—1547
W. Köhler, D., Universitätsprofessor in Zürich, Brentiana
and andere Reformator» I, II. . . . S. 79—84;
P. Kalkoff, Dr., Professor in Breslau, Die von Cajetan
verfaßte Ablaßdekretale und seine Verhandlungen
mit dem Kurfürsten von Sachsen in Weimar, den 28.
und 29. Mai 1519.
Fr. Roth, Zur Lebensgeschichte des Augsburger Form¬
schneiders David Denecker and seines Freundes, des
Dichters Martin Schrot..
G. Berbig, Dr., Pfarrer in Neastadt-Koburg (f), Ein Streit¬
fall zwischen einem Koburger Bürger and einem
Kaplan 1550 ...
B. Willkomm, Lic., Universitätsbibliothekar in Jena, Bei¬
träge zur Reformationsgeschichte aus Drucken und
Handschriften der Universitätsbibliothek in Jena I, n
S. 240—262;
W. Friedensburg, D. Dr., Universitätsprofessor a. D.,
Archivdirektor in Stettin, Aas den Zeiten des Interim
H. Böhmer, D., Universitätsprofessor in Marburg i. H.,
Karlstadt in Tirol?.
0. Clemen, Georg Motschidler, ein neaentdeckter Flug¬
schriftenverfasser .
J. Kva&ala, Dr., Universitätsprofessor in Dorpat, Wilhelm
Postell. Seine Geistesart und seine Reformgedanken I
K. Pallas, Pastor in Herzberg-Elster, Der Reformations¬
versuch des Gabriel Didymus in Eilenburg and seine
Folgen 1522—1525 I .
Mitteilungen: W. Friedensbarg, Zar ersten Festsetzung
der Jesuiten in Bayern 1548 bis 1549 S. 85—89. —
G. Bossert, D., Pfarrer a. D. in Stuttgart, Zur Vor¬
geschichte des Reichstags in Augsburg S. 280.
Aus Zeitschriften S. 172—183; 363-377. —
Neuerscheinungen S. 89—92; 183—188 ; 280—283;
378—380. — Bibliographie S. 284.
1—22
23-78
93—141
142—171
189—230
231—239
331-346
263—273
274—276
277—279
285—330
347—362
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TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.
ln Verbindung
mit dem Verein für Reformationsgeschicbte
herausgegeben von
D. Walter Friedensburg.
Nr. 33.
9 . Jahrgang. Heft 1 .
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1912 .
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Sylvester Raid, der Brand-, Proviant-
und spätere Rentmeister des Markgrafen
Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulm-
bach, und Georg Fröhlich, der Verfasser
der „Historia belli Schmalcaldici“
Friedrich Roth.
Briefe von Antonius Musa an Fürst Georg
von Anhalt 1544—1547
Otto Gemen.
Brentiana und andere Reformatoria
von
Walther Köhler.
Mitteilungen
(W. F. f Zur ersten Festsetzung der Jesuiten in Bayern 1548—1549.
— Neu-Erscheinungen).
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Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1912 .
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Sylvester Raid, der Brand-, Proviant- und
spätere Rentmeister des Markgrafen
Albrecht Alcibiades von Brandenburg-
Kulmbach, und Georg Frölich, der Ver¬
fasser der „Historia belli Sclimalcaldici“.
Von Friedrich Roth.
Unter den Geschichtswerken Uber den Scbmalkaldisehen
Krieg, die uns von gleichzeitigen Schriftstellern überliefert
sind, waren es von jeher zwei, die besondere Beachtnng
fanden, nämlich das des kaiserlichen Kammerherrn Louis de
Avila, der als des Kaisers „anderes Selbst“ die Ereignisse
„aus dessen Sinn und Gedankenwelt heraus“ betrachtet und
beschreibt, und das für uns hier in betracht kommende
eines Anonymus, gedruckt im III. Bande der von Mencken
herausgegebenen Scriptores rerum Germanicarum, das
in der Auffassung des Ganzen wie in der Darstellung der
Einzelheiten den entgegengesetzten Standpunkt einnimmt,
heftig gegen Avila polemisiert und ursprünglich keinem
Geringeren zugeschrieben wurde als Sebastian Schertlin
von Burtenbach. Später jedoch kam man zu der Er¬
kenntnis, daß dies ein Irrtum sei, und gab sich viele Mühe,
den Schleier, der Uber dem Anonymus lag, zu heben.
Es wurde dargetan, daß der Verfasser dieser Historia kein
Kriegmann sondern ein Jurist und politischer Geschäfts-
mannn gewesen sein müsse, der Schertlin als Mensch
und in seiner Berufsstellung sehr nahe gestanden, während
des Krieges, wenigstens bei gewissen Episoden, in dessen
Umgebung geweilt habe und wie dieser ein Opfer des
kaiserlichen Sieges geworden sei. Es deutet ferner, wie
man nachwies, alles darauf hin, daß er „mit der Stadt
Archiv für Reformationageschichte. IX. 1. 1
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Augsburg in engem Zusammenhang, mit den Zuständen
derselben und allem, was dort geschah, besonders vertraut
war“. Als sich Georg Voigt in seiner bekannten Ab¬
handlung Die Geschichtschreibung Uber den
Schmalkaldischen Krieg 1 ) nach den Männern um¬
sah, bei denen diese Voraussetzungen zutreffen, kam er zu
dem Ergebnis, daß das meiste auf den seit 1536 in
Augsburg als Syndicus, dann als Stadtschreiber tätigen
Georg Frölich passen wurde und alles in Ordnung
wäre, wenn nicht ein einziges, freilich „höchst wichtige»
Indicium“ im Wege stünde, nämlich der Umstand, daß der
Stadtschreiber anscheinend während des ganzen Kriege»
Augsburg nicht verlassen habe. Und nun kam Voigt
bei der weiteren Suche nach dem Autor, an dem Stadtarzt
Gereon Sailer 8 ) vorübergehend, auf Dr. Nikolaus
Meier 8 ), der, seit Ende 1544 als Advokat in den Diensten
der Augsburger stehend, in den nächsten Jahren eine
ebenso eifrige als tiefgreifende Wirksamkeit für die Interessen
seiner „Herren“ und des Schmalkaldischen Bundes entfaltete.
Voigt stellte nun mit großer Umsicht und Geschicklichkeit
alle Punkte zusammen, die diese Annahme begründen könnten,
aber seine Ausführungen entbehrten trotzdem der über¬
zeugenden Beweiskraft und wurden später durch mehrere
von andern Forschern beigebracbte Argumente erschüttert.
Noch weniger vermochte Druffel durchzudringeu, der in
der Einleitung zu seiner Ausgabe des V i g 1 i u s sehen
Tagebuches 4 ) wahrscheinlich zu machen suchte, daß
der Verfasser unserer Historia in dem bekannten Neu¬
burger Rentmeister Gabriel Arnold zu suchen sei.
Bo kam es, daß Lenz in einem Excurs zum dritten Bande
*) In den Abhdlg. der philol. hist. CI. der K. Sachs. Gesellschaft
der W., Bd. VI (Leipzig 1874) S. 729ff. — Vgl. Lorenz „Beiträge
zur Kritik der Geschichtschreibung über den Schmalkaldischen Krieg“
(Königsb. Dies., 1876) S. 22 ff.
2 ) Auf ihn hat zuerzt aufmerksam gemacht Bommel, Philipp
der Großmütige, Bd. II, S. 483.
*) Voigt, S. 738ff. — S. über Meiers Tätigkeit in Augsburg Roth,
Augsburgs Ref.-Gesch., Bd. III (München 1907) S. 224ff. und Reg.
4 )Viglius von Zwichem, Tagebuch des Schmalkaldischen
Donaukrieges (München, 1877).
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des von ihm publicierten Briefwechsels Landgraf
Philipps des Großmütigen von Hessen mit
Bucer (Leipzig 1891 S. 527ff.) anf Frölich znrtlckgreift,
aber doch za keinem sicheren Schlosse kommt, weil aach er
annimmt, daß der Autor des Baches bei dem berühmten Ritte
Schertlins von Lauingen nach Augsbürg 1 ) doch wohl
an dessen Seite gewesen sein müßte, was aber nicht nar nicht
nachgewiesen werden kann, sondern durch einen Blick in die
von Frölich in dieser Zeit geschriebenen Briefe und
Zettel (in der Literaliensammlung des Augs¬
burger Stadtarchivs) geradezu widerlegt wird. So
blieb die Frage auch jetzt noch offen und wurde noch
einmal gründlich erörtert von Radlkofer in seiner 1900
erschienenen Biographie Frölichs 2 ). Er sucht zu er¬
weisen, daß sich die Schwierigkeiten, die von seinen Vor¬
gängern gegen die Autorschaft Frölichs erhoben wurden,
ohne besonderen Zwang heben lassen, und bringt noch ver¬
schiedene neue Gründe bei, die die Annahme, daß die in
Rede stehende Historia doch von Frölich herrühre,
unterstützen sollen. Gewißheit vermochte aber auch Radl¬
kofer nicht zu schaffen. Bald darauf machte uns L e i d i n g e r
in seiner Ausgabe der Werke des Andreas von
Regensburg 8 ) mit einem bis dahin noch unbekannten
Werk Frölichs bekannt, nämlich mit einer Übersetzung
der von AndreasvonRegensburg verfaßten Historia
de Principibus Bavarornm; daraus konnte man
sehen, daß Frölich sich ernsthaft mit historischen
Arbeiten beschäftigte, und es wuchs damit die Wahr¬
scheinlichkeit, daß er auch die Historia belli Schmal-
caldici geschrieben habe. Trotzdem mußte der Verfasser
dieser Zeilen, der im 111. Bande seiner Reformations-
geschichte Augsburgs Veranlassung hatte, diese Frage
flüchtig zu streifen, bekennen, daß er aus mehreren von
l ) Am 12. Oktober 1546.
0 „Leben und Schriften des Georg Frölich, Stadtschreibers in
Augsburg von 1537—48“, in der Zeitschr. des hist Ver. für Schwaben
u. Nbg., Jahrgang 1900, S. 93ff.
*) Andreas von Regensburg, Sämtliche Werke (München 1903),
Einleitung S. LXXXXVIII, CIH.
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ihm aiigedeuteten Gründen nicht annehmen könne, daß
Frölich wirklich der gesuchte Anonymus sei, und er
sprach dabei die Ansicht aus, daß weitere Klärung der
Sache nur von einem zufälligen Funde zu erhoffen sei.
Ein solcher wurde nun von ihm gemacht, und zwar in
den Urgichten des Sylvester Raid, die in der
Urgichten-Sammlung des Augsburger Stadt-
Archivs aufbewahrt sind. Wer ist Sylvester RaidV
Den Kennern der oberdeutschen Reformationsgeschichte wird
er nicht ganz unbekannt sein, da er sowohl bei der Refor¬
mation der Stadt Donauwörth als bei den kriegerischen
Unternehmungen des Markgrafen Albrecht Alci-
b i a d e s öfter genannt wird. Er entstammte einer an¬
gesehenen, in Augsburg ansässigen Familie und findet sich
in den städtischen Büchern unter 1535 als Notar, dann als
Spitalschreiber, aus welcher Stellung er am 26. Januar 1538
entlassen wurde*). Eine von ihm damals an den Rat gestellte
Bitte, ihn als Syndicus aufzunehmen, fand kein Gehör, und
so mußte er froh sein, daß er als solcher bei den Fuggern
ein Unterkommen fand 2 ). Nebenbei betätigte er sich als
hervorragender Freund und Kenner der Musik. Als er im
Jahre 1539 — wohl im Aufträge der Fugger — in Ge¬
schäftsangelegenheiten zu dem Herzog Albrecht von
Preussen reisen mußte und dabei von dessen Vorliebe
für kirchliche Musik hörte, nahm er die Gelegenheit wahr,
ihm das eigene hohe Interesse an dieser „hehren Kunst“ zu
erkennen zu geben, was freundlich aufgenommen wurde.
Nach seiner Heimkehr sandte Raid dem Herzog einige
geistliche Gesänge, worauf ihm dieser eine Anzahl von Ton¬
dichtungen seines aus Augsburg stammenden „Componisten“
Hans Kugelmann übermitteln und ihn ersuchen ließ,
sie in den Druck zu geben. Natürlich beeilte sich Raid,
diesem Wunsche nachzukommen 3 ), und zwar mit Hilfe des
") „Dreizehner Protokolle“ des Jahres (im Augsb. Stadt-Archiv) S. 9.
2 ) Voigt, Blicke in das kunst- und gewerbliche Leben der
fieichsstadt Nürnberg (Berlin 1862) S. 43; Denkmäler der deutschen
Tonkunst, Band V, 1. Lieferung (Leipzig 1904) von Sandberger S. LI.
3 ) Vier Bändchen für Tenor, Discant, Altus et Vagans, Bassus. Der
Haupttitel in dem Bändchen für Tenor: Tenor / Concentus novi/trium vo-
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in der Musikgeschichte Augsburgs wohl bekannten „Stadt-
cam/ecclesiarum usui in Prussia precipue accomodati/Joanne Kugel-
mano, tnbicinae Symphoniarnm authore. / News Gesanng, mit dreyen
stymmen / den Kirchen vn Schalen za natz, newlich in Preassen / darch
Joannem Kugelman Gesetzt. / Item etliche Stuck, mit Acht, Sechs, Fünf
vnd Vier Stymmen hinzn gethan. / Getruckt zu Augspurg, durch Melcher
Krießstein. Am Ende: Augustae Vindelicorum / Melchior Kriesstein Excu-
debat. Die Vorrede ßaids und der Lobspruch Frölichs findet sich in
dem Bändchen für Altus et Vagans. Titel und kurze Beschreibung des
Werkes bei Tschackert, Urkundenbuch zur Reformationsgeschichte
des Herzogtums Preassen (in den Publicationen aus den k. preuß.
Staatsarchiven), Bd. II, (Leipzig 1890), S. 407 Num. 1278. Ausführlichere
Beschreibungen bei Wackernagel, Bibliogr. des deutschen Kirchen¬
liedes im XVI. Jhdt. (1855) S. 167 und bei Döring, Zur Gesch. der
Musik in Preußen (Elbing 1852) S. 20ff. — Raid sandte von dem
Werke 820 Exemplare an den Herzog (Tschackert, II, S. 418,
Num. 1298). Der Brief, in dem Raid von dem Herzog um die Druck¬
legung der Kugelmannschen Gesänge ersucht worden war (22. Jan.
1540), ebenda S. 395, Num. 1234. — Eine kurze Inhaltsangabe der
Vorrede Raids ebenda S. 404, Num 1279. Wir wollen diese Vorrede,
da der Druck sehr selten und es von Interesse ist, Raid auch als
Liebhaber der Musik genauer kennen zu lernen, hier vollständig mitteilen:
Genediger Herr. Als ich des verganngen Neünvnddreissigisten
Jars bey Ewm Fürstlichen gnaden Botschafftweiß vnnderthenigklich
erschinen, Haben sich Ewr f. g. meinem Herrn vnd beuelchgeber zu
besondern gnaden nit allain mit gnediger anhörung meiner vnder-
thenigen Werbung vn fürbringen, Sonndern auch in der hauptsach an
jr selbs so gnedig vnd willfärig erzaigt, das ich mich desselben bey
menigklich von Ewr f. g. nit gnftg zu berümen weiß, zügeschweigen,
was Christlichen Eifers zfi der Euangelischen warhait, was Fürstlichen,
aufrechten gemfits, Recht, gerechtigkait vn billichhait züftirdern vnd zu
handthaben gegen menigklich, ich bey Ewr f. g. gespürt, vnd bevorab
gegen meiner (wiewol vnansehnlichen person) würklich vnd vnder
anderm auch mit vnderthenigen frewdeu vernommen hab, das Ewr f.
g. zü der lustbaren vnd hertzbiegenden wolgeordenten Music besondere
naigung vnd begird tregt, in sonnderhait aber, wann dieselb zum lob
vnd preiß des allmechtigen himlischen vaters gericht würdt. Dem¬
selben nach vnd dieweil Ewr f. g. genedigklich von mir begert, jr
etwann mein Schreiben zükommen zülassen, ist ervolgt, das ich Ewr
f. g. neben vndertheniger züsendung etlicher newen, meins erachtens
in dem löblichen Ewr f. g. Fürstenthümb Preü9sen hieuor vnbekannten
Ges&nngen vnderthenigklich meinem geringen verstandt nach geschriben:
Darauf! auch Ewr f. g. mir widerumb genedigklich züschreiben lassen,
das Sy mein Brief, zügeschickte Gesanng genedigklich empfangen, vnd
Tbersendten mir dagegen etliche, durch meinen lieben Herrn vnnd Landts-
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pfeifers“ Sigmund Salminger 1 ), eines ehemaligen
Wiedertäufers, und Georg Frölichs, mit dem er als
politischer Gesinnungsgenosse schon seit längerer Zeit eng
befreundet war. Er bewog Frölich, das Werk durch
eine literarische Beigabe zu bereichern, und so entsand dessen
herrlicher Sermon „Vom Preiß, Lob und Nutz-
barkeitderMusic a“. 2 ), der rasch Verbreitung fand und
mann, Ewr f. g. Musicü Hannsen Kugelman, gemachte Tria vnd
Gesanng mit genedigem begeren, dieselben ordenlich, fleissig vnd souil
müglich mit aigentlicher vnndersetzung der Text Trucken zulassen.
Welchs ich uff gönstigklich zulassen der Erenuesten, fürsichtigen vnd
weisen meiner gepietenden Herren vnnd Christlichen Obern, Bürger-
maister vnd Bäte der löblichen Beichs Statt Augspurg, nit minder
willig, begirig vnd gern als auß schuldigem gehorsam vnderthenigklich
gethan: Dartzü mix* ander der edlen Musica liebhaber, beuor aber mein
lieber herr vnd freünd Sigmund Salminger, diser fürtreffenlichen
kunst Lermaister allhie, der, Ewr f. g. ynd gemainer Music begingen
zu Eren vnd vnnderthenigem gefallen, etlich mer geistliche Gesanng
hinzü gethan hat, hoch beholffen gewest: Gleicher gestalt vnd zu
merer außbraitung derselben ist auch mein besondergönstiger, lieber
Herr vn fründ Georg Frölich, Stattschreiber zu Augspurg, be¬
wegt worden, nachuolgenden Lobbrief vber die Musica in geraain
zümachen. Sende also Ewr. f. g. solch Werk hiemit vnnderthenigklich
zü, desselbigen nit allain ain herrlicher, statlicher verthädinger zu sein,
Sonnder auch mit gnaden von mir vnd anndem dazüfürdernden güt-
hertzigen Mannen mit gnaden an vnd für gut zünemen vnnd mich,
auch dieselben in jr Fürstlich gnad befohlen zühaben. Der allmechtig
Got gerüch Ewr f. g. lang leben, glückliche Begierung vn wolfart
zü seiner götlichen Ere vnd des nächsten hail langwirig zufristen vn
erhalten. Amen.
Geben zü Augspurg am XXI. tag des Herbstmonats nach
Christi gepurt M. D vnnd XL.
E. F. G.
vnndertheniger
Syluester Raid, Burger zu Augspurg.
Siehe über ihn: Denkmäler der Tonkunst (Sandberger) J. c.
S. XLVI; Badlkofer, Jakob Dachser u. Sigmund Salminger in den
Beitr. zur Bayr. Kirchen-Gesch., VI S. lff.; Roth, Augsb. Bef.-Gesch. I,
II, III, Begister; Both, Zur Gesch. der Wiedertäufer in Oberschwaben
in der Zeitschr. des hist. Ver. f. Schw. u. Nbg. (Augsburg 1901), Begister.
2 ) Sandberger, 1. c. XLVII. — Frölichs Lobspruch erschien
auch in mehreren Einzeldrucken. Im Auszug mitgeteilt von Winter¬
feld, Zur Gesch. heiliger Tonkunst, II, S. 278 und bei Tschackert,
1. (*. S. 408, Nura. 1280. Neudruck von Friedr. Jac. Bevschlag.
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in unserer Zeit wieder „nach Würden hervorgezogen
wurde“ *).
Erwarb sich Raid au! diese Weise bei Herzog A1 b r e c h t
hohe Gunst, so geriet er, wie die Ratsdekrete und Straf¬
bücher bezeugen, wegen einiger Streithändel, die er anfing,
mit der einheimischen Obrigkeit mehrmals in Konflikt, und im
Jahre 1543 wurde ihm auf Beschluß des Rates auch wegen uu-
gebührlichen Auftretens vor Gericht „ein gutes Kapitel ge¬
lesen“ 2 ). Am 31. Juli 1548 erhielt er, nachdem er aus den
Diensten der Fugger ausgeschieden, auf sein Ansuchen die
später mehrmals erneuerte Erlaubnis, ein Jahr außerhalb
der Stadt zu wohnen 8 ), und begab sich nach Donauwörth,
wo er nach einiger Zeit Stadtschreiber wurde. Im nächsten
Jahre lud ihn der Rat der Stadt Augsburg als seine recht-
mäßige Obrigkeit vor Gericht 4 ), weil er dort Hildesheimer
Kreuzer, die nur fünf Heller wert waren, in großer Menge
als vollwertig in Umlauf gebracht hatte. Raid wurde während
der Untersuchung gefangen gesetzt, nach Feststellung seines
Vergehens um einhundertundzwanzig Gulden gestraft und
nur gegen eine schimpfliche Urfehde ausgelassen. Ein von ihm
im Jahre 1553 unternommener Versuch, vom Rate die Zurück¬
gabe dieses Schriftstückes zu erwirken 5 ), hatte keinen Erfolg 6 ).
*) Lenz bezeichnet in seinem Briefwechsel Landgraf Philipps
von Hessen mit Bucer, III S. 530 diesen Lobspruch „wohl als das
Geistreichste und Poesievollste, was wir von seiner — Frölichs —
Hand besitzen 41 .
2 ) ßatödekret des Jahres (Augsb. St.-Arch.), 1. Februar.
®) Steuerbuch 1548 (ebenda). Raid mußte, dem Brauche nach,
drei Nachsteuern entrichten pro 1548, 49, 50 und bezahlte dreimal
5 fl 10 er 1 d, war also nicht unvermöglich.
4 ) Die Geheimen von Augsburg an Sylvester Raid, 8. Juli 1549
(Urgichten-Sammlung des Augsb. St.-Archivs).
6 ) Raid an Stadtpfleger, Bürgermeister und Rat von Augsburg,
25. April 1553 (ebenda). Er sagt in diesem Schriftstück unter anderem
zu seiner Entschuldigung: Möchte man mir Vorhalten, „daß ich züvil
nutz und gewin an den kreutzern gesucht, so trueg ich sorg, daß die
gefengknussen zu Augspurg. Ulm und Nuermberg vil zu eng wurden
sein, die all gefangen zfi legen, die zwölf, fünfzehen guldin, ja vil
ain mehrers an gold und silber von hundert guldin haben und ge¬
winnen, und wurde mit der geringen sum der barmhertzigen (= erbärm¬
lichen) kreutzer mein wol vergessen“.
6 ) Stadtpfleger und Ratgeben an Raid, 29. April 1553 (ebenda).
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Schon im Jahr vorher (1552) hatte Raid sein Stadtschreiber¬
amt verloren, als in Donauwörth der Rat, der ihn an¬
gestellt, am 2. Febrnar einem anf Befehl des Kaisers von
Heinrich Hase eingesetzten neuen Magistrat weichen
mußte 1 ).
Als sich Raid Gelegenheit bot, bei Beginn des Fttrsteu-
krieges in die Dienste des Markgrafen Albrecht zu treten,
griff er mit beiden Händen zu und wurde über Nacht aus
dem mnsikalischen Schreiber ein Kriegsmann. Es gelang
ihm, in kürzester Zeit das Vertrauen seines neuen Herrn in
so hohem Maße zu gewinnen, daß er das verantwortungsvolle
Amt eines Brand- und Proviantmeisters erhielt, mit ver¬
schiedenen wichtigen Missionen betraut wurde und im Lager
zu Frankfurt im Namen Albrechts alle einlaufenden Briefe,
die nicht an einen der verbündeten Fürsten gerichtet waren,
zu öffnen hatte 2 ). Raid war ein eifriger Protestant und
stellte sich nun an die Spitze der evangelischen Partei in
Donauwörth, um dort (Ende März 1552) im Einverständnis
mit den Fürsten und mit ihrer Unterstützung den alten Rat
wieder herzustellen und die Zurückberufnng der veijagten
Prädikanten zu betreiben 3 ); und das gleiche tat er im Auf¬
träge des Markgrafen auch in Dinkelsbühl 4 ) und wohl
noch an anderen Orten. Als der Krieg beendet war, erschien
er in den letzten Tagen des Jahres vor dem unterdessen
wieder eingesetzten Hase sehen Rate, verlangte von
diesem in trotzigen Worten unter Hinweis auf den Aus¬
söhnungsartikel des Passauer Vertrages die Freigabe
seiner Habe, die der Kaiser mit Beschlag hatte belegen
lassen 6 ), und gebärdete sich im Vertrauen auf den Rück¬
halt, den er bei dem Markgrafen hatte, in Donauwörth
*) S. hierzu Stieve, „Die Einführung der Ref. in der Reichsstadt
Donauwörth“ in den Sitzungs-Ber. (hist. CI.) der bayr. Akad. d. W.,
München 1884 S. 424ff. u. 427 mit Anm. 1.
*) Chr. Tiefstetter an die Geh. von Augsburg, 28. Juli 1052
(Literaliensammlung im Augsb. St.-Arch.).
3 ) Stieve, 1. c. S. 429.
4 ) Fürstenwerth, Die Verfassungsänderungen in den ober¬
deutschen Reichsstädten zur Zeit Karls V. (Göttinger Diss. 1893) S. 74
und 75.
5 ) Stieve, 1. c. S. 445.
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auch sonst so trotzig, daß sich der Bat vor ihm za fürchten
begann. Man war hier, nach Ansicht Raids ohne jede Not,
wieder zam Interim zurückgekehrt, and er drang nnn darauf,
es abzntun. Schon am 2. Januar 1553 setzte er im Namen der
von ihm in Erregung gebrachten evangelischen Mehrheit der
Bevölkerung beim Rate durch, daß dem evangelischen Gottes¬
dienst wenigstens in einer Nebenkirche wieder Raum ge¬
geben wurde; am 27. Januar nötigte er seine „Herren“,
einen vom Pfalzgrafen Ottheinrich gesandten Prädikanten
aufzunehmen und ihm die Pfarrkirche der Stadt zu öffnen 1 .)
So wurde Raid der Wiederhersteller des Protestantismus
in Donauwörth. Etwas vorher war er — jetzt als mark¬
gräflicher Rentmeister bezeichnet — für den Markgrafen tätig
gewesen, indem er neben Wilhelm von Stein als dessen
Bevollmächtigter mit dem Herzog von Alba und dem
Bischof von Arras (im Herbste 1552) die Verhandlungen
geführt, die den bekannten zwischen dem Kaiser und Al brecht
abgeschlossenen Vertrag vom 24. Oktober zur Folge hatten 2 ).
„Der von Arras“, der Raid dabei näher kennen lernte, fand
so großen Gefallen an ihm, daß er zu aller Verwunderung für ihn
ein Patent fertigen ließ, auf das hin er für den Kaiser Geld
aufbringen sollte 8 ).
Im Jahre 1554 begab sich Raid als Gesandter des
Markgrafen mehrmals an den Hof des Königs Heinrich H.
von Frankreich, worüber er selbst berichten mag 4 ).
Er sagt: „Er sei zum dritten mal aus und ein in
Frankreich wegen seines herrn, des marggraven, postiert,
das erste mal hab der könig von Frankreich den
herrn von S. Lorentzen, ein abbt, so des kunigs am-
bassador in Schweitz gewesen, zu dem marggrafen, wie
derselb in Sachsen geschlagen, mit ainer capitulation ab¬
gefertigt, mit diesem bevelch: er solle dieselb capitulation
dem marggrafen überantworten und alsdann von wegen des
») Stieve, 1. c. S. 446, 449.
2 ) S. hierzu Voigt, Markgraf Albrecht Alcibiades von Branden¬
burg-Calmbach, Bd. H, (Berlin 1852) S. 3.
*) Zasius an König Ferdinand, Augsburg, 20. Febr. 1553 in
Druffel, Briefe und Akten zur Gesch. d. XVI. Jhdts., Bd. IV
Nr. 47 S. 44.
4 ) In einer seiner Urgichten.
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kunigs begern, daß der marggraf seine gesandten gen
Schaffhansen welle abfertigen, daselbst wurden des
kunigs verordnete auch sein, die sollten dieser capitulation
halben schließlich handlen 1 ). die capitulationsarticel, so
Friderich Spät anstatt des marggrafen mit dem kunig
von Frankreich abgeredt, sind die gewesen, daß der
marggraf den hertzogen vonAmal umb 100000 cronen
soll ledig geben, und daß der marggraf sich in des kunigs
von Frankreich dienst und puntnis geben soll; so welle
ime der kunig auf 3000 pferdt und 40 vendl knecht monatlich
30000 cronen geben, und mit solchem volck soll der marg¬
graf auf das Niderland ziehen, daselbs welle der kunig
mit seinem häufen zu im stoßen, es welle auch der kunig
mittl furnemen, damit der marggraf mit seinen widerwertigen
vertragen werde 2 ).“
„Darauf hab marggraf dem Raiden ein instruction, mit
Ziffern gescbriben, zägestellt, die niemands denn marggraf
und Raid lesen können, ungeferlich des inhalts 8 ), daß der
marggraf den hertzogen von Amali gegen erlegung
von 100000 cronen welle ledig geben, er, der marggraf, kilndt
sich aber umb ein so geringe suma gelts nit bestellen lassen;
welle in aber der kunig halten, wie er hertzogen Moritzen
im 52. jar gehalten hab, welcher ungeferlich auf 60 vendl
knecht und 400 reuter monatlich 72 m cronen gehabt, so
well sich der marggraf mit dem kunig einlassen, doch daß
der kunig dem marggrafen vergun, solch kriegsvolk zuvor
wider seine veindt zu gebrauchen, darauf ist Raid mit
obgemelter instruction zü dem ersten mal in Frankreich
geritten und sein Werbung vor dem kunig in teutscher sprach
forbracht, in beisein seines und des kunigs von Frankreich
dolmetsch 4 ), darauf ime der kunig persönlich geantwurt
und durch des kunigs dolmetschen ime verdeutscht worden.“
„Zu dem andern mal, wie Raid in Frankreich postiert,
hab er den Franzosen, den Amali, mit ime gefiert und dem
kunig presentiert 5 ).“
') S. hierzu Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von
Württemberg, Bd. II, (Stuttg. 1900) Nr. 493 S. 392ff. mit Anmerkungen.
Druffel, 1. c. Nr. 371, 383, 385.
2 ) Die Antwort des Königs auf Spats Werbung bei Ernst
S. 393, Beil. A.
*J Die Instruction Raids ebenda S- 396, Beil. C.
4 ) Siehe das ,.erste Anbringen Raids“ beim König ebenda S. 395,
Beil. B.
5 ) Voigt, Albrecht, lf, S. 198 und die dort S. 199 Anm. 1
aufgef. Literatur. S. hierzu auch Ernst, Nr. 619 S. 514, wonach der
Markgraf seinen Gefangenen am 28. April selbst dem Leutnant des
Obersten von Metz übergab. Vgl. auch ebenda Nr. 649 S. 537.
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„Zu dem 3. mal ist Raid ia Frankreich der Ursachen
postiert, daß der kunig dem marggrafen, wie er von seinem
land vertriben gewesen, ein herscbaft hat sollen eingeben,
«o welle der marggraf selbst hinein kommen 1 ). welches alles
im 54. beschehen.“
Was Raid hier erzählt, umfaßt durchaus nicht alle
„Handlungen“, die er damals betrieb, auch verschweigt er,
«laß man ihn im Herbste 1554 in Frankreich wegen
eines „praktizierlichen“ Briefes, der bei ihm gefunden worden,
auf kurze Zeit in Haft genommen hatte 2 ).
In den nächsten Jahren kommt uns Raid aus dem
Gesicht, und wir hören von ihm erst wieder in der Zeit nach
dem Tode des Markgrafen Al brecht (8. Januar 1557).
Er war wie so manche andere, die gehofft hatten, im
Dienste des Markgrafen zu Gnt und Geld zu kommen, statt
•dessen in missliche Vermögensverhältnisse geraten, und so
verfiel er, obwohl er (im Herbst 1557) mit der „Annebmung“
von 500 Reitern fUr den Herzog von Florenz und
mit anderem „Kriegsgewerb“ beschäftigt war und auch mehrere
kleinere Bestallungen, z. B. bei David Baumgartner,
hatte, auf den Gedanken, sich bis zum Eintritt besserer
Zeiten durch Beteiligung an Raubritterunternehmungen auf¬
zuhelfen. In der Schule, die er bei dem Markgrafen durch¬
gemacht, hatte er ja das Räuberhandwerk gründlich erlernt
und auch genügend Gelegenheit gefunden, persönliche Be¬
ziehungen mit Rittern und „Reutern“, die sich damit ab-
gaben, anzuknüpfen; so mit dem bekannten Wilhelm von
Grumbach, mit dessen Vetter Hesse Ivon Grumbach
und dem diesen eng „verwandten“ Wilhem von Stein.
Von kleineren Anschlägen, die er ausheckte, wollen wir hier
absehen, um gleich auf das „stattliche“ Unternehmen ein¬
zugehen, das er. im Herbste des Jahres 1557 vorbereitete.
Die beiden Grumbach, Wilhelm und Hessel, hatten
Wind davon bekommen, daß um Weihnachten der wöchentlich
nach Venedig abgehende Augsburger Bote eiue größere
Sendung von Geld und Kaufmannswaren nach Italien
führen werde, und sie machten sich nun an Raid heran,
») V o i g t, Albrecht, II S. 219.
2 ) Ernst Nr. 811 S. 672, 812 S. 673.
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am durch diesen, der ja in Augsburg heimisch war, das
Nötige auskundschaften zu lassen. Raid selbst fand in dem
Augsburger Bürger Joachim Elsässer, seinem liebsten
Bruder und Freund“, sowie in dem früheren markgräflichen
Profosen Hans Baldauf willige „Verräter“, die ihm alle ge¬
wünschten Einzelheiten zutrugen. Schließlich bildete sich zur
Durchführung der Sache durch gegenseitige „Verschreibung“
eine Gesellschaft von zehn Mitgliedern, welche, die Kundschafter
eingeschlossen, alle gleichmäßig an der Beute Anteil haben
sollten. Der Leiter des Überfalles selbst war Hessel von
Grumbach, der den ihm genau bezeichneten Boten nicht
weit kommen ließ, sondern schon auf dem Lechfeld in
der Nähe von Landsberg niederwarf und ausraubte.
Raid erhielt aus der Beute zweihundert Kronen, drei
Beutelchen mit Perlen und drei Rubinringe.
Dieser Überfall machte wegen der Höhe des den Räubern
in die Hände gefallenen Wertes und verschiedener Neben¬
umstände weithin ungeheures Aufsehen, und S c h e r 11 i n
von Burtenbach, der natürlich auch ein genauer Be¬
kannter Raids war 1 ), fand den Vorfall wichtig genug, um
ihn in seiner Selbstbiographie zu erwähnen 2 ). Aber der
Gewinn war für Raid wegen der großen Anzahl der Teil¬
haber nicht ergiebig genug, und er sah sich nach wie vor
in Geldverlegenheiten. Im April 1558 ersuchte er seinen
Freund Elsässer, für ihn ein Darlehen von zweihundert
Gulden aufzubringen 8 ), und gleichzeitig suchte er einen neuen
„Gesellen“ zu einem Raubhandel. Indem wir das, was sich
in unseren Quellen darüber erhalten hat, aufgreifen, kommen
wir wieder auf den Mann, dem diese Zeilen eigentlich gelten,
denn der „Geselle“, mit dem Raid diesmal Gemeinschaft
machte, war niemand anderer als GeorgFrölich. Dieser
versah damals in den Diensten Ottheinrichs das Amt
des Vorstandes der pfalzneuburgischen Kanzleiverwaltung
*) Daß Schertlin mit Raid viel zu tun hatte, ergibt sich aus
mehreren Stücken in den von Druffel herausgegebenen ..Briefen
nnd Akten“ und in dem Briefwechsel Herzog Christophs.
2 ) S. unten S. 17 Anm. 1.
s ) Schreiben ßaids an Elsässer vom 21. April 1558 (Urgichteu-
sammlung).
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and hatte eben erst die Ehre gehabt, den von Frankfurt
zurückkehrenden neu gewählten Kaiser Ferdinand im
Aufträge seines Herrn zu Nördlingen zu begrüßen l ).
Auch Frölich befand sich im Frühling 1558 in der Klemme.
Seine Tochter Anna, die in zweiter Ehe mit dem Arzte
und Alcbymisten Dr. Keller aus U1 m verheiratet gewesen,
war damals gestorben, und nun forderten die Vormünder
ihrer Kinder aus erster Ehe von Frölich das Muttergut.
Einen Teil dieses Geldes abejr hatte Frölich nebst eigenem
den Augsburger Kaufleuten Hans und David Weiher
übergeben, die in Lyon Bankrott machten 2 ). Die Haupt¬
schuld daran maß er dem mit den Firmen B i m e 1 und L i n c k
in engen Geschäftsverbindungen stehenden Kaufmann Hans
Lagnauer 8 ) zn, der unmittelbar vor dem Zasammenbruch
der Weiher sein bei ihnen eingelegtes Geld noch zu retten
gewußt hatte. Frölich war Uber diesen Verlust — im
ganzen etwa 4200 Gulden — wütend und suchte in un¬
gestümer Weise auf dem Rechtswege zu dem Seinigen zu
kommen. Bald aber sah er ein, daß dies vergeblich sein
würde, und da er, wie er sich rühmte, „Gott sei Dank
genugsam mit Verstand begabt war“, um sich in einem
solchen Falle selbst zu helfen, kam er mit Raid, der bei
dem Bankrott ebenfalls Geld verloren haben wollte, überein,
sich durch gewaltsame Wegnahmne von Lagnauer sehen
und Biraelsehen Kaufmannsgütern „ihres Schadens zu
ergötzen“ 4 ). Aber dieser Plan und andere Anschläge, die
’) R a d 1 k o f e r, 1. c. S. 70 Anm. 7. — Ferdinand kannte Frölich
schon von früher her, als dieser noch Stadtschreiber in Augsburg war.
Im Jahre 1548 hatte Frölich dem Kaiser und dem König seine deutsche
Übersetzung der an König Nikokles von Cypern gerichteten Rede des
Isokrates „Vom Reiche“ gewidmet. Radlkofer S. 85ff.
*) R a d 1 k o f e r S. 81. — Über Frölichs Handel mit den Weihern
und Lagnauern haben sich mehrere Schriftstücke in der Autographen¬
sammlung des Augsb. St.-Arch., Faszikel Frölich, erhalten.
3 ) S. über diese Firmen etwa Strieder, Zur Genesis des
modernen Kapitalismus. Forschungen zur Entstehung der großen
bürgerlichen Kapitalvermögen ... in Augsburg (Leipzig 1901)
S. 146ff., 151 ff., 210ff.
4 ) Am 11. April 1558 ersuchte Raid seinen Freund Elsässer in
einem Briefe, ihm die Handelszeichen der Bimelschen Gesellschaft und
des Hans Lagnauer, wenn er ein eigenes führe, zu übersenden.
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Raid noch hegen mochte, kamen nicht mehr znr Ausführung.
Die Eigentümer der anf dem Lechfeld geraubten Güter
hatten beim Kaiser, als er in Schwaben geweilt, Klage
erhoben und einige der Täter, nnter ihnen Raid, angezeigt.
Anfangs Mai erschien darauf hin ein kaiserlicher Kommissär
vor dem Rate in Donauwörth und verlangte von diesem
unter Vorlage eines schriftlichen Befehls die Auslieferung
des „im ganzen Reiche verschreiten, bannisierten und auf¬
ruherischen“ Raid 1 ). Dieser wird herbeigeholt, erschrickt,
wie er sieht, um was es sich handelt, erhebt zuerst heftigen
Widerspruch gegen die Forderung des Kaisers, ergibt sich
aber, nachdem er die Nutzlosigkeit des Widerstandes ein¬
gesehen, in sein Schicksal und läßt sich zur Donau führen,
um die Fahrt nach Österreich hinab anzutreten. Die
Untersuchung wurde unter reger Beteiligung des Kaisers
selbst in Neustadt geführt, wo Raid wiederholt „gütlich
und peinlich“ verhört wurde 2 ). Seine Ausrede, er habe ge¬
glaubt, die bei Landsberg aufgehobene Sendung sei ein
für Rom bestimmtes Quatembergeld und dürfe, da damals
der Papst des Kaisers Feind gewesen 8 ), straflos weg¬
genommen werden, half ihm nichts, denn er wurde überführt,
genau gewußt zu haben, daß das geraubte Gut einer Menge
ihm mit Namen bekannter Particularpersonen gehört habe;
„Bin bedacht, neben dem herrn Frölich die ballen (dieser Firma) auf
recht (!) zu attestieren an ortn und endn, da wir nit so ain langen
proceß gewarten muessen“.
*) Königsdorfer, Gesch. des Klosters zum Hl. Kreuz in
Donauwörth, Bd. II (Donauwörth 1825) S. 214 nennt als Tag der
Verhaftung, wie es scheint richtig, den 3. Mai, aber unter dem falschen
Jahre 1553.
2 ) Ein Auszug der ersten Verhöre Raids wurde vom Kaiser
dd. Wien, 20. Juni 1558 an die Geheimen von Augsburg gesandt,
worauf ihm diese unter dem 3. Juli die Urgichten des von ihnen unter¬
dessen eingezogenen und inquirierten Joachim Elsässer überschickten.
Nachdem diese Raid vorgehalten worden, ließ Ferdinand den Augs¬
burgern, Wien, 18. Oktober, die späteren Aussagen Raids zugehen, die
nun als Grundlagen für weitere Verhöre Elsässers dienten. Sämtliche
Schriftstücke in der Urgichtensammlung des Jahres 1549.
*) Krieg des Papstes Paul IV. gegen Kaiser Karl V. und dessen
Sohn Philipp II. Paul verweigerte auch Ferdinand, Karls Nachfolger
in der Kaiserwürde, die Anerkennung.
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er sei doch, hielt man ihm spöttisch vor, „ein vermeinter
Kriegsmann“; da müßte er wohl wissen, daß Perlen und
Edelsteine „keine Bezahlung im Kriege wären“.
Bei den Verhören, handelte es sich aber anch noch um
andere Dinge als diese Raubhändel, nämlich um Raids
politische Tätigkeit. Man erkannte immer deutlicher, daß
er bei allen „Konspirationen“, die seit 1551 gegen den
Kaiser angesponnen worden waren, seine Hand im Spiele gehabt
und noch habe, daß er zu den „aufrührerischen“ Elementen
zählte, die wie dieAugsburgerGeorgÖsterreicher,
Jakob Herbrot, GeorgFrölich — und eine Zeitlang
auch Schertlin — als geschworene Feinde des Kaisers
die ihrem „Vaterland“ und ihnen selbst zugefügte Ver¬
gewaltigung nicht vergessen konnten nnd, wie man an nahm,
nur auf eine günstige Konstellation lauerten, um das dnrch
die Eingriffe des Kaisers Verlorene wieder zn gewinnen nnd
im besonderen in den Reichsstädten das Zunftregiment wieder¬
herzustellen 1 ). Man meinte ferner, daß er enge Beziehungen
unterhielt zn dem „Erzverschwörer“ Gabriel Arnold
und zu dem gefährlichen Kreis der mit Wilhelm von
Grambach in Verbindung stehenden Ritter und Fürsten,
nnd hegte sogar den Verdacht, daß er an der Tötung des
Bischofs Melchiorvon Würzburg unmittelbar beteiligt
gewesen sei. Auch wiesen verschiedene Indicien darauf
hin, daß er in die Umtriebe, die in den ersten Monaten
des Jahres 1558 das Reich mit neuen kriegerischen Un¬
ruhen bedroht, verwickelt sei. „Er soll auch erklären“,
heißt in den an ihn gestellten Fragen, „auf weß befelch,
fürderung oder hilf ain unversehenlicher zug durch Franken
nnd ains tails Bayren und die marggrafschoft Burgaw
und furter, dem kunig von Franckreich zum pösten,
mit raub und prandschatzung den jetz verschinen frueling
l ) Eaid sollte nach den allerdings sehr schwankenden und un¬
zuverlässigen Aussagen Elsässers geäußert haben: „So die fürsten (1558)
wider alher werden kommen und er dabei sei.. woll er
darob und dran sein, daß man den jetzigen rath entsetze, die rättl-
fürer zum tail zum fenster hinaushencke, zum tail denen, die bepstisch
wern, die köpf hinder den hintern legte, die zünft wider aufrichte, einen
andern rath setze und [andere] pollicei auf richte.“
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furgeen sollen? — Was er im selbigen zug für bevelch haben
sollen, und wer die rädlfuerer und bevelchsleut sein haben
sollen? — Sonderlich, was er und ainer oder mer genach-
baurten im Rieß wider mein gnedigen fürsten und
herrn hertzogen zü Bairen darunder fnrzünehmen
willens gewesen, und was sie sich für hilf im land Bayren ,
Schwaben und anderswo vertröst und von wem?“ 1 ) Be¬
sonders scharf aber inqoierierte man ihn wegen seines Ver¬
hältnisses zu Frölich, denn abgesehen von dem oben er¬
wähnten Kaubanschlag und anderem war dieser dem Kaiser
bekannt geworden als der Verfasser eines „famosen Buches“
über den schmalkaldischeu Krieg — offenbar unsere Histori a
belli Schmalcaldici—, das die Bestimmung habe, neuer¬
dings Aufruhr in den Städten zu erregen. Raid gab, trotz der
schrecklichen Folterqualen, die er schließlich erleiden mußte,
auf alle diese Dinge nur ausweichende, nichtssagende Ant¬
worten, denn er sah das einzige Mittel zu seiner Kettung
im Leugnen. Aber bald mußte er erkennen, daß er vor
diesem „parteiischen Gericht“, wie er es nannte, trotzdem ver¬
loren sei, und nahm in einem Schreiben, das er aus dem
Kerker an seine Fran richtete, für immer von ihr Urlaub.
Dennoch forderte er sie auf, alle ihm bekannten Fürsten und
Herren zu seiner Rettung in Bewegung zu setzen und zu
Filrschriften an den Kaiser zu veranlassen. Daß solche id£
größerer Zahl einliefen, ist nicht zu bezweifeln: 1aoflddB£fciicb'
bezeugt ist eine von dem Kurfürsten Ottheinr'iöih'^Bie
wahrscheinlich durch die Vermittlung Frölichs „äus-
gebracht“ wurde. Der Bote, der sie überbrachte, hatte auch
einen Brief von Raids Frau bei sieb, den er ihm auf eigen¬
artige Weise in die Hände spielte. Er gab ihn nämlich
einem Schüler, der vor Raids Gefängnis ein Lied sang und
ihm dann den Brief unter dem Schein, als ob er ihm den
Text des Gesungenen überreichte, zum Gitter des Fensters
hineinlangte. Aber alle Mühe, die sich Raids Frau und
seine Freunde gaben, das bittere Ende, das vor Augen stand,
von ihm abzuwenden, war vergeblich: am 14. November 1558
*) Was über diese Pläne bekannt geworden, ist am genauesten
festgestellt bei 0 r 11 o f f , Gesell, der Grnmbacher Händel, Bd. I
(Jena 1868) S. 122.
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starb er durch die Hand des Henkers*). Mit ihm schied ein
kluger, energischer Mann, ein frischer, kühner „Reuter*-, eiti
geschickter „Händler“ bei Abmachungen aller Art, der Typus 1
der jenem Zeitalter eigentümlichen Abenteurer, die, zum Teil
unter dem Deckmantel des Evangeliums, in der Ausnützung
kriegerischer und politischer Wirren ihr Glück suchten und
überall da auftauchten, wo sie im Trüben zu fischen hoffen
konnten. Einen Monat nach ihm, im Dezember, wurde sein
Genosse Hessel von Grurabach, der als Ritter von der
Landstraße eine sehr umfassende Tätigkeit entfaltet hatte,
von den Nürnbergern gerichtet 2 ), am 16. März des nächsten
Jahres Joachim Elsässer, dem außer seiner Teilnahme
an Räubereien auch die Vergiftung seiner Frau zur Last ;
gelegt wurde, von den Augsburgern 8 ).
* *
*
Und nun wollen wir aus den Raid sehen Urgichten.
die wichtigsten Stellen mitteilen, die sich auf Erblich'
überhaupt und sein „famos Buch“ imbesondern beziehen:
J ) Schertlin sagt in seiner Selbstbiographie (Leben nnd Taten
des .. . Seb. Schertlin v. B., ed. S c h ö n h u t h (Münster 1858) S. 114:
„Es ist vil raubens und reuterei dits jars fürgangen, derohalb Sylvester
Raid, ain raum raisiger zu Thonawerde, in der statt von ainem ratt
daselbst bei nacht dem rö. ke. gefencklich hinausgeben worden, dar¬
nach zü Wien enthaupt, und ainer, genant Hessle von Grampach,
zü Francken in der. margrafschafft Brandenburg, von denen von Nuern-
b.erg' aüß einem bad genomen und gen Nuernberg fäncklich geliert
worden, umb daß die baid denen von Augspurg 26000 11 ufm Lech¬
feld geraubt und anderes mer von des margräfischen handeis wegen
geiriben sollen haben; der ist im monat december’zii Nuernberg ent¬
haupt“. — Das genaue Datum der Hinrichtung Raids bei 0 r 11 o f f,
I. c. S. 140 Anm. 1.
*) Siehe die vorige Anmerkung.
*) Seine Urgichten sind in der Urgichtensammlung, 1549 und
1558 sämtlich erhalten. Die Augsbarger Annalen von Gasser (Deutsche
Übersetzung, Frankf. a. M., 1595), III S. 98 berichten über sein Ende:
„Den 16. Tag desselbigen monats (März) ist Joachim Elsässer, ein
burger allhie, rücklings und auf bretter gebunden, wie man die mörder
zu binden pflegt, vom rathaus mitten durch die statt für Unser Frawen
Thumb über und dem Wertachbrucker thor bis zum hochgericht hinauß .
geschleift und daselbsten aus bewiesener gnad enthauptet worden, umb
daß er seiner haußfrawen mit gift vergeben und Heßlino Grumbachen,
wie noch andern straßenraubern, nicht allain unsre burger sondern auch
ire waren verraten hatte.“ 1
Arohiy für Keformationsgesohiobte. IX. 1. 2
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Über - die vorige articl ist Sylvester Raid von neuen
dingen auf die iiernach gescliribne articl befragt worden.
1. „Der kai. mt. wer unverborgen, in was innerlichem,
grossem vertrauen er mit Görgen Frelichen, gewestem
stattschreiber zu Augspurg, lange zeit, insonderheit aber
seit des aufrUrischen französischen kriegs anno etc. 52 bis auf
die stuüd seiner einziebung, herkommen, und daß ir kainer
one den andern nichts furnemlichs gebandlet oder ainiche
gehaim dem andern verborgen gehalten, inmaßen sie dann
auch kurzverruckter monaten gar enge und haimliche an-
schleg mitainander vorgehabt und beschlossen hetten über
Hansen Langnauer, burger zu Augspurg, und dem¬
selben von wegen aines gelts, so sie beed in Frankreich
bei den verdorbenen Weyern gehabt, trotzlich und abclags-
weise sammthaftig zuegeschriben, auch ainer auf den andern
sich referiert, auf mainung, daß je ainer zu dem andern zu
setzen gedächte, wie dann nit allain dasselb sonder auch
gar vil anderer gehaimer hendl raer, so sie die ermelte zeit
her mitainander gefuert, der kai. mt. zimlich woll bewißt
weren.“
„Wiewol nun irer kai. rat. ernstlicher bevelcb, willen und
mainung, daß er aller solicher practicen handlungen und ver-
steudnussen, so sie beede obgemelt mitainander die bestimbte
und sonderlich die zeit here seid raarggraf Albrechten
abzug vor M ö t z *) gehabt, nichts verschweigen, sondern kleins
und groß und dasselbe alles claar und in specie aussagen und
erclären sollte, und, wo das nit geschehen, daß gegen ime
die schärpf, davon andermals gnügsam meldung gethan, das
mittel wurde sein miessen, solichs aus ime zu zwingen: so
wollen doch ir kai. mt. jetzo uud dasselb on alles verziehen
und gleich in continenti von ime beschaid und lautern bericht
haben, weß ime bewußt wer umb das cöncept aines famos
büechs, so gedachter Frölich noch in lebenzeiten raarggraf
Albrechts ungevärlich vor vier jaren under den henden
gehabt und aus seinem köpf gedichtet, verfaßt und begriffen,
in welichem furnemlich die alte kai. mt. von wegen des
Schmalkäldischen kriegs und sonderlich der verenderung
halber der oberkeiten in den reichsstetten und dann auch
die jfetzige kai. mt., damals kon. mt., uud sonst vil und ge¬
horsame churfürsten, fürsten und stend, bevorab die geist¬
lichen, und daneben insonderhait die statt Augspurg,
zum tail auch Ulm und andere siett mer aufs allerhitzigist
und verletzlichist angezogen und das thema solches puechs
») Siehe Voigt, Albrecht,, II S. *6ff.
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dahin gestellt worden, damit dahere die nnrnesamen gemueter
hin und wider im reich tentscher nation wider zü auf-
rnerischen unthaten, fnrnemblich aber das pöfel in den reichs-
stetten wider die darinnen [sitzenden] kai. regiment sich zft
empören bewegt werden sollten, mit andern widerwertigen
inhalt mer, alles zü Stiftung neuen unrats im Teutschland
gemaint.“
„Nun were gründliche kundtschaft vorhanden, daß der an-
fang solches puechs erstlich zu Laugingen, und ee dann
vorbemelter Fre 1 ich geen Gundlfingen kommen, aufs
pabier, aber volgendts daselbsten, zu Gundlfingen 1 ),
zu völligem beschluß gebracht worden 2 ).“
„In gleicher erfahrung were auch ain unverneinliche ge-
wißheit, daß beruerter Frölich ime, Sylvestern, in dem
vertrauen, das zwischen inen nit woll grösser sein können,
den inhalt solches seins verfaßten famos buechs vertraut, vom
anfang bis zum end lesen lassen und dasselb, eemalen er
es gar zum beschluß gefuert. und das mer, daß auch er,
Sylvester, solche arbait nit allain in der materi, sondern
auch der zierlichait des gedichts zum höchsten gebriesen und
gelobt und sonder groß frolocken darüber gehabt.“
„Wann dann irer kai. mt. bericht, daß er ain mann wer
aines gueteu gedechtnus, so sollt er sehen und sich alles des
inhalts, in vil bemeltem buecb begriffen, nur wol erinnern
und von articln zu articln aussagen, was derselbe inhalt
durchaus gewest wer, und sollte nit fälen, für ains.“
2. „Fürs ander, so sollte er auch clärlich anzeigen, wer
mer umb solich gedieht erstbenanten buechs gewußt, dasselb
gar oder zum tail gelesen und gefallens darob gehabt hette.“
3. „Fürs 3. sollte er gleichfalls auch anzeigen und claar
reden,weßbemelter Frölich undGörg Österreicher 8 )
*) Nach Lauingen kam Frölich im Sommer 1553, in Gundelfingen
wurde er ansässig Ende 1554 oder anfangs 1555.
2 ) Spätere Forscher kamen auf Grund des Inhalts des Buches auf
eine andere zeitliche Begrenzung der Entstehung und der Beendigung.
Siehe z. B. Voigt, Geschichtschreibung etc. S. 728, Radlkofer
S. 94.
3 ) Georg Oesterreicher, 1548 der letzte Bürgermeister Augs¬
burgs aus den Zünften, war während des Fürsten-Krieges neben
Herbrot der Leiter der gegen die „Neuerungen“ des Kaisers vor¬
genommenen Reaktion und galt als heimlicher „Verbündeter“ des
Kurfürsten Moritz. Der Kaiser verhängte deßhalb über ihn, trotz des
Aussöhnungsartikels im Passauer Vertrag, die Strafe der Verbannung
aus der Stadt. Oesterreicher wurde dann sächsischer Amtmann zu
Chemnitz und Zell, später Pfleger in Lauingen und führte gegen den
Augsburger Rat, dem er die Schuld an seiner Exilierung zuschrieb,
einen jahrelang sich hinziehenden erbitterten Prozeß, der damals noch
in der Schwebe war. S. über ihn Roth, Augsburgs Ref.-Gesch. IV.
Register.
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vor diser und auch vor neulicher zeit für besonder rat- und
anschläg miteinander gehabt, die mittl und weg ainraal zu
finden und zü treffen, durch weliche in den reicbsstetten
widerumb verenderungen der gesetzten kai. regiment zu er¬
langen und die Sachen in vorigen verstandt, wie die zur
zeit der zunften gewest, zü bringen, und er sollte gedenken,
den rechten grundt und kain nain darzü zu sagen, denn man
hett sovil grundts, daher die vergwissung verhanden, daß
er diser ding volkomner mitwllsser wäre; darumb dürft es
kaines vernainens.“
„Man wollte aber nit allein die rat- und anschleg, sonderu
auch die gemeinen reden, so er deßhalben von disen beeden
und sonst auch allen andern hievor bestirnten personen diser
Sachen halben jemalen gehört, von ime claar und völlig
wissen, und insonderhait, warumb er und sein häuf die be-
ruerten kai. regiment in ernst und schimpf des Hasen rat
oder regiment genannt 1 ) und sonst von demselben jeder zeit
zum widerwertigisten, schwirigisten und verächtlichisten ge-
redt hetten. in dem er nun kains leugnens sich understeen
sollte, dann man wlißt^ ine solicher durch in und sein
eebemelte gesellschaft gethaner schwingen reden, zum tail
auch anschlege zü besetzen.“
Auch auf diese Fragen hatte Raid nur die Antwort,
daß er nichts wisse. Mit Frölich, sagte er, „hab er kein
practic oder geheimnuß nie gehabt anderst, dann wie oben
von im verstanden, uemlich mit niederwerfung der „P i m 1 i -
sehen etc. gueter, ires Schadens damit einzukommen“ . . .
„Des famos buechs halben wiß er nit, ob dasselbig Frölich
gemacht, aber der buechfuerer zü Thonawerdt hab im
dasselb in sein haus bracht, ist von dem Schmalkaldisc-hen
krieg gewest, darinnen die vorig und jetzig kai. mt. zum
heftigisten angegriffen, welches hernach Frölich in seim,
Sylvesters, haus gesehen und gleichförmigs von dem
buechfuerer zü Thonawerdt kauft hat“ 2 ).
Das Ergebnis dieses Verhörs liegt klar zu Tage. Wenn
auch wohl im Auge zu behalten ist, daß man in den Frage-
*) Fürstenwerth macht anf Grand des ihm vorliegenden
Materials S. 74 Anm, 2 die treffende Bemerkung: „Sylvester Raid
bietet . . . ein Gegenstück zn Hasse in seinem eifrigen Streben nach
Abschaffung der Hassenräte und Herstellung der Zünfte“ (im Jahre 1552).
*) Er sagt letzteres offenbar nur, um Frölich zu entlasten, wenn
bei diesem eine Handschrift des Buches gefunden würde.
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stücken, die an die Gefangenen gestellt wurden, häufig nur
auf den Busch klopfte und ihnen Dinge, die nichts als
Verdachtsmomente waren, als erwiesene Tatsachen vorhielt,
so ist doch in dem vorliegenden Falle ersichtlich, daß die
Frager durch die von ihnen eingezogenen Kundschaften und
erhobenen Zeugenaussagen wirklich gut unterrichtet waren.
Und auch die innere Wahrscheinlichkeit spricht ganz dafür, daß
sich der heißblütige Frölich gegen Raid und andere Ge¬
sinnungsgenossen Ober den „Hasenrat“ und die ihn wenig
befriedigende Lage der Dinge Oberhaupt des öfteren in
Klagen und Verwünschungen ergangen und wohl auch den
Wunsch ausgesprochen hat, daß es noch einmal anders
werden möchte, wozu er das Seinige gern beitragen' wolle.
Imbesonderen aber macht das, was in den Fragen über
Frölich als Autor des „famosen Buchs“ und Raids Kenntnis
desselben vorgebracht wird, durchaus den Eindruck, daß dem
kaiserlichen Hofe genaue uud bestimmte Angaben Vorlagen,
und der Eifer, mit dem man von dem Gefangenen noch
weiteres darüber zu erfahren suchte, läßt erkennen, wie
sehr man über den Inhalt desselben, den man doch nur vom
Hörensagen kannte, erregt war. So lassen denn diese Fragen
keinen ernstlichen Zweifel mehr obwalten, daß Georg
Frölich, wie Voigt, Lenz und Radlkofer vermutet,
wirklich der Verfasser des berühmten Geschichtswerkes ist.
Das wird auch durch die ausweichende Antwort Raids
indirekt bestätigt. Er, der es handschriftlich besaß und
genau kannte, sagt, um seinen Freund zu schonen, er wisse
nicht, „ob dasselbe der Frölich gemacht“; aber hätte er
einen andern als Autor angeben können, so hätte er es gewiß
getan.
Daß Frölich von der Animosität, die der Kaiser
gegen ihn und sein Buch hegte, erfuhr, ist sicher anzunehmen;
doch ist uns unbekannt, ob wegen des letzteren oder wegen
des Raubanschlages auch gegen ihn ein Proceß eingeleitet
wurde. Wenn er keine andere Strafe erlitt, traf ihn
wenigstens die, daß er sein Werk, das ja für die Öffentlichkeit
bestimmt war 1 ), nicht in den Druck geben konnte, sei es,
J ) Es geht dies, abgesehen von anderem, hervor aus den Worten
(M e n c k e n , Halbseite 1J8J): „Weil hochgemelte stend des reichs wol
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daß ihn die Fercht vor dem Zorn des Kaisers davon abhielt,
oder daß es ihm von diesem oder seinem Landesherrn direkt
verboten wurde. So vergingen nahezu zweihundert Jahre,
bis das Buch in die Presse kam, und Frölichs Autorschaft
blieb bis zum heutigen Tage fraglich. Schade, daß wir bei
dem Bemühen, diese festzustellen, an dem Charakterbilde
Frölichs, das schon nach den bisherigen Forschungen nicht
ganz fleckenlos dastand, noch einen neuen Makel bloßlegen
mußten.
mehr und anders vill, so sich in anschlegen, thatten, handlnngen etc.
zfigetragen, wissen, ist an sie mein unterthenig, dienstlich anlangen
und bitt, sie wollen diß mein schreiben erörtern, corrigieren, mindern,
mehren, wo es die notturfft und warheit ereischet“.
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Briefe yon Antonius Musa an Fürst
Georg yon Anhalt 1544—1547.
Mitgeteilt von Otto deines.
ln meinen Beiträgen zur Reformationsgeschichte 1 (1900),
S. 62 ff. habe ich ein kurzes Lebensbild von Antonius Musa
vornehmlich auf Grund der von diesem an Stephan Roth ge¬
schriebenen Briefe gegeben. Über die letzten drei Lebens¬
jahre, in denen Musa als Domprediger, Superintendent und
Mitglied des Konsistoriums in Merseburg Hand in Hand mit
Fürst Georg von Anhalt die Reformation im Bistum durch¬
führen half, bin ich schnell hinweggegangen. Und doch
hat Musa in diesen Jahren das meiste geleistet. Reichen
Aufschluß über seine Merseburger Tätigkeit gewähren uns
seine Briefe an Fürst Georg, die im Zerbster Archiv auf¬
bewahrt werden und die mir Herr Archivrat Professor Dr.
W ä s c h k e frenndlichst zugänglich machte. Ich drucke die
wichtigsten Stellen daraus im folgenden ab 1 ).
Am 4. Januar 1544 war der Merseburger Bischof
Sigismund v. Lindenau gestorben. Von seinem Regierungs¬
antritt (1535) ab hatte er dem Eindringen der Reformation
in sein Gebiet ununterbrochen zähen Widerstand entgegen¬
gesetzt. Anfangs hatte er auch zu Gewaltmaßregeln gegriffen,
um die lutherische Sekte fernzuhalten. Trotzdem erzwang
sich die neue Lehre von den Grenzgemeinden aus, solchen
besonders, die sich evangelischer Kirchenpatrone erfreuten,
') Einiges hat schon Paul Flemming daraus verwertet in
seiner ansgezeichneten Abhandlung „Die erste Visitation im Hocbstift
Merseburg (1544— 1545)“, Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte
in der Provinz Sachsen III (1906), S. 145 ff. Derselbe hat in der
liebenswürdigsten und uneigennützigsten Weise die vorliegende Edition
gefördert.
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den Eintritt ins Bistum. Auf dem Stiftstag zu Pfingsten
(13. Mai) 1543 mußte der Bischof auf Drängen seiner Stände
die Zusage geben, „das Evangelium solle im Stift gepredigt
werden wie in ganz Sachsen“. Dieses Versprechen löste er
jedoch nicht ein. Er drückte sich nicht nur um die Be¬
rufung evangelischer Geistlicher herum, er erschwerte auch
ihre Anstellung, wo er nur konnte. Doch halfen sich die
Gemeinden in der Regel selbst. Als er die Augen schloß,
war der Sieg der Reformation in seinem Bistum bereits
entschieden.
Herzog Moritz von Sachsen, der Schutzherr des Stifts,
bestellte nun (am 14. Mai 1544) seinen Bruder, Herzog
AugW, znm weltlichen Regenten des Bistums und gab ihm
(grp 16. Mai) den Fürsten Georg von Anhalt zum Koadjutor
in geistlichen Sachen bei. Diesem trat unser Musa zur
Seite. Schon zu Lebzeiten Bischof Sigismunds spielte seine
Berufung nach Merseburg, gesichert aber war seine An¬
stellung erst im März 1544. Am 29. Juni hielt er die erste
evangelische Predigt im Merseburger Dom 1 ). Bei den
Visitatipnen, die auf seine Anregung alsbald vorgenommeu
wurden, — die des Küchenamtes Merseburg wurde in den
Zeiträumen 23. bis 27. September, 30. September bis 4. Oktober.
13. bis 18. Oktober 1544 bewerkstelligt, das Amt Lützen
vyurde vom 28. Januar bis 3. März 1545, das Amt Lauchstädt
vom 12. bis 20. März, das Amt Schkeuditz vom 15. bis
21. Mai visitiert — wurden an seine Arbeitskraft die größten
Anforderungen gestellt. Die rechte breite Basis erhielt seine
Tätigkeit aber erst mit der Errichtung des Konsistoriums
in Merseburg am 11. Februar 1545. Mit den Domherren in
Merseburg, die vom katholischen Kultus möglichst viel za
retten suchten, und anderen papistischen Geistlichen hatte
er manchen Strauß zu bestehen. Auch machten ihm das
weltliche Treiben und die kirchlich-religiöse Gleichgültigkeit
und Unwissenheit der Bauern und Bürger viel zu schaffen.
So wechselten für ihn Siegesjubel und Hoftnungsfreude mit
Niedergeschlagenheit, Ärger und öfters explodierendem Zorn.
*) Der Brief Fürst Georgs an Justus Jonas bei K a w e r a u .
Der Briefwechsel des Justus Jonas II (1885), S. 126 Nr. 717 ist danach
zu datieren: Vor dem 29. Juni 1544.
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Jedenfalls aber müssen wir staunend Stillstehen vor dem Eifer
und der Leistungsfähigkeit des viel mit Krankheit und Leibes-
schwacbheit beladenen, sich damals wohl schon den Sechzig
nähernden Mannes *). Die Briefe sind nicht nur für die
Merseburger, sondern auch für die allgemeine Reformations¬
geschichte von Wichtigkeit. Hier sei nur beispielsweise aus¬
drücklich hingewiesen auf die Nachrichten Uber die in Leipzig
erfolgte Drucklegung von Luthers Ratschlag vom 6. März
1530 (Nr. 34), über den Naumburger Bischofsstreit und die
Belagerung Leipzigs 2 ).
1. 24. Juli 1544.
. . . a Celsitudine vestra binas accepi subinde litteras
perniciosum illud dissidium inter Parochum et Diaconum
Weyssensehensem 8 ) nunciantes, qua inquam simültate
grauiter commoti sumus, tum lllustris Principis Angusti etci
Strenui ac prudentissimi Consiliarij, tum ego quoque, lllis
metuentibus, ne qua inde sedicio cooriretur in vulgo, quod
vterque suas partes defensantes habeat asseclas, Me vero
maximi faciente offendiculum illud, quod ex illo simplicium
hominum conscienti§ hauriunt. Auf den 4. Aug. haben wir
beide Parteien, vorgeladen.
*) Wahrscheinlich ist er zwischen dem 15. und 28. Mai .1547
gestorben. (Nach Opel, Naumburg im Schmalkaldischen Kriege, Neue
Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquar. Forschungen 13
[1896], 512, hielt Antonius Muha [Musa!] Sonntag Vocem Jocunditatis
[15. Mai] 1547 im Feldlager Herzog Augusts vor Naumburg seine
letzte Predigt; „nach wenig Tagen in Gott verschieden“. Im übrigen
vgl. Flemming S. 154.)
*) Vgl. Georg Voigt, Die Belagerung Leipzigs, Archiv f. d.
Sächs. Gesch. XI (1873), S. 225ff. Der Abschnitt bei G. W u s t m a n u ,
Geschichte der Stadt Leipzig I (1905), S. 52311 beruht ganz auf jener
Abhandlung. — Außer dem oben schon erwähnten Aufsatz von
Flemming (unten immer einfach mit ,Flemming 1 zitiert) und
K a w e r a.u, Jonas’ Briefw. (mit K a w e r a u zitiert) ist in den
Anmerkungen besonders noch folgende Literatur benutzt: Frau-
stadt, Die Einführung der Reformation im Hochstifte Merseburg,
Leipzig 1843 ; 0. Clemen, Georg Helts Briefwechsel (Arch. f.Ref.G r
Erg. Bd. II), Leipzig 1907; F. Westphal, Fürst Georg der Gottselige
zu Anhalt, Dessau 1907; Derselbe, Zur Eiinnernng an Fürst Georg
den Gottseligen zu Anhalt, Leipzig 1907.
3 ) Pfarrer von Weißensee war damals Joh Hachenburg (Jöcher-
Adelung II [1787], S. 1707), Diakonus wohl Joh. Heller (CR. V, 845)
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Mag. Yaleptin Paceus 1 ), Pfarrer in Querfurt, yrar
bei mir ac pecijt se aliquo snffici parochum, caussatus
sommam inopiam, quam Querfurdie sustineret, adeo vt ne
liberos qnidem suos et vestire et alere pro necessitate saltem
commode posset. Com vero oppidninm illnd, coi ab ouibus
«chaffstet nomen, illi offerrem, respondit, si aliter non
possit, cogi se necessitate accipere, qne illi cnmqne offerretor
funccio. hic ego hominis prgclaram mecura expendens
erudicionem deinde tnrpe duxi ineptos maltos opalentis
pr^fici paroecijs, Doctis ac bonis neglectis. So vertröstete
ich ihn anf Eure Hoheit
Interim adnenit ad me Andreas Bohemns Quästor
Lanchensis*), vir et ipse doctas ac bonns, ac nunciauit
opas esse, vt alias quispiam pastor Schaffstadium sab-
stitaeretar qaamprimam, et significaait de qaodam, quem
itidem dicebat non valgariter doctum esse quiqae a populo
Schaffstetensi antea quoqae sepe flagitatas, sed non impe-
tratas esset, ac dicebat illum iam parochum esse in qaodam
exiguo ac sua erudicione indigno Pago nomiue Möcker¬
lin gk 8 ) in Prgfectara Freiburgensi nec dubitabat illum
funccionem Schaffstetensem sabitaram et vicissiro ab eadem
illum Ecclesia auide postulandum. Si igitur tarn probe inter
illos conuenit et bomo ille doctus est, putabam non incora-
roodum fore, vt coniungerentur, nam ad aedificacionem non
parum prodest amari ab Ecclesia Parochum . . .
De Paceo, vt et illi se digna funccione prospiceretur,
existimauit Questor Lanchensis posse illum Ecclesig Luczensi
prefici. Nam Senatus zcu Lüezen antea apud me questus est
de 8UO parocho 4 ) eum neque frigid um neque oalidum esse...
Ich aber möchte den Pfarrer von Weißensee nach Lützen
und den friedliebenden Paceus an seine Stelle setzen.
Fuit apud me eciam Parochus quidam ex Pago qaodam
Nawkyrcben 6 ), Nomine Petrus kyrcheuer, qui ante
biennium monachum egit in Monasterio Petri viciDO Merse-
burgio, Juuenis bona indole et tolerabiliter doctus ac vt
audio facundus, commendatus mihi a D. Doctore Jona. Is
flagitauit, vt se kegen Ran stet 6 ) sufficerem, ac significaait
se ab Ecclesia sua ita diligi, vt nollent eum dimittere, atque,
ne ab illis discedere posset, frumenta sua in agro a rusticis
*) Ueber ihn vgl. Flemming S. 186ff. und dazu noch ZKG. 81,307.
*) Laucha.
8 ) Möckerling bei Mücheln. Dieser Pfarrer hieß Joh. Hejße
(Flemming S. Ü03 unten).
4 ) Friedrich Metz (Flemming S. 186 und 155 unten).
5 ) Neukirchen. Der dortige Pfarrer heißt im Visitationsprotokoll
Kaspar Kirchner (Flemming S. 205 unten).
6 ) Markranstädt.
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sibi vadari ac retineri. cui respondi, expectaret, donec a Cel-
situdine vestra institueretur visitacio, tum posse baic caass^
adhiberi remediara. Tandem dixit, si su§ Ecclesi§ adderetur
alia vicina Ecclesia, cui Cor bete 1 ) nomen, veile se isthie per-
durare, nam nisi hoc der et, suam paroeciam ad se aleodapi
illi minime sufficere. Quia vero tarn belle conuenit plebi
•cum rusticis, veilem non disiungi. reieci tarnen canssam
hanc ad visitacionem.
Accusauerunt apud me eciam agricolg zcu Wesemar 8 )
et Rasenicz 8 ) pagis illis pastorem suura 4 ), quod Euangelium
non doceret nec encharistiam inxta Christi institutum por-
rigeret. Ich habe ihn freundlich ermahnt, und er hat Besse¬
rung versprochen.
Siguificatum mihi eciam est de qnodam Monacho, qui
vestitum monasticum eciam adhno gestans parochum agit in
pago, cui Franc kl eben 6 ) nomen, qoem dicunt horribiliter
blasphemare Doctrinam Christi, de quo deniqne certis testi-
monijs dicitur stuprasse eum et vxorero et filiam siraul
«uiusdam honesti Consulis zcu Leutendorff 6 ) vnter Graff
heynrichen von Sezwarqzburgk *), cui consuli nomen est hans
Becke, qui illum pessimum monachum nihil tale de eo
eciam snspicans Omnibus officijs et beneficijs adfecit. Et
est hoc flagicium publice isthie confessum tum a matre tqm
ft filia. quem monachum ego veilem quo debet relegatum . . .
.. . Merseburgij in vigilia Jacobi 44 ...
Beilage an Nr. 1.
... hesterno die [23. Juli] cum ex Roma: c. vj de bap-
tismo ac poenitencia pro mea virili concionarer,... dicebatur
mihi Dominum Decanum illum a Lyndenaw 8 ) concioni
interfuisse et diligenter auscultatura füisse, de quo tarnen
fama est, qnod nullas antea solitus sit vnquam audire con-
ciones neqne papisticas eciam. Si interfuit, quod pro veri-
tate mihi qui illum viderunt dixerunt, Spero rediturum ac
secum alios quoque adducturum . . .
*) Klein-Korbetha an der Saale.
*) Weßmar Fleinming S. 154 Anm. 1.
*) Raßnitz. .
4 ) Bartholomäus N. Flemining S. 207 unten.
5 ) Franklebeu. Der dortige Pfarrer heißt im Visitationsprotokoll
Baltzar weigkart, ein predigermöueh von Koberg (Fleinming
S. 182 unten).
•) Leutinberg scheint gemeint zu sein. Über das dortige
Dominikanerkloster vgl Ei nicke. Zwanzig Jahre Schwarzbnrgische
Reforuiatiousgeschicbte I (1004), 8. 77 f., 97.
*) Graf Heiurich XXXII von Schwarzburg (1531—1538).
8 ) Sigismund von Lindenau (Fraustadt S. 157).
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L. Laureneins 1 ) eciam modeste agit, sed hoc soluut
in eo reprehensione dignnm existimo: congregat senatom et
pellicit eos in snam sentenciam adeo, vt iam minetur ipse
ex Senatns consensn abicionem diacono sno 2 ), viro bono.
Deinde aeditno 8 ) decerpunt de priori salario plus quam xx
ac minantar illi, nisi velit tredecim florinis contentus esse.
Vt a funccione sna discedat. id omne agit pro sno nutu.
Lanrencias est ambiciosas vir, qui sibi mnlta arrogat a
nemine sibi commendata. Ista fiunt me clam imo plane
neglecto, cnm hec omnia constituenda ad vestram celsitudinei»
pertinent.
Senatus caraait illi domam tolerabüem, in qna se potest
vnam snstinere hyemem . . . datum vt supra etc.
2. 2. August 1544.
Dank für Brief und Vollmacht, geeignete Pfarrer eiu-
züsetzen. Sed celsitudo vestra primum sciat me in con-
stituendis pastoribus valde esse sollicitum, propterea quod
multi pseudoprophetg passim vestitir ouium sese venditent
mihique suo fuco imponant, quamobrem in scrutandis singu-
lörum moribus paulo curiosior esse soleo. Pace um ob
erudicionem amo illiqne quam optime prospectum cupio.
Sed aiunt hominem mire dvorgortov elvac , cuius rei gracia
tum ab vrbe Eyselebensi tum a Querfordia dimissionem
accepisse ferunt. ego vero ingenia placida et tractabilia
amo, et nouit celsitudo vestra, quam plenam offendiculis
tragediam Weyssensehenses mera ambicione et morositate
excitarunt, adeo vt Illustris Principis Augusti etc. Pruden-
tissirai Consiliarij metuant, nisi illi malo salubri consilio
obuiam eatur, fore, vt altercanciura partes sibi mutuo, vt
nihil acerbius dicam, insultent. iam si idem malum vel a
Paceo aut a quouis alio expectandum esset, in promouendo
vel illo vel alio calculum meum certe subducerem. Nihilo-
tamen minus iterum ad me scripsit his diebus Paceus et
flagitat, vt, si alio non queat, saltem Schaffstadium trans-
feratur, vxorem eciam suam malle isthic quam alibi habitare
dicit . . .
Senatus zcu Hanstedt 4 ) iam multis diebus pastore
carens docto ac bono quopiam parocho prospici sibi petit.
’) Lie. Lorenz Eeynhart, Pfarrer an der Maximikirche 1543—1554.
Fraustadt S. 191, Flemming S. 169. 1538 als Senior des Chor-
herreustifts zu St. Thomä in Leipzig genannt (Seifert, Die Reformation,
in Leipzig, Leipzig 1883, S. 199).
2 ) Heinrich Witticb. Flemming a. a. 0.
3 ) Augustinus Rosenberger. Flemming a. a. 0.
*) Flemming S. 154 Anm. 1.
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idipsum passim a multis ruricolis petitur. Fruges qnidem
albescunt ad messem, vtinam queamns a deo patre messores
ista sancta messe dignos impetrare. Ehesachen. Zwei Hin¬
gerichteten haben Mnsa und Laurencius 1 ) beigestanden, so daß
sie in Glaubensmnt verschieden sind.
Ceterom de Controuersia Eyslebensi 2 ) antea nihil
mihi constitit, sed ipse sencio cnm Sanctissimo viro Domino
Doctore Martino, qnod post communionem reliqnnm est vini
vel pani8, non debere vel effundi in terram vel alij vino
ant pani non consecratis misceri, sed vel a ministro, qni
simnl ipse communicat, vel ab vno communicancinm absumi.
enm morem et ego in dicione Electoris Ihene semper
sernaui et habni spectatores totam vninersitatem Wittern -
bergensem, imo approbatores ...
Concionator ille in Sacello dini Michaelis 8 ), quem cel-
sitndo vestra naper obiargaait, is saperiore dominica [10. Ang.]
mire debachatus est in doctrinam nostram, vt tota cinitas
inde offensa sit. Celsitndo vestra cogitabit de remedio . . .
Merseburgij II. Angnsti 44 . . .
3. 8. Angast 1544.
. . . Ego hodie Ciriaci in templo Sancti Maximi con-
eionatns snm, hoc tantum celare Celsitadinem vestram hand
queo Domin am Decanam illam aLindenaw proxime elapsa
quarta feria [6. Ang.], cum in Snmmo concionarer, interfuisse
concioni ac diligenter auscultasse, nam vidi ipse eam. Deinde
aderat nonus eciam quidam aaditor, Dominos Licenciatas,
quem vocant Er Jost 4 ): ego illoram hominam pr^sencia mire
ganisns fui. ideo non potai temperare mihi, quin illius gaudij
mei Celsitadinem qaoqae vestram participem redderem . . .
De Paroecia Schaffstediana res in vestr§ celsitadinis ad-
uentam reiecta est. Paceas annait accipere illam, modo
Sacerdotiam qaoddam, qaod in eo est loco, adijceretar et
ludas literarias isthic institaeretar, qaod, vt ego existimo,
fieri commode potest vtrumqae 6 ). Exhibait mihi Paceas
proposiciones qaasdam Wittemberge a Domino Philippo
*) D. h.: Lic. Lorenz Reynhart.
q Vgl. Köstlin-Kaweran, M. Luther II 580f.
q Georg Trubenbach. Vgl. Fraustadt S. 173f., Westphal,
Georg S. 140 ff. Ueber die zwischen Dom und Propstei gelegene
Michaelskapelle vgl. 0. Rademacher, Neue Mitteilungen aus dem
Gebiet histor.-antiquar. Forschungen 22 (1905), S 254 f.
4 ) Wohl der Domherr und bischöfliche Sekretär Jodokus Maler
(Flemming S. 156 oben).
5 ) Vgl. Flemming S. 204.
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Melarlthone in disputacionem addnctas, quas vestr§ cel-
situdini, si prins non vidit, legendas supplex mitto 1 ).
Deinde venit ad me Hungarus quidam 8 ), qui fatebatur
se apad Tnrcam captinum fuisse annos tredecim et, cum
Turca aduersus regem Persarnm pngnaret, se cnm multis
alijs ad Persas aufugisse, deinceps Persarnm opera per
Armeniam euasisse, doneo in has terras rediret. Dono dedit
libellum de moribns Tnrcarnm 8 ), quem itidem celsitndini
vestr§ legendnm mitto . .. Merseburgij die ipsa Ciriaci 44...
4. 11. August 1544.
.. . binnnlnm integrum, quo celsitudo vestra dementer
me douauit, cum qua debeo supplici ac reuerenti submissione
accepi vna cum volncribus. Ago pro illo munere celsitndini
vestr§ gracias summas .. . hesterno die mercatus hic fuit,
confluxerat ingens turba vulgi, concionatus sum in templo
Maximi magna popnli frequencia, tractaui Euangelium: Nisi
granum frumenti etc. 4 ) Adfuit Consul quidam ballensis, cui
Joanni Bauaro 6 ) nomen, qui a D. D. Jona iitteras ad me
attulit officiosas. Dono dedi illi partem ferin§, partem Domino
Theodorico 6 ), Ernesto Brotauff 7 ), foeci multos eius
muneris participes, vt celsitudini vestr§ a multis gracie
agerentur. hesterno die accepi a D. Phil: Mel: literas*).
quibus commendat Consilium nostrum ac probat, quod nego-
cium salutis cum moderacione agimus. misit eciam has
proposiciones hic insertas. Deinde accepi a quodam diacono
Zcu Zceicz hec noua, que qualia sint celsitudini vestre
iudicanda supplex mitto. Hesterno die adfuit quidam Magister
ex lypsia, cui cum D. Decano a lyndennaw negocium fuit.
, J ) Welche Thesen sind hier gemeint? „In den Jahren 1544 und
1545 ist in der philosophischen Fakultät nicht disputiert worden; ob
in der theologischen (mit Ausnahme der durch die Doktorpromotioneu
veraulaßten Disputationen), bleibt dahingestellt“ (Haußleiter, Me-
lanchthon-Kompendium, Greifswald 1902, S 56).
*) Barthoiomaens Georgiewitz, dem Luther und Melanchthon am
11. August ein Zeugnis austeilten (CR. V 463).
*) Wohl llacbumetis Saräcenorum principis, eiusque successonun
vitae, ac doctrina, ipseque Alcoran, . . . Basel, Joh. Oporinus 1543
(Weimarer Lutherausgabe 30*, 201 ff.).
4 ) Joh. 12. 24.
5 ) Jedenfalls identisch mit dem Jo. Beier, der Jonas’ Brief au
Fürst Georg vom 3. Juni 1541 überbrachte (Kawerau, Briefwechsel
des JustuS Jonas II 25).
•) Der Merseburger Bürger Dietrich Redel, einer der Visitatoren
(Flemming S. 156).
') Ernst Brotauf nahm gleichfalls an der Visitation teil
(Flemming S. 157f.).
8 ) Vom 8. August (vgl. den nächsten Brief). Nach Flemming-
S. 153 Anm. 1 im Zerbster Archiv vorhanden.
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is me rogauit, vt secum ad D. Decanum accederem. accessi
in aedes eins, excepit Vtrumque nostrnm valde humaniter,
tractauit comiter, promisit sua officia quecunque posset.
itidem et illi vicissim ego foeci. Spero benignitate et Jeni-
tate nostra plns effecturos nos qnam daricie et acerbitate...
Datum Merseburgij XI. Aagusti 44 . . .
5. 25. August 1544.
. . . Cam superioribus diebns celsitodini vestr$ sapplex
indicassem vacare parocbiale officium in pago quodain, cui
notnen Kenssbergk 1 ), eiusque collacionem ad Franciscnm
a Schonbergk Canonicum pertinere, ac tres nobiles, qni
istbic habitant, vna cum tota Ecclesia ad me accedente»
pecijsse parocbum, verum cum ad Franciscum ins conferendi
attineat, iussi sunt ab eo parochum sibi dari. At Franciscus
per septimanas quattuor plus quam sexies a plebe Keuss-
bergiana rogatns pertinaciter ac insolenter cum borribilibus
conuicijs ac minis negauit parocbum Lutheranura se illis
daturum. admonitus denique ac rogatus a Streuuis et prae-
stantissimis dominis Consiliarijs Illustrls Principis Augusti etc.
nihil itidem et illi quoque ab Francisco irapetrare potuerunt.
Tandem cum nulla vspiam consequendi parochi spes illis
affulgeat, ad vestram celsitudinem confugere coacti sunt ac
proprio misso nnncio Supplicant humillime, celsitudo vestra
Sacerdotem quendam, cni Bartolomeo Erbe 2 ) noraen, quem
ipsi elegerunt, parochum illis constituere et confirmare sua
antoritate dignetur. Est Bartolomeus ille vir honorifica persona,
a me examinatus, tolerabiliter doctus ac iuuenis bone spei,
satis facnndus. fuit eciam ante paucos annos ludimagister
zen Luchaw 8 ) ac plane talis, quem ego satis aptum ad
hoc muDUs in tali pago sustinendum censerem . . .
Cetera que bic geruntur recta adbuc dei gracia sunt
omnia. hoc tantum addere volebam adulteros et adnlteras
in vincnlis teneri, qui supplicio adficientnr, sed quali aut
qnanto, cognitum non habeo. ex choralibus vnus propter
adulterinm dies aliquot in vincnlis detentus propter meam
et aliorum intercessionem hodie ad quinquennium pro-
seriptus est.
Superiori bebdomade fui ballis cum D. D. Jona, hospicio
aeceptüs apud D. D. Wie 4 ), conterraneum meum 6 ). postridie,
*) Keuschberg. Flemming S. 154f. und 195 unten.
*) Flemming S. 195.
*) Laucha.
*) Gemeint ist entweder der Leibarzt Kardinal Albrechts Dr. Job.
NikolauB von Wyhe oder dessen zweiter Sohn, Dr. Melchior Nikolaus
von Wyhe, seit 1526 Stadtphysikus in Halle, „dcrct. Wihe“ bei
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hoc est 19 Augusti, D. Jone et aliorum praeeibus coactas fai
ad Beatam virginem frequentissimo auditorio concionarier.
foeci, quod largiebatar Christus.
Litteras D. Philipp! 8 Augusti ad me datas 1 ) Celsi-
tudini vestrg legendas supplex mitto. Sed oro bumiliter,
celsitudo vestra velit exemplar remittere. Nam amo Pbilippi
litteras . . . Merseburgij XXV Augusti 44 . . .
6, 17. Oktober 1544.
. . . Illustris Princeps Augustus etc. hoc vesperi iussit
nunciari Merseburgum suam celsitudinem venisse Friburgum
hoc eodem vesperi. et iubere, vt equites quidam illius celsi-
tudini ex Merseburgo Friburgum obuiam eant, ac veDturum
vel cras vel perendie ad nos ... Quamobrera hunc nuncium
euestigio ad Vestrara Celsitudinem ista significatum misimus.
Obsecro Supplex, Celsitudo vestra ad nos quantocius redire
velit Nam Franciscus a Schonnenbergk et Decanus
prohibuerunt suis rusticis, ne biblia a nobis acciperent, et si
quo modo possunt, obnituntur conatibus visitacionis etc. 8 )...
tota religionis causa pendet ex hoc vno congressu. T<x%iotu
Merseburgij postridie Galli 44 , . .
7. 22. Oktober 1544.
. . . Celsitudinis vestr^ litteras vt primum accepi ac
pellegi, scripsi ad lllustrem Principem Augustum etc. ac
significaui illius celsitudini mandatum a vestra celsitudine
mihi esse, vt nonuullis de rebus ad illius clemenciam referrem.
Dionisius acceptis litteris abijt Friburgum (nam isthic
in hunc vsque diem venatur Princeps Augustus). post
biduum retnlit hoc responsum, quod Celsitudo vestra leget
ipsa. Fuerunt ante biduum apud eins sublimitatem Cancel-
larius et Malticius 8 ). Sed promittit se breui Merseburgum
rediturum. quum autem eadem ad celsitudinem vestram se
scripsisse mihi significari iussisset, nolui celsitudinis vestrg
litteras resignare, sed vna cum meis mitto. Reliqua nobilis
ille adolescens narrabit verbo. De vino Jhene emendo
renunciauerunt mihi Consules Jhenenses parum vini hoc anno
prouenisse et magno nummo emi a ciuitatibus passim Alden-
Kawerau, Jonas II 16 (vgl. die Berichtigung Enders 13, 824 1S ) ist
sicher ersterer. Ueber beide vgl. Hertzberg, Gesch. der Stadt
Halle a. d. S. II, Halle a. d. S. 1891, S. 370.
6 ) Beide stammten aus Wiehe in Thüringen.
*) Vgl. den Brief Nr. 4.
*) Flemming S. 155 unten. Fraustadt S. 163.
*) Hieronymus Kiesewetter und Christoph [oder Heinrich? Vgl.
Brief Nr. 10] von Maltitz (Fraustadt S. 192).
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burgo, Cygnea, Vinaria et alijs. Si celsitndo vestra emere
isthic velit, necesse fore, vt mittat illo aliquem ex familia,
qni que meliora sunt degustet et quam possit paruo emat.
audio vendi ij fj, eciam ij taleris, vrnam, eynen eymer, vt
vocant . . . Reliqua orania dei gracia salua adhuc sunt.
Principi8 Augusti ad nos reditus vt gratus nobis ita incertus
est. Vtinam adesset et vna celsitndo vestra cum illius sub-
limitate colloqueretur. Hoc taudem signidcatum eciam
volebam: Etsi nuper negabam me ad Commerstadium 1 )
scripturum esse, mutata tarnen sententia nihilominus scripsi
per proprium nuncium de rebus communibus. quicquid respon-
derit, idipsum celsitudini vestr§ quamprimum significabo . . .
Merseburgij 4 a feria post Galli etc. 44 . . .
8. 28. Oktober 1544.
.. . Exarainati sunt nuper a me duo papistici parochi 2 )
aeque arrogantes et prefracti atque fuit monachus ille zcu
Franckeleben 8 ). Quid dicam? hi duo papiste vna cum
Monacho Franckelebensi accusauerunt me litteris apud Capi-
tulum de stricto examine et nescio quibus alijs additis a se
nugis. Capitulum scripsit Illustri Principi etc. Augusto duci
Saxonie Friburgum et inseruit illas papistarum litteras.
Illustris Princeps Augustus respondit valde, valde duriter
Capitulo, ac inter cetera in hanc sententiam: se non credere
Capitulum a suo affini ab Anhalt etc. vlla in re offensum
esse, deberent igitur omnibus modis illius scilicet ab Anhalt
ordinacioni, iussioni ac mandatis oranino parere, hoc se irre-
fragabiliter veile et iubere ... ad has litteras sunt facti
submissiores... Secundo adfuit proxima sexta feria [24. Okt.]
Jonas adducens secum duas Alias natu maximas, quarum
altera ex gingiuarum putredine laborabat. voluit chirurgicum
quendam apud nos diuersantem consulere 4 ). hodie aduenit
eciam Doctor Kilianus Hallensis Syndicus 6 ) nescio in quä
caussa quorumlibet nobilium patrocinaturus. Nos visitatores
quotidie varijs rebus distringimur, ita vt non liceat iustam
operam rebus omnibus commissis impendere. Cras, hoc est
postridie Simonis et Judg [29. Okt.], audiemus caussas matri-
*) Über Georg Kommerstadt vgl. ADB. 16, 498.
*) Vielleicht die zu Rössen und Leuna (Flemming S. 183 Amn.l).
3 ) Vgl. oben den Brief vom 24. Juli 1544.
4 ) Am 2. Nov. 1544 schickte Musa Jonas von dem Leipziger
Arzte Sebastian Roth, den er für Jonas’ Tochter konsultiert hatte,
Arzeneien, die dieser ihr verschrieben hatte (Kaweran, Jonas II 133,
wo statt Fotum Roth zu lesen sein wird; über diesen vgl. Flemming,
Zum Briefwechsel Philipp Melauchthons, Naumburg a. S. 1904, S. 41).
8 ) Goldstein. Über ihn vgl. Nik. Müller, Die Kirchen- und
Schulvisitationen im Kreise Belzig, Berlin 1904, S. 19—21.
Archiv fOr Reformationsgeschichte IX. l. 3
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moniales von Luchaw illius, qui ob digamiam in vinculis
tenetnr... valde veilem celsitudinem vestrara adesse. Fuerunt
nnper Consiliarij zcu Friburgk apud Principem Augustum.
sed quid egerint, perspectum non habeo . . . ego hodie
Simonis et Jade mane concionatus sum, cras [29. Okt.|
a prandio, deo volente, solita hora itidem. Sabato [1. Nov.|,
quoniam agnnt omninm diuorum festum, itidem concionabor,
qnoniam ita promisi et adest certe satis magna auditornm
frequentia Sacerdotnm etc., sed a prandio perquam pauci
adsunt. dicitur quendam vicariornm egrotare, sed quis sit.
non teneo ... Merseburgij die ipso Simonis et Jude 44 . . .
1. Beilage zu Nr. 8.
Eciam hoc Celsitudini vestr^ significandnm duxi
Dominum Doctorem Oommerstadium ad me de
ordinacione conscribenda scripsisse. Qnod si principes id
omnino flagitant, valde metuo oportere nos ad eam parandam
accingi . . . Deinde sex ciues ex plebe zcu Hanstedt
venerunt ad me hodie et petiuerunt sibi dari paroehum senem
illnm virnm, de quo antea significaui, et grauissime con-
queruntur se sine parocho dimidiatum iam annum vixisse et
pene redigi in turcas, adeo sine predicacione verbi enadunt
rüdes etc. Quamobrem concessimus nos reliqui visitatores.
ut ille parochus, quem ipsi petunt, interim parochialibus
fungatur officijs, donec celsitudo vestra redeat . . . ! )
2. Beilage zu Nr. 8.
Quod pene oblitus eram, Abbas Petri 2 ) fuit paucis preteritis
diebus bis H a 11 i s et multos dies isthic constitit, nomine, ac
si apud medicum opem quereret. Sed certo scitur eum
ascendisse ad arcem Mauricianam ad Coadiutorem 8 ) isthic et
pecijsse ab eo consilium, Si Princeps Augustus vellet illi
monasterium eripere, quid illi faciendum esset. Deinde
pecijsse eciam, vt Halliro reciperetur ac alicubi ad vitam
sustentaretur. Ista certa sunt. Hinc mire insolescit Abbas
nugator ille, Sed si hoc Principes nostri optime rescirent.
metuo, vt istud Abbati esset bene cessurum etc.
9. 2. Dezember 1544.
Schickt Brief von Kommerstadt, quibus significatur
Superattendentum nonnullos ad diem Joannis Enangeliste in
J ) F1 e m m i n g S. 154 unten.
*) Wolfgang Gräfinger (Fraustadt S. 159 U: 250, Flemming
8. 174 unten).
s ) Markgraf Joh. Albrecht von Brandenburg-Ansbach (Hertz¬
berg II, 151. Enders 13, 309 7 . 324 1S ).
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Cellam hand procul ab Dresda sitam euocatos esse 1 ),
quemadmodum ex litteris celsitudo vestra vberius cognoscet,
qne conuocacio valde me sollieitum habet vel hac potissimum
caassa, quod ignorante nec vocata siinnl celsitudine vestra
id hat et ecclesiastice gnbernacionis constitacio penes illos
collocetar, qni non soiam snbditi esse debebant, verum nec
intelligent eciara, quomodo administracio tarn sublimis constitni
debet. equidem, quorsum ista tendant, nulla possum coniectura
conseqni, varig mihi suspiciones suborinntnr . . . Schickt
seine Antwort an Kommerstadt 2 ). Der Dresdener Bote, der
Kommerstadts Brief brachte, dixit Illustres Principes veuatum
abijsse ad sex miliaria a Dresden, Delectos vero, qui Dresdam
euocati fnerant, discessisse rnrsum, ac addebat nuncius se
pntare ante Natalem Christi vix hoc concessurnm Illustrem
Principem Augnstum. ita res nostrg non diöeruntur tantnm,
vernm qnotidie aliam atque aliam faciem eciam sorcinntur . . .
Merseburgij 3 a feria post Andree 44 . . .
Beilage: Mnsas Brief an Kommerstadt vom 2. Dexember 1544.
Hat K.s Brief empfangen mit der Meldung, daß Herzog
Moritz etliche Superattendenten „vff Joannis Euangeliste schirst
kunfftigk kegen der Cellen“ erfordert habe. Wundert sich,
„daß meine gnedige Fürsten zeu Sachsen etc. diese grosse
wichtige Sachen deß geistlichen regiments vnd Consistorium
halben auff die Superattendenten ym lande wollen stellen vnd
wirt mein gnediger herre zeu Anhalt etc hyrynnen vbergangen,
deß gnad dise Sache am höchsten betrifft, der sol anderer
et se multo, mnlto indocciorum et inferiorum hominura iudicio
et cognicioni gestehen, daß, sage ich, wirt nicht mich alleyn.
sondern auch S. F. G. zeu Anhalt etc. gancz höchlich ver¬
wundern . . .“ Merseburg, Dienstag nach Andrea 44.
10. 5. Dezember 1544.
. .. hesterno vesperi hoc est postridie Barbare 8 ) redierunt
ex Dresda Strenui ac preclari viri domini Consiliarij et
attulerunt litteras bas, quas mihi commendarunt, vt celsitudini
vestr§ reddi curarem. misi igitur extemplo atque illas accepi.
D. Doctor Commer8tadius cum Ernesto a Miltitz 4 )
*) Ueber diese Konferenz vgl. Westphal, Zur Erinnerung
S. 49f., Sehling, Die Kirchengesetzgebung unter Moritz von Sachsen
und Georg von Anhalt. Leipzig 1899, S. 39 ff.
*) S. Beilage zu Nr. 9.
*) Das wäre Freitag der 5. Dez. 1544. An eben diesem • Tage
ist aber der Brief geschrieben. Entweder steckt also in dem hesterno
vesperi oder dem postridie Barbare oder dem Datum am Schluß ein
Fehler.
4 ) E. v. M. auf Watzdorf.
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etD. D. Strambergero 1 ) lypczensi proxime elapsa quinta
feria [4. Dez.] hic pernoctarunt, abituri legati nescio quo
missi ab lllustri Principe Mauricio. vocarunt me ad coenam.
D. D. Commerstadius a me de nonnullis articulis ad celsitudinis
vestre et officium et dignitatem attinentibus admonitus respondit
in his, qu§ iam allatg sunt, litteris ad singulos pro
necessitate Celsitudini vestr§ responsum esse, cum autem
de Cancellariatu amplius interrogarem, dixit post multam
deliberacionem tandem constitutum esse, vt ex Cancellaria
subornarentur vicecancellarij lypsie, Es solt bey der Cancelley
bleyben. Hic ego addidi matrimoniales et alias difficiles et
odiosas caussas in celsitudinem vestram reiectas iri, ill«^
vero, que paululum honoris, commodi vero nihil haberent,
in aularetineri. tum respondit: si iypczensis vniversitas suppli-
cauerit, forte reddetur Cancellariatus lllustri Principi An-
haltensi. boc colloquio paucis verbis finito dixit se breui
huc rediturum etc. Oruatissimus vir D. D. Cancellarius
Merseburgensis 2 ) non temere profectus est in hac proxima
legacione Dresdam. Nam volentibus ac petentibus vtrisque
Principibus desponsa illi est filia D. Doctoris Commerstadij, id
quod D. D. Commerstadius ipse mibi dixit et Cancellarius
(dumsalutemillioptarem)affirmauit... Dominus Fra n ciseus
aSchonnebergk proxima dominica aduentus [30. Nov.]
concioni mane interfuit summaque diligencia vsque ad aliorum
circum stancium admiracionem eciam auscultauit. lllius eciam
caussa institutam concionem ad illins ingenium accom-
modaui . . . sexta feria post Barbare 44 . . .
10. 8. Februar 1545.
Dankt Gott, daß er Georg trotz des schlechten Wetters
heil und unversehrt nach Dessau geführt hat. Wir haben
die Visitation am festgesetzten Tage angefangen, Strenuus
a Waithhausen 8 ) non adfuit, qua causa, ignotum omnibus
nobis est, pergemus deo aspirante cras [9. Febr.] et reliquis
diebus. Ego proxime elapsa sexta feria [6. Febr.] non conci-
onatus sum, hac vna causa, vt visitacionis causas proueherem.
Dominus Ernestus 4 ), compater meus, et dominus Theo-
dericus 6 ) diligenter suam operam ad visitacionis negocia
adhibuerunt strenue.
] ) Joh. Stramburger. Über diese Räte Moritz’ von Sachsen vgl.
Brandenburg, Politische Korrespondenz des Herzogs und Kur¬
fürsten Moritz von Sachsen I und II, Heg. s. v.
*) Hieronymus Kiesewetter, s. o. den Brief Nr. 7.
*) Lorenz von Walthansen zu Teuditz sollte als Vertreter der
„Landschaft“ an der Visitation teilnehmen. Flemming S. 155.
4 ) Ernst Brotauff. Flemming S. 157f.
8 ) Dietrich Redet. Flemming S. 156.
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Schickt einen von ihm auf Befehl Georgs erbrochenen
Brief Herzog Moritz’ mit Randbemerkungen an Georg. Quis
vero Theologus ille germanice lingu§ expers fuerit, cognoscet
celsitudo vestra ex literis Danielis Parochi Dresdensis 1 ),
quas simul mitto 2 ). Intelligo illum Theologum ab eodem
parocho nobis obtrusum. adeo ducuntur affectibus quidam,
quorum pocior cura esse debebat, vt sue funccioni recte
preessent etc. odi Ttn'kvjrQayf.ioovvovg etc. Commendauit
nobis idem Daniel ludimagistrum quendam Posniczensem a
nescio quauta erudicione, verum examinatus fatebatur se
neque in veteri neque in nouo testamento quicquam vnquam
egisse, et nihilominus habebatur Danieli valde doctus ac
liguus, qui ad locupletem aliquam paroeciam sufficeretur.
dos autem cum tanta erudicione illum Danieli remisimus ac
nomine consistorij rescripsimus non posse a nobis talem ad
nllam paroeciam admitti, qui sponte fateretur se scripturam
vunquam legisse. Schickt einen Brief Kommerstadts . . .
ncripsi bas dominica vesperi ad lucernam, nam hodie per
Sccupaciones non licuit . . .
De rebus nouis nihil peculiariter habeo. Paceus
superori quinta feria [5. Febr.] cum Questore Lucensi 8 )
hic fuit. is narrauit se pro certo audiuisse Imperatoriam
maiestatem tribus periculosissimis morbis ad vite vsque metum
decumbere 4 ). Contra hodie pransus sum a pomeridiana con-
') Daniel Greser (Greiser). Vgl. über ihn Beiträge zur sächs.
Kg. 15 (1901), S. 227ff.; 20 (1907) S. 2-18 ff
*) Gresers Brief an Musa vom 22. Januar 1545 ist im Zerbster
Archiv vorhanden Ueber jenen Theologus heißt es da: „Rogavi
proinde [Objekt: Kommerstadt] pro illo doetore, qui ex Bobemia pulsus
est a Ferdinando ob evangelion, qui etsi germanicam linguain perfecte
sonare et respondere nequeat, tarnen eam intellegit et sic satis iuter-
rogantibus reddit. Est homo mire modestus ct affabilis, doctus et
pius: Nomen illi est Doctor Wentzeslaus Brodensis. Agit iam Witten-
bergae et ex meris vivit eleemosinis ainicornm, multa aureornm millia
evangelii ergo amisit.“ Wimer 1546/47 als „Wentzeslaus Brodensis
Bohemus doctorandus theologiae“ in Frankfurt a. 0. immatrikuliert.
Vgl. ferner CR. VI 501, 517. 742. VIII 118 ein Brief Melanchthons
vom 1. Juli 1553, überschrieben: . . . Venceslao Brodensi Doctori
Theologiae, fratri suo carissimo in Russia. Er ist gewiß auch der von
Moritz empfohlene Theologe, der bei Franstadt S. 18-4f. erwähnt wird
(„der deutschen Sprache uieht fast geübet“). — In demselben Briefe
empfiehlt Greser deu ludimagister Polsuicensis (Pulsnitz; Musa schreibt
irrig: Posniczensem). Er hieß Joh. Kift'ler von Hertzburgk und wurde
am 7. Febr. 1545 geprüft (Merseburger Examenbuch Bl. 55) mit fol¬
gendem Resultat: „Tenet quidem verba decalogi et exposicionem eius
iuxta iuterpretationem Lntheri in minore catecbismo. de Evangelio
nihil tenet, ne verbum quidem, imo palam fatetur se non legisse aut
perquam paruin legisse tum in veteri tum in novo testamento; missus
fuit ad nos ab parocho Dresdeusi, illi remissus est, quia fuit valde tenuis.“
*) Lützen.
*) Vgl. Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer
1509—1548, herausgeg. v. Tr. Schieß II, Freiburg i. Br. 1910, S. 350f.
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cione apad D. Doctorem Cancellarium, vbi assidens mihi
Strenuus vir Henricus a Maltitz Magister curi§ dacalis
Merseburgij 1 ). is dixit Imperatorem iucolnmem esse et hac-
tenus in extinguenda crudeli et miranda quadam secta in
inferiori germania nuper autore quodam nescio quo propheta
orta hactenus impeditum fuisse, alias maiestatem eius ad
conaentam Imperialem iampridem venturum fuisse et se
existimarp, quod iam adsit. Sponsa D. Doctoris Cancellarij a )
nostri proxime pr^terita sexta feria [6. Febr.] yesperi sub
□octem huc Merseburgum illi aduecta est comitata matre.
heri hilarem diem transegerunt. bodie rogauit, vt ad se
venirem. veni, prandebam, donabam munus nupciale et abij.
parant abitum in diem crastinum. largiatur Christus, vt
feliciter redeabt Dresdam . . . Dankt für ein Faß Zerbster
Bier . . . Datum Merseburgij dominica Sexagesinxj 45 . . .
11. 18. Februar 1545.
. . . Strenuus ab Walth-hausen proxima 2 a feria
[9. Febr.] venit ad nos et visitacioni hactenus Strenue inter-
fuit. procedit eciam visitacio dei gracia. satis feliciter. Ex
aula nondum quicquam acccpimus eorum, que Celle con-
stituimus, et miror de procrastinacione. Doctor Knetlingk 8 )
et alius quidam Doctor hic fuerunt in aula versati dies ali¬
quot. Sed Knetlingk non compellauit quemquam nostrum,
quia hospicio erat apud Decanum, neque quid hic egerit,
cognoscere potui. Reliqua orania per dei graciam recte
adhuc geruntur. Dominus laurencius 4 ) vult bis carnispriui-
alibus diebus parat iter lypsiam ad aegrotantem vxorem [!],
rediturus post nonnullos paucos . . . Merseburgij 6 ta feria
post Scholastice 45 . . .
Beilage za Nr. 11.
Illad eciam celsitudini vestrg significatum volebam, quo-
niam triduo illo carnispriuiali (vt vocant) [16.—18. Febr.J
vulgus prgter solitura bibendo ac sese ingurgitando insanit.
ne igitur prorsus essent äkoyoi, decreueram eo triduo
mane octaua hora concionari vel ad s. Maximum vel in
nostra ecclesia vel ubicunque videretur, id euira in alijs
vrbibus, vbi ecclesijs prefui 5 ), solitus fui facere. volo tarnen
celsitudinis vestre sentenciam audire etc.
») Vgl. Brief Nr. 7.
2 ) Vgl. den vorhergehenden Brief.
:t ) Joachim vou Knethling. Vgl. Brandenburg s. v.
4 ) Reynhurt.
5 ) Erfurt, Jena, Roclilitz.
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12. 5. Hftrz 1545.
. . . Hat Georgs von großer Fürsorge für die Merseburger
Kirche zeugenden Brief erhalten . . . Ceterum, vt Celsi-
tudinem vestram a curis nonnihil liberem, ordine exponam
cuncta, que hic interim gessimus, potissimum diebus illis
furiosis, quos carnispriuium vocant. Dominica Esto mihi
{lö. Februar] bis pro more coucionatus sum, Secunda [16.] et
tercia [17.] ferijs sequentibus in templo Maximi de poenitencia
dixi magna vulgi frequencia, Die Cinerum [18.] de poeni¬
tencia iterum ad clerum latine declamaui in summa ecclesia,
Quinta [19.] et Sexta[20.] ferijs octaua antemeridiana hora liben-
ter id concedente Decano solitas conciones de tercio pr^cepto
babui, Eodem biduo A prandio circiter vespertinam horam coepi
exercere catechismum cum puerili aetate in nouo foro 1 ), Sabbato
121.) post completorium orsus sura de confessione dicere, finita
eadem concione hymnura: „Christe, quilux“ germanice cantari
iussi. ln hunc modum transegimus eam septimanam. Dominica
Inuocauit [22.] iterum pro more concionatus sum, Tercia [24.]
et Quarta [25.] ferijs post cepi catechismum in Ecclesia
Maximi a prandio pueros docere, vt quattuor diebus tractetur
catechismus, Tercia scilicet et Quarta feria Maximi, Quinta et
Sexta in nouo foro, et eura laborera ego hactenus subij. Nara
Sacerdotulus ille, qui lunam 2 ) destinatus erat et nunc in
xenodochio alitur, valde ineptus ad eum laborem mihi videtur.
pr^terea pr§ter Celsitudinis vestr§ iussionem arrogabat sibi
munus pastorale in nouo foro, ministrauit aegrotis eucharistiam
etreliqua munera Ecclesiastica tentare ausus fuit, prgterea cum
Consule in nouo foro insolenter expostulauit, quod non
agnosceret eum suura parochum. ego vero cum id illi
prohiberem, passim ab eo accusor ac varijs conuicijs pro-
scindor, in summa eß ist eyn baderknecht, veilem tales
omnino amotos. Ea de caussa cogor catechismum in illa
ecclesia ipse exercere.
Visitaeionem lucellanam 8 ) hoc biduo absoluimus.
pulchre processit, omnia recte mibi transacta videntur. vnum
tantura vehementer me cruciauit, quod, cum ruricolas ex
singulis pagis ad visitaeionem accersitos interrogaremus, an
decalogum, Symbol um et dominicara pr^cacionem nossent,
eomperimus ceutesimum quemque vix pauca verba tenere,
nedum totum decalogum, Symbolum aut precaciouem
pronunciare posse. o pastores, quid respondebitis seuero
indici Christo pro tarn irrepar^biliter vastata vinea domini!
') Vorstadtgemeinde Neumarkt hei Merseburg. F 1 e m m i n g
8. 170 und 173.
*) Leuna. Flemming S. 184.
•’) D. h. im Amt Lützen. Flemming S. 185ff.
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Nos quam potuimns serio iniunximus illis, vt discerent, minati
excommuqicacionem, p§nam pecuniarum et careeres, nisi
discerent. hic boni rustici attoniti summa fide promiserunt
sese omnibus viribus adnixuros, vt ista discerent et posthae
doctiores ad visitacionera venirent. vehementer mouit me
hoc malum 1 ).
Que vero reliqua ad officium ecclesiasticum pertiueut,
ea pro virili exequar. nulla negligentia dei misericordia
hactenus admissa est, largiatur Christus, vt posthac quoque
singula recte procedaut. Laurencius dominica Esto mihi
[15. Feb.] abijt Lipsiam ad vxorem nonnihil aegrotantem, sed
reuocatus a me redijt Mersburgum eadem septimana sexta feria
[20.]. Erant quidam ministri quorundam nobilium, qui Merse-
burgij tanquam obsides in diuersorio bey dem Schoten diuer-
sabautur die noctuque sese ingurgitantes. illi dominica Esto
mihi [15.] vesperi in discordiam excitati mutuis sese vulneribus
confecerunt, ita vt vnus illorum postridie vita decederet. is vero,
a quo vulneratus fuit, deprehensus Sabato post Cinerum [21.]
eadem videlicet septimana pgnas capite dedit vicissim, quem
nos, cum ad supplicium duceretur, comitati verbo dei con-
solabamur, ita vt salubriter extremam horam subire mihi
videretur.
Celsitudinis vestrg absenciam, etsi optaremus presenciam,
tarnen, quia isthic quoque habet Celsitudo vestra que agat
necessaria negocia, aequo vt debemus animo perferimus.
Rogo autem, vt primo quoque tempore ad nos festinet.
Qu§ ad visitacionem attinent, sedulo curauimus. diligentes
adfuerunt Streuuus a Waldhausen, Dominus Ernestus
et Theodoricus. nulli pepercerunt labori. quanta
potuimus cura et diligencia omnia transegimus.
Gratum mihi id quoque est Dominum Doctorein
Lutherum in prouehendis rebus ecclesiasticis operam et
Consilium suum celsitudini vestr^ promisisse. de consultacione
nostra Celle habita nihildum ad nos remissum est. fuit
hesterno die [4. März] apud nos parochus et Superattendens
zuWeyssenfelß 2 ). is significauit mihi nostram Celleusem
consultacionem Lypsim ad Theologos missam esse et isthic
a Tbeologis perceuseri.
Illustris Princeps Augustus hesterno die hoc est quarta
feria post Reminiscere [4. März] Merseburgum venit. quanto
autem tempore hic mansurus sit, me et multis alijs clam
est . . .
*) F1 e m m i n g S. 163.
2 ) Wolfg. Stein.
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Que de Theologo Gessensi 1 ) parocho indicata
raibi saut, grata ipsa quoqne mihi sunt, boc tantnm celsi-
tudinem vestram admonitam supplex veilem, vt sciscitari
iuberet, quis esset ille Theologus, nam audio in eadem regione
in quopiam pago, et haad scio au Gessen sit, parocbam esse
qaendam coguomine Cordatum 2 ), qai alias Cygnee
coucionator fuit. Si in enndem celsitndo vestra incideret,
premonnisse veilem, vt ab eo abstineretur. nam est sediciosus
et mire impndens declamator. 1s vero, qni Numburge est 8 ),
cuins antea quoqne apud Celsitudinem vestram mencionem
feci, iterum apud me sollicitauit, Et est satis probe doctus
et supra quinquagesimum aut circiter annum> Ego eum noui
et veilem ad nos accersitum, modo id commode fieri posset.
Quare sic censeo, vt celsitudo vestra hoc negocium suspendat
vsque ad reditum ad nos ...
Postridie quam celsitudo vestra discederet hinc,
Canonicus quidam Sixtinus 4 ) vita defunctus est,
nomine Caspar Seydeman. illius prouentus possent
interim adijci ad Salarium concionatoris, quemadmodum
presens deo volente celsitudini vestr§ exponam. Est eciam
interim quidam vicarius mortuusnomine Sebastianus,
reliquit domum elegantissime exedificatam intra duos illos
muros, eum per portam exitur in ciuitatem. valde oportunum
esset illa de re colloqui cum principe Augusto. mea verba
nou magni erunt ponderis, tarnen, si daretur copia, proponerem.
Esocem prggrandem illum accepimus ... et quadri-
fariam partitum vnicuique partem dedimus, Waldhausen,
Ernesto, Theodorico singulis singulas partes . . .
Merseburgij quinta feria post Reminiscere 45 . . .
13. 10. März 1545.
Die Kunde vom Tode optimi viri Forchemij 5 ) war mir
um so schmerzlicher, als ich gehofft hatte me futura aestate
iucundum aliquod exercicium Theologicum cum illo ini-
turum fuisse . . .
. . . sabbato proxjmo scilicet post Reminiscere [7. März]
misit Illustris Princeps Augustus etc. in Consistorium Codi-
J ) Jessen. Wohl Wolfgang Braun, den Luther am 20. März 1545
dem Kurfürsten als Nachfolger Spalatins empfahl (Seidemann-
de Wette 6, 372).
2 ) Cordatus war damals vielmehr Superintendent in Stendal, wo
er 1546 starb (Nik. Müller, Belzig S. 71).
*) Georg Mohr, seit 24. Aug. 1544 Domprediger in Naumburg,
vgl. Albrecht, Theolog. Sfud. n. Krit. 1904, S. 81 Anm. 1.
*) D. h. vom Unterstift St. Sixti.
5 ) Georg Heit j- 6. März 1545.
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cillum, qao continetar totam negociuro Cousistorij x ), quo-
modo in caussis matrimonij decernere, quid eciam ac quo-
modo in rebns Ecclesiasticis agendum nobis Bit, deinde
raisit eciam ingens diploma pergameno scriptum ac duobus
ingentibus et elegantissimis signaculis vtriusque Principis et
Mauricij et Augusti consignatum, quo continetur confirmacio
Oon8istorij, que quia ad celsitudinem vestram maxime per-
tinere videbantur, primo statim tempore mittenda duximus.
Das Codizill schicken wir im Original, vom Diplom eine Copie.
Proxime elapsa quinta feria [5. März] scripsi Supplicatorias
ad Principemlllu8trem Augustum,quibu8 pecij admitti ad pr§sens
colloquium, sed toto triduo venacioni intentus nihil respondit.
Heri, hoc est dominica Oculi [8. März], cum ingrederer templum,
venit ad me D. Cancellarius ac dixit Jussisse Illustrem Prin-
cipem Augustum, vt, si quid haberem, sibi recenserem. cum
igitur intelligerem me ipsum non admittendum esse, indicaui
D. Cancellario, que vestra celsitudo mihi mandauerat. Sed
nihildum mihi responsum est. . . Subsistit adhuc apud nos,
sed quamdiu, id ignoramus. Audiuit hesterna dominica
concionem. Ecclesia dei gratia quotidie crescit. Ego quic-
quid et possum et debeo pro mea virili strenue ago.
Canonici diligentes bactenus fuerunt in audiendis concionibus
atque ipse eciam decanus . . .
Mitto celsitudini vestr§ stulticiam, declamaciunculam
dicere volebam, habitam a me die Cinerum [18. Febr.], quam
multitudine negociorum obrutus pene recognoscere non valui,
impendi illi dictand^ et scribend§ non nisi vnura diem . . .
Mitto eciam hymnos quosdam a Gygante 2 ) ludimagistro in
Porta ad me datos, qui valde mihi placent, vt celsitudo
vestra[!] desyderium sublati Forchemij nonnihil leuent. nos
hic omnem eius suppellectilem inclusam obsignauimus . . .
claues mihi demandaueruut D. Ernestus et Theodericus ...
Ex D. Cancellario heri audiui Imperatoriam maiestatem
nondum venisse ad Conuentum et adeo illam languere, vt
se iam ligno Guaiaco committere velit 8 ) . . . Merseburgij
3 a feria post Oculi 45 . . .
*) Es wurde am 11. Februar 1545 errichtet (Flemming S. 146).
2 ) Vgl. über ihn Flemming. Briefe u. Aktenstücke zur ältesten
Geschichte von Schulpforta, Naumburg a. S. 1900, S. ltiff. Im Mai
1544 war Gigas nach Pforta übergesiedelt (S. 18). In den Epistolae
Martini Lutberi et Philippi Melanchthonis ad Principem Georgium de
morte Georgii Ilelti, Lipsiae in officina Valentini Papae 1548 steht am
Schlüsse ein Epitaphium auf Heit von Gigas vom 17. März 1545. Offen¬
bar hatte Gigas die Verse damals zunächst handschriftlich Musa über¬
sandt; „hymnos“ nannte dieser sie im Hinblick auf die frühere Ver¬
öffentlichung des Gigas: Hymni aliquot et innocua poemata, Lipsiae
ex officina Valentini Papae 1544.
3 ) Vgl. Brief Nr. 10.
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14. Bald nach 1. April 1545.
.. . Venit ad me qaidam ex Wittemberga, qni has litteras
attulit, qaas celsitudini vestrg mitto. is narrauit Egregiam
viram dominum doctorem Pomeranam quarta feria post
palmarem [1. April] a duobas fratribas, filijs doctoris olim
Crausen, qui ante aonos aliquot hallis se ipsum interfecit *),
Wittemberge ex suis ipsius aedibus ab illis fratribas euo-
catum et paucis verbis factis euaginatis gladijs parum ab-
fuit quin Pomeranum occidissent, quod horrendum factum etsi
omnipotens pater auertit, tarnen vestram celsitudinem hoc
vesperi celare non potui 8 ). in tanto periculo versamur
nos miseri professores Euangelij et Christi Jesu domini
nostri etc. cras deo propicio hac de re narrabit ille idem
studiosus plenius . . .
15. 8. Juni 1545.
. . . Que Spangenbergius 8 ) respondit, non tarn grata
quam necessaria sunt, et nisi successore quopiam onus meum
nonnihil leuetur, haud credo me id ferre tandem posse . . .
vires me destituunt, parum abfuit, quin hesterno die in
suggestu concidissem, et nisi id pr§sensissem, nullo modo
renunciassem pomeridiang concioni. Sepe rogaui supplex, vt mei
racio haberetur. id adhuc rogo. Si vnum tantum mensem
paululum quietis mihi concederetur, sperarem me pristinarum
virium recuperaturum aliquid. iam vero nulla die vlla mihi
conceditur tranquillitas. Die Ehesachen würde ich gern (vt
illius professionis ignarus) an die Juristen abgeben ... An
non pocior est Ecclesiarum cura, an non cor vrit horribile
hoc malum, quo laborat tota hec dicio, quod in hoc vni-
uerso Episcopatu ne vnus quidem rusticorum sit, qui recte
et integris verbis pronunciare queat decalogura, Symbolum,
precacionem dominicam, de baptismo et eucharistia? . . .
interim ex illo cetu multi ex vita decedunt in tali inscicia.
queso, an queant tales saluari, cum Christus Beatos pro-
nunciet eos tantum, qui audiunt et custodiunt verbum dei 4 )...
Reliqua negocia omnia sunt mere prophana et faciunt
nos (illorura tractatores) eciara prophanos et sunt aliud nihil
quam ministraciones rnens^, vt in actis 5 ) dicitur . . .
*) Am 1. Nov. 1527, Enders, Luthers Briefwechsel VI, 147*,
VfII, 378*, Weimarer Lutherausg. 30*, 402*. 38, 123 * u. a.
*) Vgl. den Bericht des Justus Jonas an Fürst Georg vom
1 4. Febr. über einen Studeutentumult in Wittenberg (Kawerau II146).
*) Joh. Sp., Pfarrer an St. Blasii in Nordhausen (RE* XVIII 563ff.).
*) Luc. 11,28. Flemming S. 163.
5 ) Apg. 6, 2.
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In prefectura, que hnc ad arcem Merseburgensem attinet,
quam [!] vulgo daß kuchen ampt appellatur, tanta fuit diebus
illis pentecostes [24. Mai] rustieorum ingurgitacio, tantus
clamor, cborea diu integrisque noctibus. mane in aquis con-
gressi sunt, morgenß haben sye vff dem wasser gestochen,
ante concionem, magno concursu vulgi, magna templornm
inanitate. lbi nullus est Principis prefectus, qui prohibuisset,
nulli consiliarij, qui precauissent, ad ista conniuentur, ab
hesterna crapuia ad me curritur et in me debacbatur, sed
h6c alias, sed satis... ex aedibus meis 2 a feria post Corporis
Christi 45 . . .'
16. 22. Juoi 1545.
... quod mibi nunciari celsitudo vestra per Capitaneum
Rederum 1 ) iussit, dolenter audiui, et non parum miror
talium ovojv confidenciam, qui Hessiacos mores in nostram
Ecclesiam inuehere conentur 9 ). Perlegi inane hoc commentum,
quod ad lllustrem Principem Mauricinm Principem Saxoni§ etc.
dominum meum clementissimum nuper dedit 8 ). nihil est
aliud quam inanis ßaxxokoyia, in qua multa verba facit,
quibus nihil rerum subest, nuilo solido et e scriptnra deprompto
argumento vtitur. dioit enim, si in consecracione sacerdoe
se ad populum vertere deberet, periculum fore, vt venticulo
aliquo de patena particulae deflarentur et magna irreuerencia
hoc modo Sacramento contingeret. Pulchrum commentum!
simili stulticia vsi sunt veteres: si laici altera Sacramenti
parte vti deberent, fieri posse, vt illis ex ore aliqua guttula
destillaret in terram; ad vitandum hoc periculum neganda illis
est altera sacramenti species, nempe sanguis ... ac tandem
eo euadit, vt nolit eleuari Sacramentum neque velit Sacer-
dotem ad populum versum in conspectu illius consecrare.
Si igitur non debet eleuari'et ostendi Ecclesi§ corpus Christi
neque consecrans Sacerdos se ad conspectum popnli vertere
propter hanc solam caussam, ne vulgus intueatur corpus
Christi, ergo in quopiam tenebroso angulo consecrandum erit,
ne quisquam videat consecratura corpus. deinde nullis nisi solis
cfcis dandum, aut Omnibus, qui vtuntur, obuelandi sunt oculi,
ne videant, quam rem edant aut bibant. . . Ritnm illum, vt
consecrans Sacerdos ad populum se vertat, fateor me Antonium
Musam L. instituisse et Jhene seruasse totum duodecennium 4 ),
J ) Oswald Röder (Flemming S. 155).
*) Geht auf den Dresdener Pfarrer Daniel Greser, vorher Pfarrer
in Gießen.
s ) Im Namen mehrerer Superintendenten hatte Greser ein Schrift¬
stück hei Herzog Moritz eingereicht, in dem er sich u. a. gegen die
Elevation aussprach (Westphal, Zur Erinnerung S. 49f.).
4) 1524—1536.
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quo tempore tota vniuersitas Wittembergensis bis Jhenam
eonfugerat propter pestem et siogolis vicibus istbie versata
est ad dimidiatam aonum 1 ). Fuit istbie semper Philippus,
Preterijt aliquocies Lutheras et ibi concionatus est, qui ambo
cum tota sehola ritum illum toto dimidiato anno präsentes
viderunt. et uon a reliqua sehola solum, verumeciam a
Pbilippo et Luthero vehementer commeodatus est, et optaruot
talem morem in Ecclesia Wittembergensi institui posse, id
quod neuter illorum ne hodie quidem negabit 2 ). Institui postea
eundem morem Rochlieij, priusquam Hessus ille in Mysniam
veniret 3 ), neque opus habeo, vt ecclesiarum administracionem
ab illo Hesso discam. Vtinam isti disciplinatores, si bene
Ecelesias suas disciplinare vellent, instituerent publicam ora-
cionem, qua vulgus in genua prolapsus aliqnamdiu cum vera
cordi8 meditacione oraret, sicut Jhene et Rochlieij ego in-
stitueram, deinde circa finem itidem publicam graciarutn
accionem instituerent, quemadmodum deo propicio Merseburgij
aliquando instituemus. Ipsi nuliam curam vulgi habent, illorum
parum refert, teneat populus an non teneat oracionem .
dominicam. Scio certo in ipsa quoque vrbe Dresdensi multos
adultos repperiri, qui precacionem dominicam nequaquam
saltem rectis et integris verbis pronunciare queant. Ibi
deberent iactatores illi discipling curam suam intendere, sed
hic surda aure transeunt et occupantur interim stultis n^nijs,
veluti magnis rebus, de festis, de Corocco et alijs nugis ...
Illustris Princeps, ego obiter ad scriptum illud Danielis
nieam sentenciam adieci, quia non vacabat pluribus scribere.
Celsitudo vestra curet illud describi et seruet originale
exemplar . . . octava die Viti 45 . . .
17. 22. Juni 1545.
. . . Magister Andreas Ernst Northusanus 4 )
rescripsit se condicionem Lauchensem accipere veile et
heri [21. Juni] isthic concionatus est 6 ). scripsi senatui, vt
vna cum illo Merseburgum veniret ad confirmandura pactum.
Magister Joannes Gygas, ludimagister in Porta, ex
Wittemberga reuersus hac transijt et me salutauit. ac primum
*) August 1527 bis Juni 1528, Juli 1535 bis Febr. 1536.
2 ) Über Luthers und Melanchthons Stellung zur Elevation vgl.
Köstlin-Kawerau II 578, He^rlinger, Die Theologie
Melanchthons, Ootha 1879, S. 144f., Flemming, Beiträge zur baye-
isch en Eirchengesch. 16 (1910), S. 39ff., 0. Clemen, ZKO. 32,292f. 296.
s ) Musa kam 1587 oder 1538 nach Rochlitz, Greser 1542 nach
Dresden.
4 ) Vgl. Kaveran, Jonas II 3. 166 oben.
s ) Vgl. den nächsten Brief.
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narrauit Danielem 1 ) cum suis complicibus Wittern berge
fuisse. quid antem isthic egeriut, dixit se ueque ex Philippe
ueque ex quoquam alio cognoscere potuisse. pr§terijt autem
proximo Sabbato [20. JuniJ. Deiude narrauit sea sua funccione
in Porta missionem irapetrasse et futuro Michaelis festo istbinc
abiturum propter intolerabiles molestias, quibus ab Oeconomo
illius monasterij 2 ) afficitur, neque adbuc se vllam funccionem
scire aliam. bic ego cum eo collocutus tantum intellexi eum,
facile posse ad nos transferri. Est in Porta integrum annum
eciam concionatus et non vult amplius in pulueribus
scholasticis versari, sed ad ministerium se conferre. dixit
eciam: si Philippus sciret banc condicionem mihi offerri, certe
suaderet, vt susciperem. Ego, quantum bominem noui, valde
veilem eum nobis socium adhiberi propter insignem condicionem
et animi moderacionem. Celsitudo vestra deliberet et
percontetur Philippum 8 ).
18. 24. Juni 1545.
. . . Magister Andreas Ernst Northusanus, qui
superiore dominica[21.Juni]scripserat se Lucbauie concionatum
esse, buc Merseburgum neque Senatus Luchauiensis, quemad-
modum per litteras iusseramus, non venerunt neque quicquam
rescripserunt, vt mirer, quomodo ea caussa habeat. Spero
tarnen bonum finera sortituram. Ulustris Princeps Augustus
dux Saxonie etc. hac preterita nocte scilicet in vigilia
Joannis baptiste [23.] curru vectus circiter primam horam
post raediam noctem huc venit et hodie in die Joannis baptiste
iterum abiturus est, vt retnlit Malticius, festinato itinere
petiturus Dresdam. Ex Dresda a duee Mauricio nuncius
nondum redijt. Reliqua per dei gratiam omnia adhuc salua
sunt. Neque admodum multe caussg ad consistorium hactenus
relatg sunt. Tantum hoc oro, Celsitudo vestra inquirat, quo¬
modo Hessus ille 4 ) nos Wittemberge traduxerit. quid
lesimus hominem, quis Kay.odaii.itDV vrget illos ovovg? Intelligo
eos doctring pure et summo studio (quo solo edificatur
Ecclesia) tradend^ non admodum intentos esse. Sye wolten
*) Greser.
2 ) Michael Lemmermanu.
*) Vgl. zam Vorstehenden Fleminiug, Briefe u. Akten zur
ältesten Geschichte von Schulpforta S. 70 f., sowie auch die von mir
in den Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Schul- und Er-
ziehungsgesch. 17 (1907), S 238 ff. veröffentlichte Beschwerdeschrift
der Pfortaer Lehrer über Lemmermann. — Uebrigens wurde dann die
Merseburger Dompredigerstelle wirklich Gigas angeboten (Fraustadt
S. 185). Dieser lehnte jedoch ab (vgl. seinen Brief an Fürst Georg
vom 12. Aug. 1545 im Zerbster Archiv).
4 ) Greser.
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gerne eyn feyn euserlich bapstum wider haben, das mit eynem
hessischen Senatu Ecclesiastico vnd anderen legibus fein ge-
fasset were, doctrinam non perinde magnifacinnt... decalogu»
est illis exigna doctrina, qnam diaconus aliquis aut aedituus
singulis quattuor temporibus semel tradat, neque babent deca-
logo opus, vt ad illius prescriptum forment confessionem
suarn, possunt enim peccata sua aliunde satis cognoscere, non est
opus decalogo .. . Merseburgij in die Joannis Baptist^ 45 . ..
19. 12. September 1545.
. . . noua hic nulla sunt, nisi quod ex Malticio nuper
cognouerim Episcopum Treuerensem vita functum esse 1 ).
Deinde et hoc quoque significandum duxi Magistrum Wolf-
gangum Stein die natali ding virginis [8. Sept.] ad Con-
sistorium querulatnm venisse se apud lHustrissimum Prin-
cipem Electorem Saxonig etc. accusatum esse hoc nomine,
quod in conferenda paroecia Osterfeldensi ipse conaretur
Electori subtrahere suum ins, nam collacionem ad Illustrissi-
mum Electorem attinere, non ad Illustrem Principem Mau-
ricium, et huius rei solum illum Wolffgangum Stein caussam
esse. Quamobrem lllustrissimus Princeps Elector Saxoni^
vellet praedictum Wolffgangum vicissim priuare Omnibus
beneficijs, facultatibns et possessionibus suis, que Wolffgangus
in lllustrissimi Principis Electoris dicione baberet (habet
autem non exigui precij), deinde se summa indignacione
Wolffgangum prosecuturum esse. Wir haben ihm geraten,
selbst zu seiner Entschuldigung zum Kurfürsten zu reisen.
Abijt necdum reuersus est . . .
Scripsit interim D. D. Fachsius 2 ) ac censuit (vti vestra
celsitudo prius constituerat), vt Magistrum Wenczeslaum
Sturmium destinatum sibi parochum Lyssenses 8 ) ad se
adueherent. Ego vero rescripsi tragediara illam Wolffgango
oblatam ac iussi, vt Sturmius tamdiu se Lypsie contineret,
donec cognosceremus, quid responsi Wolffgangus relaturus
esset . . .
lu consistorio difficiles sane canssas matrimoniales ex-
plicuimus adhibito D. Decano. Concubing Sacerdotum certo-
*) Johann v. Hagen. Er starb aber in Wirklichkeit erst 23. März
1547. Auch sein Nachfolger Johann Ludwig von Isenburg (f 18. Febr.
1556) wurde schon 1555 totgesagt (Eubel, Hieracbia catholica medii
aevi III, Monasterii 1910, p. 337sq., Flemming, Beiträge zum Brief¬
wechsel Mt-lanchthons, Naumburg a. S. 1904, S. 52).
*) Ueber Ludwig Fachs vgl. ADB. 6, 528—530 und Krebs, Die
Beziehungen Heinrichs von Einsiedel auf Gnandstein zu Herzog Georg
von Sachsen vor 1528, Leipzig 1896, S. 16.
*) Lissen bei Osterfeld. Flemming S. 148 unten. Ueber-
W. Sturm vgl. auch K. G. Dietmann, Kursächs. Priesterschaft 3, 1035.
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uunciautur omoes ad suos fornicarios Sacerdotes receptas [!|
esse, sed nondum prodeunt in pablicum. De aduenta lllustris
Principis Saxooig etc. D. Augasti nihil constat . . .
... Cum Senatu de snscipiendo diacono*) egimus, respon-
dent se libenter suscepturos magistrnm illum, qui nuper
concionatus est, sed plus quam quinquaginta fj numerare se
non posse. Aecersimus eciam Senatum ex nouo foro vna
cum nonnullis alijs. illi grati accipinnt, vt singuiis septimanis
vnam concionem in suo templo habeant, et petunt, vt quarta
quaque dominica eciam celebretur officium et prebeatur
eucharistia illis, qui petituri sunt, ac vitro promittunt se
daturos omnia, que nomine Ecclesi^ antea dederunt Sacer-
dotibus, que summa circiter vj fj facit aut supra.
Postea, si ex xenodochio et alijs quibusdam possit cor-
radi addicio quedam, vt summa ad octoginta fj excresceret,
tune posset suscipi ille Magister in diaconum. Ich sehne
mich immer mehr nach ihm. est solide doctus, solide docet,
et in linguis ac litteris sacris solide versatus, preterea
mansuetus vir et pacis amantissimus . . . Merseburgij
XII Septembris 45 . . .
20. 28. und 24. September 1545.
. . . Principio hoc nunciandum fuit Senatum Merse-
burgensem in aedes meas venisse Uagitatum, vt Magistrum
illum destinatum diaconum accerserem, se illum sponte
accepturos, sed non nisi 50 fj, additis illis viginti ab
Sixtinis, numeratnros. Est igitur vocatus in quintain
feriara post Matthei [24. Sept.], Nam hec Quarta feria
ante [23.] seripsi . . . vnde vero eius merces corradi
queat, significabit Scheda ab D. Ernesto 2 ) mihi tradita,
quam bis adnexam supplex mitto. Alter vero diaconus D.
Christophorus accepit a me eommendaticias Oscha-
ciam versus, quo profeetus sperat se funccionem isthic conse-
cuturum 8 ). In Consistorio satis difficilium et perplexorum
l ) Vgl. Brief Nr. 13.
*) Brotauff.
*) Christoph Neuß (Flemming S. 169 Anm. 2). Nach dem
Merseburger Exameubuch Bl. 208 wurde er am 26. Mai 1548 vom
Konsistorium geprüft, weil er als Prediger nach Rochlitz kommen
sollte, aber nur kurz, „Quin hic [d. h. in Merseburg] quoque diaconum
egit aliquamdiu et postea etiam in Oschitz miuisterio Ecclesiastico
fnnctns*. Er ist höchst wahrscheinlich identisch mit Christoph Neyssen
aus Mittweida, der nach dem Wittenberger Ordiniertenbnche I Nr. 599
am 4. Juni 1544 für Machern ordiniert wurde, aber vielleicht sein Amt
gar nicht antrat, nnd dem bei Kreyßig, Album der evangelisch¬
lutherischen Geistlichen im Königreich Sachsen *, Crimmitschau 1898,
S. 475, als Diakonns in Oschatz 1545 genannten Christoph Reuß
[Druckfehler]. Die dort sich findende Notiz: „zog von hier nach
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negociorum habemus. D. Decanum semper adhibemus, et
is vitro ac lubens suam operam confert. Concubing Sacer-
dotam nondum prodierunt in publicam. dominus Cancellarins
diligenter et scripto et presenti sermone admonuit Judocum 1 )
et reliquos nonnullos, vt vitam emendarent, aut iore, vt ali-
quando graue quiddam sint experturi. Promisit Judocus
meliorem frugem, sed metuo, vt sni similis mansnrns sit.
Nam hodie adbnc säum scortum apud se fouet. D. Malti-
cius et D. Cancellarius hodie vna Dresdam profecti sunt
Concionatus sum in der Aldenburgk et in nouo foro et
nunciaui populo celsitudmis vestrg sententiam.
De abitu meo Jhenam nunciabo celsitudini vestr^. non
puto me ante proximura mercatum lypczensem itarnm. Doc-
torem Heinichen 2 ) diebus aliquot in publico non vidi.
Sunt illa Lutheri Themata ex Lipsia (isthic eciam excnsa
sunt) ad me inissa . . . gaudeo Louaniensium insanie
obuiam itum esse 8 ).
Est doctus quidam Magister Joannes Policarius nuper
Wittemberge promotus 4 ), qui ad me scripsit ac petit func-
Merseburg und erhielt vom Stadtrate 27 Groschen als Beitrag zum
Fuhrlohu“ wird so zu erklären sein, daß er, nachdem er in Oschatz
seine Probepredigt gehalten hatte, nach Mersebnrg zurückreiste, um
seine Familie und seine Habe zu holen, nnd die Umzugskosten vom
Oschatzer Stadtrat vergütet bekam. Dann wäre er also nur ein paar
Monate in Merseburg gewesen.
*) Jodocus Maler. Vgl. Brief Nr. 3.
*) Franz Richter aus Hainichen, 28. März 1530 in Leipzig zum
Dr. iur. utr. promoviert (Matrikel der Universität Leipzig II 38, 51;
vgl. auch Neue Jahrbücher f. d. klass. Altertum, Gesch. und deutsche
Literatur u.f.Pädagogik 20,123f.). Auch bei Fraustadt S. 184 erwähnt.
8 ) CONTRA / XXXII. ARTICVLOS / LOVANIENSIVM / THEO-
LOGISTA/RVM./MARTINUS LV-/THER DOCTOR THEO-/LOGIAE
VOCATVS. / LIPSIAE / IN OFFICINA VALEN- / TINI PAPAE. /
ANNO/M.D XLV. / 8ff. 8°. 1 b und 8 weiß. Zwickauer Ratsschul¬
bibliothek XXII. VIII. 38 5 . Die Wittenberger Ausgabe in 4°: CONTRA
XXXII./ARTICVLOS LOVANIEN-/SIVM THEOLOGI /STARUM./...
(Zwickauer Ratsschulbibliothek XX. VHI. 7 ]3 ) ist also ein Nach¬
druck. Übrigens enthalten beide Drucke nur 75 Thesen (Nr. 5 in dem
Abdruck Opera varii argumenti IV 486 fehlt) und weisen beide (also
nicht erst die deutsche Ausgabe) die Schlußbemerkung auf: Dixi
dicamqne breui plura, Deo fauente (gegen Köstlin-Kawerau II 609).
Vgl. auch noch Melanchthon an Justus Menius, 9. Sept. 1545: „Mitto
tibi propositiones editas contra Lovanihnsium sophistarum articulos,
quas integer über sequetur“ (CR. V 848) nnd Luther an Veit Dietrich,
23. Sept.: „Existimo M. Hieronymum Propositiones meas contra
Nostrollas ad te misisse“ (de Wette V, 758 f.).
4 ) Johannes Pollicarius Cygnaeus wurde am 1. Sept. 1545 in
Wittenberg magister artium (Köstlin, Die Baccalaurei und Magistri
der Wittenberger philos. Fakultät 1538—1546, Halle 1890, S. 18).
Vgl. ferner über ihn Beiträge zur bayrischen Eirchengeschichte III
(1897), S. 146 Anm. 1 (wozu aber zu bemerken ist, daß er in Weißen¬
fels stationiert war und nur vertretungsweise in Freiburg a. d. Unstrut
zu tun hatte), auch Gödeke, Grundriß II *, S. 98 Nr. 53,190f. Nr. 64.
Archiv für Beformationsgeschicht« IX. 1. 4
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cionem in dicione Merseburgensi, cai respondi, expectaret
celsitadini8 vestr§ reditum, me ad celsitudinem vestram eins
petioionem relaturum. Est doctus et bonas, sed in ministerio
Eaangelico hactenus non est versatus, quare nihil grauaretur
diaeoni vices interim snbire.
Hactenus leta, nnnc non admodnm incunda et qnedam
eciam tristia narrabimns. Primo de Canonicis nostris, qui
proxime elapsa dominica [20. Sept.] templi sni dedicacionem
eelebrauernnt. pridie eins dominier [19. Sept.] petiuernnt
a Domino Decano, enraret, vt concio et officium dominicae
a nobis posthaberentur. decanns antem consnltis et me et
Lanrencio respondit illis ad se id non pertinere, sed ad
celsitudinem vestram, si quid mutandura esset Canonici
vero nibilominus miss§ sue cantum prorogauerunt vsque ad
medium octaug höre, postea nos nostrum officium morc nostro
c^pimus et deo concedente feliciter peregimus. Eadem
dominica Nebulo ille, qui ad S. Michaelem concionatur 1 ).
turpissime de doctrina nostra et nobis pro concione locutus
est . . . habuit auditores multos et inter reliquos vxorem
D. Decani, quod ipse dolenter mihi conquestus est seduci
suam vxorem a matre. Deinde et vxor domini Ottonis
solet in id sacellum sacra auditura ire, item Canonici
Storckius et Schonnebergius ac plerique alij. Sixtini
officium meum concionandi a me illis gratuito oblatum sim¬
pliciter respuunt vnd sprechen, wir sollen sye zu friedeu
lassen, se hanc nostram doctrinam nolle.
D. D. Fachsius scripsit Consiliarios lllustris Principis
Mauricij et in primis D. Pistorem cancellarium 2 ) vrgere.
vt Magister Sturmius mittatur kegen Lyssam. Den con-
swtoriales scheint es geraten, vt celsitudo vestra scriberet ad
Magistrum Wenczeslaum Sturmium Lyptzensem, vt se Lyssam
conferret, Deinde etiam Lyssensibus scriberet, vt Magistrum
Sturmium ad se adueherent, donec conciliacio aliqua inter
Principes contingeret. Consistoriales metuunt scribere, ne in
aliquam indignacionem lllustrium Principum incidant . . .
Sacerdos ille a ßendorff 8 ) omniuo petit se transferri
a Bendorf ad aliam Ecclesiam. Wir haben ihm Roßbach
angeboten ...
Hesterno die 23 Septembris Quarta scilicet feria post
Matthei klagte bei uns eine Frau contra : quendam lectorem
chori nostri Andreas Winter, der mit ihr 14 Jahre lang in
publico matrimonio gelebt, 6 Kinder erzeugt, dann aber sie
verlassen habe. Wir haben ihn verhaftet.
*) Georg Trabenbach. Vgl. Brief Nr. 2.
*) Ueber Simon Pistoris, Herzog Moritz’ Kanzler, vgl. zuletzt
Neues Archiv f. säehs. Geschichte 31 (1910), S. 134 tf.
3 ) Flemming 8. 182.
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21. 27. äept. 1545.
Der Pfarrer za Laachstädt, den kürzlich der Schlag
gerührt, ist vor 12 Tagen gestorben 1 ). E Consistorio
scripsimas eins loci Questori, ne paroeciara Lauchstadianam
coiqaam locaret ante celsitndinis vestr§ reditam, nam collacio
ad v. c. pertinet.
Formal^ seu testimonia ordinandoram excasa sunt
trecenta et ab Joachimo Camerario ad me missa 2 ), qui
scripsit constare ij taleros, preterea quantum pro vectura
carrocarius postularet.
De adaenta Principis Aagasti nihil prorsas dicitar. Cou-
siliarij, vt dixi sopra, Dresdam abierant . . .
D. Christophorus*) diaconas fanccionem nactas est
zca Oschacz, et scribit ad me parochas isthic petitqae, vt qaam
primum Christophoram dimitteremas, vt illo concederet.
Magister ille valentinus 4 ), qui noster fataras erat
diaconas, accersitas a me petente Senata hac veait. cam
autem Senatai per M a g i s t r a ra J o a n n n e m 6 ) uanciari iuberem,
vt ad consistoriam siscenderent, iassisse enim celsitadinem
vestram, vt vestrg celsitudinis nomine a nobis in consistorio
aociperetar et data nobis manu celsitudini vestr§ obedienciam
promitteret, hic Consul Mostelias 6 ), apad qaem Magister
Valentinas diaerterat, Valentino ipso aadiente palam
sabiracandas respoaderat Magistro Joanni Senatum non veile
ascendere ad consistoriam, der Musa wolte capplan entarleben
vnd an nemen, wen er wolte, das gedechten sye nicht zcu
leyden. hoc rcsponso Consalis Mostelij aadito Magister
Valentinas eaestigio discessit Lypsim, Senata tacente
ipsumque dimittente... Mersebargij dominica post Matthei 45.
*) Hieronymus Clauser (Flemming S. 202)..
*) Ueber Wittenberger Ordinationsformulare von 1553 und 1558
vgl. 0. Clemen, Alte Eiublattdrucke, Bonn 1911, S. 77.
*) Neuß, s. o. Brief Nr. 20.
4 ) Gräser aus Hof? Flemming S. 202 unten. Uebrigens auch
in Wittenberg immatrikuliert, W. 1539/40, bekannt mit Kaspar Brusch
(Horawitz, Caspar Bruschius, Prag und Wien 1874, S. 80), mit Georg
Fabricius und Wolf gang Meurer (Baumgarten-Crusius, G. Fabricii
epistolae ad W. Meurerum et alios aequales, Lipsiae 1845, p. 11:
25. Sept. 1544; Gr. war damals in Leipzig). 1546 ist er als Ober¬
pfarrer in Münchberg (Oberfranken) nachzuweisen (Zapf, Gesch. der
Stadt Münchberg, M. 1829, S. 139).
B ) Wohl Mag. Joh Reiffschneider, der im Merseburger Examen¬
buch am 31. Oktober 1545 als Mitglied der Prüfungskommission, am
30. Nov. 1548 als Notarius consistorii publicus genannt wird (vgl. auch
CR. VI, 956). Vgl. über ihn im allgemeinen Haußieiter, Melanchthon-
kompendium, Greifswald 1902, S. 152 ff.
•) Hans Mostei, bei Fraustadt S. 193 A. 7 erwähnt.
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Beilage zu Nr. 21.
Ego deo volente ibo Jhenara proxima dominica post
Michaelis [4. Okt.] a prandio 1 ). diucius expectare non possnm.
oro, vestra celsitudo hoc festinet. Cum Synodo veilem
expectari vsque ad meum reditum.
Adfuit Magister Georgius Möhr 2 ), qni a Numberga
propter Medlerum dimissns est, ac pecijt funccionem et parat
iam iter Wittembergara. Ego respondi, vt se primum Illu-
strissimo Principi Electori etc., deinde domino doctori
Luthero . . . isceret; si isthic nihil adipisceretur, peteret
ab Illu8trissimo Electore dimissionem et huc rediret, me
adnixurum, vt illi prospiceretur. videretur mihi idoneus
sati8 consistorio et esset contentns ij° fj. veilem tarnen, si
interim, dum absum, rediret, vt nihil illi promitteretur . . .
Attulit commendaticias a Domino Episcopo Czeiczensi 3 ) ad
vestram celsitudinem, quas hic simul raitto . . .
22. 29. Sept. 1545.
... Etsi ante biduum [27. Sept.] nuncinm ad celsitudinem
vestram multis litteris ac grauibus caussis onustum miserim,
tarnen, quia sperabat se celsitudinem vestram Magdeburgij
inuenturum, illo iter instituit, et ego iam ex nescio quo
adolescente cognoni celsitudinem vestram illo nondum per-
uenisse, et ali§ eciam graues causse interim in manus meas
venerunt, necesse duxi fore, vt denuo scriberem. Ac prirao
loco, quod celsitudini vestre signiiicatum volebam, hoc est:
lllustris Princeps ac dominus, dominus Augustäs, Princeps
Saxoni§ etc. dominus meus clementissimus hestemo vespere
[28. Sept.] venit Friburgum, illo canes venatici eodem hesterno
vespere ducti sunt, vnde putatur dies aliquot isthic venacioni
operam daturum esse. Sed an Merseflürgum venire con-
stituerit, nemini constat. Si celsitudo vestra eius clemenciam
Friburgi conuenire velit, licet.
Deinde scripsit heri ad me D. D. Pfeffingerus ex
Lypsia horrenda noua, que Rex Ferdinandus admisit in
vallibus Joachimicis. mitto snpplex illius litteras celsitudini
vestr§ legendas. Fecit eciam cuiusdam concionatorisMathesij
mencionem, de quo plura deo volente presens. etsi dicitur
mihi Numbergam illum sufficiendum in locum Medleri, sed
tarnen coram plura 4 ). Feci mencionem de alio quodam Magistro
>) Vgl. Brief Nr. 20.
2 ) S. oben Nr. 12 und RE» XII, 495.
3 ) Amsdorf.
4 ) König Ferdinand hatte die Grafen Schlick gezwungen, Jo-
acnimathal u. alle ihnen zugehörigen Bergwerke ihm zu übergeben.
Wegen dieser bedenklichen politischen Veränderung erwog Mathesins
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Moro, qai et ipse ab Numberga propter Medlerum dimissus
est, de qno seutentiam meam celsitudo vestra cognoscet in
prioribns litteris.
Magister Wolffgangus 1 ) Snperattendens Weyssen-
feldensis admonitus a D. D. Fachsio et a me, vt Magistrum
Sturmium lyssam induceret, sed pertinaciter rennit, quem-
admodom litter§ illins testantor, quas itidem supplex mitto...
Hesterno die scilicet in die Wenoeslai [28. Sept.] pecijt
Nobilis ille zcu Czesen 2 ) Wolfgangas a Brandenstein 3 ),
vt ad se exirem, in suo pago concionarer, nam dedicacionem
templi eo die agebant. Quum non admodum multg essent
illo die in consistorio causse, exiui comitatus M a g i s t r o
Joanne 4 ), misit cnrrum et equos, eduxit et redoxit nos,
eoncionatns snm, et extemplo a prandio redij Mersebnrginm.
Hodie Michaelis de Sanctis Angelis declamaui in nostro
teraplo. Constitui proxima dominica [4. Okt.] abire Jhenam,
snpplex rogo, celsitudo vestra festinet domum ... Merseburgij
in die Michaelis Anno etc. 45 . . .
23. 15. Oktober 1545.
. . . Celsitudinis vestr§ litteras accepi, vtprimum Jhena
Merseburgnm redij (abfui enim dies duodecim et hodie quinta
scilicet feria, nempe XV octobris, redij Merseburgum). Quod
vero celsitudo vestra de motibus illis bellicis scribit, nihilo
minore animi maerore et ego illos audio atque celsitudo
vestra aut quisquam alius . . .
DeMoguntini obitu 6 ) ante dies octo Jhene cognoui...
De Synodo veilem illam prorogari in octiduum, nempe in
diem XXVI Octobris . . .
Inter scribendum... venit ad me quidam vicinus meus, qui
affirmauit se ex ore deß herezogen Augusti Schenken audiuisse
iam circiter quartam horam Regem Ferdinandum armata
manu innasisse et populari cepisse dicionem Illustris Principis
_ •
den Gedanken, nach Naumburg zu gehen: Lösche, Joh. Mathesius 1123.
Daß aber auch seine Berufung nach Merseburg in Erwägung gezogen
wurde, zeigt der Brief Paul Ebers an Mathesius, Wittenberg, 26. No¬
vember 1545, bei Loesche, Johannes Mathesius, Ausgewählte Werke
4 (Handsteine), Prag 1904, 493 f.: „Non desunt loca honesta et atnpla,
vbi Ecclesiae seruire poteris, quod ad te iaindudum relatum existimo.
Nam et a Philyra te expeti et a nouo praefecto Martiae turris scio.“
Denn Martia turris = Merseburg, nicht = Königsberg (Loesche S. 684).
2 ) Stein.
2 ) Zöschen.
3 ) Flemming S. 206.
4 ) Vgl. Brief Nr. 21.
5 ) Albrecht von Mainz j 24. Sept. 1545 (Hertzberg,
Halle II 191).
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Maaricij: Der Konigk Ferdinand sey M. G. H. Herezogen
Moricz ynß landt gefallen, et dam stans ille meus vicinus
hec aadit ex Pincerna 1 ), ablegatur eques quidam nancius, qai
celerrimo carsa abit, hec indicataras lllastri Principi
Mauricio, qai ramor sopra modum me terruit, et äaeerdotes
nostri dieuntur mirabiliter superbire.
De oraciuncala Synodali 2 ) deo propicio cogitabo. De
molendini ac reliquorum §dificiorum conflagratione vehementer
fai obstupefactus. non parum affuit, qain idem naper mihi
accidisset, dam in vieini mei edibas quidam eqaes bombardam
manaariam incaucias excuteret.
Synodas antea celebrari solitas fait qaarta feria post
commanes [7. Okt.], qae dies iam preterijt, qaare veilem
prorogari dictam Synodum vsque ad secundam feriam post
vrsul$ [26. Okt.], vt super memini. Non puto id ingratum
celsitudini vestr§ fore, si renuueiabimus paroecianis ruralibus.
Magister Wolffgangus Stein Parochas et Super-
attendens za Weyssenfelß per Illustrem Principem Mau-
ricium etc. sua funccione amotus est, quia Magistrum
illum Sturmiamad paroeefam lyssensem nolait indacere.
mitto celsitadini vestrg illias ad me litteras 8 ). commouit
me haec res non parum, quod emeriti iam ac grandeui pastores
tarn facile debeant abijei. oro, celsitudo vestra huic malo,
si fieri potest, raederi velit.
De nostrornm principum exercitu varia dieuntur et dissona.
Elector superiori sabbato [10. Okt.] mouit ab Molhausen 4 )
ac recta profectus esse dicitur in Saxonie nescio quam vrbem.
rumor magnus de mutuo conflictu sparsus est . . .
Canonici nostri dieuntur aliquocies in arce fuisse, petentes
aliquid referre ad Principem Augustum ipsum. At Princeps
noluit illos neque admittere neqne audire. Mussitatur a qui-
busdam voluisse eos petere, ne amplius in Ecclesia (vt vocant)
ipsorum eucharistiam porrigeremus.
Ciuis quidam Numbergensis narrauit mihi superiori
hebdomada Numbergam transijsse tria militum peditum milia
et quingentos, paulo post secutos equites cataphractos sexcentos,
qui omnes ad Illustrem Principem Mauricium attinuisse certo
dieuntur. Ipse Princeps pernoctauit in Porta equis quadra-
ginta, lectica illo vectus.
*) Mundschenk.
2 ) Ueber Fürst Georgs Synodalreden vgl. Nik. Müller, Zur
Chronologie und Bibliographie der Reden Melanchthons, in: Beiträge
zur Reforniationsgesch, Köstlin gewidmet, Gotha 1896, S. 124 ff.,
W e s t p h a 1, Georg S. 144 ff.
3 ) Dieser Brief vom 9. Okt. 1545 ist im Zerbster Archiv erhalten.
4 ) Melauchthon an Mich. Meienburg in Nordhausen, 5. Okt.
,.Noster dicitur venturus ad Molhusen post triduum“ (CR V 861).
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Comes ille a Mansfelt apud nos iam moratar, acceptas
ab Jodoco in aedes -suas. Comes autera ille est, qni
Canonicus ac nisi fallor decanas est Magdeburgij . . .
Merseburgij qainta feria post Gereonis 45 . . .
Certo dicitnr Brannswiezensem bis vno die oppngnasse
ac extarbasse arcem Wolffenbuttel et bis repolsnm magna
iactura suorum militnm 1 ).
Beilage za Nr* 23.
Que de rege Ferdinando scripsi, hoc vesperi ciroiter
octauam horam, cnm bas obsignassem, cognoui vana esse et
ficta. nam puer quidam in aula istum rnmorem sparserat, sed
deo gracia, quod van ns rnmor sit.
24. 17. Oktober 1545.
. . . Sublimitatis vestr§ litteras bodie paulo ante primam
horampomeridianamaNobiliadolescente Herczhaimero 8 )
accepi, qnibus cognoui Sublimitatem vestram de futnra Synodo
nimium sollicitam fnisse et illius canssa alijs grauioribus
negocijs interim sepositis huc aduolare constituisse. Etsi
enim res digna est, cni principes viri snmmis viribus in-
tendant, . . . pinm fore existimo, si pocioribus precipua ad-
bibeatur cura . . . Nos Celsitudiuis vestr§ subditi destinato
scilicet ad consistorium libeuter renunciassemus Sacerdotibus
diem Synodi constitutam, sed quia temporis angustia id
minime paciebatur, hoc ininimus consilium, veile nos permittere,
vt Sacerdotes proxima secunda feria [19. Okt.] (quemadmodum
ante dies quattuordecim iussi sunt) hnc veniant. Et cnm
venerint, in templo nullara oracionem (sicuti soliti snmns)
habebimus, Sed connocabimus eos in Sublimitatis vestr§ aedes
et primo excusabimns Celsitudinis vestrg absenciam, Deinde
pericula impendenciaproponemus et ad oracionem adhortabimur,
Tercio, si qui errores vspiam extent, illos audiemus et signabimus
et ad vestram sublimitatem referemus, postea denunciabimus
Ulis aliam Synodi diem a vestra Subliraitate constitutam et
ita eos vicissim dimittemus, admonebimus eciam, ne granentnr
ad diem constitutum redire . . .
Caussam Matrimonialem ab Eysleben audiemus et
signabimus, vt iussit celsitudo vestra. Dominus L. Laurencius
*) Melanchthon an Anton Lauterbach in Pirna, 18. Okt. 1545:
,[Lyeaon Brunswicensis] Arcem Lupinam bis diebua oppugnauit, sed
frustra . . .* (CR. V 869).
2 ) Ein Sohn oder Verwandter eines der beiden Hertzheimer (Joh.
Evangeiista u Joh. Baptista), die Sommer 1512 in Wittenberg imma¬
trikuliert wurden (End ers I, 12, ZKG. XVIII. 391)?
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libenter nostre ecclesi^ insernit. Senatus in suscipiendo
diacono est paulo cnnctacior, non dicam morosior . . .
De rege, nostrg dicionis populatore, hodie adbnc rnmor
passim volitat, sed oramus Christum pro illnminacione
errancinm et pro pace ac conseroacione Ecclesiae.
Ex quodam Sacerdote a Salcza huc misso cogooui
Braauswiczensem vndique a nostris obsessom, ita vt
effugium illi nullum pateat. veilem bonum Principem ad cor
redire (sic vt scriptnra dielt) et illnm recordari, quod hoius
mnndi omnia cadnca sunt. Christus illi et toti suo exercitui
adsit. Amen ...
Quod ad Superattendentera Weissenfeldensem 1 )
attinet, scripsi illi hodie, meo nomine, et consolatus ipsum sum ae
iussi eum bene sperare et orare et pollicitus illi meam sum
operam. hec fuit summa litterarum. Non dubito, quin, si
Illustris Princeps Mauricius et Augustus reccius instituti
fuerint, aliter iussuri sint. cedendum aliquando est principum
indignacioni. Est tarnen vir bonus et valde diligens. quare
spero res illius prosperiores aliquando fore . . . Merseburgij *
p 08 tridie Galli 45 . . .
Beilage zu Nr. 24.
Ego deo patri omnipotenti in precibus meis quendam
Principem Episcopum Magdeburgensem 2 ) obtuli ac rogaui,
vt per illum regnum Satane destruere et Christi regnum in
eo Episcopatu plantare velit. Et hodie ex quodam Sacerdote
Hallensi a D. D. Jona huc misso certo cognoui illum
principem, quem ego intelligo, a Capitularibus quidem (non-
tarnen admodum) repudiari, Sed a nobilitate et tota dicione
pertinacissime peti. Ego orare non desinam, vt Christus ad
instituendum suum regnum idoneos principes adhibeat et
impiorum conatibus aduersetur, nec dubito me tale quiddam
impetraturum, nam tempus destrnendi regni Satane aduenit.
Et valde admiratus sum illum sacerdotem cum meis
secretissimis cogitacionibus, quas vsque ad id tempus nulli
mortalium aperueram, conuenire. significant hec aliquid.
Christus Jesus adsit Ecclesie sue et det pastores ac Episcopos
sua funccione dignos, amen etc. . .
25. 17. März 1546.
. . . Ach mein gnediger vnd aller liebster herre Purste,
quam grauiter aegrotaui totum quatriduum Sabbato dominica
Inuocauit secunda ac tercia feria post [13.—16. März] adeo
*) Wolfgang Stein.
*) Joh. Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Ka wer au II 107.
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vt meam vitam in manus patris misericordiarum comraendarim
et singulis momentis expectarim abicionem ad Sanctornm
in aeterna vita denm iam landancinm consorcium, qno me
obitns Lntheri tanta cupiditate rapit, vt copiam enm isthic
videre in medio cetu prophetarum, apostolorum atqne omnium
electornm et coram videre, quam ineffabili preconio et gaudio
isthic celebrent dominum nostrum Jesum Christum. Ach,
Eya, weren wir auch da! quid hic in his terrenis
sordibus agimus, nisi quod Jesu Christi sanguine paratum
regnum in terris qualicunque nostra opera . .. administramus
ac propagamus? alias non video, cui eo prosim aut quem
in vsnm diu viuam ... Fiat tarnen volnntas non mea, sed
domini! . . . Ich habe an Invocavit [14. März] Lic.
Lanrenciusfür mich predigen lassen müssen, quod bonus
vir cum laude et libenter fecit, sed deo propicio cras quinta
feria post Inuocauit [18.] redibo ad conciones meas, quas
hac quadragesima de Confessione et eixagiovLct in vtilitatem
ecclesie illaque petente me facturum promisi ... Merseburgij
4 f 3 . post Invocauit 46 . . .
26. 22. März 1546.
. . . Quidam Magister venit ex Lypsia huc et aiebat
se ad diaconatum in Ecclesia Pegauiensi vocatum esse 1 )
ac petijt, vt absente celsitndine vestra ego illum ordinärem
aut concederem Pfeffingero, vt eum Lypsie ordinaret. Hic
cum vtrumque illi negarem, accurrit ad dominum Cancellarium
et Secretarium et per illos valde me sollicitauit, permitterem
eum Lypsie ordinari. ego vero non audebam hoc illi con-
cedere, nam nulla est tanta necessitas. habet enim Ecclesia
Pegauiensis Parochum 2 ), qui potest Saeramenta interim
ministrare. Jnssi igitur, vt interim docendi officium vsurparet,
abstineret a tractacione Sacramentorum ac rediret sexta
feria post Letare [9. April]. Hoc autem ipse renuit et, vt
a Magistro Joanne 8 ) audiui, instituit iter ad celsitudinem
vestram. veilem, vt neque hic neque Lypsie quisqnam alius
pr§ter celsitudinem vestram ordinaret sacerdotes, est enim
hoc veri Episcopi munus. Rogo igitur, ne celsitudo vestra
concedat, vt Lypsie ordinetur, propter multa inconueniencia
etc. . . . Merseburgij 2 a feria post Reminiscere 46 . . .
27. 28. März 1546.
... HonestuB Juuenis Alexius celsitudinis vestr^ scriba 4 )
celsitudinis vestr§ nomine bona omnia mihi pr^catus interro-
J ) Kaspar Lindner? Kreyßig, Album S. 485.
a ) Andreas Schmidt ebd.
*) Reiffschneider, vgl. Brief Nr. 21.
4 ) Vgl. meinen Heit S. 131.
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gauit, num quid vel in gubernacione vel in Ecclesia accidis-
set vicij, celsitudinem vestram, si opus esset, ilico huc
accursuram . . . quod ad pr$fatam interrogationem attinet,
equidem, vt me deus amet, nihil mihi constat de vllo peccato,
qnod in tota gubernacione, dum celsitudo vestra abfuit,
acciderit; omnia hactenus eo ordine, quo a celsitudine vestra
constituta fuerunt, obseruata fuerunt, domini de Consistorio
suum faciunt officium diligenter, ego pro virili meo incumbo
officio . . . Illastris Princeps Augustus creditur hoc vespere
aduenturus. alij de fratre quoque duce Mauricio itidem
affirmant, alij negant . . . litteras ad D. D. Pfeffingerum
•et prudentissimum Consulem ac D. D. ordinarium
Lypczensem dominum Ludouicum Fachsium dedi Ma-
gistro Joanni, ac iussi curaret illas quamprimum Lipsiam
perferri. Profeecionem in Marchiam, quam celsitudo vestra
instituit, supplex censeo non obmittendam esse x ). hoc tantum
peto, vt celsitudo vestra huc redeat tercia vel quarta feria
post Palmarum [19., 20. April] . .. Valde ocyter Merseburgij
•dominica oculi [28. März] 46 . . .
28. 30. März 1546.
. . . Celsitndinis vestr§ litteras lllustribus principibus
vtrisque, et Principi Mauricio et Principi Augusto, per dominum
Cancellarium illis exhibendas dedi et fiagitaui hodie res-
ponsum, vbi per dominum Theodericum cognoui Ma-
gistrumJoannem responsum suscepisse et pr^terea nescio
que secreta ex quodam scriba accepisse ad vestram celsi-
tudinem refereuda. Cum autem cognouerim Magistrat«
Joannem libenter se negocijs sibi non commissis ingerere et
me (ad quem hanc rem pertinere sciebat) insolenter preteriri,
•cessi et coactus fui quiescere. ex illo Celsitudo vestra
cognoscet, quid Princeps Mauricius responderit. Quod vero
ad lllustrem Principem Augustum attinet, misi ad dominum
cancellarium in consilijs sedentem ac fiagitaui responsum.
ibi retulit quidam scriba dominum Cancellarium iam cousul-
tacionibus detentum respondere mihi nihil posse, ita coactus
fui ad vestram celsitudinem hac vice nihil rescribere, sed vrgebo
(deo propicio) cras responsum, quemadmodum et celsitudo vestra
ex Alexio rem totam plenius cognoscet ... 3 feria post
Oculi 46.
*) Vgl. Nik. Müller, Beziehungen zwischen den Kurfürsten
Joachim I. u. II von Brandenburg u. dem Fürsten Georg III. von
Anhalt in den Jahren 1534—1540, Beiträge zur Kirchengcsch. der
Mark Brandenburg im 16. Jhrh., Leipzig 1907, S. 1 ff.
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Beilage zu Nr. 28.
Postquam has obsignassem, venit ad me ex arce a
domino Cancellario nuncius, qui significanit se ad litteras ad
lllustrem Principem Aagastam scriptas cras responsurum, ad
alteras vero ad priDcipem Mauricium Magister Joannes
responsura snscepit me nescio. iam si celsitndini vestrg grati-
ficatns est, eqno animo fero. Ego certe non auderem alienis,
maxime principnra, negocijs ininssum me ingerere etc.
29. 3. April 1546.
Empfehlungsbrief für Jacobns Rentei ex Haczkenrode*)
zum Schuldienst. Merseburgij sabbatho post oculi 46.
30. 5. April 1546.
. . . Erholt sich von seiner Leibesschwachheit. Porro
quod ad Ecclesiam nostram attinet, significatum mihi est
Georgium Trttbenbachium 2 ) in ecclesia catbedrali
singulis dominicis summo mane missam celebrare et nonnullis
auf der Aldenburgk vetulis quibusdam ev%aQioxlav praebere
altera specie tantum solitum esse. Etsi dominica letare
[4. April] iusseram id animaduertere, tarnen certi nihil adhuc
accepi. quod si veritatem cognouero, significabo id vel
celsitndini vestr§ vel interpellabo dominos Consiliarios, malim
tarnen ea in re celsitudinis vestr§ sententiam audire. hec
vesperi ad lucernam festinanter scripsi. Fürst Georg möge
trnld zurückkehren, Herzog August habe durch den Kanzler
geantwortet se vel Merseburgij vel in vicinia post hac fre¬
quenter versaturum; für Fürst Georg werde er immer gern
zu sprechen sein. Oe altero concionatore acoipiendo responsum
est Canonicos veile accersere Morum*) ex lipsia idque
concessurum principem Augustum, et hodie actum est cum
canonicis, vt rem maturarent, et illi spoponderunt se pecuniam
illi daturos . . . Merseburgij 2 feria post Letare 46 . . .
31. 15. April 1546.
. .. Scripsit ad me Sartor lllustris Principis etc. Augusti
ceeidisse quendam primatem e sua dignitate, qui antea potens
visus fuit. quis autem ille sit, non indicauit. adduxit autem
1 ) Nach dem Wittenberger Ordiniertenbuch I Nr. 592 wurde
am 21. Mai in Wittenberg von Bugenhagen ordiniert: ,Ca8parus Schmidt
von Mellerstadt, Schulmeister zu Hatzkerade, Beruffen gein Guenterß-
berg vnter der Herschafft von Anhalt zum Pfarambt 1 . Der oben ge¬
nannte Beutel sollte ihm gewiß in Harzgerode nachfolgen. Ein Brief
Reutels an Fürst Georg, Dessau, 6. April 1546, im Zerbster Archiv.
2 ) Vgl. Brief Nr. 2 und 20.
s ) Vgl. Brief Nr. 12 und Beilage zu Nr. 21.
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nie in suspicionem vnius atque alterins consiliariorum. au
alter illorum lapsus sit, eqnidem nulla possum coniectura
consequi ... Deinde misit ad celsitudinem yestram D.
Czilerus 1 ) propositiones, qnas breni dispntatarus est 2 ).
spero celsitudini vestre gratas fore.
Tercio neque hoc celare possum parochum zcu
Lauchstedt Magistrum Valentinum 8 ), qui apud
nos ambiebat superiori autumno diaconatum, is, inquam, iam
septimanas quattuor a sua Ecclesia abfuit in Voitlandia et isthic
accepit aliam Ecclesiam et cogitat Lauchstadianam Ecclesiam
deserere, quod me valde male habet, et indignissime feret
hoc Ecclesia in illo oppidnlo et grauiter offeudentur animi
piorum in ea Ecclesia ... Ad vltimum scripsit ad me S i m o n
Rost 4 ),scribad.doctorisCommerstadij,filium lllustris
Principis ac D. D. Mauricij etc. a Saxonia ducem Albertum
secunda feria post Judica [12. April] vita in Christo functum
esse 6 ), quemadmodum ex illius litteris Celsitndo vestra
cognoscet . . .
lllustris Princeps, video tempora quotidie periculosiora fieri.
dominus Theodericus ante biduum fuit Lipsie, qui
narrauit Lypsie pro certo dici Cgsarem aduentasse iam ad
Comicia et Illustrem Principem Hassie Landtgraffium cum
eins maiestate diu solum collocutum esse . . . quinta feria
post Judica. celsitudo vestra rescribat de die palmarum et
pulsandis campanis in die passionis Christi, anno 46 . . .
32. 16. April 1546.
. . . Celsitudinis vestre litteras hodie circiter terciam
horam pomeridianam Andrea pocillatore 6 ) exhibente
supplex accepi. Et inicio gratulor celsitudini vestr§, quod
de ducatu celsitudinis vestr§ concordibus animis statueritis,
que et ad presens et ad posteros vtilia sunt visa 7 ). magna
res concordia est precipue principum virorum, et ibi effundit
benediccionem suam deus, vbi fratres vnanimes habitant in
domo 8 ) . . .
; ) Bernhard Ziegler. Vgl. über ihn Enders 7, 135 K
2 ) Die drei Thesenreihen (CR. XII, 664—677 und 677—682)
können hier nicht in Betracht kommen: J oh. Haußleiter, Melanchthon-
Kompendium, Greifswald 1902, S. 26.
*) Gräser aus Hof? Vgl. oben den Brief vom 27. Sept. 1545.
*) Sein Brief vom 13. April 1546 im Zerbster Archiv. Später
Amtmann in Weißenfels (CR. IX 1047).
6 ) Vgl. ADB 22, 304.
°) Mundschenk.
7 ) Die am 27. Sept. 1544 beschlossene Teilung der anhaitischen
Länder unter die drei Brüder „wurde erst zwei Jahre später tat¬
sächlich durchgeführt.“ (Westphal, Georg S. 88).
») Ps. 133, 1.
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Porro quod de Eccleshy nostr§ f^lici gubernacione
celsitudo vestra sit tarn sollicita, pietati deditissim§ mentis
doeumentam est . . .
Que vero ad palmas J ) et reliquas Sacrificulorum nostrorum
impietates attinent, colloquar deo propicio cras com dominis
consiliarijs ipse. non ambigo Dominos Consiliarios säum
officium facturos esse 2 ), fuerunt enim hactenus erga me
certe officiosissimi et valde diligenter audiunt de sv%aQtOTia
coneionantem me.
Quod vero in Ecclesia nostra statuendum: ita mihi cum
domino L. Laurencio et domino Jacobo 3 ) consultanti
visum, vt dominica palmarum [18. April] officium in nostra
Ecclesia solito more celebraretur, non deerunt comraunicantes,
Deinde in c§na domini [22.] in vtraque Ecclesia, et Maximi
et nostra, itidem officium exerceretur, spero non defuturos
cömmunicantes, adhibita concione, quemadmodum diebus do-
minicis facere hactenus soliti sumus. Sexta feria [23.J trac-
tabimus deo faueute domiuice passionis historiam. Petam a
Dominis Consiliarijs, vt pulsetur vel omnibus vel saltem vna
campana. finita passione ad Maximum parabunt mensam
domini et prebebunt petentibus Synaxim. Hunc ordinem,
Illustris Princeps, ceusuimus Ecclesie nostr§ commodissimuih
et celsitudini vestrg non ingratum fore... Datum Merseburgij
sexta feria post Judica vesperi 46 . . .
38. 16. Juni 1546.
. . . Consilium meum de suscipiendis insignibus doctora-
libus, quemadmodum cum celsitudine vestra nuper supplex
statueram, non existimo boc tarn negocioso tempore et loco
vel Illustri principi Augusto etc., vel D. Doctori Fachsio
significandum esse. Nam metuo, vt valde interapestiue ea
de re et lllustrem Principem Augustum etc. et D. d. Fach-
sium compellasse videri queam, quare expectandum censeo,
donec feliciter domum redeant ... ex aedibus meis hoc
vesperi quarta scilicet feria pentecostes Anno 46 . . .
34. 31. August 1546.
. . . Postridie quam domum redij, euestigio lypsiam ad
D. Camerarium proficiscebar ac de scripto illo Lutheri 4 )
Ueber die Palmenweihe an Palmarum (1546: 18. April) vgl.
Adolf Franz, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, I, Frei¬
burg i. Br. 1909, S. 470 ff.
*) Vgl. jedoch Westphal, Georg S. 141 ff.
*) Wohl Jakob Steyrer, bei Fraustadt S. 191 A. 1 irrtümlich
als Archidiakonus an St. Maximi genannt. Als Kaplan Fürst Georgs
wird er gelegentlich aushilfsweise in Mersebnrg gepredigt haben. Vgl.
über ihn Enders 18, 855 2 .
*) Luthers Ratschlag vom 6. März 1530 (Theolog. Studien und
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contuli cum eo et contendi ab illo, quantis potui persuasionibus.
caueret, ne in publicum ederetor. hic respondit Camerarius
scire 8e, quaudo a Lutbero et quibus occasionibus scriptum
esset, verum istas occasiones prgsens deo propicio narrabo.
et, vt non excuderetur, cauere id in sua potestate esse mini¬
me. nam aiebat Widemannum 1 ) viceconsulem Lypsie
hoc scriptum vspiam nactum esse et passim ostentare ac iactare
contra nos et nostros et timere se dicebat, vt Widemannus
imprimi iuberet nescio Camerario et tota vniuersitate. nam
ita soleret Senates vel pocius Widemannus prohibere, ne
doctorum hominnm aliquis vel literam änderet dare in publi¬
cum nisi consenciente senatu, ac ipsi sinerent excudere pro
sno libito quidquid vellent magno fastu nemine in consilium
adhibito. in has augustias aut pocius seruitutem redacta
sunt doctorum hominum studia et lucubraciones. Ke igitor
ita stante in bac caussa nibil efficere potui amplius, quin
iterum me domum recepi. fecit tarnen eins scripti copiam
mibi Camerarius, quam celsitudini vestr§ supplex mitto. Dedit
prgterea scriptum aliud, quod est typis excusum, quod simul
mitto. Ingolstadium (certo illi ex Nurnberga significatum
fuit) decima nona Augusti in graciam Principum nostrorum
se dedidisse 8 ). inuenti sunt in eo sex militum peditum milia,
partim Germani, partim externarum nationum, Equitum vero
mille. ac quid cum illis actum sit, ignorabat.
Katisbonam refugisse Caesarem cum suis Hispanis.
qui Turcis crudelius in miseros eines seuire dicuntur.
Fecit eciam mencionem D. Joannis Furstheri.
qui hactenus zeu Scbleusingen egit 8 ), ac exhibuit mihi illius
ad se litteras. Deinde scripsit ipse eciam Joachimus illius
nomine ad celsitudinem vestram, quas litteras celsitudo vestra
his adiunctas reperiet 4 ).
Cum D. Jona nomine Alberi 5 ) sum collocutus tak*.
Kritiken 1909, S. 480ff., dazu noch: Franz Branky, Der Reichstag
des Jahres 1530 und die Wahl Ferdinands zum deutschen Könige,
Jahresber. des öffentl. Untergymnasiuins in der Josefstadt, Wien 1908
[Histor. Zeitschr. 103, 446], Joh. Luther, Zentralbl. f. Bibliotheks¬
wesen 27, 242, P. Schwenke und E. Voulli6me in: Aus den ersten
Zeiten des Berliner Buchdrucks, Berlin 1910 [Festschrift der Kgl.
Bibliothek], S. 86 ff. Nr. 25).
') Wolf Wiedemann (Enders 9, 293 >).
®) Vgl. CR VI 215, 223 (215 wird die Augustini zu lesen sein).
*) Joh. Förster hatte nach dreijähriger Tätigkeit sein Amt in
SchleuOingen niedergelegt, weil er mit seinen Kirchenzuchtsplänen
nicht durchdrang: RE* VI, 131.
*) Dieser Brief des Camerarius an Fürst Georg vom 28. Aug. 1546
ist im Zerbster Archiv erhalten und von mir im Neuen Archiv für
Sächs. Gesch. 28 (1907), S. 128 f. mitgeteilt worden.
6 ) Erasmus Alberus damals stellenlos in Wittenberg: E. Körner.
Erasmus Alber, Leipzig 1910, S. 96.
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is censet Optimum facta esse, vt celsitado vestra Senatai
Northasensi de Albero scribat, se antem, Jonam scilicet,
priuatim ad amicos eadem de re litteras libenter daturum
et sperare se impetrare aliqaid posse. Sed hoc metuebat,
ne aonaam salariam illi sufficeret, nam dicebat vix nona-
ginta aut ad summum Centura fj nuraerari . . .
Nona alia hodie ex Wolffgango, qui principis
Augusti aerario preest, quem vulgo den Cammermeister
appellant 1 ), accepi Imperatorem scilicet habere exercitum
centum et quadraginta milibus militum. Sed arbitror vana
esse, nam ferunt a quodam nostrorum ciuium conficta esse
ad illudendos papistas, creduntur tarnen ista noua a qui-
busdam.
Abbas a Walkenroda 2 ) cum suo parocho hodie
adfuit et attulit grauissimas erga parochum querelas. tandem
autem parochus a nobis admonitus loco se libenter oessurum
promisit. itaque hoc modo conciliati sunt, vt parochus cedat,
Abbas alium substituat. D. Zobel ins 8 ) nondum redijt,
sed dixit Magister Joannes scripsisse eum breui
rediturum. Plura, Illustris Princeps, modo non habeo, quam
flagitem, vt celsitado vestra primo quoque tempore huc
redeat. Nam scripsisse huc consiliarios dixit Magister Joannes
proxima secunda feria [30. Aug.] illos hic futuros in caussa
Canonicorum . . . cum iam essem has litteras obsignaturus,
commodum adferebatur mihi a Sartore Principis Augusti etc.,
de quo sepe dixi, hoc scriptum, quod bis insertum celsitudini
vestr§ supplex mitto, in quo scribitur breui fore, vt Princeps
Augustes totum papisticum regnum euertat. Celsitado vestra
sola id legere velit nec vlli homini communicare et mihi
- remittiere... date Merseburgij 3 a feria post Bartholomei 46...
35, 24, November 1546.
... Illustres principes nostros vtrosque Haie dicuntur [!|
subsistere et in arce acceptos diuersari 4 ). quid vero agaDt
aut quid consilij captent, nondum vidi quemquam, qui certs
nunciare mihi posset. dicitur milites pedites alio able-
*) Wolf Prager, erwähnt bei Fraustadt S. 192 Anm. 2, S. 200
Anm. 3.
*) Der letzte Abt von Völkenrode Nikolaus Seber hatte das
Patronat über Großkörner und präsentierte am 6. Sept. 1546 für diese
Stelle Justus Hartung. Der „parochus“ in unserm Briefe wird dessen
Vorgänger gewesen sein.
*) Ueber den Juristen Christoph Zobel vgl. ADB. 45, 382 f. Er
war Konsistorialassessor in Merseburg (W e s t p h a 1, Zur Erinnerung
S. 51).
*) Vgl. den Bericht über die Ereignisse in Halle vom 22. bis
26. Nov. bei K a w e r a u II 213 ff. u. H e r t z b e r g, Halle II 203 ff.
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gandos, sed qao, ipsi milites ignorant. Dicitur eciam
nonnullos frigore consumptos et plnrimos esse, qui abicionem
ae diraissionem gerant a milicia, sed nnllis concedi. dominus
Theodericus dixit hodie se certo scire Ju 1 inm a
pflugk. Pegaoie expectare, donec a Principe nostro ad
Episcopatum Czeitzensem introducatur, qnemadmodum
celsitudini vestnj scribet ipse, sed simul dicunt Principem
M. ipsum id facere nolle, sed instigare Hallensern, vt ille
pflugum introducat 1 ). misimas Theodericus et ego huius rei
caussa nuncium, vt celsitndo vestra ista sciret et si qua vlla
racione posset, illum nostrum P. M. admoneret, vt sobrius
iniret Consilium neque tanto cum discrimine bis, qui domiuo
aduersantur, tarn arcte se coniungeret tamque diligenter illis
patrocinaretur. verum ista ad celsitudinem vestram secreto.
Quodad Canonicatum Scbonnenbergij 2 ) attinet, ago
celsitudini vestr^ gratias de benigna erga me voluntate, et,
vt verum fatear, non dedignarer accipere, si bac racione
conferri mihi posset, qua Scbonnebergius possedit, nempe
vt 15 fj pro statutis et 50 pro aedibus non cogerer pendere.
Et sunt quidam, qui ita censent posse Illustrem Principem
Augustum illum Canonicatum in sua potestate retinere, vt
semper conferreretur [!] concionatori alicui; quod si mibi conferre
vult, conferat. sine grauamine, vt dixi, libenter accipieraus ...
Fama est (vt Theodericus certo dixit, et hodie in foro
fama publica fuit) diuersoria in ciuitate nostra parata esse
ad sexcentos equites breui huc venturos, cum quorum numero
putant P. Augustum simul venturum, qui scilicet huc veniret
veilem celsitudinem vestram vna quoque adesse, possent
multa bona transigi . . . calcnlus me quotidie parat ad
sepulchrum . . . Merseburgij postridie Clementis 46 . . .
96. 2. Dezember 1546.
. . . Que mihi duo misit celsitndo vestra Philip;
Mel: scripta 8 ), supplex accepi et gracias celsitudini vestr?
') Am 12. Nov. zeigte Pflog den Stiftstädten an, daß er das
Bistum einnehmen wolle, am 29. ließ er das Schloß in Naumburg be¬
setzen. Herzog Moritz, König Ferdinand u. Hans v. Mansfeld hatten
zuvor die Stiftsuntertanen zu gehorsamer Unterwerfung ermahnt,
widrigenfalls sie zur Execution des kaiserl Mandats schreiten müßten
(A. Jansen, Neue Mitteilungen aus dem Gebiet histor. antiquar
Forschungen 10 [1863], II 58).
*) Um das Kanonikat des Franz von Schönburg kann sichs hier
kaum handeln, da dieser erst Anfang Dezember plötzlich starb
(s. Nr. 48 und 49).
*) Wohl der Ratschlag für Fürst Georg CR. VI Nr. 3614 (nach
Christmann, Melanchthons Haltung im schmalkaldischen Kriege,
Berlin 1902, S. 15 vom 23. Nov.) u. CR. VI Nr. 3608 („frühestens
23. Nov.“) oder Nr. 3615 („einige Tage nach Nr. 3608“) oder Nr. 4076
(25. Nov.)
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cum omni submissione ago summas. plaoet mihi Philippi sen-
tenoia, in qua et ego semper fai. Ytilias enim Ecclesi§ censeo
fore, vt plus opere ponamus in explicandis dogmatis Christian^
doctrin^ et in asserendis illis, que vera, que recta queqöe
salutaria sunt, quam in reprehendendis flagicijs hominum et
in iudicandis caussis politicis, precipue quarum iudieium
neque ad nostrum ordinem spectat neque a quoquam nobis
mandatum est. mundus sui similis perpetuo manebit neque
sui similis esse nisi post extremum iudieium desinet, etiam
si ringantur. Quare simus assidui et fideles in hoc solo,
vt scilicet aedifioentur muri hierusalem, vt aedificetur
Ecclesia etc. . . .
Pastores Ecclesiarum de moderacione in concionibus
pr^standa admoneri Decessarium ac non minus vtile fore et
ipse censeo, et valde cuperem nostros, qui in Episcopatu
Merseburgeusi habitant, huc Merseburgum acciri et cum
' presentibus serio agi, vt omissis disputaoionibus de illis
prophanis rebus doctrinam sanam pure doceant ac populum
ad poenitentiam et oracionem diligentem diligenter ad-
hortentur. Quare, si celsitudo vestra probat, iubebo illos,
vtprimum fieri poterit adesse . . .
Von Fürst Johanns Krankheit 1 ).
Quod vero ... ad scriptum attinet, quo domini Super-
attendentes vestr^ celsitudinis nomine admonendi essent,
veilem tale scriptum a vestra celsitudine aedi et ad eos
mitti. verum, si per negocia non licet, dabo interim operam
ego, vt vestr§ celsitudinis nomine a me admoneantur, ac spero
id paucis diebus effectum iri posse, nam nunciorum et raritas
et peruicacia multura hic nobis obest . . .
De bellico apparatu aut vrbis Wittembergensis
obsidione vehementer doleo vtriusque partis caussa. veilem
raeum lllustrem et chariss. Principem M. ex eo periculo
ereptum . . .
Wünscht Fürst Georgs Kückkehr.
Alias hic nihil est certi. Julius a rat rum 2 ) est
Episcopus contirmatus Numburgensis, sed audio Czeiczenses
nolle eum admittere . . .
Merseburgij quinta feria post Andree etc. 46 . . .
87. 8. Dezember 1546.
. . . Quod nuper a celsitudine vestra mandatum accepi,
vt dominis Superattendentibus scriberem, vetarent parochis
sibi commissis, ne de his bellicis rebus vtpote politicis pro
1 ) Damals ,sehr schwach u. betrübt“: Westphal, Georg
S. 167.
*) Pflug.
Archiv für Refonnationsgeschichte. IX. 1. «>
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concione atque eciam alibi in cqtu bominam temere iudi-
carent, illud inquam mandatam hactenus distnli exequi certo
consilio. imprimis enim metuebam, vt meura scriptum
Superattendentes tanta cum reuerencia non essent accepturi.
Deinde eciam hoc consyderaui, ne lilnstris Princeps Mau-
ricins aequo animo esset acceptnrns ac omnino pntaret sui
racionem non haberi, si celsitudo vestra ipsa eins peticioni
morem non gereret. nam olfacio aliqnid in illius litteris,
et exemplnm nnper aeditum monet, vt prudenter agamus etc.
Qnare celsitudinem vestram snpplex et irapense rogo, non
grauetnr tale aliqnod mandatnm aedere et relatnm in litteras
ac v. c. signo communitum hnc ad me mittere. curabo ego,
vt ad singnlos perferatnr.
Quod vero ad parochos in Episcopatu Merseburgensi
attinet, omnes inssi sunt ad proximnm sabbatum [11. Dez.)
a datis his litteris adesse, quibus ego summo stndio pro-
ponam deo propicio mandatnm illnd, vt intelligat lilnstris
Princeps Manricins vestrg celsitndini ac mihi eciam vt minim»
temeraria illa hominnm inconsyderatornm iudicia minime
placere. spero gratnm illius sublimitati fore.
Ex Andrea pocillatore cognoni Canonicos nostros
Celsitndini vestr§ propter Canonicatnm Schonnenbergij scrip-
sisse. impense rogo, Celsitudo vestra adnitatnr, vt Canoni-
catns ille mibi conferatur, neque sinat eciam sibi aedes
illius ex manibns eripere.
Apnd nos plane nihil est nounm prqterquam quod dici-
tur Czeiczenses nolle admittere neqne in cinitatem snam
neque in arcem neque iureiurando se obnoxios facere Juli»
Pflugk.
Heri vesperi postridie sancti Nicolai [7. Dez.j venit ad
me quidam doctus, qui se appellabat Petrum Keczle
a Nurnberga 1 ) et salutauit me nomine D. Zcygeleri et
cum inter reliqua sciscitarer, num quid noui haberetur
Lypsie, Respbndit certo cercius fore, quod lilnstris Princeps
Lantgrauins Hassie vel heri vesperi vel hodie, die scilicet
Conceptionis, esset venturns Lypsim centum tantum comitatus
equitibus et festinanter ire ad lllustrem Principem Mauricium 2 ).
*) Wohl = Magister Peter Ketzmann aus Nürnberg, den
Melanchthon am 18. Juli 1545 als Schulmeister nach Grimma sandte
(CR. V 796). Vgl. hierzu Lorenz, Die Stadt Grimma, Gr. 1871, S. 141711.
Ihm zufolge war K. „bis um 1549“ in Grimma „und ließ sich dann
,ohnweit Leipzig' als Pfarrer anstellen“. Sicher ist, daß er einige Jahre
Pfarrer in Elsterwerda war, vgh CR. VII 1095. 1116 (Okt. 1552), ehe
er nach Augsburg (CR. VII 1146) ging. Vgl. über ihn auch Beitr.
z. bayer. Kirchengesch. 8,38. 16,88, Frdr. Roth, Augsburgs Refor-
mationsgesch. IV, München 1911, S. 705 f., ADB. 15, 688 f., Gödeke
II 2 192 Nr. 76.
*) Vgl. Melanchthon an Paul Eber, Zerbst 13. Dez.: „Nunc enim.
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Ibi cum quaererem, Nam bellam Caesarianam finit um
esset, an principes (vt hic diceretur) se disiunxisset [!],
Respondit: „nequaquam, Nam landtgranins snnm exercitam
apad reliqaos dimisit, breai reditarus ad illos. tantum com-
ponende pacis causa festinanter in has nostras oras venit.“
dixit eciam adnentnm lantgranij adeo certnra esse, vt certo
sciret Lypsie in arce parari victnm ad ipsins adnentnm .. .
Is Petrus Keczel venit hnc accersitus a Malticio et
affirmabat se ab eo acceptnm in parochnm kegen Elster¬
werda. dixit eciam idem Petrus Imperatorem pecijsse sex
mensinm inducias, a nostris antem nnllas illi concessas et
rem Electoris et Landgranij ac cnm illornm exercitibns bene
habere, hec vt accepi, ita reddo.
De connentn Hallensi nihildnm cognoscere potnimns,
quid isthic agatur 1 ).
Celsitudinis vestre litteras ad Illnstrem Principem Au-
gustnm etc. pertinentes racione Canonicatns etc. dedi
Theoderico, ille vero Secretario, Secretarins illas in hunc
vsqne diem apnd se retinnit nec misit Principi Augnsto etc.
excnsanit enim se, qnod plnribns quam quattnordecim diebns
nullus nnncins ex arce Mersebnrgensi iuisset ad Principem
Augnstnm etc. nec satis certo sciri posse, vbinam locorum
reperiri possit . . . missurnm se tarnen hodie . . . Supplex
peto, celsitndo vestra velit iternm ea de re scribere et per
hone nnncinm, quem den Naskittel appellant, litteras ad
P. Aug. mittere, vt cognoscatur, qua voluntate sit P. Aug.
de illo canonicatu ... De obsidione Wittembergensi
nihil hic nouimns neque quiequara huc a quoquam nobis
significatur... Merseburgij die ipso Oonceptg Virginis etc. 46...
38. 8. oder 9. Dezember 1546.
. . . etsi non habeam quiequam noui, quod celsitndo
vestra aut antea non nouerit aut ex domini Theoderici
litteris non intellexerit, tarnen, cum hic hans bote dicebatur
a Consistorio ad V. C. mittendus, nolui oblatam scribendi
occasionem omittere. De subito obitu Francisci a Schonne-
bergk ex Theoderici litteris Celsitudo vestra cognouit.
horrendum est, quod in paruissimo momento loquitur ille
Schonebergius haud secus atque incolumis aliquis homo et
cicius quam aliquis dicere possit „saluete“ extemplo efflat
animam sine cognicione male act§ vit§, sine poenitentia, sine
com certo nuncietur Lipsiam venturus Macedo, ..." (CR. VI 318),
an denselben 20. Dez.: „Lipsiae convenient Macedo et gener“ (326),
an Joh. Marcellus 21. Dez.: „Hodie . . . convenire dicuntur Macedo et
gener“ (327).
*) Vgl. Nr. 35 Anfang.
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confessione fidei, in summa vt brutum . . . Ego besteruo
die nouum parochum zcu Korbeta et Scopa 1 ) magna po-
puli et nobilium zcu Scopa gratulacione introduxi deo gracia
feliciter. Concionari autem propter insolitam vocis rauim
haud queo. dominus Jacobus 2 ) bodie vices meas egit
acturus eciam proxima dominica deo volente. reliqua per
dei misericordiam omnia adhuc salua sunt. Nuncius ab
Episcopo Czeitzensi nonduin redijt. vtprimum autem redierit.
mittam illius rescriptum . . . Merseburgii etc. 46.
89. 9. Dezember 1546.
... de horribili illo casu Francisci a Schonnebergk
antea scripsi. hoc tantum celsitudinem vestram admonitam
supplex cupiebam, postquam ius occupandarum illius aedium
ad vestram celsitudinem pertinere ab Omnibus dicitur, non
veilem quicquam statui ante vestrg celsitudinis aduentum...
Merseburgij postridie post conceptam virginem 46 . . .
40. 16. Januar 1547.
. . . bodie dei gracia concionatus sum de forma orandi
et diligentissime adbortatus sum ad oracionem Ecclesiam,
et finita concione magna populi frequencia mansit in templo
ac orauit longe diligencius quam antea et valde diligenter
auscultauerunt. retuli eciam ad Ecclesiam celsitudinis vestr^
abicionem et caussam abiciouis ac recensui v. cel. versari
in condicionibus pacis inter lllustres Saxonig principes con-
stituendis, breui etiam redituram .. . vicarius quidam nostre
Ecclesi§ Nicolaus Weise vetulus et Organista quidam
hodie primo proclamatus est, vult enim et ipse concubinam
suam ducere vxorem.
Preterea hesterno die [15. Januar] nouus quidam Capi-
taneus 8 ) vt vocant in arcem nostram aduenit et bodie in
templo diligenter auscultauit concionem. Quingenti eciam
milites hac nocte bic pernoctarunt cum nonnullis tormentis
bellicis, qui bodie mane circiter septimam cum tormentis
suis abierunt ad Electorem lypsiam, raissi vt ipsi dixerunt a
Comite Mansfeldensi Alberto, nihil damni cuiquam ciuium
attulerunt, venerunt huc, pernoctauerunt et rursus abierunt
pacifice. Tormenta bellica septem secum duxerunt, quorum
maximum trabebant XXIX equi, reliqua viginti, decem et
octo equi, hec omnia in caput misere vrbis Lypczensis.
*) Der Name dieses neuen Pfarrers von Korbetha-Schkopau ist
nirgends genannt (Flemming S. 179 unten).
*) Steyrer.
Vgl. unten Brief Nr. 44.
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Lypsiam certo dicunt ita dilaeeratam vt horrendum auditu,
nedum visu sit 1 ). Dixit hodie ab flnito officio quidam io
nouo foro habitans mihi probe notus: Geoer meus, inqait,
heri redijt ex ipsa vrbe Lypczensi et se vidisse dixit globum
ingentem ex castris Electoris Bombarda io ciuitatem Lyp-
sensem iactam in ingentes illas aedes frumentarias, que
Lypsie preclare habentur vff dem nawen marckte, ac pertriuisse
istam domnm ita, vt perspici potuerit; in summa horribiliter
Bombardis fractas ac pertusas esse domos fere omnes, Et
quendam Magistrura Bombardarum in castris electoris in ipso
Bombardarum apparatu ictu globi perijsse. Preterea ex ipsa
Lypsia missos globos in Electoris castra vno impetu strauisse
quattuor fossores vallorum vier schancz greber, arme bawrß
leute. Sed hoc certo putatur hodie Bombardis frangendos
muros et capiendam vrbem . . . Aiunt Illustrem D. Augustum
graniter indigoari suasoribns huius belli et poenam minatum
esse. Dicunt eciam Illustrem Principem Mauricium cum
magno exercitu auxilio illis vel hodie vel cras venturum, pu¬
tatur tarnen a quibusdam id minime futurum. Rex Bobe¬
rn o rum fertur nongentos pedites Cygneara misisse, vt in
ipsa vrbe presidio esseut Cygneis contra Electorem, sed a
Cygneis non admissos in vrbem ac retro, vnde venerunt,
reuersos 2 ). Hec ex vnlgata, sed tarnen non omnino incerta
fama accepi . . . Merseburgij XVI Januarij 47.
41. 19. Januar 1547.
. . . Herzog Moritz soll gesagt haben: Non posse iniri
eoncordiam aut non posse vllam constitui pacem rursus nisi
aduersa parte a medio fnnditus sublata. hoc veile lmpera-
torem, hoc Regem etc. Idem ex aduerso dicitur non quie-
turum Lypsice vrbis oppugnatorem, donec profligarit D[ucem]
M[auricium]... Bedauert die Krankheit Johanns v. Anhalt...
O malum omnium malorum malissimum bellum et discordia!
O gratarura ac chararum rerum omnium gratissimum et
charissimum pax, eciam externa, quid dicam et quissatis dicere
potest de interna, que est vita aeterna! Ach Gott hilft
propter sanguinem Jesu Christi.
Der Pfarrer in Zweimen Valentin Schmidt :1 )
gibt immer mehr Anstoß und muß abgesetzt werden . . .
Merseburgij quarta feria Antonij 47 . . .
•) Am 13. Jan. begann die Beschießung (Georg Voigt, Die Be¬
lagerung Leipzigs, Archiv f. d. Sachs. Gesch. XI [ 1873], S. 279).
*) Mitteilungen des Zwickauer Alfertumsvereius I (1887), S. 53.
3 ) F1 e m m i n g S. 200 unten.
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42. 28. Januar 1547.
. . . que scribam, non habeo, nisi qnod preterita nocte
et hac die dominica vrbs Lypsia crudeliter impetita est
tormentis bellicis. tota nocte et hodie iacti sunt globi
tormentarii sine vlla intermissione in ipsam vrbem Lypsiam,
vnde metuo misere dilaceratam esse optimam ciuitatem, et
dicitar cras vi inuadenda, vulgo zu sturmen, ac valde timeo
omnino fore vt perdatur pulcberrima ciuitas . . . Tormenta,
que in Lypsiam emissa sunt, bic sunt audita Merseburgij
hac nocte adeo, vt eines summo illorum sonitu exciti sint et
trepidarint aedes ac fenestrg. in summa: omnium rerum misera
facies est.
D. Zcobelius 1 ) propter suam pecuniam in quoddam
iurgium incidit cum quodam milite Mansfeldensi et vulneratns
est . . . Merseburgij dominica post Sebastiani 47 . . .
Beilage zu Nr. 42.
Hoc vesperi euocati sunt omnes incolg in suburbio, vulgo
alle inanschafft yn der Aldenburgk. missi sunt Lypsiam hac
nocte, vt adiuuent expugnacionem vrbis Lipsice, das sye
sollen eczliche vil hundert wagen mit mist vnd holcz beladen
zeu Leyptzigk yn den Stadtgraben werffen, das man vber-
hin kan vnd mit den Sturmleitern die Stadt ersteigen, da
man gewis saget, das man morgen montagk nach Agnetis
[24. Jan.] sturmen wil.
48. 25. Januar 1547.
. . . Lypsia grauissirae adbuc oppugnatur, totum
triduum tarn grandes Bombardg in illam emissg sunt, vt
sonitus illarum in nostro oppido non auditus tantum fuit,
sed trepidaruut eciam aedes ciuium. nec tarnen cogitant
dedicionem . . . dicunt eciam nonnulli ab tormentorum iactu
in ipsa ciuitate Lypczensi perijsse de promiscua turba ancil-
larum, puerorum, militum circiter quingentos et esse misera-
bilem eiulatum muliercularum et liberorura. rabies illa, qua
ducuntur hoc tempore bellatores, est immanis, quotidie noui
accurrunt milites ad Electorem, quotidie eciam multi aegro-
tare incipiunt . . .
Elector euocauit omnes ruricolas in tota illa circum nos
regione, vt quidam putaut, quater mille rusticos, vt eant in
sua castra et expleant fossas circa muros, vt queant milites
adijeere scalas ad muros et expugnare ciuitatem .. . Merse¬
burgij XXV Januarij 47 . . .
*) S. oben Nr. 34.
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44. 27. Januar 1047 >).
. . . lllastris Princeps, nolui celsitudinera vestram caelare,
quod bodie sexta feria, dam post coDoionem templo egrederer.
aecessit ad me novus ille noster praefectas Wolff ab hage-
nest et dixit se heri ex castris Electoris rediisse et Eleo-
torem cum toto exercitu ab oppagnacione lypsicae urbis
discessisse et festinare Cygneam et circum regiones ad
ipsum nostrum dacem Mauritiam, qai dicitar horribiüter sine
discrimine in omnes homines grassari, rapere eorum faeul-
tates, violare tum virgines tum mulieres, occidere denique
multos, in summa Er soll grossen schaden thun.
Quare vult Elector illi ire obviam, et sicut sonuerunt
verba prefecti, Er wil mit yhm hindurch, hoc est, vult eum
vel opprimere vel vult opprirai ipse. Preterea dixisse Elec-
torem, ut parceretur exercitui, vel Electorem solum cum
Mauricio solo in patenti campo ad duellum descendere veile.
Alii etiam dicunt (id quod et ego credo) nonnullos milites
relictos esse in obsidione lypsicae urbis, in summa dimica-
turos de vita et salute. Adeo pertinax est fratrum ira,
Christus largiatur suum spiritum illis omnibus, Amen.
Husserni visi sunt circum civitatem Aldenburgk et
passim dicuntur diripere hominibus, quecumque habent, et
queritur predictus noster praefectas, ante biduum suas aedes
extiirbatas esse, uxorem profugisse, hussernos illi omnia sua
mobilia abripuisse, ln summa, Elector vult in eum tendere.
An vero aliquem habeat exercitum dux Mauricius, qui possit
opponi Electori, id nemo potest pro certo adfirmare. Molen-
dina lipczensia dicuntur omnia exusta esse nec esse reliquum
nisi unum, quod equis trahitur, neque id sufficere tantae
multitudini alendae. Civitatem horribiliter dicunt Bombardis
laceratam, sicut nuper scripsi . . . Merseburgii XXVII Ja-
nuarii 47.
45. 1. Februar 1547.
.. . Nos hic in magno metu sumus, nam milites residui
ex vrbe Lypczensi erumpentes spoliauerunt proxima
dominica [27. März] sub noctem oppidum Luczen, deinde
prgfectum ab Electore Saxoni§ in arcem Weissenfelss collo-
catum eadem nocte ex ipsa arce vi ereptum lypsim duxerunt
captiuum. In summa faciunt se formidolosos toti regioni.
Dictum mihi hodie est pro veritate equites mille quin-
gentos cum nonnullis peditibus hac nocte pernoctaturos hallis,
*) Diesen Brief stellte mir Herr Prof. Dr. Flemming freund-
lichst zur Verfügung.
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raissos ab Magdeburgensibas et Halberstadiensibus suppecias
laturos Electori. io summa omnia sunt bostilia.
Arx Lypczensis ita est lacerata Bombardis, vt exeuntibus
plana via per arcem pateat, et nulla dum porta aperta esse
dicitur in ciuitate, sed tantum per arcem intus et extra fit
iter, nemo tarnen nec amittitur neque immittitur nisi consen-
ciente prefecto, qui iara dicitur esse Fischer, antea Friburgi
prefectus 1 ). Merseburgij in vigilia purificacionis 47 . . .
Beilage zu Nr. 45.
Certo hic dictum hodie est D[ucem] M[auricium] metu
Electoris sese insectantis aufugisse in Bohemiam et Electo-
rem illo profligato ingenti manu redire ad Lypsic§ vrbis
oppugnacionem . . . Princeps Augustus, frater Mfauricii].
fertur consternatissimo animo esse . . .
46. 4. Februar 1547.
. . . Nouus ille noster Prefectus 2 ) mire humanum se
erga me exhibet, quare veilem eum mihi libenter demulcere
et obnoxium facere lauciore aliqua cena. sed cum non
habeam ferinam, Obnixe ac supplex celsitudinem vestram
rogo, dignetur non grauari aliquam coxam de hyunulo mihi
impartiri, vt possim eum paulo dignius excipere. nam est
mihi ab eo petenda merces mea, frumentum, ligna, pecunia...
. . . Sacrificulus ille, quem vulgo appellabant den
Tauben Jorgen, paucos dies decumbens bac nocte am
donnerstage zcu nacht [vom 3. zum 4. Februar] vmb xij hören
mortuus est. Alle Bekehrungsversuche seitens der evange¬
lischen Geistlichen sind vergeblich gewesen.
Deinde proxima dominica [30. Jan.] in meridie sub
meridiaua concione vetus Prefectus zcu Weyssenfelß Christ off
ab Ebeleben cum trigiuta tantum equitibus et totidem
militibu8 claro medioque die e Lypsia profectus irruit in
ciuitatem Weyssenfeldensem et abstulit XXII milia f 5 .
quos isthuc congregauerat nouus ille constitutus prefectus de
exaccionibus passim collectos ad Electorem pertinentes. Ille
inquam Ebeleben preuenit et abripuit. Postea in oppidulnm
Lützen irruens spoliauit nonnullos et redijt Lypsim 8 ).
Elector misit kegen Weyssenfelß Presidium quadrin-
gentorum equitum et quingentorum militum.
*) Vielleicht, identisch mit dem bei Fraustadt 8. 122 erwähnten
Amtmann von Lützen Hans Fitzscher.
2 ) Vgl. Nr. 40 und 44.
3 ) Vgl. Voigt a. a. 0. 8. 302. Über Christoph von Ebeleben auch
schon S. 2(52.
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Ab Comite Alberto Mansfeldensi quingenti milites
ad Electorem raissi x ), in die purificacionis [2. Febr.] hic pernoc-
tauerunt, zca Pegaw spacio quattuor dieram vna vice XII1I,
altera vice XVI centena militum transieront ad Electorem. In
Summa: Elector contrahit ingentem exercitum. Dicnnt eciam
quidam regem Ferdinandum venire ex Bohemia cum
XVIII milibus militum, sed hoc ex vulgi rumore accepi.
Tempora sunt plenissima periculorum . . . Valde rogo, vt in
hoc tanto frigore medici diligenter aduertant ad Illustrem
Principem ac dominum dominum Joaqnem etc. nam frigus
nonnibil intempestiuum est et adferet morbos.
Hoc eciam pene oblitus eram. Elector misit huc cen¬
tum Bombardarios, qui arci et nobis Omnibus, si quis inopi-
natus incursus forte accidere vellet, essent auxilio. fuerunt
plerique hodie in concione, sunt Iuuenes ab Querfurt huc
accersiti, pacifici etc. Datum sexta feria post purificatam
virginem 47 . . .
47. 13. März 1547.
Hat den von Hans Bote vom Herzog August gebrachten
Brief aufgebrochen und gelesen, in quibus non animaduerto
vllum vestigium pacis, imo speratur breui venturus Imperator,
cuius aduentus non admodum frugifer his regionibus a non-
nullis censetur . . . proxime elapsa quinta feria [10. März]
magnns equitatus cum valde multis curribus et peditibus
preterijt vrbem nostram foris, non ingrediebantur ciuitatem,
vnde oppidani in magnum metum coniecti putabant se peti,
sed extra muros pacifice transierunt Hai lim, ista meis oculis
vidi. Ad id quod in aedes Schonnenbergij migraui,
nihil responsum est, metuo indignacionem aliquam. Est forte
aliquis lupus in aula, qui haue praedam captat, et dolet
sibi faucibus ereptum bol um istum . . . Merseburgij dominica
Oculi mane ad lucernam 47.
48. 26. März 1547.
Briefüberbringer ist Caspar v n r e i n 1 2 ) . . . Porro
neque indignum neque ingratum existimo, quod Prefectus
noster hesterno die in templo mihi narrauit se certo scire
ducem Mauricium pacem ab Electore petere et missas a
Mauricio ad Electorem litteras ingenti signaculo obsignatas,
1 ) K. Kram haar, Die Grafschaft Mansfeld im Reformations¬
zeitalter, Eisleben 1855, S. 289.
2 ) Vgl. über ihn meinen Heit Reg. s. v. und Nik. Müller, Fürst
Georgs III. von Anhalt schriftstellerische Tätigkeit in den Jahren
1530—1538, Leipzig und Newyork 1907, S. 16 Anm. 3.
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quas arbitrabatur pr^fectus condiciones pacis continere. nos
quotidie pro pace sapplices Christo procumbimus.
Ceterum alteram est, quod aadita non adeo iucundum
est, nempe hoc: Ecclesia oostra plane desolata est nallas
ciaiam ad nostrum templum amplius ascendit die dominica.
Panci adsunt ad concionem operarij, mercenarij, aurig§,
nonnullg rauliercul§, perqnam exiguus nameras, vt haad sciam,
opere praecium ne factarns essem, si bona sexta feria
[8. April], vt vocant, historiam dominier passionis magno
com sadore recitarem, cum nemo adfataras sit. qaeso
celsitado vestra vel respondeat, quid fieri hac in re velit, vel
veniat ipsa ante dominicam palraaram [3. April]. Spero pacem
fataram . . . Dankt für Salm . . . Datum Merseburgij
postridie Annanciacionis [26. März] 47 . . .
Beilage za Nr. 48.
Vacant eciam nonnulle parochie, nisi fallor quinque aut
sex, neque quisquam petit vllam sibi conferri. Celsitado
vestra velit cogitare de pastoribus. nam hic nulli vspiam
apparent etc.
49. 29. Mürz 1547.
. . . Que bona de pace noua huc ab Illustriss. Principe
Electore Saxonie etc. allata sunt ad prefectum nostrum,
summo gaudio perfusi vestram celsitudinem celare non
potuimus. Cognoscet celsitado vestra, que certa et que vera
sunt. Prefectus ardenter optauit ista celsitudini vestrg nota
fieri nec dubito celsitudini vestr§ ista grata futura. De officio
Ecclesiastico hoc significo parochum zeu Lünaw 1 ) proxima
dominica Judica [27. März) mane vita in Christo functum
esse. Deinde parochus zeu Wesemar 2 ) valedixit suo populo
et vult discedere a sua parochia et se hallim conferre. si
celsitudo vestra vspiam inquirere potest bonos viros, qui in
illorum locum suffici possent, queso faciat. Hec summa
festinacione summo mane ad lucernam scripsi Merseburgij
tercia feria post Judica 47 . . .
50. 8. Mai 1547.
. . . Omnia sunt incertorum rumorum plenissima. Here¬
mus hic suspensi ac ambigui, quo inclinandum sit. quidam
*) Leuna. Vgl. Brief Nr. 12.
2 ) Weßmar. Vgl. Brief Nr. 1. Der dort erwähnte pastor war
wahrscheinlich noch 1544 abgesetzt worden. In unserm Briefe handelt
sich’s um seinen Nachfolger Laurentius Tunger, der der erste evange¬
lische Prediger zu Neumarkt bei Halle wurde (Hertzberg II 2z0).
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minantor irrapcionem Hispanorum, quorum tyrannis dicitar
ipsius esse Satan§, alij miciorem ramorem spargant et red-
dant nos valde attonitos. Ego certe in istis fluctibus cir-
camferor, vt ignorem, in qaem portum mihi eaadeadam sit.
Dicitar Hispanos circa oppidam De lisch magna cateraa
horribiliter vastare, corrampere et vastare omnia, Delisch
tribos miliaribas a nobis distat, quare idem exiciam nobis
qaoqne metuendam, Deas misereatar nostrL
Deinde incredibiü maerore adficior propter imminentem
celsitadinis vestr^ dicioni adfliccionem. proh denm atqne
hominnm Adern, quam atrociter pnnitnr vnnm hoc delictnm,
cui nomen Verachtünge deß Enangelij ... Et qnod est
omninm horribilinm horribilissimum, nemo mortalinm vel
hodie adhnc his plagis emendatnr . . .
De rebns nostratibus non habeo pecnliaria qne scribam ...
qnidam SacriAculns plane Satanicns, qni diu admodnm de-
cubuit, cni nomen esse ferebant der Swarcz Jorge, nnper
defnnctns est . . . Der Sangkmeister hydropismo laborat
et est desperates, non poterit superesse . . . sed agnouit
«nos errores et pecijt absolncionem ... 3 a leria post Ju¬
bilate Merseburgij 47.
Als Anhang folgen hier noch zwei Briefe Musas an den
fürstlich anhaitischen Leibarzt Wolfgang Furmann 1 ), die za
den letzten Briefen Masas an Fürst Georg, besonders zu den
Nachrichten Uber die Belagerung Leipzigs, wertvolle Er¬
gänzungen bieten*).
16. Januar 1547.
S. in Christo. Rogo te, mi charissime in Christo frater
Magister Wolffgange, signiAcato mihi, an feliciter Dessaviam
veneritis. metno enim vobis propter pericnla itineris. nos
hic diligenter pro Jliustri Principe et vobis omnibus oramus.
Ego nonnihil mihi dei gracia et tna prndenti ope redditns
snm. Spero me posthac aliquamdiu salnbriore vita futurum,
mallem tarnen tua presencia et docto consilio praesens nti,
dato tarnen operam quaeso, nt, quam unqnam Aeri queat
brevi, redeatis. lllnstres Principes ac dominos meos gra-
ciosos Dominum Joachimnm et dominum Joannem, si
per occasionem commode potes, queso meo nomine supplex
salutato et ofAcia mea snbmisse nnnciato. que hic nun-
l ) Vgl. über ihn meinen Heit S. 144 Anm. 1.
*) Die beiden Briefe sind mir von Herrn Prof. Dr. Flemming
gütigst mitgeteilt worden.
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ciantar, ex literis ad Illustrem et Clarissimum Principera
nostrum ac D. D. Georgium cognosces, in summa, auditis
hic wenigk guts, vil arges, Christus Jesus fungatur in hac
caussa officio suo, scilicet liberacionis et salutis, Amen.
Strennum virum dominum Johannem ab heynitz
Marschalcum Dessaviensera et dominum Cancellarium pera-
menter te rogo qnam benignissime et officiosissime meis
verbis multa, imo multissima salute imperti. ltidem quaeso
facias ad Prudentissimum Consulem ac preclarum civeni
Zcervestensem, Patrem tuura, virum honestissimum et arnicnm
meum charissiraum. vale, Magister et in Christo frater
eharissime, ac te impense rogo, rescribe, si quid novoruni
habes. vale iterum. Merseburgii XVI Januarii 47.
26. Januar 1547.
S. in Christo. Nihil iucundius contingere mihi potuit,
Mi domine Magister Wolffgange. quam quod tarn humaniter
mihi ac tarn copiose rescripseris; de bello, quod nunc in
nostra ipsorum viscera geritur, alia que scribam non habeo
quam que tu scribis, gliscere scilicet quotidie acerbius.
proxime elapso sabbato [22. Jan.] totam noctem, deinde se-
quentibus diebus, nempe doruinica, 2 a , 3 a , 4 a feriis continuis
[23.—26.] una cum noctibus sine intermissione ingentes
Bombardae in lypsiam emisse sunt, quarum sonitus nostras
quoque aedes nonnihil concussit, multae domus misere lace-
ratae dicuutur. hodie quidam in Aldenburgio suburbio
Merseburgensi habitans, ex castris Electoris reversus (fuit
enim eo una cum multis aliis accersitus ad fodiendum val-
lum proxime muros civitatis lyptzensis), dixit hesterno die
igneum globum in ipsam urbem atque adeo in aedes
D. Pfeffingeri iactum, qui e vestigio incendisset ligneam
structuram, Sed fuisse a quibusdam operariis evestigio re-
stinctum, quod ubi vidissent Magistri tormentorum, qui foris
in castris fuissent Electoris, ita perciti iecissent extemplo
alium globum lapideum in eandem Pfeffingeri domum, quo
domus fuit deturbata, ut corruisset, et ilico auditum misera-
bilem einlatum clamantium: 0 Got hilff uns! Istud autem
pro certo affirmabat is, qui dixit, imo probavit se vidisse.
Deinde in aliam quandam plateam non procul a portis
Sancti Petri itidem igneos globos iniectos et hac nocte duas
domus concrematas fuisse; ista pro certo affirmantur a quo-
dam, qui se spectatorem fuisse ait. Postea dixit idem im-
mensam molem lignorum comportatam esse an den Stad¬
graben, que hac nocte coniceretur in ipsura alveum den
Stadgraben, ut expleatur, ut tuto transiri possit et scalae
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niuris admoveri, cras enim aut ad summum perendie extur-
bauda dicitur civitas, wil man starmen.
De Imperatore hic quoque nihil certi habetur, imo
altissimum de illo silentium est; multi pro certo adfirmant
desiisse eum apud superos morari. De nostro vero D. M[au-
ricio] neque hic neque Dresde scitur, ubinam locorum agat;
quidam dicunt Cygneae esse, sed neque hoc pro certo
creditur.
Ludimagister noster 1 ) superiore dominico me insalutato
abiit ad castra videnda Electoris, at neque ille dum rediit.
Gonsilia Illustrissimorum atque optimorum principum de
pace revocanda fortunari a Christo peto et ago gracias, quod
apud illorum celsitudinem mei honorifica mencio facta est.
De pace nulla spes uspiam apparet, nisi forte aeternus
pater domini nostri Jesu Christi arcano ac sapienti suo con-
silio aliquam ineat raeionem, qua odio etiam habentes pacem
ad ultro quaerendam petendamque pacem adigat.
A Ferdinando non magnopere metuo, est enim cum
eo oppositum in abiecto [!], hoc est, horrenda fortassis in
animo destiuat, et vires proposito illius nön respondent.
moliantur boni papiste, quicquid volunt et possunt, Consilium
tarnen domini stabit et voluntas eius fiet, quia dominus
decrevit, et quis poterit infirmare, ut Esa. ait 2 ).
hesterno die quidam Bombardarum magistrorum Magister
iacto ingenti globo in urbem lypsicam foras procucurrit,
visurus, quonam volasset globus ille, et quid damni intulisset
urbi, et, dum incaucius prospectat, alias quidam a muro urbis
rursus parva Bombarda emissa globula illum Bombardarium
necat. dicunt parandis et eiaculandis Bombardis valde
peritum et Electori charum fuisse. Sepultus a militibus et
tribus astulis, vulgo uff dreyen halbarten, hat man den
corper zcu S. Joes getragen und begraben preeunte Tym-
pano, haben mit eyner Trommel furher zcum grabe gangen,
illa fuit eorum campana; huius rei itidem spectator fuit in-
cola ille in der Aldenburck, de quo supra.
Urbs lypsica fertur intus hrmissime munita, haben das
pflaster aufgehoben und die thor und zcerschossen mauren
ynnewenigk wider verwart uffs beste. Arx lypsica dicitur
horribiliter concussa ac dilacerata esse Bombardis. Man hat
') F. Witte, Gesch. des Domgymnasiums zu Magdeburg I (Pro¬
gramm von 1875), S. 28 nennt nach 1546 als Schulmeister in Merse¬
burg Mag. Schloebitz („Georgius Schlöbiz Crimmizensis“ am 8. Aug.
1542 in Wittenberg Magister) und als seinen cooperarius Thomas
Arnold. Wahrscheinlich war aber vielmehr der letztere ludimagister,
vgl. Wittenberger Ordiniertenbuch IT S. VII Nr. 1907 („praefuit
scholae Merseburgensi 5 annos“).
*) Jes. 14, 27.
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sich uffs aller nehest hynnan an die Stadt geschanzet, ßo
ist eyn gros holtz zcam Stadtgraben getragen and wirt heint
noch mehr dohin bracht werden, and die graben gefallet,
das man nberhin landen kan nnd mit den stnrmleitern die
Maar erreichen, den vel morgen vel übermorgen will man
starmen. Multi sperant reditarum D. M[aariciam] et allaturam
suppecias, sed malti metaant frastraneam spem fataram.
Undique ex Omnibus locis accarrunt non milites quotidie
ad Electorem, arbs obsessa est quattuor locis, imo circum-
circa, adeo nt nemo in illam ingredi ant egredi qaeat, et si
qui fraude istbinc effagere vellent, statim impetuntur Bom-
bardis ab illis, qai in maris advertunt, et perimantar. Man
scheust mit grausamen grossen stacken vom Sonabent zcu
nacht her, bis uff diese stunde ane nachlassen tagk and nacht.
Pro certo dictum est ubique illis qaattuor diebas circiter
qaingentos homines promiscaae turbae, utpote muliercularam,
paeroram, ancillaram, servorum, militam eciam, Bombardis
perditos esse, Got erbarmß. dicitur eciam de qaadam mu-
liere cive (sed nescio cuius fuit uxor) cum omnibus suis
liberis periisse, miserandam, nihilo tarnen minus insolentissime
dicuntur abnuere pacem.
De parocho zcu Zcweima 1 ) statuam hoc, quod iussit
Princeps. Itidem dudum respondi Parocho Lauchensi 2 ).
expectabit reditum lllustris Principis nostri.
Si certo cognovero, quem eventum habitura est isthec
urbis lypczensis oppugnacio, extemplo significabo vobis.
Sed heus, miranda nova, Cetus 8 ) ille Sacerdos, nostrae
Ecclesiae vicarius, bis proclamatus a me est, vult enim cou-
cubinam suam ducere uxorem, mirum, homo tarn grandevus.
Deinde est adhuc alias quidam vicarius Er Niclas Weiße,
fuit antea organista Ecclesiae nostrae, is quoque bis pro¬
clamatus est et cogitat suam concubinam ducere uxorem.
Canonici Sixtini et quidam alii nostrae Ecclesiae Sacerdotes
iam diligenter audiunt conciones.
Illnstres Principes omnes, Auhaltinos scilicet ac imprimis
valetudinarium Principem Joannem salvos cupio. Illustris-
simo eciam Principi Electori Brandeburgensi meas praeces
et humile ac supplex obsequium ex animo offero, plura nunc
non habeo. valedicito, quaeso, meo nomine Illustrissimos prin¬
cipes omnes. Nos diligenter orabimus. Christus sit vobis
omnibus propicius. Amen. Yale in Christo quam felicissime.
Merseburgii postridie conversi Pauli 47.
J ) S. oben Brief Nr. 41.
r ) Andreas Ernst? Vgl. Brief Nr. 17 und 18.
:i ) Wohl Spitzname.
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Brentiana und andere Beformatoria.
Von W. Köhler in Zürich.
Im folgenden biete ich einige Brentiana, die gelegentlich
der Arbeit an meiner Bibliographia Brentiana oder im An¬
schluß an sie gesammelt wurden. Sie möchten weitere
Bausteine sein zu einer Brenzbiographie, die uns doch ein¬
mal geschenkt werden muß. Einiges andere fügte ich bei.
a) Der Codex Suevo-Hallensis.
Im Vorwort zu seinen Anecdota Brentiana (1868, S. V)
schrieb Th. Pressei: „In Hall selbst findet sich mit Ausnahme
eines angeblich von Brenz’ Hand geführten Hausbuches kein
Buchstabe mehr aus der Feder des Reformators ... Selbst
der glücklicherweise noch von Bretschneider [im Corpus
Reformatorum] verwendete Codex Suevo-Hallensis ist spurlos
verschwunden.“ In Kod. theol. fol. 297 der Stuttgarter Kön.
Landesbibliothek gelang es mir, den Verlorenen wiederzu¬
finden. Über die Herkunft des Codex berichtet der Katalog
der Landesbibliothek: „Aus dem Nachlaß des Rektor Graeter
in Hall (gest. 1830) zunächst an das statistisch-topographische
Bureau Ubergegangen, von diesem an die Bibliothek ab¬
getreten, welche diesen Codex früher als hist. fol. 670 ver¬
wahrte.“ Der praefectus bibliothecae Stutgardianae, Tafel,
schrieb für Bretschneider, der damals den ersten Band seines
Corpus reformatorum vorbereitete, die ihm wichtigen Refor-
matoria ab (vgl. Bretschneider in der Einleitung des ge¬
nannten, 1834 erschienenen Bandes). Auch die Brenzbiographen
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Hartmann und Jäger müssen, wie ein Vergleich zeigt, den
Kodex benutzt haben; sie haben ja leider darauf verzichtet,
ihre hdschr. Quellen anzugeben. Seitdem galt der Kodex
als verschollen. Die Frage seiner Herkunft ist nicht mit
voller Sicherheit zu beantworten. Zwar die ihm von Bret-
schneider gegebene Signatur: Suevo-Hallensis trägt er zu
Recht. Sowohl die Aufbewahrung bei dem Kektor Graeter
wie namentlich sein Inhalt weisen ihn nach Schwäbisch-Hall.
Aber es fragt sich, wann er geschrieben wurde? Mit Aus¬
nahme eines Stückes sind sämtliche Aktenstücke von einer
Hand, und diese Hand ist nicht die von Brenz; es ist die
Hand eines Schreibers, der sorgsam kalligraphisch aufzeicbnet.
Hie und da wird auch die den einzelnen Nummern ge¬
gebene Überschrift von ihm stammen; wenigstens hat er an
einer Stelle für die Überschrift Kaum gelassen, aber ver¬
gessen, sie wirklich darüber zu setzen. Wann hat der
Schreiber geschrieben? Eine Nummer von seiner Hand trägt
die Überschrift: legacio regis Mathie Ungarorum in comiciis
imperialibus Nurnberge die Thome apostoli anno MDlxxx.
Danach kann er nicht vor 1580 geschrieben haben. Mög¬
lich bliebe allenfalls, daß die vor dieser Nummer liegenden
Stücke etwas früher aufgezeichnet wären, aber nichts deutet
darauf hin; das Ganze ist in gleichmäßigen Schriftzügen
nacheinander geschrieben. Aber welches waren des Schreibers
Vorlagen? Angesichts einer Betrachtung der einzelnen Stücke,
wie sie die folgende Veröffentlichung bringt, glaube ich mit
Bestimmtheit das Urteil wagen zu dürfen: der Abschreiber
hatte Brenzsche Papiere vor sich. Wir wissen, daß
1548 Brenzens Papiere, Briefe und Predigten in die Hände
der Kaiserlichen fielen. Aber doch wohl nur die aus der
damaligen Zeit, — frühere bietet unser Kodex, und falls sie
nicht etwa aus der kaiserlichen Konfiskation sich gerettet
haben sollten, was nicht gerade wahrscheinlich ist, müssen
wir annehmen, daß sie irgendwie, vielleicht im Archive der
Stadt Hall, aufbewahrt gewesen sind. Unter den Papieren
mögen die meisten Originale gewesen sein; von der „Ohrist-
lichen Sendordnung“ (s. u.) können wir beweisen, daß sie
dem Schreiber abschriftlich vorlag; er hat die Schtußnotiz,
(wohl von Brenz): descriptum 28. januarh anno 1531 getreulich
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^1
Vieder abgeschrieben. Das auf 1580 lautende Stück paßt
.natürlich in die Brenzischen Papiere nicht hinein; wie es in
•sie versprengt wurde, steht dahin; vielleicht fand es sich
unter den Akten des Hallscben Archivs nnd schob sich in
die ßrentiana hinein. Ob und wieweit .der Schreiber ab
'den Vorgefundenen Papieren geändert bat, wage ich nicht
‘zn entscheiden. Die. getrenliche HerUbernahme jenes de-
scriptum nsw. läßt aber auf getrenliche Abschrift mntmaßen;
höchstens könnte in der Gruppierung der einzelnen Stücke
geändert sein. Vielleicht aber war die Vorlage schon eine
Art Zusammenstellung, wie sie in den fünf Lebküchnerscheh
Sammelbänden uns vorliegt? (Vgl. darüber Pressei im Vor¬
wort der Anecdota Brentiana.)
1. Die Haller Kirchenordnung 1526.
Sie ist von Richter im ersten Bande seiner „Kirchen-
ttrdnungen“ S. 40 ff. publiziert worden ans den Haller Kollek-
taneen Lebküchners. Unser Kodex bietei aber noch nach¬
stehenden „Beschluß“, der nicht ganz unwichtig ist. Zwar
llaß Brenz die Kirchenordnung als Entwurf einreichte, wußten
#ir schon (Hartmann-Jäger 1, 99), aber für die ganze Art
Und Weise, wie er sie verstanden wissen wollte, bringen die
8ehlußworte erst die rechte Würdigung. Sie sind von prin¬
zipieller Bedeutung, wenn sie betonen, daß die Kirehen-
ordnung nicht mehr als „enßerlich Ordnung oder Zuoht“
ist, deren Beobachtung nur Züchtigkeit, aber nicht Frömmig¬
keit beweist. Unter den pädagogischen Gesichtspunkt der
l'Zneht gestellt, ist sie je nach den pädagogischen Bedürfnissen
; %erbesse rangsfähig, nicht unveränderlich, starr Und die ^Selig¬
keit an ihren buchstäblichen Vollzug knüpfend wie'eine
: Trömische Kultinstitution.
/V
• > i - Beschlus.
•• Dise obgescbriben Ordnung für die kirehen ist : allein
«ein zachtund kein not oder zwangknus, dero halb sie frey
r#p|l sein, wie< es ein Erbarn Rat für gut ward anseben und
4em volck nutz zu bessem, zq endern, meren oder mindern;
ali&in das es gottis wort enlich sey und der kirehen zü
guttem kem; dan das ist vast der großen feyl einer in den
' Cetemonien und kirehen dinsten von den papisten aufgesetzt,
das sie alles gnot und gezwungen wollen haben. Darzu
Archiv für 'BeformaÜonsgesohiohte IX. 1. 6
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wallens nit lassen, ein zuch sein, sonder muß ein rechte
frumkeit sein, also das ein ytlicher, so solche kirchendinst
äußrieht, soll dardnrch frnmb und gerecht sein, so doch allein
*die kirchendinst ein ensserlich ordnnng oder zucht- sein
«ollen, und ein yetlicher, der sie außricht, der dabey ist,
darf sich allein beromen, das er zachtig sey gewesen and
noch nit frnmb. Die framkeit ligt in hohem stocken dan
an kirchendinsten. Man lernt woll jn der kirchen, wie man
frnmb soll sein, darnach die framkeit will heraassen in den
gscheften geübt sein; daramb und dieweyl an der ordnnng
in der kirchen vor gott nichs gelegen ist (Sie were dan
gantz ungotlich), so mag ein Erbar Rath alwegen nach not
and nutz der kirchen sie endern, meren oder mindern lassen.
tu'.. » . ' ' 7
2. Christliche Sendordnung. . .
Abgedrackt in , meiner Bibliographia BrentianajS. 390 ff,
Zar Sache vgl. Hartmann-Jäger I, 336 ff., 396, Bossert, RE 8 3 f
381. Einige Bemerkungen möchte ich hinzafttgep. Hartmann-
Jäger sehen in dieser Sendordnang ein Übergangsstück zur
-Koösi8torialVerfassung (a. a. 0.). Diese. Beurteilung ist aber
,schief. Zum Verständnis der Sendordnang maß man viel¬
mehr vom Begriff der christlichen Gemeinde aasgehen.
Brenz will eine Zuchtordnung für die christliche Ge¬
meinde schaffen, die aber eben auch nur Gemeinde¬
ordnung ist and mit bürgerlichen and staatlichen Funktionen
nichts za schaffen haben soll. Die Fanktionstrennnng ist
mit denkbarster Schärfe durchgeführt, es soll „keine Un¬
ordnung zwischen dem weltlichen Gericht and Send, welcher
ein Kirchengericht ist, entstehen“. Die Obrigkeit wird
in keiner Weise herangezogen, non etwa als praecipuum
membram ecclesiae tätig za sein, vielmehr ist der gut
Lathersche Gedanke lebendig, daß die christliche Gemeinde
ihre Bedürfnisse (hierin der Form der Bestrafung von Vergehen
gegen Gebote and Sitte der Kirche — ausdrücklich [vgl.
iS. 393] handelt es sich nur am solche Vergehen, die die »welt¬
lichen Gerichte“ nicht strafen —) ans sich selbst deckt. Den
von Lnther einst ausgesprochenen, aber dann wieder fallen
gelassenen 1 ) Gedanken einer Aussonderung der „Gläubigen**
’) Siehe darüber meine Aasführungen in der Ztschr. t Kirchen¬
recht 1906 S. 199 ff.
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aus der Gesamtheit der äußeren Christenheit hat auch Brenz
nicht mehr, wie für Luther in der Leisniger Kastenordnung
lallen auch fUr ihn bürgerliche und kirchliche Gemeinde
(fern Umfang nach zusammeu. Aber der Dualismus tritt'
wieder zutage in der schroffen Funktionsscheidung. Was
einst Luther für die „Gemeinde der Gläubigen“ vorgesehen
hatte, die Kirchenzucht auf der Grundlage von Mt. 18,16 ff.,’
Wird hier dem „Kirchengericht“ zugesprochen. Ermahnung, ;
Strafen bis hinauf zur Spitze des Bannes und der Abend-
mahl8verweigernng sind seine Aufgaben. Für das durch die
Strafen eingehende Geld wird ein „Trysol“ gebildet, der
aber ausdrücklich nur Kirchenkasten ist (vgl. S. 391, 395):
Das Geld soll „allein zur stenr und hilf der armen in einer
pfar seßhaftig als ein almusen verordnet und außgeteylt
werden“. Von diesem Gesichtspunkt also der Selbst¬
regulierung kirchlicher Nöte ist die Sendordnnng zu
würdigen; er ist für Brenz der beherrschende. Allerdings
schiebt sich nun ein anderer Gesichtspunkt dazwischen. Wer
soll den Send oder die „Landzucht“ (S. 392) vornehmen?
Nicht die Gemeinde selbst, weder als Ganzes noch in Ver¬
tretern, vielmehr „vier oder auf das allerwenigst drei Männer“;
sie werden „erwelt und verordnet“. Durch wen? Das ist
nicht gesagt, sicher ist nur, daß sie seitens der Stadt auf
das Land deputiert werden; denn sie entsprechen genauestens
den Sendrichtern, die im Aufträge des Bischofs auf den
Dörfern Sendgericht abhielten (S. 392). Daraus ist aber zu
schließen, daß die deputierende Stelle diejenige ist, die unter
den veränderten Verhältnissen die Stelle des Bischofs ein¬
nimmt. Das aber ist zweifellos die Obrigkeit, der „Regierung
und Administracion wolgeburt und zimet“ (S. 391). Hier
tritt sie als praecipuum membrum ecclesiae auf, die einst
von Luther anfänglich auseinander gehaltenen Kreise der
inneren und äußeren Christenheit schneiden sich, der Ge¬
meinde wird von außen her eine Gerichtsbehörde auf¬
oktroyiert. Das ist in der Tat die Linie, die schließlich
in der Konsistorialverfassung mündet; insofern haben
Hartmann-Jäger, recht; aber sie übersahen, daß in der
Brenzschen Sendordnung zwei disparate Gedankenreihen
sich kreuzen.
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3. De reetitucioqe bonorum ablatorum, seu furto, een
ijnpio bello, seu fraude. D. Joban. Brentius.
Diese Ausführungen von Brenz haben Hartmann-Jäger
(1362) wohl mit Recht als ein Gutachten aufgefaßt. Eine
zeitliche Einordnung vermag ich nicht zu geben, auch nicht
ZU entscheiden, ob es sich um ein privates oder amtliches
Gutachten handelt; beides ist möglich. Daß es sich etwa
um die Frage entwendeten oder eingezogenen Kirchengutes
gehandelt habe, verrät nichts. Das Problem führt Brenz,
anstatt sich mit der einfachen Lösung: Weggenommenes ist
zurückzugcben, zu begnügen, zu der prinzipiellen Frage der
Stellung des Christen zu irdischem Gut.
(Fortsetzung folgt)
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Mitteilungen.
Zur ersten Festsetzung der Jesuiten in Bayern
( 1548 — 1549 ). Bekanntlich ist neben Köln das bayerische Ingol¬
stadt die früheste Stätte in Deutschland gewesen, an der der neu¬
gegründete Orden der Jesuiten sich auf die Dauer niedergelassen hat
Der Rückgang der im Jahre 1471 gestifteten Ingolstädter Hochschule
unter dem Einfluß der Reformation, der sie sich abwehrend entgegen¬
stellte, veranlaßte den Herzog Wilhelm IV. von Bayern, auf Mittel
und Wege zu trachten, wie er, da geeignete einheimische Lehrer nicht
aufzutreiben waren, von auswärts — aus denjenigen Ländern, wo der
Katholizismns sich noch. behauptete — Lehrkräfte, in erster Linie
Theologen, gewinnen möge, die der Hochschule ihr ehemaliges An¬
sehen zurückzugeben imstande wären. Dabei richtete der Herzog, nach¬
dem seine Bemühungen längere Jahre hindurch ohne Erfolg geblieben
waren, sein Augenmerk schließlich auf den aus Savoyen gebürtigen
Jesuiten Claudius Jajus (Le Jay), der zuerst im Jahre 1542 Deutsch¬
land betreten hatte und hier bald auch mit Wilhelm in Berührung
gekommen war. Hernach wohnte der Ordensmann dem Trientiner
Konzil in dessen erster Periode (1545—1547) bei und wurde endlich
1547 in das Herzogtum Modena gesandt, um protestantischen Regungen,
die sich dort bemerkbar machten, entgegenzuwirken. Jetzt aber er¬
reichte Wilhelm mit Hilfe der römischen Kurie, daß Loyola Ende 1548
oder Anfang 1549 einwilligte, seinen Schüler abermals nach Deutsch¬
land — und zwar eben nach Ingolstadt — zu entlassen, um an der
dortigen Hochschule zu lehren. Jajus selbst aber scheint es dann
gewünscht und angeregt zu haben, daß, da er selbst wohl an baldige
Rückkehr nach Italien dachte, einer oder zwei seiner Ordensbrüder
mit ihm reisten. So wurde bestimmt, daß außer Jajus noch zwei
Ordenspriester, der Spanier Alfonso Salmeron und der Niederländer
Petrus Canisius, der sogenannte „erste deutsche Jesuit“, der damals
an der soeben begründeten jesuitischen Studienanstalt zu Messina wirkte,
sich an die bayerische Hochschule begäben. Sie verließen Rom im
September 1549 und erreichten ihr Ziel im November desselben Jahres,
wenige Monate vor dem Tode Herzog Wilhelms. — Vgl. E. Gothein,
Ignatius von Loyola uud die Gegenreformation (Halle 1895) S. 691 f.;
B. Duhr S. J., Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge I
(Freibnrg 1907) S. 53 ff.; sowie meine Skizze „Die ersten Jesuiten in
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Deutschland“ (= Nr. 41 der Schrr. f. d. d. Volk hrsg. vom Verein f. RG..
Halle 1905) S. 12; 45—55; 61—61. —
Die nachfolgenden Aktenstücke, die, soweit ich zu sehen vermag,
noch nnbekannt sind, beleuchten die geschilderte Entwicklung. Nr. ln.2
betreffen die — augenscheinlich erfolglos gebliebenen — Bemühungen
der Kurie, noch im Jahre 1548 aus dem Erzbistum Salzburg sowie
aus dem Bettelorden in Italien, Frankreich und den Niederlanden
Lehrkräfte für die Ingolstädter Hochschule zu gewinnen; die Nrn. 3—5
dagegen haben es dann mit der Berufung der ersten Jesuiten dorthin
zu tuu; es sind die leider undatiert überlieferten Entwürfe zu drei
Schreiben des Kardinalnepoten Pauls III., Alessandro Farnese, Vize¬
kanzlers der römischen Kirche, an den Herzog; sie fallen ohne Zweifel
sämtlich in dais Jahr 1549; das erste mag in die früheren Monate
dieses Jahres gehören, die beiden anderen sind — anscheinend kurzr
hintereinander — im Hochsommer und gegen den Herbst geschrieben.
Besonders interessant ist Nr. 5 wegen der Mitteilungen, die Farnese
dort über die Eigenart des neuen Ordens macht, der, wie er hofft, in
Deutschland bald weitere Anhänger gewinnen und an sich ziehen werde.
1. Papst Paul III. an Herzog Ernst von Bayern erwählten Erz¬
bischof von Salzburg: wünscht, daß er einen Theologen als Professor
an der Universität Ingolstadt unterhalten möge. 1548 Oktober 24 Rom.
Ernesfo electo Salczburgensi.
Intelligentes . . . Wilhelmnm, Bavariae ducem, fratrem tuum,
Studium generale a vestris majoribus in oppido Ingolstadio erectum
omni diligentia, cura ac etium impensa qua potest ad Dei omnipotentif
laudem et studiosorum conunodum manuteuere ac promovere, et quam
plures prelatos, suffraganeos tuos, propriis sumptibus aliquot lectorea
in dicio studio alcre, nos, etsi credimus te pro tua probätate ac tua
et tuorum gloria, cum presertim ecclcsiam Dei. benignitate opulentam
obtineas, aliquem, qui in dicto studio vel sacram theologiam vel jus
canonicum publice profiteatur et legat, susteutaturum et honesto sti-
pendio conducturum esse: te tarnen hortari voluimus, ut id quod tua
sponte . . . eras facturus, nostro etiam hortatu et suasione ac iu
nostram gratiam facere velis ...
Datum Romae apud sanctum Petrum die 24 octobris 1548 anno 14.
Rom, Arch. Vat. Armar. 41 vqI. 43 Nr. 697 Min. brev.
2, Papst Paul III. au die Generäle und Oberen der Bettelorde*
in Italien, Gallien und den Niederlanden; sollen zwei oder drei ihrer
Ordensleute nach Ingolstadt delegieren und dort als Professoren der
Theologie leben und lehren lassen. 1548 Oktober 24, Rom.
Universis et singulis generalibus et aliis snperioribus ordinum
mendicantium in Italia, Galliis et inferiori Germania constitutis.
Cum, sient Wilhelinus Bavariae dux nuper nobis exponi fecit,
ipse cupiat Studium generale a suis majoribus de licentia sedis aposto-
licae in oppido suo Ingolstadii Eystetensis dioc. pro omnibus quidein
facultatibus laudabiliter et pie institutum et, forsan ob malas tem-
porum conditiones, imraiuutum, viris probis ac doctis illustrare, hit
precipne qui sacram theologiam sincere, catholice ac pie profirentur.
desyderetque aliquos ex vestris ordinibus ad id idoneos honestis sti-
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pendii* condqcere; nos . . . vos .. . hortamur, ac reqnirimus, ut etdem
‘Wilhelmo duci pro tarn pio et laudabili.opere düng vel tres ex vestris,
non tarnen ejusdem ordinis 1 ), quos ipsi Wilhelmo duci ob eorum sin¬
gulärem doctrinam et probatam religionem gratos et acceptos esse
‘cognoveritis, conducere et ipsis sic conductis, quod Ingotstadium prci-
^ficipci et inibi f etiaui extra loca regularia vestrorum ordinum, alias
;tamen sub regulari observantia et juxta vestra instituta viveudo, a4
jPffectum predictum dumtaxat commorari et theologiam publice profiteri
, possint* liberam licentiam impartiri velitis r quoderitDeo acceptum et
nobis pergr&tum.
Datum Bomae apud sauctum Petrum 24 octobris 1548 anno 14.
Rom, Arch. Vat. Arm.,41 voL 43 Nr. 696 Min. brev.. < I
: • - : . i
3 3. Kardinal Vizekanzler Alessandro Farnese an Herzog Wilhelm
Von Bayern: mit dem vom Herzog erbetenen Jajns werden zwei andeife
'Mitglieder desselben Ordens zu ihm kommen. Undatiert (et^a,Anfang
des Jahres 1549). , ; ..
t Cognovit Sanw? Dominus Noster ex literis .et secretariii Excel¬
lentiae Vestrae oratione, quam impense cupiat, Claudium theotognm
et item alterum vitae sanctitate et optima doctrinae ratione ipsius
similem hinc ad Ingolstadiensis civitatis suae scholas mitti, qua eorum
praeceptis ac di*ciplina et qui minus recte sentiant, ab errore. abdu-
«antur, et qui optimam religionis viam tenent, in officio contineadtur.
fuit certe haec Vestrae Excellentiae pietas et minime vulgaris in nali-
gionis causa diligentia Sanctitati Suae gratiosissima, quae cum IgnaÜo
preposito quam accuratissime egit, ut primo quoque tempore Claudius
;Tstuc mitteretur. atque ut accumulatius tarn honestae optimi ac pru-
’dentissimi principis postulationi sätisfaceret, ejusdem ordinis et collegii
non unum tantum, sed duos deligendos curavit, qui et Ignatii dt
Claudii ipsius judicio probitate et literis antecellunt. tres igitur hi
yiri Sanctitatis Suae jussu propediem ad Excellentiam Vestram iter
m&turabunt, quorum operam ad hominum animos instituendos et con-
firmandos valde utilem ac salutarem Beatitudo Sua fore confidit. si
.qua alia in re aut San mi Domini Nostri benignitas aut opera mea
voluntatem et consiüa Vestrae Excellentiae juvare possit, id quoties
significarit, toties intelliget suarum postulationum summam esse hahi-
. tarn rationem.
Mailand, Bibi. Ambros, cod. A 179 inf. fol. 34» Entwurf.
4. Kardinalvizekanzler Alessandro Farnese au Herzog Wilhelm
von Bayern: seinen Wünschen entsprechend werden nicht Jajns allein,
sondern noeh zwei andere Theologen sich beim Nachlassen der sommer¬
lichen Hitze nach Bayern aufmachen. Undatiert (etwa 1549 Juli bis
August).
Duci Bavariae. ,
V Valde gntnm San mo Domino Nostro fuit, ex aliquot Exeellentiae
Vestrae literis in e&odem prope sententiam scriptis cognoscere, qnanta
. «nra, ac verius solicitudine, in Studium incumbat vere religionis et
' prthodoxae fidei in iis civitatibus, quae in ipsius sunt imperio, conger-
] .wandae et confirmandae, cum tarn saepe et tarn accurate theologos ad
1 -se mitti efflagitet, qui in IngolstadienBi gymnasio sno salnberrimis
sanctioris doctrinae praeceptis atque institntis hominum animos ex-
eolant qnare et tantam ac tarn perspicnam snmmae pietatis decla-
l ) non — ordinis von anderer Hand am Rande.
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rationem Saüctjtafc Sua patema caritate exosculatur et cam plnrimtnn
* ad pravas opiniones, quae per tarn maltos jam annos in Germania in*
TalueTnnt. cbnvelleudas profectoram et illustrf Excellentiae VeStraa
gloriara allaturam sperat. quod vero ad theologos mittendos attinet,
magriae fuit Sanctitari Suae curae nt Claudius, quem Excellentia Vestra
lominatim postnlavit, priino quoque tempore istuc iter faceret; sed cum
Clandiu8 ipse affirmaret se jnm minus ad illud publice iuterpretandi
inunus idoneum esse, et idcirco comites dari Bibi posceret^ qubrnÜi
auxilio, quod sibi oneris impositum esset, facilins posset susteirtare, de
Sanctitatis Suae manda.to duo aiii viri et sacrarum literarum intelli-
gentia fet vitae probitate spectati, qnaesiti et jam electi sant, qui cum
ipso ad Vestram Excellentiam veniant. eorura alter e Siciiia expec-
tandus est et hoc unum in causa fuit, quamobrem minus mature tarn
pio Excellentiae Vestrae desiderio satisfieri- potuerit; sed cum pro-
pediem sit ille huc appulsurus, simulac se calor, qui nunc vehemen-
tissimus est, fiegerit, pro uno tres theologi ad Exeelientiam Vestram
se conferent. quae interim ...
Bomae etc.
Mailand, Bibi. Ambros. cod. A 179 inf. foi. 181 «*> korrigierter
Entwurf.
» . > , . ,■
5. Kardinalvizekanzler Alessändro Farnese an Herzog Wilhelm
roh Bayern; durch die Hitze nicht zurückgehalten, kommen Jajus und
seipe beiden Gefährten, die ebenfalls dem Jesuitenorden ängehören.
Angesichts der Art und Nützlichkeit dieses neugegründeten Ordens
erwartet er, daß der Herzog für den Unterhalt der Priester aufkommen
und die Verbreitung des Ordens in Deutschland fördern wird. Undatiert
(etwa 1549 September).
Duci Bavariae. * *
Quos 1 ) ex Siciiia venturo» ad Excellentiam Vestram süperioribfts
diebus scripsi theologi duo maturius certe expectatione mea adfuerunt;
tanta enim eum animi alacritateSan mi Domini Nöstri jnssis paruetHut,
nt eos qui vehementissiiui sunt in his locis calores, non retardaveHut.
ambo > cum, vitae integritate tnm sacrorum literarum peritia atque omni
Christiane homine digna eruditiooe excellunt sacerdotes ambo de
fratrum familia quae Jesn nomine ac tirulo celebratur. eo£ nihil
dubitat San mU8 Dominus Noster piaeclaris Excellentiae , Vestra© cogi-
tationibus plenissime responsuros et in ista atnplissima provincia
docentium vitam,plus ponderis quam yer.ba habituram. mittit itaque
eos et cum ipsis una mägistruiu Cläuditim, quem Vestra Excellentia
homhiatim popoScerätV qui quatnris' nori possit istic diu Cöihmoräri,
sjaa tarnen aliquot yel diertim vel mensimh Opera trftkle utiltefutnra
est ad pulcjierrimi et paxime salutaris ; operis fundamenta. jaoiendk-
hoc quidem herum fratrum Collegium omuia studia, omnes curas vigi-
liasque suas in id unum confert, ut depravatos horum temporüm mores
emendet et cum vitae exemplis tum auimarum expiätioüibus, tum vero
'gb *J?teiariHn‘iiti Äöctrina# gMibi*e qtiötf ptara sinceraque frdb et saerp-
sahetis JesüChHstr präetfeptfe nilitür; pkrnfcibsfa* \H6hiptatutn ille-
CeBrls ad benb beateqne vivendi rätionem, äbafaö ftd spirittim ,% nrtfÄdo
ad Ubtmi hoiiiinütrr mentes 1 dVocel' hac sane dUbiplina qbabtfatli , kefcö-
modatior esse pöbfclt bis praesertim teinporibus, qutbus Vinfekm, dtfarn
. v . ,,. - i .• \ ' • ■■■;;. 1 . :*• •' v». . *: .'. r *v
') Der ,*Eptwurf fof. 19i neunt die Namen .der Kommenden: qui
Excellentiae V&ftrtö meam haiic epistolain 'reddiäerurit, auo Itti tlheologi
sunt . . . dominus .P.^.CauisiusSiculus i [so!] et Alfonsus Salmero
Hispanus, usur.
GOk igle
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8 »
89>
plantavit dextera Domini, aper de sylva exterminare et singularis ferus
depascere cönator [Psal. 80 v. 14], ad bonorum animos in recta sententia
qonfirmandos et errantes oves ad Christi caulam revocandos? hos igitur
patres quavis veneratione dignissimos laeta fronte et maxime benevolo
animo Excellentia Vestra accipiet. et quoniam ita vitam institnerunt, et
hoc est collegii sui sanctio, ut non quae sua, sed quae Jesu Christi sint
quaerant, et indiem de adventitiis atque ohlatis victitent, ea quae ad
vitam degendam necessaria fuerint, sibi istis in locis nulla ex parte,
defutura Jesu Christo domino suo et Excellentiae Vestrae pietate freti!
minime dubitant. aequissimum vero est serentes ea quae Spiritus sunt,
quae corpori necessaria sunt metere. sperandum certe est, non defu-
turos qui et vitae admiratione et praeceptorum sanctitate adducti se
in horum patrum disciplinam tradant. id si evenerit, — non enim
vineam suam visitare dominus desinet —, hujnsmodi nuvos operarios
Excellentia Vestra gratia et favore suo prosequetur et omnino eorum
numerum augeri laetabitur. quantam enim gratiam ab ipso Deo domino
nostro et a sacrosancta ecclesia inibit, si eadem vinea ab hujusmodi
seminario excitata, quod Excellentia Vestra excoluerit et sua quasi
irrigaverit maxime pia liberalitate, extenderit novos hos palmites et
propagines suas! ut haec praecipue cara sint Excellentiae Vestrae,
eam majorem in modnm rogat San“ u * Dominus Noster« cui gratissimum
et optatissimum futurum est inteiligere fratres hos tres doctissimos ac
probissimos viros ab Excellentia Vestra humanissime ac benignissime
fuisse tractatos. qnae ut diutissime felix valeat opto. Romae etc.
Mailand, Bibi. Ambros, cod. A 179 inf. fol. 73 * b Reinkonzept. —
Ebendaselbst fol. 191 und 198 zwei andere Entwürfe zu dem gleichen
Schreiben. W. F.
Neuerscheinungen.
Untersuchungen und Darstellungen. H.v.Schubert,
Reich und Reformation (Heidelberger Rektoratsrede), gibt eine
großzügige Übersicht über die Entwicklung des Verhältnisses zwischen
den Bestrebungen zur Reichsreform und denen zur Kirchenreform im
Deutschen Reiche seit dem ausgehenden Mittelalter. Es handelt sich dabei
nm die bedeutsame Frage, ob nicht auch bei uns die Kirchenreform auf
nationaler Grundlage hätte durchgeführt werden können. Von diesem
Standpunkt aus betrachtet, gewinnt insbesondere Luthers Berufung
auf den Wormser Reichstag eine eigenartige, bisher noch kaum klar*
gestellte Bedeutung, insofern als durch die Tatsache dieser Berufung
Luthers vor den Kaiser und die aus Geistlichen und Laien gemischten
Reichsstände entschieden wnrde, daß, wer in den Kirchenbann geraten,
damit noch nicht ipso facto der Reichsacht verfallen war. Das Reich
nahm also damals mindestens den Ansatz, die Sache der Reformation
vor sein Forum zu ziehen und ohne die höchste kirchliche Instanz zur
Entscheidung zu bringen. Die nächstfolgenden Jahre aber brachten
— in der Epoche des Reichsregiments, an dem der kursächsische Ver r
treter Hans von der Planitz eine bedeutsame Rolle spielte — Reich und
Reform noch weit näher zueinander. Eine starke Partei in der Reichs-
regierong und auf den Nürnberger Reichstagen von 1522 bis 1524 be-
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gehrte die reichsgesetzliclie Regelung der brennenden Religionsfragt,
und «war in einem Lnther and den Sachsen weit entgegenkommenden
Sinne; der Oedanke kam zum Durchbruch, daß ein nationales Konzil
oder eine deutsche Nationalversammlung unter der Teilnahme von Laien
die Entscheidung treffen sollte. Aber der Einspruch des Kaisers und
bekanntlich nicht minder die Selbstsucht des Territorialfürstentums,
4ie das Reichsregiment zu Fall brachte, vereitelten diesen Weg. So
ist die damals das Reich durchwogende patriotisch-religiöse Strömung
nicht zum Anfang einer Reichskirchen- und -lehrordnung, sondern ganz
hn Gegenteil der Ansatzpunkt protestantischer Bekenntnisbildung ge¬
worden. Seit 1526 endlich verbinden sich, unter dem Eindruck des fort¬
dauernden Versagens der Reichsgewalt in der wichtigsten Frage der
Nation, Reformation und ständische Libertät zu unlöslicher Interessen¬
gemeinschaft. — Dem gehaltvollen Vortrag folgen Anmerkungen, die
die Belegstellen und einzelne Erläuterungen darbieten. — Tübingen,
Mohr (P. Siebeck) 1911. 48 S.
An Literatur über Luthers Verhältnis zu den Juden ist kein
Mangel, aber eine unvoreingenommene, methodische, anf die Schriften
des Reformators gegründete Untersuchung, wie sie Reinhold Lewin
(Luthers Stellung zu den Juden. Ein Beitrag z. Gesch. d. Juden
in Deutschland während des Reformationszeitalters) angestellt hat, ist
gleichwohl als eine Bereicherung der reformationsgeschichtl. Literatur
zu bezeichnen. Chronologisch vorgehend zieht Verf. alle Aussprüche
Luthers über die zeitgenössischen Juden herbei und untersucht ein¬
gehend die Begegnisse und Erfahrungen, die auf L.s Beziehungen zu
den Juden Einfluß gewonnen haben. So beleuchtet seine Abhandlung
auf der einen Seite die Verhältnisse der Juden jener Zeit, andererseits
gibt sie Beiträge zur Geschichte Luthers und zur Entstehungsgeschichte
seiner Schriften und Ansichten. Verf. beschönigt nicht die Heftigkeit und
Derbheit der antijüdischen Schriften L.s von 1543, aber er läßt keinen
Zweifel, daß es tiefster, heiligster Ernst ist, der jenem die Feder geführt
hat. Als summarisches Ergebnis seiner Studie bezeichnetVerf.: nach einer
Periode der Gleichgültigkeit den Juden gegenüber faßt Luther, durch
eine Begegnung mit zwei Juden in Worms 1521 angeregt, die Hoff¬
nung, daß die Juden für sein Evangelium zu gewinnen sein würden.
Die Missionsschrift aber, die er alsbald in die Welt hinaussendet,
bleibt ohne den erwarteten Erfolg, und persönliche Erfahrungen trüber
Art enttäuschen ihn vollends. Und als er endlich gar wahrzunehmen
glaubt, daß die Juden zugunsten ihrer Religion gegen das Christentum
agitieren, erklärt er ihnen den Krieg aufs Messer. — Berlin, Tro-
witzsch & Sohn 1911. XVI, 110 S. M 4.40 (= Bonwetsch und Seeberg,
Neue Studien z. G. der Theol. u. d. Kirche X).
Die vor wenigen Jahren erschienene Monographie Creutzbergs
über Miltitz (vgl. ds. Ztschr. 4 S. 418 f.) gibt P. Kalkoff Anlaß, in
einer eigenen Schrift „Die Militziade. Eine kritische Nachlese zur
Gesch. des Ablaßstreites“ auf M. zurückzukommen. Indem er dessen
Leben und seine Beteiligung am Lutherschen Handel aus vollster Be*
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herrschung des Materials heraus mit eindringender Kritik überbliekt^
zeigt er, daß U.g Persönlichkeit und geschichtliche Rolle fast durah*
weg bedeutend überschätzt worden ist. Wie Miltitz an der Kurie, wo
er lediglich die Titel und Vorteile, die man einem gut empfohlenen
jungen Edelmann ohne weiteres zuzugestehen pflegte, erlangte, sieb
besonderer Anerkennung nicht erfreut hat und somit auch nicht als
päpstlicher Diplomat, sondern nur als untergeordneter Kommissar mit
eng umschriebenem Aufträge nach Deutschland entsandt worden ist,
so befähigten ihn auch seine Gaben nicht, in den Gang der Dinge
dort, wie er es allerdings wünschte und erstrebte, tiefer einzugreifen.
So ist er auch bald von der Bühne der Geschichte abgetreten und
hat seine späteren Jahre — bis zu seinem jähen, vielleicht nicht un¬
verschuldeten Tode — als päpstlicher Pfründner gemächlich in der
Heimat zugebracht. Die wissenschaftliche Diskussion über die Episode
Miltitz darf hiermit wohl als geschlossen angesehen werden. Leipzig,
M. Heinsius Nachf. 1911. 84 S.
Friedr. Kipp, Silvester von Schaumberg, der Freund
Luthers. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit (== Berbig, Qu. u.
Darst. a. d. G. d. Ref.-Jahrh. XVII, Leipzig, Heinsius 1911. 271 S.).
Dem fränkischen Ritter Silvester von Schaumberg (ca. 1470—1584)
gebührt infolge seiner Botschaft und seines Briefes an Luther vom
Jahre 1520 ein Platz in der Reformationsgescbichte. Sein Leben aber
lag bisher fast völlig im Dunkel, und erst Kipp ist es gelungen, in
emsiger Forschung ein ansehnliches Material zusammenzubringen, das
den Lebensgang des Ritters wenigstens in den Hauptzügen zu über¬
sehen gestattet. Silvester hat das ziemlich unstete Dasein seiner
8tandesgenossen geführt, sich vielfach in Krieg und Fehde getummelt,
teils auf eigene Faust, teils im fürstlichen Dienst; die Reformation
hat sein Leben weder ausgefüllt noch wesentlich bestimmt, und wir
erhalten mehr ein — übrigens wertvolles und anziehendes — Kulturbild
aus der Ref.-Zeit als die Biographie eines „Freundes Luthers“. Doch
ist Silvester seiner 1520 so mannhaft bekannten Überzeugung nie
untreu geworden, und aller Wahrscheinlichkeit wird ihm im wesentlichen
die Evangelisierung des würzburgischen Amtes Münuerstadt, wo S.
seit 1526 bischöflicher Amtmann war, und seiner eigenen, benachbarten
Herrschaft Thundorf verdankt. — In dem faksimilierten Schreiben
Silvesters von 1519 (S. 121) Z. 3 lies: „vor Tübingen“; Silvester bat
sich also bei den Belagerern dieser Feste im württembergischen
Feldzug eingefunden, was Kipp entgangen ist.
„Zur Borromäus-Enzy klika“ betitelt D. W. Hadern (Pfarrer
in Bern) zwei Vorträge, von* denen der erste ein wohl abgewogenes
Charakterbild des Kardinals Borromao bietet. B. gilt dem Verf. als
einer der hervorragendsten Vertreter der Gegenreformation, in dem
alle Seiten dieser Bewegung in eins verschmolzen waren: der neu er¬
wachende Glaube an die Kirche, der unerbittliche Kampf mit den
Überresten der Fäulnis aus der Zeit des 15. Jahrhunderts, der un¬
versöhnliche Haß gegen den Protestantismus und die religiöse Sehn-
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92 * 92
»acht des neuen Jahrhunderts • aber „eins fehlt ihm. Er ist kein
befreiender Geist; er weist nicht vorwärts, er führt zurück. Er hat nicht
gfröße Gedanken, sein Gesichtskreis ist beschränkt durch den engen
Horizont seiner Kirche“. — Der 2. Vortrag behandelt die gegenwärtige
Lage der kathol. Kirche gegenüber dem Modernismus. Verlag von
A. Francke, Bern 1911 78 S. M 1.—
Als zweites Stück seiner „Forschungen zur Lebensordnnng
der Gesellschaft Jesu im 16. Jahrh.“ erörtert H. Stoeckius „das
gesellschaftliche Leben im Ordenshause“, und zwar betrachtet er so¬
wohl den Verkehr der Ordensangehörigen untereinander und schildert
das gesamte Leben und Treiben im Kollegium, wie auch untersucht
er die Beziehungen der Ordensangehörigen zu den Externen. Aus
zahllosen Einzelheiten, die er den reichen Quellen-Publikationen zur
älteren Ordensgeschichte abgewinnt, weiß der Verf. in streng durch¬
geführter Disposition interessante Bilder zu gestalten und manche neue
Züge dem Ordensleben hinzuzufügen. Nicht leicht anderswo tritt
uns das Abrichtungssystem des Jesuitismus, die methodische Er¬
tötung alles dessen, was den Menschen eigentlich zum Menschen
macht, die Unterdrückung alles Individuellen so packend vor Augen
wie hier; es berührt ordentlich wohltuend, wenn wir einmal lesen,
daß Streitereien und Schimpfereien unter den Brüdern trotz allem
nicht selten waren. Merkwürdigerweise scheint der Verf. jenem System
gegenüber eher Bewunderung als Abneigung zu empfinden und spart
nicht mit Epitbeten wie „weise“ und „vortrefflich“, wo dem natür¬
lichen Empfinden sich wohl ganz andere Bezeichnungen aufdrängen.
München, Beck 1911. X, 198 S. M 5.—.
Die Abhandlung von D. Eb. Vischer, Die Lehrstühle und
der Unterricht an der theol. Fakultät Basels seit der
Reformation, nimmt ihren Ausgangspunkt von dem Eindringen des
humanistischen und reformatorischen Geistes in die 1460 gegründete
Hochschule, das zuerst im Jahre 1523 dadurch in die Erscheinung trat,
daß der Rat vieren der entschiedensten Anhänger Roms, darunter
zwei Theologen, ihre Besoldung entzog und an Stelle der letzteren
Oecolampad und Pellikan zn Lehrern der hl. Schrift ernannte, von
denen der erstere dann an der Reorganisation der theol. Fakultät auf
den neuen Fundamenten den größten Anteil genommen hat. Verf.
Verfolgt die Geschichte der Fakultät nach ihrer persönlichen und
sachlichen Seite bis in die Gegenwart. Unter den Beilagen werden
die wichtigen Statuten der Fakultät von 1540 mitgeteilt. Basel,
Helbing & Lichtenhahn 1910. 132 S. M 2.— (= SA. aus der Fest¬
schrift zum 450jährigen Bestehen der Universität Basel).
Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H , Gräfenhainichen.
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ARCHIV
FÜR
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.
In Verbindung
mit dem Verein für Reformationsgeschicbte
herausgegeben von
D. Walter Friedensburg.
Nr. 34.
9. Jahrgang. Heft 2.
-oQo
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1912.
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Brentiana und andere Reformators 11
von
Walther Köhler.
Die von Cajetan verfaßte Ablaßdekretale
und seine Verhandlungen mit dem Kur¬
fürsten von Sachsen in Weimar,
den 28. und 29. Mai 1519
Paul Kalkoft.
Mitteilungen
(Zeitschriftenschau. — Neuerscheinungen).
oQo
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1912 .
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Brentiana und andere Beformatoria.
Von W. Köhler.
(Fortsetzung.) *)
De restitucione bonorum ablatorum seu furto seu impio
bello seu fraude. D. Johan. Brentius.
Principis bona ablata restituenda esse et ex iusticia
civili et iusticia divina manifestum est. Iusticiam enim
civilem aiunt eam esse, qu§ unicuique tribuit que sua sunt.
Quanto magis igitur divina iusticia, que est fides, restituit
unicuique sua. Est enim fidei fructus charitas, porro charitas
largitur alteri eciam propria — tantum abest, ut bona aliena
dolo aut impietate parta contra proximum sibi retineat.
Huius autem restitucionis certe regule tradi vix possunt,
ubi videlicet, quando, quot, aut cui restituenda sint bona
ablata. Equidem existimo prim am esse curam habendam,
ut aliquis e Iesu Christo vere renascatur. Deinde autem
prudenci§ fidei reliquendum, quatenus bona impie parta
restituantur; si enim fides vera resignet in regeneracione
omnia sua temporalia bona in manus dei et facit ex pos-
sessore dispensatorem, nimirum et eadem fides per caritatem
opbrans optima suae ipsius in distribuendis bonis suis con-
sultrix erit. Tale quid legitur Luce 19 [V5ff, 8]. lesus
perambulans Iericho videns Zacheum, publicanorum
principem, dixit: Zachee, festinans descende, quia hodie
domi tu§ oportet me manere etc. Et stans Zacheus dixit
ad DOMINVM: Ecce dimidium bonorum meorum, domine, do
pauperibus etc. Vides primam Christi curam fuisse, ut
Zacheus renasceretur et fieret Abrahe filius per fidem. Non
enim a principio dixit: Zachee, si volueris bonorum tuorum
dimidium pauperibus elargiri, et si quem fraudasti quadrup-
lum reddere, tune descende et manebo in domo tua. Tanti
Zacheus nondum renatus Christum ne optasset quidem in
domum suam. Postea autem per fidem factus Abrahe filius
non audit ullam distribuendi bona sua regulam a Christo,
sed ipse iam spiritu renascenci^ et fidei edoctus suo sponte
nullo praeceptore in hanc vocem erumpit: Ecce dimidium
>) Vgl. oben S. 79 ff.
Archiv für Beformationsgeschichte. IX. 2. 7
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bonorum meorum do etc. Sed quid illud est, quod non
totum dixit se pauperibus distributurum et quod addit:
si quem defraudavi, reddo quadruplumV Fidei verba sunt,
quo resignat quidem omnia bona in manum dei parata mox
omnia eciam externo usu relinquere, si id postularit Christus.
Habet tarnen fides suarn prudenciam. Nam enim ita distri-
buit bona alienis (non usque adeo necessitate pressis) ut tu
cogaris proximo tuo gravis esse et mendicimonio molestus,
quemadmodum hactenus monachi relinquentes patrimonia
sua et laborem fugientes mendicitate sua aliis fuerunt oneri*).
Sed quamdiu DOM1NVS voluerit et partim ea bona in usum
suum, partim in egenorum commodum administret, ne et tu
ipse molestus sis proximo mendicitate, neque interim aliorum
inopia deseratur. Atque hoc est, quod Zacheus dixit: dimi-
dium bonorum (non autem totum) distribuo pauperibus. Hoc
est «omnia quidem mea bona in manum tuam, mi Christe,
resignavi. Sed ne interim vicino meo onerosus sim, dis-
pensandi munus pro tua voluntate reservo mihi, ut et ego
habeam, unde vivam, ac debitoribus meis satisfaciam, deinde
ut egeni e sua inopia subleventur. Principio enim fides
hoc exequi curat, quod coram deo et hominibus debemus.
Postea exequitur, quod coram deo tantum debemus. Exempli
gracia: Debeo alicui, est commodaticia pecunia, qua et ipse
et sua familia eget, centum aureos. Hos, inquam, debeo et
coram deo, qui iubet unicuique reddere qu§ sua sunt, et
coram hominibus; hominum enim iure commodatum restituere
cogor eciam, si nolim. Pauperi autem debeo non quidem
coram hominibus, sed coram deo, ut in egestate sua opibus
meis ipsi adsim. lam fides hoc primuni curat, ut satisjiat
debito coram deo et hominibus (simodo posset), deinde que
filiis dei sunt debita exequitur. Hinc Zacheus ait: dimidium
bonorum meorum do, non totum, ut habeam, ut satisfaciam
eis, quos defraudavi. C^terum quod addit: Si quem defrau¬
davi, reddo quadruplum, ad legem Mosi respicit, Exo. 22
[V 1]: Si quis furatus fuerit ovem, reddam pro una ove
quatuor etc. Est autem sentencia: si quem defraudaverim,
paratus sum omnia ei pro civili iure restituere. Quicquid
ius civile reddere iusserit, reddam. Ex hoc Zachei
exemplo possem de restitucione ablatorum bonorum
sic consulere, ut primum quis per fidem renasceretur, e
renascencia fieret resignacio bonorum in manum dei, ex illis
bonis iuvet pro fidei su§ dictamine pauperes, postea autem
paratus sit unicuique a se defraudato reddere quidquid iure
civili*) postulaverit. At si nihil postulaverit et ignoret se
*) Am Bande: Cor. 8: Non et aliis sit relaxatio etc.
*) Mscr.: civile.
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defraudatum aut nesciat hunc esse defraudatorem, consulen-,
dum puto, ut defraudator iam renovatus liberaliter et muni-
fiee defraudatum iuvet, si quando viderit ipsum sua opera
facere. Finis.
4. Ordinacio in baptisandis pueris.
Die Autorschaft von Brenz an diesem Stücke ist in
unserem Kodex zwar nicht ausdrücklich angegeben, darf
aber füglich angenommen werden. Wenigstens wüßte ich
nicht, was dagegen geltend gemacht werden könnte. In¬
haltlich passen die Ausführungen vortrefflich zur Brenzischen
Theologie. Wir erhalten zuerst den Vorschlag einer Tauf¬
liturgie. Sie beginnt mit der Lektion von Luc. 18, 15—17,
dann folgt eine Ansprache = commendacio baptismi, an sie
schließt sich, si libet, ein Nachweis der Möglichkeit des
Kinderglaubens, es folgt eine Ermahnung zum Gebet, aus¬
klingend in die Bitte um göttliche Verleihung des Glaubens
an das Kind. Dann werden die Gebete aus Luthers Tauf¬
büchlein von 1523 gesprochen, endlich folgt die intinctio. An
die Liturgie schließt der Verfasser noch die Beantwortung
einiger die Taufe betreffender Fragen:
1. Nach dem Ort der Taufe. Wenn möglich, soll die
Taufe sich dem öffentlichen Gottesdienste anschließen. Im
Notfälle ist Haustaufe durch die Hebamme gestattet, soll
aber nachträglich durch die Gemeinde geprüft werden; auch
sollen die Getauften mit Namen dem Gebet der Kirche
empfohlen werden, damit nicht etwa eine Wiederholung der
Taufe stattfindet.
2. Nach der Notwendigkeit der Anwesenheit eines Tauf¬
zeugen. Im Interesse der Kirche wird die Frage bejaht.
3. Nach der Gültigkeit der Haustaufe in Zweifelsfällen.
Die Kirche kann hier auf Zweifel sich nicht einlassen, sie
gibt sich zufrieden gegenüber bestimmter Versicherung und
Zeugen. Solche sollen darum die Hebammen bei den
Haustaufen zuziehen. Auch sollen sie über die rechte
Taufformel instruiert werden; das Apostolikum soll ge¬
sprochen werden, der Pate sein Ja darauf sprechen, und
dann soll getauft werden.
4. Nach der bedingten Taufe. Sie wird abgelehnt.
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5. Nach Zwangstaufen von Jnden- oder Wiedertäufer¬
kindern. Die Taufe darf vollzogen werden, wenn der Gro߬
vater väterlicherseits (nicht mütterlicherseits) einwilligt oder
das Kind zur Taufe bringt; denn er besitzt zivilrechtlich
Verfügungsrecht Uber das Kind. Doch ist man gegenüber
den Wiedertäufern zu einer derartigen Rücksichtnahme auf
die Verwandten nicht verpflichtet; denn sie sind keine
öffentlich geduldete Religion. Täuferkinder sind also auch
gegen den Willen der Familie (invitis parentibus) zu taufen.
Wer innerhalb der christlichen Gesellschaft aus christlichen
Eltern geboren wird, wird geboren hinein in die Gesellschaft
der Kirche — deutlicher wohl kann das Prinzip der
Einheitskirche innerhalb der Gesellschaftsverfassung nicht
zum Ausdruck kommen, Gesellschaft, christliche Gesellschaft
und Kirche decken sich. Folglich hat die Kirche ein Recht,
die durch die Geburt ihr gehörigen Kinder zur Taufe zu
bringen. Die Taufentziehung seitens der Wiedertäufer ist
ein Vergehen gegen die Gesellschaftsordnung, und diese ist
alteingewurzelt.
6. Nach der Taufe nicht ausgeborener Kinder. Nur
ausgeborene Kinder dürfen getauft werden. Auch hier klingt
die Betonung der Taufe als christliche Gesellschaftsordnung
durch: ein noch nicht ausgeborenes Kind ist noch kein
Mensch, kann also in die Gemeinschaft der Menschen noch
nicht aufgenommen werden.
7. Nach der Notwendigkeit der Taufe durch Unter¬
tauchen. Hier ist Ortsbrauch als maßgebend zu betrachten,
dem Werte nach sind Untertauchen und Besprengung gleich.
8. Nach der Fähigkeit der Patenschaft von „Sakra-
mentierern“. Hier befindet sich Brenz offenbar in einer
Schwierigkeit. Seinem Herzen nach wäre ihm Ausschluß
das Liebste; darum läßt er auch predigen über die Glaubens¬
artikel und es aussprechen, daß die Anerkennung derselben
die Patenschaft recht eigentlich bedinge. Wenn dadurch
einer abgeschreckt würde, so wäre es besser. Aber wenn
er es nicht wird?! Wenn es sich ferner nur um einen
täuferischer Lehre Verdächtigen handelt? Ausschluß ist
unmöglich, denn eine Kirchenpolizei existiert für die Evan¬
gelischen nicht, die hier nach Art des städtischen Rates ein
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Urteil fällen könnte, der Pfarrer darf sich IJrteilsgewalt
nicht anmaßen, darf einen, der weltlich-rechtlich nicht ver¬
urteilt ist, öffentlicher Schande — denn das bedeutet der
Ausschluß vom Patenamt — nicht preisgeben. Nur ein
selbst über die Folter hinaus Hartnäckiger oder ein aus¬
gesprochener Andersgläubiger (dogmatista) dürfte — Brenz
drückt sieb sehr vorsichtig aus — nicht zugelassen werden,
denn solche haben sich selbst aus der Gemeinde aus¬
geschlossen. Man merkt, wie Brenz dieser Verzicht schwer
wird, er tröstet sich schließlich mit dem Gedanken: der
Unglaube des Paten wird dem Kinde nicht schaden. Für
das Verständnis der Banngewalt bei den Evangelischen aber
ist seine Auslassung wichtig. Der Bann ist auf die seel-
sorgerliche Maßnahme beschränkt (vgl. Friedberg: RE 8 2, 383.)
9. Nach der Zeit der Taufe. Darf man unter Berufung
auf die christliche Freiheit die Zeit beliebig hinausschieben V
Nein. An sich zwar besteht die christliche Freiheit zu
Recht, aber die Liebe ist der beherrschende Maßstab. Ein
Aufschub der Taufe aber kann den Verdacht der Wieder¬
täuferei im Nächsten wachrufen, diesen Anstoß darf man
dem Nächsten nicht geben. Die Obrigkeit soll die Hart¬
näckigen zur schleunigen Taufe zwingen. Sie hat, so müssei^
wir ergänzen, dazu die Befugnis, da die Taufe Grundelement
der christlichen Gesellschaftsordnung ist (s. o.). —
Die chronologische Einordnung unseres Aktenstückes
muß erschlossen werden. Wahrscheinlich ist, daß es sich
nicht um Taufvorschriften für eine einzelne Ortschaft oder
Stadt handelt, vielmehr um eine Landschaft. Denn es heißt
bei der Frage nach der Taufart: in huiusmodi agendis
observanda est loci consuetudo — Worte, die mehrere loca
voraussetzen, es sei denn, daß sie ohne Anwendung auf
den vorliegenden Fall prinzipiell gemeint sein sollten.
Vielleicht geht man nicht fehl in der Vermutung, auch diesen
Entwurf, wie so manches andere, an die Adresse des Mark¬
grafen Georg von Brandenburg-Ansbach gerichtet sein zu
lassen; dann wäre die zeitliche Fixierung + 1530. Die be¬
sondere Heraushebung der von den „Sakramentierern“ und
Wiedertäufern drohenden Gefahr würde dazu gut passen.
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Ordinacio in baptisandis pueris.
Principio utile ac commodum videtur, ut ante omnia
evangelium Luce 18 [V. 15—17] de pueris ad Christum
allatis coram ecclesia legatur cum hac aut simili prefacione:
„Lieben freund, horrendt das Euangelion durch Lucam be-
schriben, darin uns angezeigt wurdt, das die kinder von
Jesu Christo angenommen und gesegnet seyen worden.“ Ob
has autem causas sencio commodum esse, ut ante omnia
prelegatur ecclesi§ evangelion: primum, ut ecclesia audiens
verba sacr§ scripture attencior reddatur et maiestate ver-
borum divinorum ad raaiorem reverenciam invitetur, deinde
ut minister ex verbis evangelii commodiorem occasionem ad
sequentem exhortacionem suam habeat et nonnunquam idonea
exhortandi argumenta ex ipsis ducere queat. Post lectum
autem evangelion sequitur commendacio maiestatis baptismi,
deinde exhortacio ad effundendas preces pro infante.
Commendacio baptismi.
„Lieben freund, es ist uns hie ein kindlin furgebracht,
das wir es im nomen Jesu Christi taufen sollen. Nun ists
nit weniger alles, so sich hie außwendig erzeigt ist gering
und schlecht anzusehen, das kindlin ist ein arme elende
schwache blöde creatur, da ligts und weyß seins lebens oder
Sterbens weder rat noch hilff. Darbey sicht man an dem
tauf nicht dan ein schlecht wasser, so ist der teufer ein
inensch wie ein anderer. Aber wir seyen cristen und ge¬
bürt uns in gotlichen Sacramenten nicht nach dem schein zu
urteylen, sonder nach dem warhaftigen, unbetruglichen wort
gottes. Darumb so wollen wir uns aus dem selbigen be¬
richten, wie herliche maiestet der tauf sey, auf das wir, so
vorhin getauft, erinnert werden, was grosse gnad uns durch
den tauf von unserm hem got gethon sey, und dester ernst¬
licher bitten, das got wolle disem kindlin N. auch die selb
gnad des taufs verleyhen 1 ). Unnd anfencklich so ist das
menigklich kündbar und wissent, das unser HERR Jesus
Christus selbs die tauf hat aufgericht und eingesetzt, da er
zu seinen aposteln sagt: [Mt. 28, 18 und 19] Mir ist geben
aller gwalt in himel und auf erden, darumb geth hin und
lerent alle volcker und tauft sie im namen des vaters und
des sons und des heylgen geists. Was mocht aber herlichers
von dem tauf gesagt sein, dan das in Jesus Christus selbs
hab aufgericht und bestetigt. Es mocht villeicht einer den
tauf gering achten, wan er von gott durch ein Engel oder
durch ein schlechten menschen wer verordnet. Aber so unser
*) Am Rande: Ab h . . . . [Rest weggeschnitten.]
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HERR und gott der himlisch vater hat den tauf nitt wollen
durch ein blossen menschen noch durch ein Engel aufrichten,
sonder allein durch sein aingebornen gliebten sun Jesum
Christum, so muß freilich der tauf nit menschlich, nit irdisch,
ja auch nit engelisch, sonder allein himlisch und göttlich
sein, und so Christus eben denselben hatt angericht,
nach dem er ein neti 1 ) himlisch wesen an sich ge-
nomen hat, so konden wir wol erachten, das der tauf er¬
sehe, wie irdisch er woll, jedoch nicht anders dan himlisch
sey. Dan ob er wol ytz durch menschen wurdt außgericht
auff der erden sichbarlich, yedoch dieweyl Christus den
aposteln beuolhen hat zu taufen nit in jrem namen und von
irer selbs wegen, sonder im namen und von wegen des
vaters, Sons und heyligen geists, und darbey gesagt: Mir ist
geben aller gwalt im himel und auff erden, und [V. 20]: sihe,
ich bin alle tag bey euch biß zu end der weit, so hat er
gwislich hiemit zuversten geben, das er noch auf disen tag
selbs [als] der taufer gegenwertig sey und durch das eusserlich
ampt dem so getauft wurdt selbs das wasser aufgies mit
seiner aigin hand, in abwesch und in aller seiner sund loß
und ledig sprech 2 ). Ist nun Jesus Christus, der eingeborn
sun gottes, selbs der teufer, wie mocht er on sein himlischen
almechtigen got und vater, auch on den heilgen geist zu dem
tauf komen? Lieber, die drey person seyen mit einander
dermassen vereinigt, das sie nimer zertrent mögen werden,
und nach dem in dem heilgen propheten Daniel [7, 10] ge-
scbriben steet, das tausentmal tausent und zehen tausent-
mal hundert mal tausent bey unserm HERRN steen und auf
den dinst warten, so mercken wir aber einmol, das bey dem
tauf das gantz himlisch her zugegen sey und helf denselben
dinstlich volnbringen. Man sicht wol nichs mit den eusser-
lichen äugen, so an gotlichen Sachen blind seyen, aber die¬
weyl das gotlich wort (das also warhaftig ist, das ehe
himel und erden zergen must, ee ein spitz oder tittel daran
erlogen wurdt [Mt. 5, 18]) bey dem tauf Christum Jesum
selbs zugegen stellt, und Christus von seinem himlischen
vater und heilgen geist imer geleitet wurdt, auch die un-
zalbarlich menge der engel auf den dinst unsers herren gottes
warten, so künden die äugen des glaubens gantz wol den
himel auf erden die himlisch schar bey dem eusserlichen
ampt, werck oder dinst des taufs ersehen und erkennen.
Wer weit nun den tauf gering und schlecht rechnen, der von
dem sun gottes selbs auffgericht und durch den vater, Son,
’) Am Rande: Der t[auf] ist him[lisch].
3 ) Am Rande Bemerkungen, durch Abschneiden des Blattes
unleserlich.
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heilgen geist, ja allen engein volnbracht wurdt? Was soll
ich aber vil sagen von dem grossen unaussprechen-
lichen nutz, der darauß 1 ), so er durch den glauben in Jesum
Christum entpfangen wurdt, entsteet, und wie notturftig eer
einem yetlichen sey, der die seyligkeit begert? Furwar, ich
bin im zu gering, dasselb gnugsam heraußzustreichen. Aber
doch zu unser besserung will ich ein wenig darvon anzeigen.
Christus spricht [Mc. 16, 16]: Wer glaubt und getauft wurdt,
der wurdt seylig. Das seyen wenig wort. Aber der Inhalt
ist gros. Was ist dem menschen nutzlichers, ja, nötigere dan
die seyligkeit? nemlich, so er seiner sund halben, darin er
entpfangen und geborn ist, mit im nicht anders auf erden¬
reich bringt dan unseligkeit und ewige verdamnus. Nun
hören wir auß den Worten Christi, das die seyligkeit in dem
tauf auß glauben entpfangen als in einen außerweiten werck-
zeug gesetzt und gestelt ist, welches doch uns nit so hoch
verwundern soll, dieweyl wir des vorhin bericht sein, das
der vater, Son und heilger geist selbs die tauf halten und
gegenwurtiglich durch das eusserlich ampt voln bringen. Wa
aber dise auß gnaden gegenwertiglich handeln, wie solten
sie nit ein seyligkeit schaffen und außgiessen? Und da¬
mit dester derer gemacht werde, was Christus durch
den tauf selbs handle, so wollen wir auch den heylgen Pau¬
lum horn, der sein leer von keinem blossen menschen auff
erden gelernt, sondern von unserm HERRN Jesu Christo selbs
im paradis und dritten himel erholt hat [2. Cor. 12, 2]. Diser
Paulus sagt also [Eph. 5, 25 f.] 2 ): Christus hat geliebt
die gmein, und hat sich selbs für sie geben, auff das
er sie heyliget, und hat sie gereinigt durch das
wasserbad im wort. Sihe, lieber, sihe: Paulus bezeugt mit
wenig Worten zwey herlicher grosser stuck in dem tauf: Zum
ersten, das Christus selbs, wie wir vorhin gehört, der teufer
sey. Zum ander, das durch das wasserbad im wort, das
ist durch den tauf, mit dem glauben auf das wort des evan-
gelij entpfangen, die reinigkeit und heiligkeit der kirchen
zustehe. So hör ich woll, als bald einer getauft wurdt, so
ist er schon rein und heilig. Warumb nit? Es kan ye das
gotlich wort nit liegen, so kan die heilig gschrift nit betriegen,
welche bezeugt, das durch das wasserbad im wort die reinig¬
keit und heiligkeit der kirchen zukam. Und nit allein dise
stuck, sonder auch die seyligkeit, welches nach Christo auch
S. Paulus [Tit. 3, 5, 6] schreibt und sagt: Er macht uns seylig
nach seiner barmhertzigkeit durch das bad der widdergeburt
und erneuwerung des heilgen geists. Was bedarf es aber
*) Desgleichen (vgl. vorhergehende Anmerkung).
2 ) Desgleichen.
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viler wort, so doch von Paulo deutlich und clerlich
geschriben wurdt [Gal. 3, 27]: Wie vil euwer getauft seyen,
die haben Christum angezogen. Ist aber der tauf nit ein
nützlicher werckzeug, nach dem wir durch den tauf mit Jesu
Christo geckleidt werden? Lieber, bedenck doch, wer Jesus
Christus sey, auf das auch bedacht werde, wie nützlich und
notig der tauf sey. Christus Jesus ist das lieht [!], das
leben, die weyßheit, die gerechtigkeit, die frumkeit, die heilig-
keit, die aufferstehung und die erlösung, und wer wolt es
alles erzelen können, was Christus sey? So nun wir durch
den tauf mit Christo becleidt werden, ist dem nit also, das
wir auch durch den tauf mit dem leben, weyßheit, gerechtig¬
keit, frumkeit, heiligkeit, auferstehung und erlösung becleidet
werden? 0, das kan ein seiliger sintfluß sein, darin all unser
sund, boßheit und verdamnus erdrunken und darneben uns all
gerechtigkeit, heiligkeit und seyligkeit zufleust und [wir] mit
disen gaben und tugenten uberschut werden. Darumb, so uns
Christus der allernutzlichst ist, so muß uns auch der tauf,
dardurch uns Christus mitgeteylt wurdt, der allernutzlichst
sein. So wir Christi unsers hern am aller noturftigsten seyen,
so ist uns auch der tauf am noturftigsten, als derjenig Werk¬
zeug, dardurch wir mit Jesu Christo becleidt werden. Die-
weyl nun uns zuvor in unser Jugent die gab des heilgen
taufs durch die barmhertzigkeit gottes, so er uns durch sein
son Jesum Christum bewisen hat, mitgeteylt ist, so sollen
wir got darumb danckbar sein und dargegen auß cristen-
licher pflicht bitten, das unser HERR got auch disem kindt
N. ein warhaftigen glauben verleyhen woll, auf das es der
gnad des taufs vehig sey“:
Post commeudacionem baptismi priusquam ecclesia ad-
monetur ad precandum pro puero, osten dendum est, si libet,
argumentis, quod infantes possint habere fidem.
Primo, quia deus non est respector personarum. Jam,
si infantibus propterea non daret fidem, quod infantes sint,
tune esset personarum respector.
Secundo: fides non est ex usu racionis humang, sed
ex dono dei et misericordia eius. Iam cum deus §que
complectatur misericordia sua infantes ac adultos, consec-
taneum est deum eque infantibus ac adultis fidem dare.
Tertio: Nihil raagis adversum est fidei quam prudencia
racionis human^. Cum autem infantes adhuc careant usu
human§ racionis, multo capaciores sunt fidei quam adulti
racione utentes.
Quarto: Impossibile est sine fide deo placere. In¬
fantes autem placent deo et placent ei ad dandam ipsis sa-
lutem sempiternam; proinde placent eciam ei, ut fidem ipsis
conferat. • •
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Quinto: Infantes diligit deus et dat eis spiritum sanc-
tum — id qnod probatnr exemplo Jacob, quem dilexit deus
adhuc in utero matris existentem, et exemplo Iohannis bap-
tiste, qui est repletus spiritu sancto in utero matris. Si
autem infantes sunt capaces spiritus sancti, cur non et fidei,
que est donum spiritus?
Sexto: Christus Iesus adhuc iufans fuit filius dei natu-
ralis, quomodo igitur alii infantes non possent esse filii ad-
optionis, cum Christus ob hanc causam in mundura venit et
etate crevit, nt declararet omnem etatem deo acceptara esse?
Nemo autem potest esse filius adoptionis citra fidem.
Quod autem qnidam obiiciunt: infantes nescire aut non
intelligere fidem, itaque non posse habere fidem, vana dicunt.
Neque enim infantes sciunt, se naturaliter vivere, nesciunt se
esse homines, nesciunt se habere corpus et animam. Quis
autem tarn stupidus esset, ut hinc concludat ipsas non vivere,
non esse homines, non habere corpus et animam?!
Alii obiiciunt: fides ex auditu est [Röm. 10, 17]. In¬
fantes non audierunt evangelium, non igitur credunt. Re-
sponsio: Paulus, dum dicit fidem esse ex auditu, sentit de
fide revelata. Infantes autem non habent fidem revelatam,
sed occultam, soli deo cognitam. Nam ut omnes creaturae'
gemitus habent (autore Paulo dicente [Röm. 8, 22]: Omnis
creatura congemiscit nobiscum), quos nullus hominum, solus
autem deus cognoscit et audit, sic et infantes dono dei occultam
fidem habere possunt, quam tarnen nec ipsi nec alii homines,
solus tarnen deus cognoscit.
Ostenso, quod infantes possint habere fidem, sequitur
exhortacio ad preces, que subinde ex aliis atque aliis raci-
onibus sumi potest. Prima racio: sumitur ex promissionibus
divinis, quibus deus pollicitus est se exauditurum duos vel
tres in nomine eins congregatos Math. 18 [V. 20] et Esaie 65
[V. 24]: Erit antequam clament exaudiam etc. Et ut certi
essemus de exaudicione, confirmavit illud Christus dicens
Johan. 16 [V. 23]: Amen dico vobis, si quid pecieritis etc.
In hoc autem loco congregati sumus, non in nomine nostro,
sed in nomine Christi, videlicet ut institucionem Christi ob-
servemus, ut que sunt proximi nostri hoc est pueri recens
nati queramus. Sic enim Christus precepit. Certa igitur
fiducia orabimus deum, ut sua bona, precipue autem fidem
huic infanti comunicet, quo possit Christum in baptismo in-
duere et salutem per baptismum consequi.
Secunda exhortacio: sumitur ex caritate Christiana, que
ad auxilium proximi obligatur Math. 22 [V. 39]: Diliges
proximum tuum sicut teipsum etc. Item dilectio proximi
implet legem Ro. 13 [V. 10]. Que dilectio animam pro sa-
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lute proximi ponit, ut patet in Abrahamo, Mose et Panlo.
Si animam proximo deberaus, qualis hic puer est, quia eget
auxilio, quantoraagis preces effundere debemus etc. ,
Tertia racio: sumitor ex pueri respectu, quem apud deum
et angelos habent. Angeli enim, inquit Christus Math. 18
[V. 10], vident faciem patris mei in celis. Item ad Hebreos
primo ca. [V. 14]: Omnes sunt administratorii Spiritus, qui in
ministerium emittuntur propter eos, qui heredes erunt sa-
lutis. Si ergo angeli, quanto magis nobis conducit etc.
Quarta exhortacio: Sumitur ex peccatis et ira dei, in
qua pueri concepti et nati sunt. Infantes enim nihil habent
quam peccatum et mortem, ideo in gravissima ira dei. Iam
deus per prophetam Ezechielem 13 [V. 13 ff.] et 22 [V. 21 ff.]
capite vehementer irascitur iis, qui non interponunt sepem
ire eins per oracionem. Ne igitur et nobis irascatur, si non
oracionibus nostris precludamus viam ire eins, quem [!] habet
super puerum hunc baptisandum propter peccata. Agite,
oremus pro fide etc.
Quinta admonicio: Sumitur ex baptismo, qui est lava-
crum regeneracionis, ut Ephe. 5 [V. 26] Christus sanctificavit
ecclesiam mundatam lavacro aque per verbum, et ad Titum 3
[V. 5]: Non ex operibus, que sunt iniusticia, que facie-
bamus nos, sed secundum suam misericordiam salvos nos
fecit per lavacrum regeneracionis ac renovacionis spiritus
sancti. Similiter Petrus 1 Petri 3 [V. 21]: Cuius figure nunc
respondens baptismus nos quoque salvos reddit, quo non
carnis sordes abiiciuntur, sed quo fit, ut bona consciencia
bene respondeat apud deum. Audis, quante dignitatis sit
baptismus? Per baptismum, inquit Christus, salvi efficimur,
per baptismum, inquit Paulus, salvos nos fecit deus, per
baptismum, inquit Petrus, habemus pactum bone consciencie.
Oremus igitur pro puero, ut salus per lavacrum ei tribuatur etc.
Sexta adhortacio: Sumitur ab exemplis sacre scripture
veteris et novi testamenti. Unde Gen. 21 [V. 15 ff.] fletum
pueri Ismael a matre abiecti 1 ) exaudivit dominus. Si ergo
fletus pueri commovit dominum ad misericordiam, quanto
magis oracio etc. Item Mathei 9 [V. 2 ff.] et Luce 5 [V. 18 ff.]
respiciebat dominus caritatem et sollicitadinem baiulorum
paralitici ex fide factam et paraliticcm nihil tale pre infir-
mitate postulare potentem sanavit. Ideo oremus et nos pro
puero etc.
Septima racio: Sumitur ex miseria pueri, qui totus ab
alieno pendet. Iam deus promisit [Ps. 10, 14] se fore
orphanorum et viduarum auxiliatorem, proinde exoremus
eum puerum hunc. benigniter suscipere velitis etc.
') Mscr.: abiectus.
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[Octava racio:] Sumitur ex potestate sathane, quam
habet propter peccatura in puerum, vel victoriä Christi super
sathanam. Unde dixit [Job. 16, 11]: princeps huius mundi
iam iudicatus est. Orandum igitur est, ut Christus suam
victoriam super sathanam in hoc puero declaret atque ipsum
e faucibus eripiat.
Post admonieionem sequuntur oraciones: Si vero infans
baptisandus per imbecillitatem omnes expectare non possit,
licet aliquas intermittere aut accipiant dug prim§ aut
altera sola ante intinctionem
Oracio: [folgen die Gebete aus Luthers Taufbüchlein
1523 vgl. Richter: K.0.1 7f. Das bei Richter Eingeklammerte
fehlt, ebenso der Exorcismus]. Quando infantes baptisandi sint.
De tempore queri potest, quo esset infans commodius
baptisandus, num mox post nativitatem suam, ne morte prae-
veniatur? Responderi potest ibi consideranda esse duo,
utilitatem scilicet et necessitatem. Utile fuerit, ut expec-
tetur dies et hora publicg concionis, ubi ecclesie congre-
gacio adfuerit, ut finita concione parvulus precibus ecelesi§
commendetur. Quodsi necessitas periculi alicuius extiterit,
permittitur obstetricibus, ut domi baptisent, hic vero baptismus
domi factus postea censeri debet coram ecclesia; sed ne
reiteretur, profuerit autem baptisatos appellacione nominis
sui commendare ecclesi^ precibus, ut dominus ceptam iusti-
ficacionera et salutem in ipsis conservare et provehere velit.
An absque patrino possint baptizari?
An baptizari rite quis possit absque patrino V Respon-
detur: Testis non ex necessitate parvuli quidem requiritur,
sed propter ecclesiam, que non potest recipere testimonium,
nisi quod in ore duum aut trium testabitur [Mt. 18, 16].
Baptismus in strepitu domi factus an legittime sit datus?
Item obstetricum informacio.
Quid, si addubitarent de parvuli baptismo, qui ob ne¬
cessitatem domi factus num legittime esset datus, si forte in
strepitu et tumultu nemo advertisset? Respondetur: Ecclesia
tantum de manifestis iudicat, manifestum vero, non est, quod
unus dicit aut dubitat. Quodsi forte ab Anabaptistis aut
qui huic sect§ dam faverint metu pgnarum ab magistrati-
bus suspicio esset, ne mencientes parvulos suos baptisatos
esse dicant et offerant in ecclesiam, ita agendum arbitramur:
si parentes in ecclesia coram certis testibus asseverent par-
vulum suum domi ob periculum [baptisatum] fuisse, recipiendi
erunt eritque minister excusatus. Viderint ipsi parentes in
conspectu DOMINI, si mentiti fuerint. Ceterum ministri
ecclesiarum obstetrices monere debent, ne domi baptisent in
necessitatis periculo, nisi adhibito patrino aut certis testibus,
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qni videant et audiant, qoi postea ooram ecclesia testari
possint. Docendae eciara erunt obstetrices, ut sciant formam
baptisandi: ln nomine patris et filii et spiritns sancti, qnam
recitare possint coram testibns, quin indicent parvulum a se
domi baptisatum fuisse. Admonende similiter erunt, ut vo-
lentes baptisare parvulos reliquam familiam, que aderit, ad
preces adhortentur pro gracia baptismi dicendas, ipso pro-
nunciato toto symboio fidei et respondente patrino baptisent.
Baptismus condicionalis.
Baptismus condicionalis ab ecclesi§ usu omnino reiici-
endus est. Nam ecclesia certum baptismum habere debet.
Condicionalis autem nihil certum statuit.
De parvulis furatis .et anabaptistarum.
An parvuli anabaptistarnin et Iudgorum repugnantibus
parentibus vi ablati baptisandi sint? Respondetur: Si avus
paternus in baptismum parvuli consenciat aut eum offerat,
licet baptisari. Nam avus paternus potestatem super par¬
vulum habet ordinacione legum civilium, ut in institutis de
patria potestate 1 ). At de avo materno secus est. Porro ut
diserte de hac re disserere possumus [!], distinguemus duplicem
religionem, unam Iudaeorum, alteram anabaptistarum, quorum
religio publice non tolleratur neque ea, que ad religionem
pertinebunt, tollerantur; horum itaque parvuli baptizandi sunt
eciam invitis 2 ) parentibus. Si enim in societate ecclesig et
rei publicae manere volunt, eam eciam observare debent aut
eiiciantur. Tum eciam qui inter Christianos e Christianis
nascitur, in societatem ecclesig natus esse iudicatur; videtur
igitur ecclesiam habere potestatem offerendi parvulos ad
baptizandum. H§c colligi possunt ex Augustino in epistola
ad Bonifacium, que est 23 8 ). Et ut furiosis non permittitur
pro sua voluntate se aut suos perdere estque pietatis eos
prohibere, ita anabaptistis per vertiginosum spiritum nimis
supersticione furiosis non permittendum est, ut contra socie¬
tatem et communem religionem parvulos suos privent bap-
tismate. De furioso patre, in cuius potestate filius non est,
ordinacio civilis extat institutis de nuptiis 4 ).
Plurimum eciam refert, ut iste receptus et vetus mos
ad baptisandos parvulos conservetur, ne postea confuse fiant
ecclesi^ in adultis, de quibus sepius dubitabitur, quisnam
baptisatus necne esset. Nihil enim nunc habemus cercius
*) Vgl. Iustiniani institutiones I tit. 9 § 3.
*) Mscr.: invitus.
*) Vgl. Migne: patr. latina Bd. 33 pag. 559 ff.
*) Vgl. Institutiones Iustiniani I tit. 10 principium.
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quod opponamus anabaptistis obiectantibus nobis baptismi
nostri ignoranciam, quam quod ad publicum morem et ad nostros
patrinos provocamus, qui nostri baptismi certi sunt testes.
Religio autem Judeorum publicis legibus et privilegiis
toleratur cum suis privatis synagogis eorum; itaque parvuli
ad baptismum rapiendi non sunt.
Utrum parvuli nondum integre nati sint baptizandi?
Accidit, idque non admodum raro, quod ob difficilem par¬
tum parvuli vita in periculo mortis versetur, antequam integre
enixus sit, nunquid igitur licebit adhibere baptismum illi
membro, quod prominet? Respondetur: Non licet; non enim
potest renasci, quod natum nondum est, renasci enim *) pre-
supponit natum fuisse. Homines baptismum suscipere debent.
At proles nondum pleqe edita in societatem hominum non¬
dum venit. Neque leges pro posthumo habent existentem
in utero materno, nisi intra parietes vagitum ediderit 2 ). Es
sol kain erb sein, er hab dan die vier wend beschrauwen.
An parvuli necessario toti sub aquas sint immergendi
propter misterium et significacionem mortificacionis, cuius
tinctio signum est? Respondetur: In huiusmodi agendis ob-
servanda est loci consuetudo, nihil autem videtur distare
inter aspersionem et immersionem, quantum ad misterium 8 )
et significacionem pertinet. Solet eciam scriptura indifferenter
loqui de ablucione sive inmersione, sicut ait: Abluo peccata
tua etc. et vocatur baptismus lavacrum regeneracionis
[Act. 22,16 Tit. 3, 5].
An sacramentarii, qui contra ecclesi^ usum de sacra-
mento perperam senciunt, patrini sint admittendi?
Quodsi minister tales civiliter et commode repellere posset,
quemadmodum si quis semel aut iterum in anno in publicis
concionibus explicaret articulos fidei asserens patrinos hoc
animo et hac opinione admitti, quod fateantur eandem in arti-
culis fidei exposicionem et eandem nobiscum de sacramento
cen§ teuere sentenciam, qui hoc modo absterreretur, ne fieret
patrinus, melius esset. Similiter qui de anabaptistico dogmate
suspectus esset aut nondum fuisset in carcere aut vinculis
confessus neque esset dogmatista, tales iure vix repelli
possent ab officio patrini, neque enim impietas parentum
aut perfidia patrini nocebit parvulo baptizando. Ut vero
tales non repellantur, ideo cavendum, quia caremus policia
ecclesiastica; non habemus senatum, qui seutenciis collectis
iudicialiter pronunciandi autoritatem habeat, neque licet soli
ministro iudicandi publice potestatem arrogare, aut non
') Mskr.: non.
®) Vgl. Codex Justin. VI tit. 29 lex 3.
3 ) Mskr.: ministerium.
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accusatum neque iudicatum publica ignominia afficere, quo
esset cum a publico officio repelleretor. Qui in torraentis
perfidiam est confessus pertinaciter aut dogmatista sit, non
admittendum eum censuerim, eo quod de facto sentenciam
ipsi de se dixerunt excommunicacionis.
Quid vero cum iis agendum, qui libertatem pretexerent
Christianorum baptisandi tempus liberum esse asserentes,
ideo pueros suos offerre ad baptisandum, donec sibi libuerit,
volunt? Respondetur: Verum quidem est liberum esse bap-
tismum in se. haue quidem libertatem novisse Christianos
decet. Attamen in his rebus circumstancie sunt considerande,
que charitatem offenderent, si iuxta scienciam agere velim,
ut dicitur [1. Cor. 8,1]: sciencia inflat, charitas edificat, modo
caritas quod utile fuerit proximo promovet, quod vero offenderit,
cavet. Ex ea igitur baptismi dilacione suspicio apud alios
esse poterit, quod fiat ob consensnm in anabaptismuin, quam
nemo bonus de se prebere debeat. Tum eciam aliis dubi-
tacionem de suo baptismo, num parvulus baptisatus fuerit
aut ne, • sui parentes pretextu libertatis differre maluerint,
donec in oblivionem baptisandi devenerint. Propter has
circumstancias caritati quilibet debet pocius studere, que, ne
alios offendat, publicum morem observat. Ob easdem causas
a magistratibus cogendi sunt, qui forte pertinaciores fuerint
de baptismo longius differendo.
5. Quaestiones quaedam, quae circa cenam dominicain
agitari queunt. Et compendiose responsiones earum.
Auch für diese Ausführungen gibt unser Codex die
Autorschaft von Brenz nicht an. Zahlreiche Berührungen
aber mit den Gedankengängen von Nr. 4 lassen denselben
Autor wie dort erschließen, beide Nummern stehen oder
fallen zusammen. Inhaltlich handelt es sich zunächst um
die Frage, ob sittlich Anstößige zum Abendmahle zuzulassen
sind? Die Antwort reguliert sich nach dem uns schon be¬
kannten Grundsätze (vgl. Nr. 4): caremus policia ecclesiastica
et publicis iudiciis. Danach ist der kirchenrechtliche Aus¬
schluß vom Abendmahl nicht gestattet. Man darf die An¬
stößigen nur ermahnen, vor Besserung ihres Wandels nicht
zum Abendmahl zu kommen; lassen sie sich dadurch nicht
abschrecken, so ist die Kirche mit ihren Maßnahmen zu
Ende, sie muß diese „Unordnung“ hinnehmen; als Vor¬
beugungsversuch kann sie nur in wiederholter Predigt zur
Sakramentsenthaltung mahnen. Vielleicht auch, daß die trotz
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Abmahnung zmn Sakrament Gehenden schon heimliche
poenitentiarii sind! So salviert Brenz hier das kirchliche
Gewissen, genau so wie er bei der Taufe sich salvierte mit
dem Gedanken, die Patenschaft der Ungläubigen werde den
Kindern nicht schaden. Es verdient aber diese Stellung zur
Kirchenzucht besondere Heraushebung, sofern Luther und
die Reformatoren sonst den Abendmahlsausschluß als sog.
kleinen Bann vertreten (s. Friedberg in RE 8 2,383). Offen¬
bar ist die Brenzsche Anschauung die konsequentere, indem
sie von der Gemeinde als Glaubens- und Liebesgemeinschaft
die der Obrigkeit als „äußere Christenheit“ zustehende
Polizeigewalt auch in der Form der Bannzucht ausschließt.
So scharf wie möglich sollen die beiden Kreise: christliche
Gemeinde (innere Christenheit) und christliche Gesellschaft
(äußere Christenheit) geschieden bleiben.
Weiter wird nach der Art der Beichte gefragt.. Beichte
und Absolution sollen öffentlich sein, doch soll man vorher
die Kommunikanten fragen, ob sie vielleicht etwas heimlich
auf dem Herzen hätten, das sie beschwere; in dem Falle,
so muß man ergänzen, sollen sie diese Beschwernisse privat
beichten.
Dritte Frage: Darf man Fremde zur Kommunion zu¬
lassen? Es ist Vorsicht zu beobachten. Die Betreffenden
müssen den Unterschied zwischen der papistischen und
unserer, wahren, evangelischen Kommunion kennen; sie
müssen ehrbar und unanstößig sein. Eigenartig macht sich
also hier wiederum das Gemeindeprinzip geltend; während
anstößige Gemeindeglieder nicht zurückgewiesen werden
können (s. o.), ist die Zurückweisung möglich bei Fremden.
Man soll sie zudem ermahnen, keine papistischen Messen
zu besuchen; denn die Messe ist im Sinne der römischen
Kirche Bekenntnisakt für die Laien. Freilich, wer unter
obrigkeitlichem Zwange die Messe besucht, dem mags hin¬
gehen, vorausgesetzt, daß er sein lediglich pflichtgemäßes
Handeln vorher irgendwie kundgibt. Denn in puncto Con¬
fessio, Bekenntnis, darf kein Zweifel herrschen. Auf alle
Fälle verboten ist das offerre, d. h. offenbar die Teilnahme
am Meßopfer durch Knieen.
Die Fragen an den Kommunikanten (seil, bei der
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Privatbeichte, s. o.). Deutlich tritt bei ihnen die antikatho¬
lische Tendenz heraas. Der Beichtende soll sich allein auf
die göttliche Gnade verlassen und die communio sub utraque
als die stiftungsgemäße betrachten. Daneben wird eine
Tendenz gegen die Sakramentierer deutlich; es wird das
Problem aufgerollt, wie der Glaube an das Sitzen Christi
zur Rechten Gottes neben dem seiner Anwesenheit im
Sakramente bestehen kann? Gut Lutherisch lautet die Ant¬
wort: in jener Welt, in der nun Christus lebt, gibt es keine
verschiedene Örter im Angesicht Gottes, wie jetzt auf Erden
im Angesicht der Menschen. Vor Gott sind alle Örter ein
Ort, deshalb kann Christus zugleich an zwei verschiedenen
Orten sein; auch das Abendmahl ist eine res coelestis, darum
ist Christus auch bei ihm „im Himmel“. Der Zweck des
Abendmahls ist Stärkung der Glaubensschwäche; daher sind
Früchte des Glaubens, die im einzelnen aufgezählt werden,
nach dem Sakramentsgenusse zu erwarten. Weiterhin bietet
Brenz Formulare, die ante communionem zur Weckung des
Glaubens gesprochen werden sollen, offenbar öffentlich. Das
erste variiert das Motiv: Christus unser hospes, und klingt
aus ins Vaterunser; das zweite behandelt das Motiv: die
Gaben des Sakramentes, das dritte die Erkenntnis Gottes
— hübsch ist hier das Bild: das Abendmahl ein Fenster
vor dem Herzen Christi —, das vierte die Heiligung vor
dem Abendmahle, das fünfte die Sündhaftigkeit als die rechte
Heiligung vor dem Sakrament.
Die chronologische Einordnung dieses Stückes hat eine
Handhabe an der Erwähnung der Erlaubnis Luthers an die
Fürsten, pflichtgemäß bei der Messe zu stehen, weil sie ihr
Bekenntnis dargeboten hatten. Das kann sich doch nur auf
die Überreichung der Augustana am 25. Juni 1530 beziehen,
dieser Tag also wäre der terminus a quo. Aber wo hat
Luther diese Erlaubnis gegeben? Mir ist es nicht gelungen,
eine entsprechende Äußerung Luthers ausfindig zu machen,
auch Anfragen bei den Herren D. D. Kawerau, Kolde u. a.
waren ergebnislos, möglicherweise handelt es sich um eine
mündliche Auskunft Luthers, die Brenz weitergab; daß das
Thema in der Luft lag, zeigen die Vorgänge auf dem Augs¬
burger Reichstage (die Fronleichnamsprozession vom 16. Juni!)
Archiv för Reformationa ge schichte IX. 2. 8
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und die Luther-Korrespondenz (vgl. E.A. 54,154 ff., Enders
7,385 ff, 8,1 ff) zur Genüge. Einen terminus ad quem zu
bestimmen, ist kaum möglich. Es kann sich auch um eine
Anfrage handeln, aus dem Fürsten kreise, die erheblich nach
dem Augsburger Reichstage fällt; Luthers Äußerung hätte
dann darüber belehrt, wie sich Fürsten in einem analogen
Falle wie dem zu Augsburg zur Frage stellen sollten. Darf
man das ganze Stück mit Nr. 4 verbinden, so würde sich
die Ansetzung + 1530 nach 25. Juni empfehlen.
Questiones quedam, que circa cenam dominicam agitari
queunt. Et compendiose responsiones earum.
Num adulteri, ebrii, avari etc. sint admittendi? Respon-
detur: privatim et clam sunt diligenter admonendi, ne ad
sacram cenam accedant, donec a peccatis suis resipuerint ad
vit^ emendacionem. Quodsi privata admonicione absterreri
nolint, nequaquam licet eos vi et cum ignominia publica
repellere. Caremus enim policia ecclesiastica et publicis
iudiciis; ferenda quippe est hec inordinacio pocins quam
temere absque iudiciis condemnare. Attamen ministri debent
bis aut s^pius in anno uno admonere eos, qui tarn impuri
sunt in vita, ut a comunione abstineant altaris, ne simul at-
que deum sua temeritate offendant et ecclesiam sua impuri-
tate gravant[!] afficientes eam ignominia.
Tum eciam addendum erit in publicis concionibus, ne
ecclesia (cum tales peccatores admitti viderit) eos diiudicet
eo quod suspiria et concuciones cordis eorum non videant;
fuerunt quidem manifesti peccatores, at nunc pocius censeant
eos occultos penitenciarios. Sic enim charitas solet nihil
mali cogitare de his, quos videt vel in speciem bene agere.
De confessione queritur, quam prestare debeant comuni-
caturi? Respondetur: Scripturg clare docent, cui debeamus
peccata nostra coniiteri. Verum, ne obmittatur, cum inter-
rogentur comunicaturi, si quid clam habeant questionum, quo
conscienci§ labefactate sue fuissent. Postea generalis seu
publica confessio premittenda est, quam eciam sequatur
publica consolacio.
De peregrinis, qui aliunde in nostras ecclesias con-
fluunt, quid respondendum fuerit, cum ad nostram comu-
nionem recipi petiverint? Respondetur: ne facile admittantur,
nisi discrimen habeant inter papisticam comunionem et nostram
veram; item, ne alibi ob vite impuritatem abiecti fuerint, sed
sint honesti, qui diligenter de cruce persecucionis premuni-
antur et doceantur, ne facile postea ad defectionem desciscant.
Tum eciam dehortandi sunt, ne missas papisticas ingrediantur.
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Nam hec fere laicorum quos vocant confessio est; ideo enim
coguntur ad templa soa presto esse tempore sacrificiorum,
ut videantur dogma illnd non sequi aut abiicere, quod de
vero usu c§ne in evangelio docetur.
Ceterum qni sub magistratu subditus est et propter
comitatum principis sui missas ingreditur, videtur esse
tollerabile; sed tune, quando missarum blaspbemias ante
confessus est, quemadmodum si quis exciperet coram prin¬
cipe suo se non propter religionem intrare ad missas, quas
credit esse inutiles et abominabiles, sed propter officium,
quod illi debeat. Sicw< D. Lutherus*) permisit principibus
officii prestandi gracia Cesari, ut cum ipso ad missas pre¬
sentes adstarent, eo quod confessionem suam obtulissent.
Secus est, nt dixi, de privatis aliis, qui coguntur ad sacrificia
nulla de se adhuc exhibita de impietate missarum confessione.
Item ut poteris adesse officii causa missis, nequaquam
tarnen licebit offerre, ne cum impietate comunices et coin-
quineris coram 2 ) hominibus. Si quis itaque prorsum abs-
tinuerit a sacris illis impiorum, melius facit et securius vitat
offendiculum. At confessis secundum indulgenciam permitti-
mus, non iudicamus, si propter Studium dominorum suorum
fecerint.
Interrogaciones, que a comunicaturo requiri possunt:
Agnoscisne te graviter adversus deum peccasse et
nullum ex praeceptis eins plene ac recte observasse? Ag¬
noscisne te peccatis tuis optime meritum esse perpetuam
damnacionem, et deum posse te iusto iudicio inferni ignibus
tradere? Faterisne te nullis tuis operibus, nullis meritis
tuis, nulla iusticia tua, nulla virtute tua posse peccata ex-
piare et pro peccatis tuis satisfacere ac placare iram dei
super peccata tua conceptam? Credisne, quod solus Jesus
Christus sit meritum, iusticia, virtus et sanctitas tua? Petis
igitur cenam dominicam a Christo institutam? Credisne
hanc c§nam ita institutam, ut non solum panis distribuendus
sit, sed eciam vinum? Unde certo cognoscis hoc sic a Christo’
institutum esse? Respondeo ex verbis Christi dicentis: Bibite
ex hoc omnes etc. [Mt. 26 V. 27]. Credisne, quod Christus in pane
distribuat corpus suum edendum et in vino sanguinem suunl
bibendum? Credisne Christum sedere ad dextram patris in
cglis? Si ergo Christus in colis sedet, quomodo corpus eins
est in pane? Respondetur: In altero seculo, in quo nuue
vivit Christus, non sunt distincta loca in conspectu dei sicut
loca in hoc seculo in conspectu hominum. Sed sicut coram
deo omnia tempora unum momentum sunt, ita coram eo
') S. dazu die Einleitung.
2 ) Mskr.: coinquinaris quam.
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omnia loca onus locus sunt. Itaque etiamsi corpus Christi
sit in c§lo, tarnen eciam est in cena dominica, propterea
qnod et cena dominica res sit celestis. et coram deo non
distingnatnr localiter a c§lo. Ad qnid postnlas c§nam domi-
nicam? Respondeo: ad confirmandam imbecillitatem fidei
mee. Nunc enim tentor a indicio peccatorum, nunc a gra-
vitate afflictionum, nunc ab horrore mortis, ut nonnunquam
dubitem, num deus me adhuc respiciat? num adhuc mihi
propicius sit? Accipio igitur c^nam dominicam, nt hoc
externo signo confirmetur consciencia mea, quo certius reddar,
deum adhuc me respicere et propicium esse mihi per Jesum
Christum filium suum, qui mihi corpus et sanguinem suum
donavit etc. Visne ob hanc graciam ac miseriam tibi a
Christo exhibitam dignos penitencie fructus facere?
Possunt autem digni penitencie fructus eciam articulatim
inquiri:
Visne solnm deum per Jesum Christum et non homines
demortuos in adversis tuis invocare?
Visne publicis et legittimis ordinacionibus ac parentibus
tuis obedire?
Visne blasphemias nominis dei et execraciones vitare?
Visne fratri tuo iniuriam tibi illatam ex animo remittere?
Visne pauperes pro tua facultate adiuvare et ablatum
restituere?
Vis usuram vitare? Vis ab ebrietate declinare?
Vis castam vitam sive in matrimonio sive in celibatu
ducere?
Et si qu§ sunt ali§ id genus questiones, quas unusquisqne
parochus pro sua prudencia communicaturo iuxta temporis
et persone qualitatem ac racione e preceptis dei proponere
potest, si libet.
Exhortacio ad fidem ante communionem eene dominice
ducta ex commendacione Christi hospitis:
In institucione cen§ dominier illud precipue nobis pro-
ponitur et inculcatur, quod Jesus Christus dominus noster
corpus suum, quod pro nostris peccatis in cruce obtulit, nobis
ad vescendum dederit et sanguinem suum, quem ad emenda-
cionem peccatorum nostrorum effudit, ad bibendum exhibuerit
Quod quid aliud est quam quod Christus Jesus unigenitus
ille dei filius non solum in hospites suos nos invitet, verum
eciam se ipsum pro cibo et potu proponat. Considerandum
igitur est, qualis ille sit, qui nos invitet et se ipsum pro cibo
ac potu apponat, ut ex cognicione hospitis incitemur ad maiores
graciarum actiones et ut maiori veneracione convivium illud
percipiamus. Est autem Jesus Christus unigenitus dei filius
ab eterno ex patre celesti deus genitus, in plenitudine tem-
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porte, ex virgine Maria homo natus [Gal. 4, V. 4], per quem
omnia sunt condita, qui est equalis potenci§ et glori§ cum
patre, rerura omnium dominus, qui tauto amore nos miseros
peccatores complexus est, ut propter nos exinaniverit se
ipsum forma servi assumpta, in similitudiue hominum con-
stitutus et figura repertus ut homo [Phil. 2,7 f.] humilem pre-
buerit se ipsum, factus obediens usque ad mortem, mortem
autem crucis. Et cum alius pro bono ac iusto homine mortem
non sustineret, tarnen Christus, ut commendaret charitatem
suam erga nos, pro nobis impiis mortuus est propter delicta
nostra et resurrexit propter iustificacionem nostri [Rom. 5,8.
4,25], Cum ergo talem ac tantum habeamus hospitem, qui
ad convivium suum nos vocavit, qua, obsecro, reverencia,
qua observancia, qua obediencia ipsum adeamus?! Non
enim existimandum est, quod Christus ante passionem suam
hanc cenam ita preparaverit, ut tune quidem presens fuerit,
nunc autem absens. Absit hec cogitacio. Qui tune cenam
preparavit, idem nunc quoque preparat. Nos ministrorum
locum tenemus. Qui vero illa consecrat, sanctificat et invitat,
idem ipse est omnia illa potenti suo verbo perficiens.
H§c autem observancia et reverencia ipsi acceptissima est,
si verbum eins audiamus et custodiamus illud. Ait enim
[Mc. 3.35]: Mater mea et fratres mei hi sunt, qui sermonem
dei audiunt et faciunt illum. Et alibi [Lc. 11,271]: Beatus
quidem venter est, qui me portavit. Sed pocius beati sunt,
qui audiunt verbum dei et custudiunt illud. Audimus autem
nunc verbum dei, videlicet quod Christus propter peccata
nostra mortuus sit et propter iustificacionem nostri resur-
rexerit, et quod corpus et sanguinem suum nobis in cibum
ac potum prebuerit, ut fide illa accipientes participes remis-
sionis peccatorum et vit§ eterne efficiamur. Hoc ergo ver¬
bum capescendum est et custodiendum. Custoditur autem
fide; fides enim memoria est firmissima, unde nihil verborum
dei elabitur. Custoditur eciam dignis fructibus penitenci§
seu fide. Itaque credamus Christum esse nostram iusticiam
et sanctificacionem, credamus corpus Christi esse vitam
nostram et sanguinem eins expurgacionem peccatorum. Deinde
proferamus huius fidei fructus et maiori observancia, maiori
reverencia hospitem nostram adire non poterimus. Orabimus
igitur, ut Christus in nobis fidem augeat et vires prebeat,
quo fide fructus proferre queamus dicentes: Pater noster.
Alia ducta ex commendacione cibi et potus ceng do¬
minier: ln cena dominica proponuntur quidem nobis panis
et vinum, sed in his visibilibus rebus commendavit nobis
Jesus Christus corpus et sanguinem suum invisibiliter.
Videamus igitur, quam splendidus, quam sumptuosus, quam
opiparus cibus ac potus in hoc convivio nobis apponantur.
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Ne illad Pauli [1. Cor. 11,29] audiamus: Qui edit aut bibit
iudigne, iudicium sibi ipsi edit et bibit, uon diiudicans corpus
domiui. Est autem corpus seu caro Christi, quemadmodum
Christus ipse Johan. 6 [V. 51] docet, vita mundi. Nam cum
dominus deus noster Adaraum parentem nostrum in paradisum
collocasset et prohibuisset ei, ne vesceretur de fructu arboris
scienci§ boni et mali, quocunque, inquieus, die comederis
ex eo, morte morieris [1. Mos. 2,17], et ille contra mandatum
dei de fructu arboris illius vesceretur, continuo veram mor¬
tem et corporis et anim§ comedit. Mors autem secum veluti
comites traxit omnes corporales afflictiones, omnia morborum
genera, omnes calamitates, omnes tristicias animi, omnes
maledictiones et eternam damnacionem atque interitum. Unde
statim post esum pomi eiecit deus hominem e paradiso, ut
scriptura testatur [1. Mos. 3,22], ne forte mittat manum suam
et sumat eciam de ligno vit§ et comedat et vivat in §ternum.
Atque ita per Adam mors intravit in mundum et regnavit
super omnes homines [ßöm. 5 V. 14], ut quotquot ex Adam
generarentur, depulsi et abiecti essent, ne fructum seu cibum
ex arbore vit§ decerpere possent. Posteaquam autem Christus
Jesus advenit, rursus nobis arbor vite revelata est, ut ex ipsa
fructum percipiamus. Est enim Christus ipse vera vita et
sicut seipsum vocat [Joh. 6,49 ff.] panis vite. Apposuit autem
in convivio eene dominieg corpus suum in pane et dedit
potestatem, ut, quotquot ex iide corpore illo vescerentur,
pomum seu cibum vere vite perciperent. Et hec de corpore.
Sanguis vero Christi est emundacio a peccatis. Sicut enim
scribitur 1. Johan. 1 [V. 7]: Sanguis Jesu Christi emundat
nos ab omni peccato; in lege quidem omnia purificabantur
sanguine taurorum et hircorum et Mose testamentum suum
sanguine dedicavit [Heb. 9], insuper tabernaculum et omnia
vasa ministerii sanguine sanctificabantur. Sed hec sancti-
ficacio tantum ad carnis purificacionem proficiebat, non ad
purgacionem anime. Non enim potest sanguis taurorum et
hircorum auferre peccata, sanguis autem Christi talis est, ut
purget conscienciam nostram a mortuariis peccatis ad ser-
viendum deo viventi . . . [etc.]
Alia exhortacio ducta ab officio pii hominis, cuius inter-
est deum cognoscere.
[*) Wir sollen Gott über Alles lieben; dazu aber müssen
wir ihn kennen. Gott aber wird nur durch Christus er¬
kannt, Christus aber wird am besten im Abendmahl erkannt:
Est enim cena dominica veluti fenestra ante cor Jesu Christi
*) Das ff. ist eine kurze Inhaltsangabe des von Brenz lateinisch
Gebotenen.
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posita, per quam dilucide perspici potest, qualis sit affectus
Christi erga nos.]
Alia exbortacio, qaod nemo nisi sanctas eene dominic^
particeps esse debet.
[Wie Gott zu Mose [2. Mos. 19,10] sagte, er solle erst
das Volk heiligen, bevor es das Gesetz empfinge, so müssen
wir vor dem Abendmahl uns heiligen. Das geschieht nicht
in honestis et civilibus virtutibus ac operibus, denn mit allen
unseren Werken bleiben wir unnütze Knechte. Auch in
angeblichen Wundern besteht nicht die sanctitas, vielmehr
ist unsere sanctitas Christus, den wir im Glauben ergreifen.]
Alia exhortacio. quod nemo nisi peccator debet esse
particeps cen§ dominic?.
[Das ist kein Widerspruch zur vorhergehenden Er¬
mahnung, denn: soli peccatores sunt sancti. Unter pecca-
tores sind die zu verstehen, welche ein lebendiges Sünden-
schuldbewußtsein in sich tragen.]
6. Brief von Brenz an Georg Vogler, Montag nach
Egidii = 6. September [1529] mit Beilagen.
Der Brief von Brenz an Georg Vogler ist in Hartmann-
Jägers Brenzbiographie Bd. 1 S. 440 ff. bereits zum Ab¬
druck gekommen. Es geht aus dem Briefe hervor, daß
Vogler an Brenz ein „Yerzeichnus von dem brauch der zween
sacramenten“ geschickt hatte mit der Bitte um Beurteilung.
Dieses „Verzeichnis“ bieten wir im Folgenden. Brenz ist
mit dem ersten Teile, den Ausführungen Uber die Taufe,
einverstanden gewesen, er hat sie „vast gerne gelesen und
ist meins Verstands also wie begriffen recht glaubt“. Die
Taufe wird gefaßt als Sakrament der „Einleibung und Ver¬
einigung“ mit Christo; sie ist ein sichtliches und greifliches
Ding, an das unsichtliche Wort gebunden, daher von gleicher
Kraft wie das Wort, ein Siegel und Zeugnis für alles, daö
der Glaube aus dem Worte erhofft. Der durch die Taufe
in Christus Einverleibte darf sieb Christi und seiner ganzen
Herrlichkeit rühmen. Der Verfasser polemisiert gegen eine
falsche Anschauung von der Taufe, nach der jeder Täufling
persönlich („in sunderheit“) der Sünde absterben muß, auch
an seinem Fleische. Das kann meines Erachtens nur gegen
die Täufer gehen, die die persönliche Heiligkeit von ihren
getauften Mitgliedern forderten, während der Verfasser den
Tod Christi als die prinzipielle Überwindung der Sünde
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faßt, deren der Einzelne durch den Glauben teilhaftig wird.
(Man erkennt aber hier deutlich die gefährliche Klippe der
Lutherischen Recbtfertigungslehre, die die persönliche Ethik
des Einzelnen unberührt lassen konnte). Der Gläubige bat
im Glauben an Christus prinzipiell die Sünde überwunden,
fällt aber tatsächlich noch „zu Zeiten“ in Sünde; doch schadet
ihm die Sünde vor Gott nichts, da er in Christus einen Für¬
sprecher bei Gott hat Er empfängt außerdem in der Taufe
den Geist, der ihn immer treibt, des Fleisches Geschäfte zu
töten, sodaß die Taufe ihre Kraft durch das ganze Leben
bewährt. Der Christ ist ein Doppelwesen, fleischlich und
geistlich, Sünder und gerecht, Geist und Gerechtigkeit aber
gibt die Taufe. In ihr hat man „den ganzen Christus“.
Man versteht ohne Weiteres, wie Brenz diesen gut lutherischen
Gedankengängen seine Zustimmung geben konnte.
Weniger ist er mit den Darlegungen über das Abend¬
mahl zufrieden. „'Von dem Nachtmal seyen etlich punkten,
so mich anseben, als wolle diser mit Worten die gegea-
wertigkeit des leibs im nachtmal bekennen und im grund
verleucknen.“ Auch das versteht mau. Der Verfasser stellt
an die Spitze * den Satz, das Abendmahl diene dazu,
die Taufgnade ins Gedächtnis zu rufen, „dazu bat Christus
uns sein leib und blut in dem sacrament des altars zu seiner
gedächtnis zu messen befohlen.“ Das mußte nicht Zwing-
lianisch verstanden werden, war auch nicht Zwinglianisch
gemeint, aber es konnte misverständlich wirken. In seinen
Darlegungen setzt der Verfasser die Realpräsenz gewiß vorans,
aber sie ist ihm nicht eigentlich wertvoll, der Nachdruck fällt
auf das Gedächtnis an Christi Tod oder auf die Gemeinschaft
der Gläubigen. Er nennt die Speise und den Trank „geist¬
lich“, sie können daher auch nur „im Geist und Glauben“
genossen werden. Irgend etwas Besonderes neben der Taufe
gesteht der Verfasser dem Abendmahl nicht zu. „Und ist
also bey diesem sacrament gar nichts erstlich zu suchen,
das nicht zuvor durch den glauben im tauf gefunden war.“
Hier empfand der Lutheraner Brenz doch eine Lücke. Ihm
misfiel insbesondere, daß der Verfasser Joh. 6 auf das Abend¬
mahl deutete. Das lehnt Brenz mit Luther ab. Auch darin
kann Brenz dem Verfasser nicht zustimmen, daß das Abend-
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mahl als Freudenfest betrübten nnd beschwerten Gewissen
nicht zu reichen sei. Für Brenz hat das Abendmal doch
die Kraft, von der Traurigkeit za entledigen. Betreffend die
Prüfung vor dem Empfang des Sakramentes tritt Brenz ge¬
genüber dem Verfasser dafür ein, daß es sich nicht nor nm
ein Gedenken an die darch Christas erhaltene Gnade bandle,
sondern auch um eine „Bewegung seiner Sünde und Un¬
geschicklichkeit“, denn die gehöre auch zum „auf den Glauben
sehen.“ Darin stimmt Brenz dem Verfasser zu, daß eine
besondere anderweitig noch nie hervorgetretene Verheißung
bei dem Abendmahle nicht zu suchen sei, es handle sich
nur um eine „neue Weise“ der Bekräftigung einer alten
Verheißung. Geht aber aus den Worten des Verfassers
ein deutliches Zurttckschieben der Realpräsenz hervor, so
stößt er in punkto Konsekration mit Brenz ernstlich zusammen.
Er kennt keinen besonderen Weiheakt, sondern will die
„Konsekration“ gesetzt wissen in die Austeilungsworte
beim Reichen des Brotes und Kelches. Sofort aber fürchtet
Brenz davon eine Aufhebung der Realpräsenz; er verlangt
einen besonderen Konsekrationsakt und will auch das ge¬
weihte Brot und den geweihten Wein nach der Konsekration
ein für alle Mal Leib und Blut Christi bleiben lassen,
während für den Verfasser sie außerhalb der Weihung
„gemein Brot und Wein“ sind. Das „ungläubige Essen und
Trinken“ hatte der Verfasser aus der historischen Situation
heraus von einem „Mißbrauch und nicht nach der rechten
Weise essen und trinken“ verstanden, nicht etwa von einem
wirklichen Unglauben. Darum auch hatte er in der Strafe des
„Gerichtes“ nur eine Züchtigung und Mahnung erblickt,
nicht aber die ewige Verdammnis. Denn der Ungläubige
empfange nur Brod und Wein, nicht aber Leib und Blut
Christi. Anders Brenz: der Ungläubige empfängt Leib und
Blut Christi, aber nicht die damit verknüpften Güter; er ißt
und trinkt zum Gericht, d. h. zur ewigen Verdammnis. Ja,
Brenz geht der Argumentation des Verfassers gegenüber so
weit, zu behaupten, daß eine Maus oder Ratte, die kon-
sekriertes Brot frißt, Leib und Blut Christi in sich aufge¬
nommen hat!
Wer der Verfasser des Gutachtens war, hatte Vogler
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an Brenz nicht mitgeteilt. Dieser nennt ihn „ein klngen,
feinen Mann, er sei, wer er woll“ und bittet, ihn zu grüßen.
Wer er ist, vermag ich nicht zu sagen, AJthammer ist aus¬
geschlossen, da er in der Abendmahlfrage ganz auf Lutherisch-
Brenzschem Standpunkte stand. Sollte es Rurer sein, oder
gar Vogler selbst? Jedenfalls eine Persönlichkeit, die die
Härten des Luthertums in der Abendmahlsfrage zu mildern
bestrebt war. Noch ist zu bedenken, daß der Verfasser eine
tägliche Kommunion voraussetzt.
Was die tauff bedeut und warzu sie dem getauften diene.
Christenlichs wesen, sovil unser rechtfertigung gegen gott
in disem leben angehort, steet samptlich in zweyen stücken:
das ein ist, das wir der sund absterben, das ander ist, das
wir der gerechtigkeit widerumb lebendig werden sollen,
welches dan einig die recht bus ist, die Johannes gepredigt
hat, und zu der Christus die sünder zu fordern in diese weit
kommen ist: Luca 5. [32 ff.] Dieweyl aber solche pues zu
thon menschlichem vermügen gancz unmuglich ist, hatt gott
unserer schwachen wollen zu hilf körnen und uns also Jesum
Christum zu einem mitler fürgestelt Ro. 8 [32]der meinung,
das wir an im suchen, finden und zu aigin haben solten
alles, was uns auß unser schwacheit mangelt zu solcher bues,
und dits durch mitlung des glaubens. Nemlich so wir von
hertzen glauben und bekennen, das dieser ein son gottes
uns zu einem hayland von dem ewigen vatter gegeben sey,
der unser sünd’ alle auf sich genomen und an das creutz
gehenckt hat, und also uns mit seinem plut und todt bey ge¬
nantem seinem vatter versont und gentzlich zu gnaden ge¬
bracht hatt, das wir alsdan in craft solches glaubens teyl-
haftig sein sollen alles des, was Christus hatt und ist, ja, das
wir auch Christus selbs sein sollen. Dan also hatt es gott
wolgefallen, das, wie wir im Adam sterben, das wir
also auch in Christo widerumb lebendig werden
sollen [1.Cor. 15,22], das ist wie wir in Adam gesteckt
und eins mit im gewest sein, da er gesündigt hatt 2 ),
das also die sund und todt von im in uns erblich geflossen ist,
dermassen das ein einige sund, die auch nur ein mal im an-
fang der weit volnbracht, uns ydoch, sovil unser bisz zu endt
der weit geborn werden, alle begreyft und verdampt, ob wir
glevch ausserhalb derselben sunst gar keine mehr thetten,
*) Am Rande: In gerechtigkeit zu leben feilt uns, darnmb ist
Christus komen unser mangel zu erstatten das aber geschieht durch
daz mittel-glauben.
*) Zum ff. am Rande: Nota.
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and dis allein umb der einleybung willen, mit der wir alle
eins im Adam, ja, der Adam selbs gewesen sein. Also
aueh, so wir in Christum durch den glauben ein-
geley bt, und eins mit im worden sein, das sein leiden und todt
für die sund, so er an dem creütz under Poncio pilato ein mal
erstanden hat, darzu auch sein gerechtigkeit, die er am dritten
tag darnach mit seiner geweltigen urstend vor aller weit
bezeigt hatt, überflüssig an uns alle, die wir glauben, aus-
flies. Also das dise zwey uns in Christo zugeeignet uns vol-
komenlich vor gott zu gnaden bringen und rechtfertig machen.
Ob wir gleich ausserhalb derselben nichs mer haben und
dis auch gleicher maß umb der einleybung willen, mit der
wir Christo durch den glauben vereinigt und eingeleibt sein.
Und eben dis maint Paulus ßo. 5 1 ) [folgt freies Zitat V. 17 u. 18].
Nun dieweyl aber solchs, so man es allein durch das
gotlich wort lert, gantz geistlich und deshalber menschlicher
blodigkeyt etwas zu scharpf und unbegreiflich ist, hatt gott
auch in disem fall durch freüntlichs mitleyden unserer
Schwachheit wollen helffen, und nicht allein mit seinem wort,
sonder auch durch ein gewislich leiblich sacrament uns solcher
Vereinigung und einleibung mit seinem son in dem glauben
gwiß machen wollen, und also verordnet in die weit auß-
zurüeffen: welcher glaubt und getauft würdt, der würdt seelig
[Mc. 16,16], das also die tauff als ein sichtiglich und greyflich
ding an das unsichtlich wort gebunden und gleiche kraft
mit im haben soll, und das sie ein sigel und gezeucknus sein
solt alles des, das sich der glaub auß gehörtem gotlicheu
wort annimpt 2 ).
Nun nimbt sich aber der glaub alles des an, das von
der herlichkeit Christi gpredigt würdt durch das gütlich wort,
[folgen Bibelstellen in freiem Zitat Joh. 1, lff., Röm. 6, lff.,
Col. 2, lff., Eph. 2, lff, Joh. 5, 19ff, Röm. 8, 17, 1. Cor. 6, 3ff]
Aber solchs alles, das es ye der mensch begreyffen mag, wurdt
es im durch den tauff in dem wort gegeben bezeugt und
versigeltert, das also getauft sein noch apostolischer art nichs
anders ist dan Christo eingeleibt unnd gantz einer mit im
worden sein 8 ). Also das sich der getauft mensch in craft
seiner tauff warlich rhümen mag des gantzen Christi und
aller seiner herlichkeit als eines aiginthums, das er auch
daruf trutzen müg und in solcher herlichkeit alle seine feind,
sündt, weit, teuffei, hell etc. und auch sein aigin fleisch
verachte und under die fues trette.
] ) Am Rande: Roma. 5.
*) Am Rande: Der Taof ist ein leiblich Zeichen, dem wirt an-
gehenckt welches vergwist [?] der einigung Christi.
*) Am Rande: Christas et fidelis in baptismo nniuntur.
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Unnd das ja dises der einig und recht brauch der
tauf sey, den auch die apostel nicht anders gelert haben,
beweyst sich erstlich and der epistel Pauls Ro. 6 [folgt
Zitat von V. 1 bis 11, frei]. Alhie sicht und greyft menigklich,
das Paulus den tauf eben also anzeucht, wie ytz zuvor ge-
melt ist, nemlich das er uns ein versiglung sey der ein-
leybung Christi, und das wir uns des todts Christi annemen
und zu aigen körnen sollen, indem wir der sund in im
under Pilato einmal gestorben sein, und furan gott leben.
Nun deutten aber etlich disen text anderst und leren
also, die tauff sey ein sacrament, in dem die getauften in
gleichen todt mit Christo gepflantzt werden, das ist, in dem
sie bewilligen der sund auch zu sterben, wie Christus ge¬
storben ist, und also Christo nachzuvolgen, der mensch sterb
aber der sund nit, das fleisch sterb den auch leiblich etc.
Unnd machen also noch ein andere absterbung der sundt,
die nicht der einig todt Christi ist, sondern die ein yeder
getauffter in Sonderheit an im selbs ersteen soll. Solichs
aber ist Sant Pauli meinung nie gewesen, es mocht auch
die warheit nit leiden, etwas der massen zu leren, dieweyl
Christus allein der sund hat mögen sterben, also das sie
hinwegk genomen wurdt, und sein todt der sunden todt, kein
mensch mag anderst der sund absterben dan in dem ainigen
todt Christi, welchs todts wir durch den glauben und tauf,
wie vor gehört ist, teylhaftig werden. Im geben wir die eer,
das er alles allein und volkomenlich mit seinem ainigen
sterben und einigen urstend außgericht hab, sovil unser
seyligkeit belangt. Was aber wir nach unserer rechtfertigung
im glauben thon oder leyden, mit leben und mit sterben, das
dasselbig alles ein frucht und dancksagnug sey abgestorbner
sund und aufgerichter gerechtigkeit in uns durch Christam.
Weyter zu den Collos. 2 [folgt eine Exegese von V. 1 ff., be¬
sonders von V. 11 und 12]. Und entlieh zu den Gallatis 3
[folgt eine Exegese besonders von V. 27, der sich anschließt
eine Erklärung von Joh. 3, 5].
Mocht aber yemant sagen: Ja, es ist woll war, wie yt-
zundt von dem tauf gesagt ist, aber bey denen allein, die
nicht nach dem fleisch, sondern nach dem geist wandeln,
das ist die nicht mer sunden; wofür sollen sich aber die
halten, die noch teglichen sunden?
Antwort: man soll zweyeriey sunder vermercken in der
schrift: Einen, der fleischlich gesinnet ist, das ist, der nicht
an gott noch Christum glaubt, auch sein nit achtet, nichs
auf in heit, sonder gantz gotloß nach aigin mutwillen lebt,
stirpt und verdampt wurdt, und dise meint eigentlich Paulas,
[Röm. 8. 6] da er spricht: fleischlich gesinnet sein ist der
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todt, ein feindscfaaft wider gott und mag gott nit gefallen.
Und abermal: [Röm. 8, 13] wu ir nach dem fleisch lebt,
so werdt ir sterben müssen, dise aber, die fleischlich leben,
kunnen noch sollen sich gar nicht vorgemelter freyheit und
gerechtigkeit in Christo durch den tauf bey gott annemen
oder romen. Die andern sunder sein die, so glauben und
getauft sein und yedoch zu Zeiten sündigen und dem fleisch
zuvil nochhengen; solche aber, wie scherlich sie ymer
sündigen, weyl sie nur auß dem glauben nit fallen und sich
irer tauf nut verzeihen, das ist weyl nur die sund über
sie nit herschet, sonder inen misfelt, schadet es inen für
gott gar nichts, dieweyl sie einen fursprecher haben bey
gott, Jesum Christum, den gerechten, welcher ein versonung
ist für solche in sundt [1. Joh. 2,1], an dem sie alsbald sich
wider aufrichten sollen durch den glauben und tauf, so oft
sie fallen. Und dise seins aigentlich, die sich aller wolttät
Christi durch den glauben und tauf entpfangen mit der war-
heit öffentlich wol romen mugen, man findt sie auch in diser
zeit nit besser etc.
Denen gehört aber zu imerdar durch den geist, den sie
aus dem glauben unnd tauf entpfangen haben, des fleischs
gescheft zu dotten [Röm. 8,13] und der sund also zu wider¬
streben, das sie also von irer tauf an bis zu endt ires lebens
sich selbs imerdar gott begeben und ire glider got zu woffen
der gerechtigkeit darstellen [Röm. 6,13].
Spricht aber yemant weytter: wie kan ich mich dan
mit der warheit für got der gerechtigkeit und frumkeit be-
remen, weyl ich yedoch (wie auch du sagst) noch ein sunder
bin, und etwan dem fleisch zuvil nachheng?
Antwort: Ein Christenmensch, so lang er lebt in diser
zeit, befindet er zweyerley art in sich. Die erst ist sein
natürlich art, die im fleischlich angeborn ist nach seiner
ersten gebürt. Die ander ist ein gotliche geistliche art,
welche im angeborn ist durch sein widergeburt im wasser
und im geist, das ist das neuw gemüet, das er durch den glauben
in Christum und entpfangnen tauf erlangt hatt, welches man
sonst den geist Christi nent. So nun yemant mich fragt,
ob ich gerecht sey?, ee nur ich etwas antwort, will ich zu¬
vor wissen, auf welche art es gemeint sey, das ich alsdan
von der gefragten art antwort gebe. Sobald man mir nun
uff mein natur zaigt, antwor [!] ich: sey ein elendt fleischlich
mensch, verkauft under die sund, in dem nichts guts, ja, der
auch wider sein willen args thut und demnach werd sey
des zorn gottes unnd ewiger verdamnus. So man mich aber
fragt umb meinen glauben, ytz schauw ich mit nichten
uff mein natur, schwacheit oder sund, sonder ich-sehe nur
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für mich auf Christum, und wie ich mich des im glauben und
tauff angenomen hab, also rome ich mich zu aigin alles des,
daz er hatt und ist. Nemlich: Christus ist ein sun gottes, auch
ich Johan. 1 [etc. folgen die obigen Belege aus Gal. 3, Röm. 6,
Col. 2, Eph. 2],
Wiewol nun dise andere fleischliche art sich auch imer-
dar in einem cristen neben der rechtfertigung des glaubens
findet, so lang der mensch zeitlich lebt, so ist yedoch der
ander gotseylig teyl vor gott so groß angesehen und geacht
umb Christi willen, das es für gott gleich ist, sam het die
sund gar aufgehort, und das ists, so oft die heilig gschrift
die auserwelten in Christo beschreibt, gedenckt sie gar keiner
uberigen sund in inen, sonder melt nur eytel gnad, frid,
gerechtigkeit und seyligkeit [folgt Exegese über Röm. 5, 1,
Röm. 8, 1] . . .
Dises ist nun auf das kürzest die gantz sum des Cristen-
lichen taufs, in welchem wir sampt dem glauben Vergebung
aller sund erlangen und für got genztlich gerechtfertigt werden,
wie dan gesehriben steet [Mc. 16, 16]: wer do glaubt und
getauft wurdt, der wurdt seylig, das also gar on not ist,
etwas mehr außerhalb dises zweyen sam netig, und on das
man nicht rechtfertig werden mag zu begern, dieweyl auch
alles anders, was ye zu der rechtfertigung dint, aus disen
zweyen als aus einem wellenden brunnen den Ursprung nimpt;
dan so man als wie bißher gehört durch den tauf im glauben
sich des gantzen Christi warlich annimpt unnd gar einer
mit im wurdt, ist man auch im hertzen und gmuet verneut,
das man umb Christi willen nun furan alles, was got zuge¬
schickt und wil, zu thon und zu leyden nicht allein willig,
sonder auch beging und frolich ist, da hilft und dienet man
dem nechsten nach vermegen zu allem gutten, da bewart
und beschützt man alsdan nicht allein die freund, sonder
auch die feind, so viel man kan, vor allen schaden, und ge¬
schieht also, das man nut cristenlicher vor der weit bey dem
menschen gerechtfertigt wurdt, wie man zuvor bey gott
durch den glauben und tauf gerechtfertigt worden ist.
Von dem rechten brauch des sacraments des leibs und
bluts Christi.
So wir nun also durch den glauben und die tauf (wie
bißher beweist ist) Christo eingeleibt, in angezogen, Einer
mit im worden und demnach für got gerechtfertigt worden,
das ewig leben entpfangen haben, das ist wäre rechte Cristen
worden sein, das nun furan solchs alzeit uns in gedechtnus
und nimmer vergessen werd, sunder das sich der glaub
teglich on underlos an der widdererneuwerung solcher großen
gnaden zuvor in dem tauff in Christo entpfangen yebe unnd
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yemerdar yemer sterck, — darza bat Christas unser her
uns sein leib und blut in dem sacrament des altars zu seiner
gedechtnus zu niessen bevolhen und zu letz gelassen; dan
also spricht er Luce 22 und 1. Cor. 11 [folgt V. 19 ff. in freier
Citation.] . . . Unnd reimen sieb also die tauf und das
sacrament gantz artlich unnd wol zusammen, ln dem tauf
werdt wir in den todt Christi eingeleibt, das er uns von got
für aigin zugerechnet und wir in demselben der sunden
abgestorben und gantz ledig worden sein für gott Ro. 6,
[V. 3 ff], in dem Sakrament des altars verkündigen wir
denselbigen todt 1. Cor. 11 [V. 26]. Das ist: wir erinnern
und beromen uns vor menigklich yemer der sterbung Christi
für uns und unserer mitabsterbung in im etc. ..
Nun hatt Christo sunderlich wollgefallen, durch ein
leibliche und natürliche gleichnus den brauch seines leibs
und bluts unß furzustellen. Nemlich zu dem ersten wie
zweyerley leben ein natürliche und ein geistlichs in einem
cristen sein, das also auch zweyerley speis und dranck sein
solten, dardurch ir yedes nach seiner art erhalten wurdt.
Wie wir nun das natürlich leben mit natürlichem essen und
drincken erhalten und yemerdar stercken, also auch erhalten
und stercken wir unser geistlichs leben des glaubens durch
den leyb und plut Christi, so wir die teglich zu seiner ge¬
dechtnus nemen. Und herwiderumb wie das natürlich leben
durch lange entperung des natürlichen essens und trinckens
schwach und mat wurdt und entlieh sich zu dem todt nahendt,
also anch wu man nicht yemerdar die gedechnus Christi im
hertzen hatt, und den glauben stets darmit ubt und anfrischt,
verschwelckt er und wurd gar schwach, bis er doch endtlich
gar verschwindet.
Zu dem andern so ist die natürlich speyß ein gwisse be-
weysung des warhaftigen, natürlichen lebens bey denen, die
solchs sehen, als da Christus die tochter Gayry vom todt erweckt
hett, hies er ir zu essen geben [Luc. 8,55], und er selbs,
nachdem er von dem todt erstanden was, bezeugt er zu etlich
malen seinen iungern sein warhaftigs leben mit leiblichem
essen. Johannis 21 und sonderlich Luce 24 [folgt Citat von
V. 39 ff, frei] . . . Also auch heit sichs mit dem sacrament
des altars; dan in dem, das wir solchs sacrament in der
gmein essen und trincken; beweysen wir vor menigklich,
das wir ja die sein, die sich des tods Christi durch den
glauben und die tauff zu aigin angenomen haben und sich
in demselben der sund abgestorben und der gerechtigkeit
nun furo an in Christo lebent und also für gott gerecht¬
fertigt beweysen und römen, und dises ist die recht Ver¬
kündigung des todts Christi, die wir yemerdar im brauch haben
sollen, biß er kompt 1. Cor. 11. [V. 26.]
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Zum dritten wie die natürlich speyß und dranck nicht
darzu dienet, das sie die gestorbnen lebendig machen, sonder
das sie die da vor lebendig sein stercken und also lang
bey leben behalten, der massen hatt auch Christus sein leib
und blut nicht darzu geben, das es die gestorbnen, das ist
die ungläubigen essen und drincken und also da erstlich das
leben, das ist den glauben erlangen sollen, sonder das man
das leben, so vor erlangt ist durch den glauben und tauff,
durch dise speyß erfrischen und lang wesenlich halten soll.
Dan wie dise speiß und dises tranck geistlich sein, also
sollen sie von niemandt anderst den in dem geist das ist
durch den glauben gessen und druncken werden. Den geist
soll man zuvor haben und mit sich hinzubringen, gleich
wie man auch das natürlich leben zu der natürlichen speis
hinzutragen aber nicht daselbst suchen soll. Man ist nit
darumb, das man lebendig werden woll, sonder darnmb,
das man zuvor lebt, isset man, die speys gibt nit das leben,
sonder erhelt es.
Unnd ist also bey disem sacrament gar nichts erstlich
zu suchen, das . nicht zuvor durch den glauben im tauf ge¬
funden war. . .
Und hie ermanne ich alle schriftverstendigen, zu be=
dencken, ob nit auch Christus Johan. 6 gantz auff dise
mainung und von disem sacrament geredt hab [folgt Citat
von V. 53 u. 54] . . . das also auch Christus daselbst in
der rechten gleichnus und art des leiblichen essens und
trinckens beliben sey; dan es gar ungereumbt geredt und
wider alle art des essens und kein gleichnus wer, so er also
gemeint hett, das man erstlich durch die essung seines fleisch
und bluts solt lebendig werden, da man vor nit gelebt hatt . . .
sonder das man das vor erlangt dardurch erhalten und gegen
mengklich beweysen soll.
Spricht aber yemand: so mein gwissen beschwert ist der
sunden halben und ich den zorn gottes und den todt des¬
halben forchte und also nicht gläubig bin, soll ich nit bey
disem sacrament Vergebung der sund und Sicherheit des
gwissens suchen?
Antwort: nein, sonder bey dem tauf in dem wort durch
den glauben soll man solche Vergebung der sund und Sicher¬
heit des gwissens suchen, die auch aigentlich (wie vor in
dem ersten teyl anzeigt) darzu von gott eingesetzt ist, so
man die aber daselbst gefunden hatt, soll man alsdan durch
dises sacrament den ainmal gefnndnen trost und frid durch
stette widergedechtnus (wie auch vor offt gesagt ist) be-
waren, das man sein nimer vergeß, dan Christus spricht:
[Luc. 22,19] sotehs thut zu meiner widergedechtnus und dises ist
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das einig und recht ampt beyder sacramenten, des taufs und
der eucharistien. Also auch die apostel, so sie Cristen
machen oder cleinmuttig gewissen-stercken wolten, thetten
sie das durch die predig des glaubens, in welchem so ye-
mandt also underricht ward, das er Christum für seinen
selgmacher annam, tauften sie in alsdan zu einem gezeuck-
nus, das er ye warlich bey gott zu gnaden durch und in
Christo angenomen wär . . . [Beweis: Act. 8,26 ff.]. So er
nun den glauben angnomen und in Christo getauft und
ein Christ worden ward, ging er alsdan zu disem sacra-
ment als zu einem freydenfest und gemeiner dancksagung
umb erlangte rechtfertigung in Christo, welchem nach die
alten unnd auch wir noch dises sacrament eucharistiam,
das ist ein dancksagung nennen, und ist also die niessung dises
sacraments mit geistlicher jubilirung und frolicheit bey den
apostoln gehalten worden ... Es bezeugt sich auch aus
dem das dises abentmal an statt des osterfests uns Cristen
gegeben ist, welches bey den vettern ye nur ein freydenfest
war, dabey sich die alten erinnerten der erlosung auß der
gfencknus auß Egypten etc. . .
Wie man sich zu disem sacrament bereiten soll, und
was sich selbs brufen sey:
Die recht und einig bereitnng zu dem sacrament des
leibs und bluts Christi ist, das ein yeder, der solchs ent-
pfahen will, zuvor durch den glauben und tauff in Christum
gruntlich und woll sein aigne rechtfertigung sampt den wol-
thaten und gnaden, so er also in Christo entpfangen hatt,
erlern, erken und wisze, welche erkantnus und wissenheit
er alsden durch niessung dis sacraments in gedechtnus
behalten und also yemerdar mer anfrischen soll . . .
Unnd darbey er auch vor menigklich die herlichkeit des
tods Christi durch solche sein offenliche niessung verkündig
[Beweis: 1. Cor. 11, 28] . . .
Das aber etlich leren, sich selbs brueffen sey sein sund
und ungeschicklicheit bewegen und also durch solchs in die
forcht des zorns gottes und des tods fallen, das man als¬
dan durch solche forcht gleichsam gezwungen zu disem
sacrament zu geen und alda heill und trost zu suchen —
dise leer hatt gar kein grund auß dem wort gottes . . .
[Auch Paulus hat das nicht gemeint:] und ist also Paulo sich
selbs prueffen nicht anders dan auff seinen glauben und
die recht einsetzung des sacraments sehen . . . Das aber
solchs war sey und das wortlin nicht yndernt ein menschliche
geprachlicheit, sonder allein auff den angezeigten rechten
prauch der Verkündigung des tods Christi zeige, beweist
sich unwidersprechlich auß der einsetzung des sacraments,
Archiv für Beformationsgeschichte IX. 2. 9
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das es Christus allein seinen gläubigen, die durch den glauben
und tauf ein frolich gewissen zu gott haben, vermeint hatt,
und das auch nindert in der gantzen gschrift von solcher
forcht des gotlichen zorns und ewigen tods zu der Vor¬
bereitung zu disem sacrament gar nichs gefunden wirdt,
dieweyl die apostel solche erschrockne und forchtsame
gwissen nit zu disem sacrament, sonder zu dem glauben ins
wort und tauf geweist haben ...
Ob auch ein verheissung bey disem sacrament sei.
Bei dem sacrament des altars ist gar nicht erstlich zu
suchen, das nicht in dem glauben und tauff vorhin begriffen
und erlangt sein solt, darumb ists eittel menschlicher wan
unnd gar nicht das wort Christi, so man lert, das bey disem
sacrament ein sonderliche verheissung sey der Vergebung
der sund, die man durch die essung und trinckung desselben
erstlich erlangen soll und mug. Oder so man lert, das uns
Christus alhie erstlich etwas der massen anbiet. Sonder
er will sein leib und blut zu niessen andern hie eingesetzt
haben, dan das die zu seiner widergedechtnus und teglicher
widererinnerung aller gnaden und wolthat, die wir zuvor
durch den glauben und tauff in im entpfangen haben, ge¬
nossen werden sollen . . . [Beweis: 1. Cor. 11, 25 und 26]
. . . also soll man auch den brauch des sacraments gar
allein bey den Worten Christi: Solchs thut zu meiner wider¬
gedechtnus bleyben lassen und nichts darzu noch darvon thon.
Das aber ya wol auch bey disem sacrament ein meldung
geschieht der dargebung des leibs und vergiessung des bluts
Christi zur Vergebung der sund, so ist yedoch solchs mit
nichten auff den brauch des sacraments zu deutten, das man
da erstlich auß denselben Worten lernen solt, das sein leib
für uns gegeben und sein blut für uns vergossen sey, und
das wir also alda Vergebung der sund erlangen solten. Es
hats auch Christus nicht darzu geredt noch vermeint, sonder
er hatt durch wort wollen anzeigen, was das brot und diser
kelch sey, nemlich nit ein gmein brot und wein, sonder
sein leyb, den er für uns geben, und sein blut, das er für
uns vergossen hatt zur Vergebung der sunden, und gehören
also dise wort . . . nur allein zu der substantz und wesen
disz sacraments, das sie den nemenden anzeigen sollen, was
doch diß brot und diser kelch sey, den man jnen also reicht.
Warumb man aber dises reicht, und warzu man es. niessen
soll, sol man allein auß disen Worten nemen, do Christus
spricht: Solchs thut zu meiner widergedechtnus.
Was die recht cristenlich consecracion sey.
Die consecracion der eucharistien ist nicht anders,
den das man das brot und den wein nach der einsetzung
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Christi dem gläubigen mit denen Worten (wie es Christus
gethon hatt) darreich. Als nemlich: Nemet hin, esset, das
ist mein leib etc. Nemet hin und drinckt, das ist mein
blut etc. Welliche so sie der nement glaubt, und als von
Christo geredt annimpt und den wein und das brot also
nach laut und in craft derselben entpfecht, so hatt er
warlich den leib und das blut Christi entpfangen und bedarf
gar keiner andern Segnung mer, dan dise ist allein die recht...
[Die päpstliche Consekration die „auch noch vast bey
allen kirchen“ üblich ist, sei „menschlicher dant“] . . .
Nun sein aber drey ding, die man haben muß, wu das
sacrament des leibs und bluts Christi nach der einsatzung
Christi warlich sein und gessen und getruncken werden
sollen; das erst wein und brot, das ander die wort Christi:
Nement hin etc. das drit ein gläubiger mensch, dem solches
beides gereicht werden. Wu diser dreyer ding eins mangelt,
da hatt die einsatzung Christi nit stat ... Was aber dise
darreichung nit erlangt, das erlangt auch die -consecracion
nit, und also kan nicht anders sein dan was es vor gewest
ist. Demnach soll man das brot und wein, so etwan uber-
bleyben von des herren abentmal und dise darreichung sampt
den Worten Christi nit erlangt haben, nicht anders dan für
gemein brot und wein achten. [Das Gegenteil ist: „menschliche
supersticion“.]
W r ie man den text Pauli 1. Cor. 11 [v. 29] von der
essung des gerichts und schuldig werdigung versten soll.
Das Paulus zu den Corinthiis schreibt von der unwirdigen
essung und trinckung des leibs und bluts Christi und von
der essung und trinckung des gerichts, soll man mit nichten
von yedert einer gotlosen essung und drinckung versteen, dar-
durch man die ewig verdamnus verschuldet, wie bisher die
meisten ausleger der .gschrift gethon und noch imerdar thun, das
ye doch die wort Pauli nicht leiden sonder es ist ein solche
Verschuldung die auch in den gutten cristen stat hat. Als
wo sie nit nach rechter Ordnung und etwan mit unfleyß
und neben eingefurten misbreuchen gotliche ding handeln,
wie dan dasselb eigentlich der Corinther fall was, das die
reichen hett vil zu essen, das die armen schaimrodt und
hungrig bliben ... Die weyl aber in solcher sach gar kein
unglaub, welcher allein ewig verdampt, sonder nur ein
mißbrauch gemeldt wirt, so kan noch mag auch alles, was
darnach volgt und auf dise haubtsach gestelt ist, durch
Paulum, mit nichten auf irgent ein Unglauben noch ewig
verdamnus gedeuttet werden. Und heist also dem heylgen
Paulo unwirdig essen und trincken nit im Unglauben, sonder
mit einem misbrauch und nicht nach der rechten weyss essen
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und trincken and also in das gericht, das ist in die znchtignng
des heren fallen ...
Ausz welchem sich dan ye gwislich findet, das alhie
das gericht nicht anderst ist dan des heren gnedige und
freuntliche Züchtigung und ein bewarung vor der ewigen
verdamnus, welches ye mit nicht von yndert einem nnglauben
oder ewigen verdamnus mag verstanden werden.
Den sich solche verschuldigung, die Paulus hie in den
Corinthern straft, auch bey den auserwelten findet, da sie
sich etwan in gotlichen Dingen vergreyffen und dennoch
auß dem glauben nicht fallen, dise aber züchtigt gott yemerdar
jnen selbs zu gut mit zeitlicher straff, als da ist kranckheit,
zeitlicher todt etc. . . .
Ob auch ein gotloser ungläubiger den leib und das
blutt Christi in sacrament des altars enpfahe.
Ein grosser teil deren, die die gschrift bisher gehandelt
haben, sein durch unfleyssig ansehen des vorgemelten texts
Pauli 1. Cor. 11 verfurt worden, nemlich dieweyl si darfur
geacht haben, das das gericht essen so vil war als die
ewig verdamnus vorschulden, haben sie herauß geschlossen,
weyl man den leyb und das blut Christi unwirdig essen
and drincken und das gericht daran essen, das ist die ewig
verdamnus verschulden kan, so müssen auch die ungläubigen
und gotlosen den waren leib und das war blut Christi in
disem sacrament entpfahen gleich so woll als die gläubigen,
yedoch das es inen zu der verdamnus reich wie es den
gläubigen heilwertig ist . .. [da aber, wie gesagt, jene Aus¬
legung falsch sei] bleibt also gar nichs mer, weder hie noch
anderswo in der gantzen gschrift, damit man auch den got¬
losen des leybs und bluts Christi ander dem brot und wein
theylhaftig sein beweysen mochten ... das demnach der
ungläubig unchrist alhie nicht zu suchen hatt noch finden
kan, dan schlechts brot und schlechten wein, darum b das
im der leyb und das blut Christi' nit vermeint ist und das
wort Christi auf in nit lautet . . . [Beweis: Christi Worte:
Nement hin etc.] Nun kan man aber zu keinem ungläubigen
mit warheit sagen — er glaubts auch nit — das der leyb
Christi für in gegeben sey . . .
Zum andern spricht der her auch: Solchs thut zu meiner
widergedechtnus. Wie aber Christus sein widergedechtnus
von gar keinem ungläubigen, sonder allein von denen er¬
fordert, die in zuvor für iren seligmacher erkont und an-
genomen haben — wie das dan auch dis krichisch wortlin
ävdfivrjaig, welches da ist widergedechtnus allhie mit seiner
aigin beteutung beweyst, also das niemandt eines dings
widergedencken kan, er hab es dan zuvor gehört oder ge-
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sehen — also heist er keinen ungläubigen seinen leib essen
und sein blut trincken, sonder allein die gläubigen . . .
Zum dritten . . . [Beweis aus 1. Cor. 10. 21, alle Un¬
gläubigen seien in der Gemeinschaft des Teufels, ergo können
sie nicht zugleich Christi Leib essen.]
Zum vierden ist unwidersprechlich, das der leib und
das blut Christi ein gantz geistliche speis und tranck auch
allein dem geistlichen leben zugeordnet sein, darumb man sie
auch allein durch den glauben entpfahen muß. Dan solcher
geistlicher ding ist allein der glaub vehig, welchem sie auch
gar allein dienen . . .
Zum fünften wollen wir sie sampt zu einem Überfluß
warnen alle die, so auch die ungläubigen bey disem sacrament
den leib und das blut Christi entpfahen zu beweysen sich
understeen, das sie vor bedencken, ja, auch für gewiß wissen
sollen, das auß allen iren argumenten, damit sie solche zu
erhalten vermeinen, eben gleicher moß volgen wurd und
muß, do wue etwan ein mauß oder radt von disem sacrament
etwas nemen wurdt, auch dasselbig den leib und blut Christi
warhaftiglich gessen unnd getruncken hett. Unnd her-
widerumb mit wasserley argumenten sie solchs nit zugeben
wolten, das auch eben auß denselben unwidersprechlich
volgen muß, das auch der ungläubig alhie nichts dan brott
Und wein esse und trincke . . .
Wir lassen uns auch mit nichten abfuren, das wir die
wort Christi: Nement hin und esset, das ist mein leib etc.
anderst versteen wolten oder solten, dan sie aufs deutlichst
lauten und durch Christum geredt sein. Erstlich darumb,
das wir in dem gantzen testament nindert anderst weder
von Christo noch seinen aposteln ausgelegt finden, demnach
dan alle andere außlegung, wie sie ytz gescheen, ye nit
gwiß noch stark gnug sein mugen, das sich der glaub
und das gwisen ungezweyfelt darauff verlassen mochten.
Für das ander, das wir unserm Christo so vil eehr wol geben
wollen und sollen, das seine wort gentzlich war sein . . .
Amen.
7. Thesen, betreffend die Auslegung von cp. 6 des Jo¬
hannesevangeliums.
Auf die Auslegungen von Joh. 6 hatte Brenz in dem
Antwortbriefe an Vogler ausdrücklich Bezug genommen.
Wenn aber Brenz die Beziehung dieses Kapitels auf das
Abendmahl ablehnte, so kann er nicht der Verfasser vor¬
stehender Thesen sein, die ausdrücklich (vgl. These 18 ff. be¬
sonders 25) jene Bezugnahme vertreten. Damit rückt der
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Verfasser der Thesen heran an den Verfasser des vor¬
stehenden Gutachtens, mit dem sich anch sonst Berührungen
finden (vgl. z. B. These 26 die Ablehnung des Genusses
von Fleisch und Blut durch die impii, die Bezugnahme auf
Jairi Töchterlein in These 30 u. a.) Möglicherweise sind
beide identisch.
Pro intellectu 6ti capitis apud Johannem.
1. Christus Johannis 6 sub panis mencione sese totum,
id est deum et hominem, predicat mundo.
2. Duplicem enim panem constituit, sicuti et ipse
duplicem in se naturam habet.
3. Primo dei panem predicat, quem pater suus de celo
dat panem verum, qui vitam mundo dat.
4. Ita innuens se verum deum esse et a patre suo
exivisse, qualiter vere panis vitae est, ut ita venientes ad
eum non esuriant et credentes in eum non siciant unquam.
5. Cuius panis participes sunt omnes, qui in Christo
deitatem vident et in eum credunt.
6. Ut ita visio illa non corporalis sed spiritualis sit,
qua tantum hi Christum vere vident, qui illi a patre dati
sunt, hoc est, qui predestinati a patre docentur ac trahuntur.
7. Est igitur hunc panem edere nihil aliud quam Christo
confidere, quod verus dei filius de celo descenderit, ut ex
ipso edat, idest, in ipso confidat aliquis et non moriatur,
sed in eternum vivat.
8. Secundo aliter panem definit, qui caro sua sit et
quem ipse sese non patrem daturum esse ait, daturum autem
pro mundi vita.
9. Qui quidem panis non de celo descendisse, sed per
spiritum sanctum in utero matris Marie tum primum in
tempore incepisse et inviolata virginitate post novem menses
deitati indissolubiliter coniunctus prodiisse creditur.
10. Ut ita nemini dubium esse queat, quin hunc carnis
su£ panem ab illo coelesti priore Christus hic alium intelligi
voluerit atque ita gratia docendi distinxerit.
11. Videlicet, de quo non dicit hic, ut ante de illo
coelesti dixerat, quod ipse mundo vitam det, sed quod pro
mundi vita ipse detur.
12. Christus enim quatenus homo est, non suapte po-
testate aut virtute ex sese cuiquam vitam dare, sed quasi
per commutacionem seu maius contractionem ex pacto a deo
impetrare potest (perinde ut pecunia quidlibet emimus); unde
eciam precium redemptionis nostre Christi corpus ac sanguinem
vulgo predicamus.
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13. Ergo Christas quatenas deas est vitam mundo dat,
qaatenus autem homo est iure predestinacionis (quod ita
constitaerit deas per haac hominem Christum salvatam iri
omnes electos) vitam impetrat.
14. Que quidem duo, quamqaam per se diversa sant,
attamen propter deitatem indissolubiliter cam humaoitate in
Christo conionctam ita in anam coeant, at nasqaam non in
sacris literis eciam filio hominis adscripta legantur ea, que
alias non nisi solius deitatis propriissima dicenda fuerant
et diverso.
15. Sic Johannis 3 legitur neminem ascendere in celum,
nisi qui descendit e celo, filius hominis, qui est in celo.
16. Sic eciam hic sexto capite post longam utriusque
panis descriptionem tandem utrimque ceu per epilogum in
se ut deo et homine coniungit, cum ait [Joh. 6 V. 58]: sicut
misit me vivens pater et ego vivo propter patrem, ita et qui
ederit me, et ipse vivet propter me.
17. Negari autem a nemine potest, quin quicquid hic
Christus de alieno pane hoc est carne sua dicit, eciam ipsum
certissime de eucharistia dici posse.
18. Nam quod hic carnem suam vocat, idem in eucha¬
ristia corpus suum ab eodem dici nemo dubitare potest.
19. Tum eciam quod hic ait: panis, quem ego dabo, caro
mea est, quam ego dabo pro mundi vita, adeo convenit cum
illo, quod apud eucharistiam dixit: Accipite (panem) et
manducate; hoc est corpus meum, quod pro vobis (i. e. vita
vestra) tradetur; ut eciam hic Christum de instituenda ali-
quando eucharistia hoc prelibasse omnibus modis facilius sit
probare quam refellere. Imo non minus eucharistiam quam
quidlibet aliud hic intelligi voluisse.
20. Denique quod asserit eum habere vitam eternam, qui
carnem suam ederit et sanguinem suum biberit, et ipsum
non minus eciam de eucharistia adfirmari oportet.
21. Ut enim caro sive corpus Christi vere cibus est et
sangnis eins vere potus, ita non possunt edi aut bibi nisi
a vitam eternam habentibus i. e. credentibus.
22. Qui vita carent corporali, neque edere neque bibere
corporaliter possunt.
23. Ita quoque qui spiritualiter non vivunt i. e. Christo
non vere credunt, neque ipsi spiritualiter Christum edere aut
bibere possunt.
24. Atque id est, quam ob rem Christus non omnibus
eucharistiam suam instituit, sed tantum his, pro quibus cor¬
pus suum tradidit ac sanguinem suum effadit i. e. ovibus
suis, electis suis a patre süo sibi datis i. e. vere credentibus.
Atque ita vitam spiritualem, quam eternam vocat, viventibus.
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25. Nihil ergo dicunt, qai hunc textum de eacharistia
ideo intelligi non posse adserunt, quod Christus hic preter
discrimen omnibns suam carnem edentibus et sanguinem
suum bibentibus vitam eternara polliceatur. Quod tarnen de
eucharistia asserere plane impinm sit, in qua scilicet eciam
impii corpus et sanguinem Christi edant ac bibant, et tarnen
non vitam eternam, sed iudicium et perpetuam damnacionem
sibi ipsis acquirant.
26. Non enim Christus hic voluit, ut eciam impii carnem
suam ederent ac sanguinem suum biberent, aut ut quisque
•ita edendo et bibendo vitam eternam sibi tarn primum
qugreret, sed ut qui vitam eternam ante per veram fidem in
se adepti essent, carnem suam ederent ac sanguinem suum
biberent.
27. Quod enim hic ait [V. 54]: nisi ederitis carnem filii
hominis et sanguinem eins biberitis, non habetis vitam in
vobis, plane idem est, quod vulgo dici solet: Nisi quis eciam
corporaliter edat, vivere non potest naturaliter. Non dicit
enim: habebit vitam, sed: habet vitam.
28. Et iterum: qui edit meam carnem et bibit meum
sanguinem, habet vitam eternam; quod perinde est ut vulgus
loquitur: quamdiu quisque corporaliter edit ac bibit, non
moritur.
29. Fuit hoc argumentum Christo admodum peculiare,
ut ita per esum et potum presenciam vite certam faceret,
quod nos argumentum a re effecta ad causam efficientem
vocamus.
30. Sic dum Luce 8 [V. 55] filiam Jayri a morte suscitasset,
iubebat ei aliquid dari quod ederet, nempe in hoc, ut ita
qui viderent eam edere, eciam certo cognoscerent eandem
vere vivere.
31. Quin eciam ipse Christus Luce 21 [Luc. 24 V. 42]
suam veram resurrectionem coram discipulis hesitantibus
sumpto cibo tanqüam certissimo ac infallibili argumento
testificatus est.
32. Ut ita nihil dubium sit Christo certissimum ac in-
dubitatissimum fuisse neminem edere aut bibere posse, nisj
qui idem vere viveret. Nam cur alias hoc argumento in
testificanda vita tocies usus esset, nisi pro infallibili habuisset?
33. Quemadmodum ergo Christo certo sequitur tum qui
non edit aut bibit et iam non posse naturaliter vivere, quod
ita a natura comparatum sit, hominis vitam citra cibi aut
potus alimentum consistere non posse.
34. Ita haud secius eciam hic colligit apud Johannem 6:
Nisi quis carnem suam edat ac sanguinem suum bibat, neque
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illum habere posse vitam i. e. viventem sive credentem esse,
qaod caro ac sanguis eins nostre fidei i. e. vite spiritaali
idem plane sit quod cibns ac potus vite corporali.
8. Ein Mandat wider die Wiedertäufer.
Das nachstehend abgedrnckte Mandat gegen die Wieder¬
täufer wird in das Jahr 1529/30 fallen; denn es ist offen¬
bar nichts anderes als die partielle Exekution der 1528 und
1529 erlassenen Kaiserlichen Mandate wider die Täufer, die
die Verfügung im Auge hat, wenn sie von „Kaiserlichem
Befehl“ redet. Wo sie zu lokalisieren ist, vermag ich nicht
zu sagen.
Ein Mandat wider die widertauffer, sich vor irem irthum
zu verhütten.
Nachdem zu diser zeit under dem schein unnd namen
des heilgen Euangeliums etlich falsch, irrig und verfurisch
leer entstanden, so heimlich und öffentlich mit viln, doch
unnützen Worten, auch mit manigfaltigem auß der heylgen
gschrift doch unbequemlich, unwarhaftiglich und verkerisch
gezogenen Sprüchen außgeben und leern, als solt der kinder-
tauff unnutz und verwerflich und darumb dieselben getauften
kinder, so sie zu iren verstendigen jaren körnen, wider zu
tauffen not sey, gleych als solt der almechtig gott als ein
anseher der person der tauff gnad an das alter gebunden und
gefangen, und so er selbs die kinder gehertzigt und gesegnet
[Matth. 19,13f.], den tauff des wassers abgeschlagen und ver¬
boten haben; aber das so er außtrucklich und öffentlich bezeugt,
das den kindern das himelreich zugehörig und derohalben
jnen der tauff als denen so zur Seligkeit verordnet, nit ent¬
zogen soll werden. Auch neben des heylgen taufs jrrung
vil ander schedlich *ind verfürisch artickel on allen rechten
grund der heylgen gotlichen gschrift dem einfeltigen gmeinen
man furgeben und einbilden, nemlich wie kein Crist nach
bevolhenem ampt der oberkeit zur straf der bösen das welt¬
lich schwert furen mög. Wie auß gebot und anmutung der
verordneten oberkeit kein Crist ein ayd oder glubdnus zur
bekantnus der warheit oder zur furderung des nechsten
menschen nutz thon soll. Wie man zum bürgerlichen schirm
dem weltlichen gwalt nit gehorsam sein soll, auch andere
nur aufrurisch artickel die gemeinschaft des zeitlichen guts
betreffend. Dieweyl nun solch jrrig verfurisch leer auß
falschem aigensinigem verstand der heilgen gotlichen gschrift
gesogen nit allein der seel seyligkeit nachteylig, welches
doch am aller furnembsten einen Christen von dem fur-
genomen jrsall abwendig machen solt, sonder auch alle
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bürgerliche haudtierung, frid, verbundnus, eiDigkait, beschirm,
beystand, auch alle ordenliche und Cristenliche Oberkait
gentzlich vernichtiget und auffgehebt, darauß mit der zeit
nichs anders wurdt erfolgen, dan das niemands in seiner
aigen htitten sicher sein wurdt, niemands in frid und ruw
sein kinder auffziehen, sein hantwerck und andere gwerb
statlich treyben möcht, auch niemands dem andern weder
glubdnus, verbundnus noch gethonen ayd halten wurdt, und
entlieh niemands vor des andern Unbilligkeit und under-
truckung beschirmpt möcht werden, darauß sich on zweyfel
groß rauberey, mordt, und blutvergiessen zum letsten erheben
wurde. Unnd so wir als ein ordenliche oberkeit uns solche
ewig und zeitlich lesterliche verfurung auß kays. Majestät
beuelch, auch für uns selbs nach unserm vermögen von
unsern underthonen abzuwenden schuldig erkennen, hierumb
wollen wir alle und yede unser underthon samptlich und
sunderlich hiemit Christenlich gewarnt, auch zum ernstlichen
und höchsten gebotten haben, das sich nun hinfuro ein yeder
vor geraelter un cristen lieh er verfurischen leer und seinen
falschen leermeystern, zum fleyssigsten fursehen, die wider-
tauff von andern keins wegs entpfahen, oder für sich selbs
niemandt solcher gstalt widerumb tauffen woll, nachdem die-
selb widdertauff dem claren wort gottes ungemeß, und der
Cristenlichen kirchen gebrauch und rechten entgegen. Darzu
soll auch kainer der unsern dieselben widertauffer weder
heimlich noch öffentlich enthalten, hausen, hoffen, oder
underschleiffen.
9. Ein kurzer und klarer Bericht von beiden Sakra¬
menten.
Wie die genaue Überschrift (s. u.) dieses Stückes be¬
sagt, kehrt es sich nach zwei Fronten, gegen die Wieder¬
täufer und Sakramentierer d. h. die Zwinglianer. Beiden
gegenüber wird der Sakramentscharakter von Taufe und
Abendmahl betont unter genauer Berücksichtigung der ent¬
gegenstehenden Argumente. Die Autorschaft von Brenz ist
nicht angegeben, erscheint aber sehr wahrscheinlich, nament¬
lich angesichts der Beweisführung bei der Abendmahlsfrage.
Die Ablehnung der Deutung von Joh. 6, ferner der Zwing-
lischen Charakteristika sprechen für Brenz als Autor. Jeden¬
falls gibt der „Bericht“ in klaren und bestimmten Worten
die Lutherische Tauf- und Abendmahlslehre wieder. Zeit¬
lich dürfte wohl auf + 1530 anzusetzen sein, als der Kampf
gegen jene beiden Fronten noch lebendig war.
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Ein kortzer and clarer bericht von beiden sacramenten,
nemlich des tanfs nnd sacraments des leibs nnd bluts Christi,
darin nidergelegt und vernichtigt ward der grand und ar-
gument beyder partey, der widertauffer und sacrament-
stnrmer.
Der tauff, wie in Sant Paulus bschreibt, [Tit. 3, 5] ist
ein bad der widergeburt, dardurch der gläubig ein gutt
gwissen für gott nnd die seyligkeit uberkorapt, dan in der
einsatznng des taufs spricht Christas also: [Mc. 16, 16]
Welcher glaubt und getauft wurdt, der wurdt seylig. Auff
dises*) streitten, der tauff sey nur ein bloß Zeichen und
wasser, dardurch ein Christ von einem Turcken oder Juden
werd abgesundert oder underschidlich erkent, und gelt allein
zwischen uns und dem nechsten, aber nit zwischen uns und
gott. Sagen hieruff des ein ursach und sprechen, wie das
wasser des taufs ein eelement sey, so hab Paulus [Gal. 4, 3f.]
verbotten, das wir die seyligkeit oder Verzeihung der sunden
an den elementen diser weit nit suchen sollen, und gebure
sich nit, das wir uns von dem geist auff die eusserlich element
wolten bekeren. Darumb künde der tauff nitt mer sein
dan ein bloß Zeichen, daran kein gotlich gnad oder gab zu
suchen sey. Antwort: Es ist wol war, so man des wasser
des taufs will bloß bedencken und ansehen, so ist es ein
element unnd ein schlecht wasser wie ein ander wasser. . .
Aber wan mau das wasser bedenckt mit seinem zugehörigen
zusatz, nemlich mit dem wort und bevelch Christi ... so
bleibt es nit ein schlecht blos element, sonder wurdt zu
einem sacrament, welches ist nit ein bloß Zeichen, sonder
ein sichbarlich Zeichen der unsichbarlichen gnaden oder gaben
gottis. Dan element und sacrament haben ein grossen under-
schid; element ist ein schlecht irdisch und bloß ding, als
wasser, brot, wein etc., aber sacrament begreift mit dem
irdischen auch das himlisch und ist kein blosse creatur,
sonder ein creatur mit gottes goben, doch unsichtbarlich
verfast.
Darumb welcher sich mit glauben (wie dan Christus
bevolhen) zu dem tauff wendet unnd last sich tauffen, der
wendet sich nit zu einem blossen element, sonder zu einem
sacrament . . .
[Folgen Beweise für die Unterscheidung von Element
und Sacrament: die Beschneidung war zu Abrahams Zeit
kein Element, sondern Sacrament; wenn Paulus die Be-
*) Folgte im Texte urspr.: feit nun ein zwispaltung, das etliche.
Die Worte sind durchgestrichen und von anderer Hand an den Rand
gesetzt: sunderlich fallen zwo Zwispaltung ein. Der ein ist deren,
so do.
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schneidung ein Element nennt, so sieht er aof sie „bloß
an ir selbs“ und „auff die evangelisch zeit,“ da durch die
Taufe die Beschneidung niedergelegt ist. Die eherne Schlange
war ein Sacrament, weil „das wort, die Ordnung und ein-
satzung gottes“ dabei war; desgl. der Kot, mit dem Christus
dem Bliuden die Augen bestrich.]
Die ander zwispaltung, so sich des taufs halben erhebt,
kumpt her von den widertauffern; dise sagen, man soll kein
kind tauffen, sonder allein alt, verstendig leut, und ob einer
schon in der kindtheit getauft wer worden, so were es doch
nit ein rechter tauff, sonder man müsse sich in den jaren der
verstentnus allererst recht tauffen lassen. HieruflT haben sie ir
vermeinte gschrift unnd ursach, sprechen: in der einsatzung des
taufs, so Christus spricht: wer do glaubt und getauft wurdt
etc. werd der tauff 1 ) vorhingesetzt unnd kom aller erst das
tauffen bemach; dieweyl dan die kinder noch nit glauben
konden. biß sie zu irer verstentnus körnen, so gebure es
sich nit, das man sie tauflfe. Item Philippus [Act. 8, 26 ff.]
hab den moren nit tauffen wollen, er bekenne dan zuvor
seinen glauben . . . Item der glaub kompt aus dem gehör,
[Röm. 10. 17.] aber die Kindlein horn noch nichs verstent-
lich, darumb konden sie nit glauben . . . Und was dan
andere dergleichen ursach mehr seyen, so die widertauflfer
zur beschöniung ires irsals furwenden. Hieruff wollen wir
zum ersten beweren, das die kinder wol mögen und sollen
getauft werden, darnach wollen wir der widertauflfer falschen
grund niderlegen.
Auff erst ist es woll war, das dise buchstaben (Ir solt
die kinder tauffen) in diser Ordnung nit in der heilgen
gschrift gefunden werden. Aber die maiuung, das man
kinder tauffen möge und soll, wurdt grundtlich gnug in der
gschrift begriffen. Dan die bschneidung der Juden hatt
eben als wol den glauben erfordert als der Christen tauff,
und niemand ist recht oder nützlich bschnitten worden, er
hab dan der zusagung und dem bund gottis der bschneidung
angehenckt geglaubt... So dan die bschneidung den glauben
erheischt und nit allein die alten, sonder auch und der merer
tbeil die jungen kinder beschnitten worden sein, warumb
solten dan der Cristen kinder von dem tauff außgeschlossen
werden, dieweyl doch der tauff an stat der beschneidung ist
eingedretten.
Item Christus unser HERR hatt die kinder selbs auff
sein arm genomen, sie gehertzt und gesegnet [Mt. 19,14 ff.]...
Zudem sagt Christus: werendt den kindern nit, zu mir
zu körnen, dan solcher ist das himelreich . . . Aber hierzu
0 lies: glaub.
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geschieht ein einred: Ja, sprechen sie, Christus hat nit ge¬
sagt, daß der kinder, sonder solcher, so werden wie die
kinder, [Mt. 18, 3] sey das himelreich. Wollan, wir wollen
es gleich also gescheen lassen, so folgt aller erst darauß,
das das himelreich der kinder zu forderst sey; dan so der-
jenig, der entpfahet das himelreich als ein kindlin, wurd
hineinkomen, so muß ye von notten das kind auch das
himelreich entpfahen, wie mocht sonst ein alter das himel¬
reich als ein kindt entpfahen . . .
Item Marci 9 [V. 36 ff.] . . . Uber das alles, so ist
Christus auch ein kind worden und in der wiegen gelegen,
unnd freylich damit anzeigendt, das gott die kinder von .
seinem reich nit Verwerfe, dieweyl sein aingeborner geliebter
son auch ein kind gewesen; so dan gott die kinder von
seinem reich nit ausschlecht, wie solten dan wir sie von
dem tauff mit guttem gwissen mögen vortreyben? Und so
Christus seinen aposteln ein cauilantes list, das sie die kinder
von im treyben, vill mer wurdt er uns als sein amptleut in
seinem gericht unwursch ansehen, wan wir die kinder vom
tauff wolten treyben . . . [Zu der Berufung der Täufer auf
Röm. 10, 17.] Paulus . . . meint ... nit den verborgnen
glauben, den got heimlich schaft in eins menschen hertzen,
der doch das ewangelion nie eusserlich gehört hatt, sonder
er meint den glauben, der dem gehör enlich sey, das, wie
das gehör offenlich geschieht, also kumpt auch der offenlich
glaub darauß . . . Wie das kind kein glauben hatt, so mocht
es auch kein seyligkeit haben, es wurdt ye on den glauben
in Ihesum Christum niemands, weder jung noch alt, seylig;
kan nu das kind seelig werden, so muß es von notten auch
glauben knnden. Johannes der tauffer hat in mutterleyb
den heilgen geist entpfangen, der doch eben als woll durch
das gehör sunst wurdt mitgeteylt als der glaub. Ist nun
das kind Johannes des heilgen geists vehig gewesen, wie
solten dan die andern kinder nit mögen des glauben vehig
sein? Ja, sprichstu, damit ist noch nit bewert, das die kinder
glauben, ob sie woll mögen glauben. Antwort: Ich wil
auch nit beweren, das sie glauben, das wil ich aber bewern,
das sie mögen glauben, unnd das ein ytlich kind, so seylig
wurdt, muß glauben oder den glauben haben. Dan dise
zwey stuck: mögen glauben und den glauben bekennen seyen
für dem amptman Christi gnug, den tauff des wassers mittzu-
teylen, sonst wan er niemands solt tauffen dan denjenigen,
so gewißlich glaubt, wen wolt er zu tauffen haben? Musten nit als
wol die alten ungetauft bleyben als die kinder, dieweyl man ires
glauben bekantnus mundtlich wol hört, man ist aber noch
nit gwiß, ob der glaub im hertzen recht geschaffen sey oder.
nit . . . [Weitere Beweise für die Berechtigung der Kinder-
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taufe: 1. Gott siehet Dicht die Person an vgl. oben. 2. Christus
war auch als Kind Gottes Sohn 3. Jacob wurde im Mutter¬
leibe von Gott geliebt.]
Weytter sprechen die widertauffer: ob das kind woll
glaub, so künde es doch den glauben nit bekennen, dieweyl
dan der tauff zuvor die bekantnus des glaubens erforder,
so soll man die kinder nit tauffen. Antwort: Es ist war,
man soll und kan niemands tauffen, er bekenne dan zuvor
seinen glauben mundtlich. Nun wie das kind ein mund
hett, also bekent es auch seinen glauben. Dan dieweyl
das kind sunst unmündig genant wurdt, so kan man woll
• erachten, das man hie dises nit far des kinds mundt versteet,
damit es saugt, greint oder brey isset, sonder darmit es vor
ratht, gericht oder oberkeit ein autoritet und ein ansehen
hatt. Aber vor gericht und oberkeit gilt des kinds mund,
damit es saugt, gar nichts, und ob es schon etwas redt, so
zeit mans doch under kinder oder narrenwerck. Es gilt
aber der mund des vatters, der formunder oder ander von
dem vatter gewalt habende, und was dieselben für das kind
vor gericht oder oberkeit versprechen und Zusagen, das
wurdt als bstendig in des kinds namen auffgenomen, das
demnach des vatters oder formunders mundt recht und war-
haftig des kinds mund ist ... So nun dise Ordnung natür¬
lichem und bürgerlichem rechten gmeß ist, so muß sie frey-
lich auch ein Ordnung gottis sein ... So sie aber ist. ein
Ordnung gottis, warumb wolt sie der amptman der kirchen
nit eben als woll in kirchenhendel als in weltlichen hendeln
gelten lassen? . . .
Demnach so die kinder glauben mögen, ja, sollen sie
seylig werden, glauben müssen, wie hievor angezeigt, und
den glauben durch iren gwalt habenden mund bekennen,
wer es nit allein geferlich, sunder auch ungotlich, inen den
tauff abzuschlagen; dan das wer nichts anderst als dan
alle kinder der seyligkeit berauben und, als vill an uns
lege, der verdamnus zustellen . . .
Von des HERRN nachtmal und seiner einsatzung.
So man von dem sacrament des nachtmals handeln will,
müssen dise zwey stuck (das gantz nachtmal und die speis
und dranck als die stuck des nachtmals) woll underschiden
werden. Dan das gantz nachtmal als segen, dancksagen,
essen unnd drincken ist von Christo dahin verordnet, das seins
tods und desselben frucht unnd nutz darbey gedacht (das ist)
gepredigt, verkündigt unnd offenlich außgeruft soll werden :
Luce 22 1. Cor. 11 . . . [folgt der Vergleich mit dem
Passahlamm] Aber in disem nachtmal seien wein und brot
als stuck des nachtmals von Christo verordnet, welche
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seyen zum ersten recht warhafftig wein nnnd brot, zum
andern noch laut des worts Christi so ist das brot der
warhafftig leib Jesu Christi, und der wein das warhaftig
blut, und diß nit auß menschlichem segen und benedeyen,
sonder auß gotlicher kraft, willen und Ordnung, welche craft
und will er öffentlich durch sein wort zu versten
hatt geben, sprechent: Das ist mein leib, das ist mein blnt
etc. [Nun sprechen einige, Christus] . . . hab allein mit
denen Worten des leibs und bluts Zeichen auffgericht. Beweren
dasselb also: Christus spricht: das fleisch zu essen sey kein
nutz, wie hatt er dan wollen sein fleisch zu essen verord¬
nen? Item: Christus ist gen himel gefaren und hatt gesagt,
er verlaß die weit, wie solt er dan im brot sein? Item:
Christus sitzt mit dem leib zur gerechten gottis, wie kan
dan sein leib im nachtmal sein? . . .
[Dagegen, zunächst gegen die Berufung auf Joh. 6.]...
Christus sagt hie [V. 63] nit: das fleisch zu essen ist kein
nutz, sondern schlecht: Das fleisch ist kein nutz. Item
er sagt nit: Mein fleisch ist kein nutz, sonder on zusatz:
das fleisch ist kein nutz. Hieruff antworten die wider-
secher sprechent: die umbstend der red Christi geben
es, das er rede von seines fleisch essen, dan er hab zuvor
gesagt: wan ir nit werd essen das fleisch des sons des
menschen [etc.] . . . Antwort: dis hett woll ein schein der
warheitt, wan dise zwen sprach . . . on mittel und einred
oft einander und miteinander geredt und gesetzt weren.
Aber es geschieht nach dem ersten sprach ein einred . . .
[vgl. V. 52] Dieweyl dan die vorgenden wort auff den Un¬
verstand und unglanben der Capernaiten gehn, so müssen
von notten die eingeschloßnen worter auch darauff gehn, es
wer sonst ein ungereumbte red... [Die Schrift setze auch sonst,
wenn sie von Christi Fleisch rede hinzu: mein Fleisch oder
das Fleisch des Sohns des Menschen; auch wenn, wie in
vorliegendem Sprache, die Schrift Fleisch und Geist ent¬
gegensetze, sei nie das Fleisch Christi gemeint; auch 1. Tim. 3
[V. 16] heiße: im Fleisch, under den menschen in diser weit.
Aber selbst einmal zugegeben, Joh. 6 sei Christi Fleisch ge¬
meint] Liebe, was wollen sie darmit erkriegen? das der leib
Christi nit im sacrament sey? aber nach diser weyß wolt
ich beweren, das, wo in einem vaß seyger oder vergifter
wein lege, daselbst kein wein were, undsprech also: diser wein
ist unnutz zu drincken, darumb ist der wein nit im faß.
Also furthin: Christi leib ist unnutz zu essen, darumb ist
Christi leib nit im himel etc. . . . Aber es ist nit eins,
unnutz zu essen oder zu drincken sein und nit dasselb
gegenwärtig sein. Oder wollen sie damit beweren, das
Christus sein leib im nachtmal zu essen nit verordnet und
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beschiden hab, dieweyl sein fleisch zu essen kein nutz sey?
Das hett woll ein schein der warheit, wan diser Spruch im
nachtmal stunde . . . Aber diser sprach steet nit in der
einsatzang des nachtmals ... nnnd ist gericht auff das essen
des fleischs Christi (wan ye der zenckisch durch das fleisch
Christi fleisch essen verstanden haben) wie es die Capernaiten
verstonden. Nun verstunden sie es also, das man Christi
fleisch eben must essen als rindfleisch oder kalpfleisch . . .
Was geth aber dises das essen im nachtmal an? dan im
nachtmal isset man den leib Christi auff ein weyt andere
weyß, dan wie es die Capernaiten verstonden. Man isset
in verborgenlich in dem brot unzerhauwen unnd unzerrissen
und unzerkiit und dasselb ist dazumal nützlich und heilsam,
so es mit dem glauben geschieht, aber verdamlich, so es im
Unglauben geschieht . . .
[Gegen den Einwand: Christus sei gen himel auffge-
stigen] . . . Hieruff wollen wir erstlich seheen, ob Christi
himelfart so vill vermog, das er nicht mer nach seiner
menscheit hie, doch unbegriflicher weyß zugegen sey, sonder
sitz droben auff der bloen bine an einem sonderlichen ort
des himels und regire allein an allen orten mit seiner gotheit.
das also die menscheit an ein ort gebunden oder verfasset
sey,und gehe dieweyl die gotheitt allenthalben urnbber spatziren.
Wollan, der himel nach art der gschrift wurdt auff mancherley
weiß genomen. Zum ersten heist man das den himel, daran
son und mon, auch andere gestirn steen . . . Zum andern
braucht man das wort (himel) nit allein für die feste der
gestirn, sunder für alles, das leiblich hoch über sich über
der erden ist; daher wurdt der luft, die wolcken, und was
über uns hinauff geht, der himel genant . . . Zum dritten
wurdt das wort (himel) gebraucht metaphorice für alle
gotliche hoheit, heimlicheit, weyßheit, gwalt, reich, freud,
ewig leben unnd alles gutt . . . [Beweis: Luc. 18, 22,
Luc. 20, 4, 2. Cor. 12, 2] . . . Hieruff wollen wir besehen,
in welchen himel unser HERR Christus gefaren sey, und
in welchem er sey sitzen bliben. Das Christus sichtbarlicher
weyß in die hohe, in den himel des lufts gefaren sey, steet ge-
schriben Acto. 1. [folgt Zitat von V. 9—11] ... Ist aber
er daselbst sichtbarlich weyß bliben? Nein, dan es steet
geschriben [V. 9]: Ein wolck nam in auff von iren äugen . . .
So er nun nit im himel des lufts sichtbarlicher und em¬
pfindlicher weyß bliben ist, so ist er villeicht leiblicher weyß
in dem gestirnten himel, zu welchem er vor den äugen der
aposteln auffgefaren, bliben? Das er aber nit an einem
sonderlichen ort des gestirnten himels allein bliben sey, be-
weyst die heilig gschrift gweltigklich Hebre 4 [folgt Zitat
von V. 14]. .. und hernach Heb. 7 [folgt Zitat v. V. 26]. So
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er nun hoher dan der himel ist, muß er freilich nit an
einem ort inwendig im himel bliben sein . . . [Folgt
Beweis durch Eph. 4, 10. Also:] dieweyll Christns nit
allein im himel des lufts nnd im himel der gestirn an
einem sonderlichen ort bliben ist, nnnd wnrdt doch von im
gesagt, er sey, wone und regir im himel, so muß von
notten durch den himel verstanden werden alle gütliche
hoheit, heimlichkeit, weyßheit, allmechtigkeit, reich, freud,
ewig leben und alles gutts. Unnd nachdem dise stuck an
kein sonderlich ort . . . gebunden seyen, sonder seyen und
erfüllen alle ort, darin gott ist und wonet, so muß auch
unser HERR Christus mit seinem leib unnd menscheit an
allen orten gegenwertig, doch unbegreyflicher weyß, sein
und regirn, da got ist und regirt. [Das aber auch Christi
Menschheit alles erfülle, beweise Paulus Eph. 4, 10.] Aber
hieruff sperren sich die widersecher, sprechen: alles erfüllen
heiß hie nit alle ort, sonder alle gschrift erfüllen . . . [Be¬
weis: Luc. 24, 26 ff.] Ist es aber nit zu erbarmen, das die
widerpartey so durstigklich unnd frevenlich darff den feinen,
lieblichen und tröstlichen Spruch Sant Pauls so gar mit aigner
unbewerter außlegung verkeren? . .. [Folgt eine Erörterung
über den verschiedenen Brauch des Wortes: erfüllen; man
muß daher jedes Mal aus dem Zusammenhang erschließen,
welche Bedeutung vorliege, Eph. 4 heiße es: alles erfüllen
und gegenwurtiglicb regiren . . .]
(Fortsetzung folgt.)
Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 2.
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Die von Cajetan verfasste Ablassdekretale
und seine Verhandlungen mit dem Kur¬
fürsten von Sachsen in Weimar,
den 28. und 29. Mai 1519.
Von Paal Kalkoff.
Bei der Nachforschung nach den „Akten“ zu Luthers
römischem Prozeß ergab sich, daß uns alle wichtigeren
Kundgebungen der Kurie in hinlänglich beglaubigter Form
erhalten sind 1 ), und zwar wesentlich dank den Bemühungen
des Kurfürsten Friedrich und dem geschichtlichen Sinn
Luthers, dann Aleanders. Dies gilt besonders auch von dem
feierlichen Akte, durch den der Streit über Wesen und Kraft
des Ablasses endgültig entschieden und die Entwicklung der
kirchlichen Lehre in diesem Punkte abgeschlossen wurde,
von der Bulle „Cum, postquam“, die aus der zwischen
Cajetan und Luther in Augsburg stattgehäbten Auseinander¬
setzung erwachsen war und von dem Legaten zum Zweck
einer überzeugenden Begründung der schon bereit gehaltenen
Bannbulle entworfen wurde 2 ). Die Überlieferung dieser
Urkunde führte dazu, einen wichtigen Abschnitt der Ver¬
handlungen des römischen Bevollmächtigten mit dem fürst¬
lichen Beschützer Luthers ins Licht zu setzen und in den
Zusammenhang der Ereignisse einzufügen.
Die Dekretale ist von Cajetan bald nach der Abreise
Luthers verfaßt worden, indem er sie seinem damaligen
*) P. Kalkoff, Forschungen zu Luthers römischem Prozeß. Rom
1905. I. Kap.: Kritik der Überlieferung.
2 ) Über die Verfasserschaft Cajetans vgl. Forschungen S. 66f.;
ZKG. XXV, 430 Anm., XXXII, 21 ff.
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Sekretär G. B. Flavio diktierte, und dann gelegentlich, da
ihm in der stillen Zeit nach Schluß des Reichstags nicht
mehr die häufigen päpstlichen Kuriere zur Verfügung standen,
mit der Post der Fugger nach Rom beförderte. Hier hat
der Sekretär Leos X. Pietro Bembo 1 ) den Entwurf mit den
nötigen Formalien am Eingang und dem Datum des 9. No¬
vember 1518 am Schluß dem „Scriptor“ Albergati 2 ) behufs
J ) Das Weltkind Bembo stand dem Inhalt der Bulle völlig fremd
gegenüber. Vgl. die ausgezeichnete Charakteristik bei L. v. Pastor,
Gesch. d. Päpste IV, 1, 431 ff.
*) Dieser Name findet sich als der des Ingrossisten auch unter
der Bulle „Exsurge“ (ZKG. XXV, 129 Anm. 1; Forschungen S. 75)
und bezieht sich auf die in mehrfacher Hinsicht interessante Persön-
keit eines jener hochmütigen, ämtergierigen Kurialen, die, auf ihre
nepotistischen Beziehungen gestützt, sich unter den Mediceern sehr
wohl fühlten, den strengen Hadrian VI. aber mit bitterm Haß und
Spott verfolgten, wie dieser Vianesio A., der in seiner von Pastor
(a. a. 0. IV, 2, 153) treffend gekennzeichneten Schrift, „das Konklave
Clemens VII., u über „den Geiz, die Härte und Dummheit“ des nor¬
dischen Barbaren sich in selbstgefälliger Rhetorik ergeht. Der sonst
nicht eben wertvolle Bericht ist von E. Bacha in den Comptes rendus
de la commi8s. d’hist. de l’acad. de Bruxelles, ser. V., tom. I (1891),
109—166 abgedruckt mit dem Schluß vermerk: „finis primi libri“; die
Fortsetzung dürfte nicht erfolgt sein. Die hier und in IV. ser.,
tom. XVII vorausgeschickten Angaben über den Vf. sind nichts als
eine unzuverlässige Wiedergabe aus G. Fantuzzi, Notizie degli scrittori
Bolognesi. Bol. 1781. I, 136 ff. V. stammte aus einer vornehmen,
ein halbes Jahrtausend in zahlreichen Gelehrten und hohen Kurialen,
besonders Juristen blühenden Familie, unter denen besonders der zur
Zeit der großen Konzilien berühmte Staatsmann, Kardinal Niccolö A.
(f 1444) hervorragt. Unser Vianesio (juniore) war 1516 Dr. iur. utr.
und dann in Rom Prothonotar geworden; er hatte sich aus seinem
Erbteil eine Stelle im Kollegium der „scriptores litterarum apost.“
gekauft und erhielt 1519 das Amt des „nuntius et coilector“ der
Spolien in Spanien; doch darf er in dieser Eigenschaft nicht, wie
A. Pieper (Entstehungsgesch. der ständigen Nuntiaturen. Freiburg
1894, S. 61) tut, mit den diplomatischen Vertretern der Kurie, den
„nuntii et oratores“ (vgl. Kalkoff, Aleander gegen Luther. Leipzig
1908. S. 7 ff.) auf eine Stufe gestellt werden. Er ist nun, wie einige
von F. angeführte Breven beweisen, zwar etwa von Mitte 1520 bis
Herbst 1521 in Spanien gewesen; kurz nach dem Tode Leos X. aber
berichtet er (20. Dez. 1521) an seine Vaterstadt, der er unter Hadrian VI.
als Gesandter in Rom gedient hat (Pastor a. a. 0. S. 12 Anm. 5, 74 u. ö.).
Das Kardinalskollegium schickte ihn auf seinen Posten zurück und
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Eintragung in sein Register diktiert und diesen Schriftsatz
eigenhändig korrigiert und mit seiner Unterschrift versehen.
Die Ausfertigung und Absendung des Originals ist un¬
mittelbar darauf erfolgt. Der Bogen mit dem Konzept aber
ist mit einem willkürlich zusammengerafften Stoß der ver¬
schiedenartigsten, auf die auswärtige Politik des päpstlichen
Kabinetts bezüglichen Schriftstücke, meist flüchtigen Ent¬
würfen der an die Nuntien und die fremden Höfe gerichteten
Depeschen, zu einem Bande der „Brevia ad principes“ ver¬
einigt worden.
Die Bulle sollte durch den Legaten allen Bischöfen und
sonstigen kirchlichen Obrigkeiten in Kopien übermittelt
werden, die durch die Unterschrift eines Notars und das
ersuchte (Pieper a. a. 0.) Hadrian VI., von V. A. genaue Rechnung
über die von ihm gesammelten „Einkünfte und Spolien“ zu fordern.
Diese Rechnungslegung muß nun für V. A. nicht eben günstig aus¬
gefallen sein, denn in dem von Fantuzzi im vat. Archiv nachgewiesenen
Aktenstück („Handbuch der Ein- u. Ausgänge der ap. Kammer in
Spanien vom 20. Juli 1520 bis 26. Febr. 1522“) bittet er schließlich
den Papst um eine Pfründe, da er außer seiner Stelle als Scriptor
nichts besitze und ihm aus den spanischen Zehnten noch 15000 Du¬
katen geschuldet würden. Die Eingabe dürfte an Clemens VII. ge¬
richtet sein, während Hadrian VI. ihn zur Deckung jener Summe
angehalten hatte: hinc illae lacrimae. V. A. befand sich schon wieder
in Spanien (erwähnt vom Vizekanzler Medici, als sein Vertrauensmann,
in einem Schreiben an Aleander v. 20. Febr. 1521; ZKG. XXVIH, 224f.),
als die Wahlgesandtschaft den Kardinal von Tortosa um Annahme
des Pontifikats ersuchte, und als Hadrian angesichts der ernsten Ent¬
scheidung zauderte, hatte der Italiener die Dreistigkeit ihm zuzurui^n:
er möge doch lieber verzichten, da er die hohe Ehre mit solchem
Mißvergnügen aufnehme. Am 15. Februar 1522 berichtete er auch
von hier aus an den Rat von Bologna über die Annahme der Wahl
(Fantuzzi 1. c.). Über sein weiteres Leben weiß auch F. nichts; seine
Grabinschrift aus San Francisco in Bologna mit dem verlesenen Vor¬
namen „Vincentius“ (bei L. Schräder, Monum. Italiae, Helmstädt 1592,
fol. 59»), die ihm sein bei Jöcher (Forts, des Gelehrtenlexikons I, 401 f.)
als Jurist erwähnter Neffe Fabio 1572 gewidmet hat, erwähnt seine
Stellung an den Höfen jener drei Päpste, besonders als Nuntius Leos X.
in Spanien; gestorben wäre er danach 1532 im Alter von 55 Jahren.
Zum Bischof von Cajazzo in Süditalien wurde er nach den KonsistoriaJ-
akten (Eubel-van Gulik, Hierarchia HI, 160) am 29. Okt. 1522 ernannt,
und schon am 3. Januar 1528 wurde die durch seinen Tod erledigte
Stelle neu besetzt.
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Siegel eines Prälaten zn beglaubigen seien, und zu diesem
Zweck ließ Cajetan am 13. Dezember auf seinem Zimmer
im Franziskanerkloster zu Linz *) durch den ihn begleitenden
päpstlichen Notar die feierliche Eröffnung und Verlesung der
auf ihre Echtheit vorschriftsmäßig geprüften Urkunde in
einem Schriftstück bezeugen, in das die Dekretale selbst
eingerückt wurde. Dabei setzte der Legat die Frist für ihre
Bekanntmachung durch die Bischöfe auf einen Monat fest.
Das Ganze ließ er alsbald in Wien auf einem großen
Folioblatt als Plakat drucken, damit es durch Anheften an
die Kirchentüren bequem bekanntgegeben werden könne.
Von diesem Druck fand sich nun neuerdings ein Exemplar
in einem allerlei gedruckte Bullen und Erlasse bis auf Pius V.
vereinigenden Bande des päpstlichen Archivs 2 ), und zwar
ohne Beglaubigung. Es ist also keines von den zur Ver¬
breitung in Deutschland bestimmten Exemplaren, sondern
das Belegstück, das der Legat bei der Kurie eingereicht hat.
Der Befund bestätigt zugleich meine Annahme, daß die
eigentliche Korrespondenz Cajetans zu dem einen Teile unter
den Papieren des Vizekanzlers in Florenz verblieben ist, wo
sich noch ein aus Augsburg an den Papst gerichtetes Schreiben
vorfand 8 ), zum andern Teile von ihm selbst dem Dominikaner¬
archiv bei S. Maria sopra Minerva in Rom übergeben wurde,
mit dem das Original der Bulle wie das des notariellen
Aktes vom 13. Dezember zugrunde gegangen sind.
Dieses römische Exemplar des Druckes ist nun insofern
besonders wertvoll, als sich in Deutschland keines erhalten
zu haben scheint. Die älteren wie die neueren Nachdrucke
gehen alle zurück auf den 1545 erschienenen ersten Band
J ) In Liuz war von dem dreimonatlichen Aufenthalt des Legaten
keine Spur za finden, wie Herr Prof. Dr. Schiffmann die Güte hatte
mir mitzuteilen. Auf der Stelle des Minoritenklosters befindet sich
hente das Landhaus; von dem alten Bau ist kaum etwas erhalten
geblieben.
*) In Arm. IX, c. 1 unter Nr. 57, 18 gefunden von Herrn Prof.
Dr. Göller; die Beschreibung verdanke ich der Güte des Herrn Prof.
Dr. Schellhaß. In verso gleichgültige Kanzleivermerke: „Nova bulla
super indulgentiis etc.“ — „In capsula bullarum." Fünf Zeilen mit dem
dogmatisch wichtigsten Inhalt sind mit einem Tintenstrich eingefaßt
3 ) Forschungen S. 211 f.
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der gesammelten Werke Luthers, nach dem zunächst die
Jenaer Ausgabe hergestellt wurde 1 ). Auch die neuesten
Abdrücke bei W. Köhler und C. Mirbt 2 ) beruhen auf der nach
Luthers Werken hergestellten Wiedergabe bei Loescher oder
H. Schmidt 8 ). Dasselbe aber gilt von den älteren Sammel¬
werken und Darstellungen, die in einer für ihre Zeit recht
gründlichen kritischen Untersuchung über „die neue Decre-
talis Papst Leo X.“ von J. E. Kapp angeführt werden 4 ).
Dieser verzeichnet nun zwar unter seinem der Witebergensis
entlehnten Texte umständlich die Varianten einer von dem
Schweizer Kirchenhistoriker J. H. Hottinger 6 ) wiedergegebenen
Fassung; doch handelt es sich hier nur um willkürliche
stilistische Änderungen eines humanistisch gebildeten Ab¬
schreibers. Die wichtigste sinnentstellende Auslassung aller
Drucke, auch des römischen Originaldruckes, das Fehlen der
von Bembo am Rande des Konzeptes unter Beifügung seines
Namens nachgetragenen Worte „regnum celorum“ (hinter:
„potestate clavium, quarum est aperire“), begegnet auch bei
Hottinger; man hatte eben in Rom bei Herstellung der Rein¬
schrift diese Korrektur übersehen und bis auf den heutigen
Tag ist die UnVollständigkeit des Relativsatzes niemandem
J ) M. Lutheri opp. ed. Witeberg. I, fol. 228, Jenensis I, fol. 114.
*) Köhler, Dokumente zum Ablaßstreit von 1517. Tübingen u.
Leipzig 1902. S. 158 ff. Mirbt, Quellen z. Gesch. des Papsttums.
Ebenda 1901. S. 182.
*) V. E. Loescher, Vollständige Reformations-Acta usw. Leipzig
1720. II, 493, wo schon die Vermutung geäußert wird, daß die Bulle
„auf Cajetani Vorschlag entworfen“ worden sei. H. Schmidt, M. Luth.
opp. lat. var. arg. etc. Francofurti 1865. II, 428—434.
4 ) Kapp, Sammlung einiger zum Päpstlichen Ablaß gehöriger
Schrillten. Leipzig 1721. S. 422—481. Die wichtigsten älteren Drucke,
von denen einige bei Hefele-Hergenröther, Conciliengeschichte. Frei-
bnrg i. Br. 1890. IX, 89, Anm. 1 vermerkt werden, finden sich bei
Abr. Bzovius, Continnatio annal. eccles. Baronii ad ann. 1518. Colon.
Agr. 1630. tom. XIX, 347. — J. Chr. Lttnig, Continnatio spicilegii
ecclesiastici. Lipsiae 1720. I, 147 sq. — Le Plat, Monum. ad hist,
concilii Tridentini. Lovanii 1782. n, 21 sqq. Die übrigen Stellen wie
Seckendorf, hist. Lutheranismi, J. Gerhardus, confessio catholica,
Pufendorf usw. bei Kapp a. a. 0. S. 457 ff.
5 ) Hist, eccles. sec. XVI. Pars III, p. 183 sq. Kapp S. 459 ff.
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aufgefallen, auch nicht dem gleichzeitigen Übersetzer 1 ). Die
Zuverlässigkeit des Wittenberger Textes wird durch die im
übrigen ziemlich genaue Übereinstimmung mit dem Konzept
erwiesen. Bei einer Neuausgabe müßte natürlich das
römische Exemplar des Druckes zugrunde gelegt und nach
den Korrekturen Bembos berichtigt werden.
Das Wittenberger Exemplar, das unter dem „Impressum“
die handschriftliche Beglaubigungsformel des Notars und das
kleine Siegel des Kardinals trug, ist verloren gegangen. Es
hätte sich in einem von 0. Clemen entdeckten Bande der
Kamenzer Stadtbibliothek vorfinden müssen, der in 28 Original¬
drucken und einigen Abschriften aus der Zeit von 1517 bis
1520 einen Teil der Materialiensammlung für die Wite-
bergensis enthält 2 ): besonders sind hier die Stücke des
I. Bandes, die wie die Acta Augustana mit der Bulle „Cum,
postquam“ in engem Zusammenhänge stehen, darunter einige
Unica, wie die von Luther nach seiner Rückkehr von der
Heidelberger Disputation auf einem Plakatdruck erlassene
Erklärung 8 ), erhalten. Vielleicht hat man später den Druck
der Dekretale, ähnlich wie es der Laudatio Karlstadts er¬
ging 4 ), vernichtet, oder es ist ihm einfach das Siegel ver¬
derblich geworden.
Die u. a. auch von Hergenröther übernommene Bemer¬
kung, daß „die Konstitution in vielen Exemplaren durch
Deutschland verbreitet wurde“, geht auf des Kardinals Sforza
Pallavicini Istoria del concilio di Trento 5 ) zurück, der dies
für selbstverständlich gehalten haben dürfte. Indessen die
große Seltenheit der gedruckten Exemplare und die geringe
Beachtung, die eine an sich so bedeutsame Kundgebung des
heiligen Stuhles nicht bloß auf lutherischer, sondern fast
0 Vgl. unten. Spiegel läßt jedoch den vom Vf. beabsichtigten
Sinn dadurch hervortreten, daß er „claves“ mit „Himmelschlüssel“
übersetzt („welchen zugehört aufzutun“) und „claviger“ mit „der
himmlischen Schlüssel Träger“. Forschungen S. 67. S. unten S. 77 ff.
*) Von Clemen beschrieben in ZKG. XXVI, 246 ff.
*) Vgl. meine Untersuchung in ZKG. XXVII, 320 ff. XXXII, 574 ff.
4 ) Clemen S. 248.
8 ) Rom 1664. Lib. I, cap. XII, § 4.
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noch auffallender auf katholischer Seite gefunden hat 1 ),
widerspricht jener Annahme. Wenn man sich nun die
Schwierigkeiten vergegenwärtigt, die bald darauf Aleander
mit - der Verbreitung der beiden Bullen vom 15. Juni 1520
und vom 3. Januar 1521, sowie mit der des Wormser Edikts
hatte, obwohl er auf einem Reichstage die meisten Kirchen¬
fürsten persönlich angehen konnte, ferner die Unkosten, die
mit der Versendung durch eigene Boten, die Umständlich¬
keiten, die mit der verbindlichen Insinuation und Publikation
bei den Obrigkeiten verbunden waren 2 ), so begreift man,
daß Cajetan, der seine Mittel bald nötiger für die Betrei¬
bung des Wahlfeldzugs brauchte, nur sehr wenig für die
Bekanntmachung der kathedralen Entscheidung Leos X. hat
tun können.
Während sich nun von der Anwesenheit Cajetans in
Linz an Ort und Stelle keine Spur hat nachweisen lassen,
wissen wir zwar, daß er bei seinem Eintreffen in Nürnberg
am 25. Februar 1519 von dem Juristen Chr. Scheurl im Auf¬
träge des Rates mit einer seine Gelehrsamkeit feiernden
Rede begrüßt wurde, und möchten vermuten, daß er wenig¬
stens den Pröpsten der Hauptstifter von S. Sebald und
S. Lorenz die Bulle mit seinem Publikationsdekret übergeben
habe; doch hat sich keine Nachricht Uber eine Veröffent¬
lichung erhalten 3 ). Am 28. Februar reiste er nach Aschaffen-
’) In den Enzyklopädien von Herzog wie von Wetzer-Welte
wird in der geschichtlichen Übersicht über die Entwicklung der Ab¬
lässe dieser abschließenden Entscheidung Leos X. nicht gedacht. Über
die Vorgeschichte der wichtigsten Ablaßfragen, so der auch von
Cajetan genau umschriebenen „absolutio a poena et a culpa“, vgl. das
auf umfassenden Quellenstudien beruhende Werk von E. Göller, Die
päpstliche Poenitentiarie, Rom 1907 u. 1911, besonders das Kapitel
über die Entwicklung der Plenarindulgenzen (I, 21311.); doch kommen
die von Cajetan behandelten dogmatischen Grundlagen hier nicht zur
Erörterung. Die bei Behandlung der Organisation, der Geschäfts¬
praxis nnd des Taxwesens der kurialen Behörde erwähnten „Reformen“
Leos X. (1513) betreffen nur die Überforderungen und sonstigen Mi߬
bräuche der Beamten (II, 1,108 ff., 2, 90).
*) Vgl. etwa Kalkoff, Anfänge der Gegenreformation in den
Niederlanden. Halle 1904. I, 23 ff., 33 ff., II, 14 ff.
*) Während im städtischen Archiv derartige Akten überhaupt
nicht zu suchen sind, hat sich auch in den Beständen des Kgl. Kreis-
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barg weiter 1 ), wo er als Gast des Erzbischofs von Mainz,
dem er vielleicht jetzt erst die Abzeichen der Kardinals¬
würde überreichte 2 ), etwa zehn Tage verweilte 8 ). Es ist
nnn selbstverständlich, daß er dem Primas von Deutschland
die Balle mit dem Ersachen am Bekanntmachung and Voll¬
zieh ang mitgeteilt hat, freilich auch ebenso sicher, daß
Albrecht bei seiner in jenen Jahren beobachteten passiven
Widersetzlichkeit gegen alle Maßregeln der Kurie auch diese
Anordnung des Legaten mißachtet hat.
In Frankfurt, wo Cajetan am 10. März ein traf, wurde
er weder von Priesterschaft noch Kat eingeholt, von letzterem
jedoch am nächsten Tage in seiner Wohnung begrüßt. Doch
finden wir außer dieser kurzen Notiz weder in den Rats¬
protokollen noch in den Akten der dortigen Stifter etwas
von einer lntimierung der Dekretale. Hier hat der Kardinal
am 14. und 15. März Urkunden für das Dominikanerkloster
ausgestellt, in denen er den Besuchern und Wohltätern seiner
Kirche den üblichen hunderttägigen Ablaß an neun be¬
stimmten Festtagen verlieh 4 ).
archivs weder ein Exemplar der Bulle noch in den reichsstädtischen
Repertorien ein diesbezüglicher Eintrag gefunden. Auch die Müllner-
schen Annalen berichten nichts davon. An Beziehungen Cajetans zu
Nürnberg findet sich sonst nur ein Schreiben desselben und ein päpst¬
liches Breve vom 7., bzw. 28. Juni 1513 über die Reformation des
Klosters Engelthal vor. Gütige Mitteilung des Herrn Archivrats
Dr. Schrötter.
*) Zur Reise Cajetans s. Deutsche Reichstagsakten, Jüng. Reihe I,
346 Anm. 3 und ZKG. XXV, 409, Anm. 2.
*) Vgl. ZKG. XXXI, 62, Anm. 2.
*) Über diesen Aufenthalt in der Residenz Albrechts hat der
beste Kenner der Mainzer Akten aus der Reformationszeit, die im
Würzburger Kreisarchiv beruhen, Herr D. Fr. Herrmann, nichts finden
können, auch nicht in den freilich sehr leichtfertig geführten Proto-
koUen des dortigen Stifts von SS. Peter und Alexander.
4 ) Und zwar zunächst an Mariae Himmelrahrt, S. Dominicus,
S. Maria Magdalena, S. Sebastian; in der zweiten Urkunde an SS. Phi¬
lippus et Jacobus, S. Quirinus, S. Barbara, S. Lucia, S. Augustinus.
Beide sind von Cajetans Sekretär unterzeichnet: „de mandato Felix
Trofinus“. .Nur an der zweiten ist das Siegel Cajetans in einer
Blechkapsel erhalten. Gütige Mitteilung des Herrn Archivdirektors
Dr. R. Jung.
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Über den wiederholten Aufenthalt Cajetans in Mainz
haben wir im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als päpst¬
licher Wahlagent zahlreiche Nachrichten 1 ); aus der Samm-
' lung seiner Werke wissen wir, daß er dort am 22. März 1519
einen Traktat über die Frage schrieb, „ob der päpstliche
Stuhl in den Kanones die Worte der Hl. Schrift mißbrauche“ 2 ).
In der örtlichen Überlieferung aber war hier keine Erinne¬
rung an seine Tätigkeit zu entdecken, ebensowenig wie seine
Beziehungen zu dem Erzbischof von Trier während seiner
Anwesenheit in Koblenz eine Spur hinterlassen haben 8 ).
Auf seiner eiligen Rückreise aber, die Cajetan nach
dem Mißerfolg seiner Beteiligung an der Kaiserwahl alsbald
antrat 4 ), dürfte er ebenfalls wenig Gelegenheit gehabt haben,
für die Verbreitung der Bulle „Cum, postquam“ zu wirken.
Über die Stellung Karls von Miltitz an der Kurie 5 ) und
die Verhältnisse, uuter denen sich seine Entsendung nach
Deutschland vollzog, haben sich neuerdings quellenmäßige
Nachweise ergeben, die meine frühere Darlegung bestätigen,
daß der unwissende und unzuverlässige, eitle und vorwitzige
Junker keineswegs zu Verhandlungen mit Luther und dem
Kurfürsten behufs schiedlicher Beilegung des kirchlichen
Konfliktes ermächtigt, sondern, dem Legaten streng unter¬
geordnet, nur die Auslieferung oder mindestens die Aus¬
weisung Luthers zu erwirken beauftragt war. Der be¬
schäftigungslose Notar gehörte keineswegs der den Haus¬
prälaten zunächst stehenden Rangklasse der päpstlichen
„Kammerherren“ (camerarii) an, sondern hatte nur eben den
Titel eines „Kammerjunkers“ (cubicularius extra cameram);
x ) Bes. Reichstagsakten S. 494 f. und Kalkoff, Aleander gegen
Luther S. 27, 59.
*) Thomae de Vio opuscula. Lugduni 1558. p. 126. tract. XXX.
C. F. Jäger in der Ztschr. f. hist. Theol., 1858, S. 442 Anm.
*) Gütige Mitteilung des Herrn D. Herrmann bzw. des Kgl. Staats¬
archivs in Koblenz, Von dem Mainzer Dominikanerkloster sind nur
wenige Nachrichten vorhanden.
4 ) Forschungen S. 183 und P. Kalkoff, Die Miltitziade. Eine
kritische Nachlese z. G. des Ablaßstreites. Leipzig 1911. S. 81.
6 ) Das Folgende nach Miltitziade Kap. I, II u. V.
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seine Ernennung znm „Nuntius“ bedeutete nicht eine Gleich¬
stellung mit den zu selbständigen Verhandlungen berufenen
Diplomaten der Kurie, den „nuntii et oratores“, sondern
nur die Erteilung eines eng begrenzten Auftrags, wie ihn
die durchaus subalternen „nuntii et commissarii“ empfingen.
Ja, nicht einmal diese Funktion war ihm ursprünglich zu¬
gedacht, sondern er sollte zunächst nur in eiligem Ritt die
Goldene Rose so schnell über die Alpen befördern (10. Sep¬
tember 1518), daß sie dem Kurfürsten noch auf dem Reichs¬
tage in Augsburg durch den Legaten überreicht werden
könnte. Da entschloß sich der Papst infolge des gleich
darauf eingegangenen Berichtes Cajetans zu dessen Delegie¬
rung als Richter in Luthers Sache, und als sich nun nach
erfolglos verlaufenem Verhör die Bestrafung des schon in
contumaciam verurteilten Ketzers und Schismatikers als un¬
umgänglich, seine Verhaftung aber als recht schwierig her¬
ausstellte, wurde der Nepot des einflußreichen Dominikaners
Nikolaus von Schönberg mit der entsprechenden Kommission
an den kurfürstlichen Hof entsandt. Da sich seine Abreise
nach Ausfertigung der nötigen Breven noch einmal ver¬
zögerte, so daß er von den Jagdschlössern in Toscana, wo¬
hin er den Hof begleitet hatte, wieder nach Rom zurück¬
kehrte, so hatte er dabei Gelegenheit manches zu beobachten,
was er sonst bei seinen recht lockeren Beziehungen zur
Kurie nicht erfahren hätte.
Gerade die kanzleimäßige Ausstattung der mit dem
Bleisiegel zu versehenden Dekretale konnte erst nach der
Rückkehr des Papstes nach Rom besorgt werden, und so er¬
zählte Miltitz dem Nürnberger Juristen Chr. Scheurl ganz
zutreffend, diese an den Kardinal S. Sixti gerichtete „decre-
talis Leonina declaratoria Unigenitus“ habe der Papst „her¬
ausgegeben am 15. oder 16. November nach Empfang der
Antworten Luthers (edidisse . .. acceptis tuis responsionibus“;
Scheurl an Luther, Nürnberg, 20. Dezember 1520), also nach
Eingang des Berichtes Cajetans mit den von Luther auf die
vorgeschriebenen Fragen abgegebenen Erklärungen 1 ). Die
J ) Von Enders, Luthers Briefwechsel I, 327, 57ff., 331, Note 14
irrig auf die „Responsio M. Lutheri ad dialogum Silv. Prieratis“
bezogen.
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von Bembo nach vollzogener Durchsicht vom 9. November
datierte Bulle ist also eine Woche später, rite ausgefertigt
und besiegelt, dem Kommissar im Augenblick seiner Abreise
übergeben und durch ihn in Augsburg dem Legaten, der
von der Ausführung seines Antrags verständigt worden war
und die wichtige Sendung abwartete, übermittelt worden 1 ),
l ) In seiner Dissertation über Karl v. Miltitz (Freiburg 1907.
Vgl. meine Besprechung in der Hist. Ztschr. 101, 120 ff. und meine
Miltitziade) wundert sich H. A. Creutzberg, daß ich in der kritischen
Studie über den „Briefwechsel zwischen dem Kurfürsten Fr. u. Cajetan“,
ZKG. XXVII, „Heft 3 W (soll heißen S. 332) „Miltitz in Augsburg
schon jetzt mit dem Legaten Zusammentreffen lasse, ohne jedoch hier¬
für eine Quelle zu zitieren“, obwohl in Anm. 4 auf ZKG. XXV, 283
Anm. 2 verwiesen wird, wo ich wie in den „Forschungen zu Luthers
römischen Prozeß“ S. 109 Anm. 3 die Bemerkungen des Nürnberger
Juristen Chr. Scheurl zu Schlüssen über Cajetans Verhalten nach Be¬
endigung des Reichstags benutzt habe. Der Legat war auch nach
Luthers Rückreise noch in Augsburg verblieben, wo er, wie Anfang
November berichtet wird, mit der Berechnung des Ertrags der Türken¬
steuer beschäftigt war, d. h. mit den Fuggern über die Modalitäten
der Sammlung der Gelder verhandelte. Von hier aus sandte er den
Entwurf der Dekretale ein und wurde gewiß alsbald darüber ver¬
ständigt, daß die Bulle sofort nach der Rückkehr des Papstes nach
Rom ausgestellt werden würde. Miltitz, den man damals bei dem
Jagdausfluge nach Toscana von dort aus abfertigen wollte, konnte hier
wohl mit den Breven (11.—24. Oktober; Forschungen S. 61 f.) aus¬
gestattet werden-, die vorschriftsmäßige Ausführung aber der „bulla
plumbea cum cordulis ex canopo“ (Luth. opp. var. arg. II, 429) konnte
nur in Rom erfolgen. Miltitz, der sich über diese Vorgänge genau
unterrichtet zeigt, ist also erst etwa Mitte November von dort ab¬
gereist und Ende November bei dem Legaten, seinem Vorgesetzten,
eingetroffen. Erst am 20. Dezember meldet Scheurl an Luther, was
er von dem am 18. in Nürnberg angelangten Kanzler Pfeffinger gehört
hat, daß der Legat nunmehr „dem Kaiser nachreise“ (Enders I, 328, 98).
Abgesehen von der bequemen Verbindung mit Rom war es auch für
Cajetan wünschenswert, die Ankunft Miititzens in Augsburg ab¬
zuwarten, weil weder er noch der Kommissar in der Lage waren,
teure Kuriere zu bezahlen. Anfang Dezember ist der Legat dann
wieder an den Hof gegangen, der nach einer langen Irrfahrt durch
Tirol in Oberösterreich angelangt war; in sechs bis sieben Tagen
konnte Cajetan bequem nach Linz gelangen, wo er nun reichliche Muße
hatte, sich mit der Publikation der Dekretale zu beschäftigen. Miltitz
scheint ihn bis nach Niederbayem begleitet zu haben, wo er sich dem
gut' päpstlich gesinnten kursächsischen Kanzler Pfeffinger anschloß,
der soeben von seinem heimatlichen Gute an den Hof Friedrichs
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während die Goldene Rose und die Ablaßbullen für die
zurückkehren wollte und dann (a. a. 0. S. 326, 38 ff.) zwei Tage mit
ihm in Nürnberg rastete. Bekanntlich stellte es Miltitz hier so dar,
als ob er den Kurfürsten nur als Privatmann aufsuche, und zwar auf
die Bitten und Verheißungen Pfeffingers hin, der eine gütliche
Einigung mit Luther für leicht erreichbar erklärt habe, wenn man
diesem für den Widerruf ein Bistum oder eine andere hohe Würde
in Aussicht stelle; das werde besser wirken als die Goldene Rose und
die Ablaßbullen (a. a. 0. S. 327,65 ff., 76 ff.), die Miltitz zu seinem
großen Ärger in Augsburg hatte zurücklassen müssen. Auch hatte
ihm die Beobachtung der großen Beliebtheit Luthers seinen Auftrag,
den Professor gefangen hinwegzuführen, verleidet. Seine Flunkereien
begannen also schon in Nürnberg. Nun meldete er sich am 26. De¬
zember von Gera aus bei Spalatin an mit einer Darstellung, die sein
zufälliges Erscheinen in Sachsen glaubhaft machen sollte: er habe
beabsichtigt, dem Legaten zu folgen (oder nachzureisen), der damals
beim Kaiser in Österreich sich aufhielt (statueram sequi . . . legatum
apud Caes. M tem in Austria tune agentem); da er aber gehört habe,
daß Pfeffinger sich zum Kurfürsten begebe, habe er an ihm nicht
vorbeireisen wollen, ohne ihn vorher noch zu sprechen; „infolgedessen
sei er nach eilfertiger Beratung mit Pfeffinger (itaque tumultuarie
deliberatus cum eodem) an den sächsischen Hof gegangen; die Gründe
werde man vom Kanzler selbst erfahren usw. (Cyprian, Nützl. Urkunden.
Leipzig 1718. II, 105). Auch wenn diese Darstellung nicht tendenziös
zurechtgemacht wäre, ließe sich mit dem angeführten Wortlaut die
auf der obigen chronologischen Erwägung beruhende Ansicht ver¬
einigen, daß Miltitz den Legaten noch in Augsburg antraf und nur
einige Tage später als er aufbrach, wobei ins Gewicht fällt, daß Miltitz
immer darauf bedacht war, seine Unterordnung unter den Legaten zu
verbergen.
Pfeffinger, der am 27 r Dezember beim Kurfürsten in Altenburg
Bericht erstattete, war nun kurz vor seinem Zusammentreffen mit
Miltitz, also Anfang Dezember beim Kaiser auf Sachsenburg bei Linz
gewesen; wenn er erzählte, der Kaiser sei „ganz fröhlich und bei
guter Gesundheit gewesen“, während doch seine Krankheit schon „um
Ende November“ zum Ausbruch kam (H. Ulmann, Kaiser Maxi¬
milian I. II, 761) so will dies nichts besagen, da die Erkrankung des
Herrschers sorgsam verheimlicht wurde. Im Gegensatz zu der Be¬
hauptung Miltitzens, daß Cajetan schon „beim Kaiser in Österreich“
geweilt habe, berichtete Pf.: „der Legat zeucht Kais. Majestät nach“
(F. A. v. Langenn, Herzogin Sidonie in den Mitteil. d. Sächs. Altertums¬
vereins. Dresden 1852. I, 114). Auch diese Quelle deutet also darauf
hin, daß Cajetan so lange in Augsburg geblieben war, daß M. ihn
dort noch antreffen mußte, der auf alle Fälle verpflichtet war, sich
hei seinem Eintreffen daseihst mit dem Legaten in Verbindung zu
setzen (vgl. ZKG. XXVII, 327 Anm. 2).
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Schloßkirche in Wittenberg bei den Fuggern niedergelegt
wurden. Wenn Miltitz fortfährt, „eam se utroque sermone
invulgaturum apud vos“, so übertreibt er wie gewöhnlich
die Wichtigkeit seines Anteils an dem Geschäft: die feier¬
liche Veröffentlichung mit nachfolgender Drucklegung und
Beglaubigung der Kopien war Sache des Legaten, und auch
die wohl schon von Rom aus angeordnete Übersetzung ins
Deutsche wurde durch Cajetan gleichzeitig besorgt. Denn
der höchst seltene von E. Weller 1 ) vermerkte Druck „Copey
der Bullen unsers heiligisten Vatter Babst Leo des zehendten
Von krafft des Komischen Antiaß“ trägt am Schluß den
Vermerk: „Getruckt zw Wienn in Österreich. Mit gonst
und willen des gnedigisten herrn Bischoff daselbst“, wie das
lateinische Original den Vermerk: „Impressum Viennae
Pannoniae cum reverendissimi Domini Episcopi ibidem assensu
et voluntate 2 ).“ Doch ist in der Übersetzung nur die Bulle
selbst wiedergegeben, nicht der notarielle Akt über ihre
rechtsverbindliche Publikation durch den Legaten; sie sollte
also den authentischen lateinischen Stücken nur behufs be¬
quemerer Mitteilung ihres Inhalts an das Volk beigegeben
J ) Repertorium typographicum. Nördlingen 1864. S. 134f., Nr. 1102.
Außer diesem in einer Privatbibliothek nachgewiesenen Exemplar bat
Herr Lic. Dr. 0. Clemen, dem ich auch für Abschrift und Kollation
des Druckes zu wärmstem Danke verpflichtet bin, zwei Exemplare in
der Ratsschulbibliothek von Zwickau aufgefunden (XII, VI, 18 6 und
XVII, X, 1Ö 26 ). Ferner teilte mir die K. K. Hofbibliothek in Wien
mit, daß sich dort die „Copey“ unter der Signatur 20. T. 191, aber
kein Exemplar des Plakatdruckes befindet, und Herr Domkapitular
Dr. Wimmer hatte die Güte festzustellen, daß sich im fürsterzbischöf-
lichen Konsistorialarchiv unter den aus der Zeit Bischof Georgs er¬
haltenen Archivalien weder die beiden Drucke noch eine Spur eines
etwa anläßlich der Drucklegung mit Cajetan gepflogenen Briefwechsels
vorfindet. Wahrscheinlich hat Spiegel alles persönlich in Wien be¬
sorgt, da am Hoflager in dem bei Linz belegenen Wels während der
Todeskrankheit Maximilians ein völliger Stillstand der Geschäfte ein¬
getreten war, so daß sich auch in Innsbruck aus dieser Zeit keinerlei
Archivalien befinden (ZKG. XXVII, 332 Anm. 5). Wie das Auskunfts¬
bureau der deutschen Bibliotheken feststellte, waren beide Stücke in
ihrem Bereiche außer an den mir schon bekannten Stellen nicht auf¬
zufinden.
2 ) M. Luth. opp. var. arg. II, 434.
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werden, da man wohl nicht ganz sicher war, ob die Pfarrer
eine leidlich zutreffende Wiedergabe würden leisten können.
Zugleich wurde diesen schon auf dem Titelblatte eine nicht
mißzuverstehende Anleitung gegeben, in welchem Sinne sie
ihren Zuhörern Anlaß und Bedeutung des päpstlichen Ge¬
setzes zu erläutern hätten: „man wird aus der Bulle er¬
kennen, daß gewisse Predigten über die Ablässe, die samt
ihrer theologischen Begründung dem Volke aufgedrängt
wurden (,etlich predig darvon eingetruckht mit yrer be-
festigung‘ = opp. v. arg. II, 430:,super indulgentiis ... publice
praedicando multorum cordibus imprimerent errores') weder
die Stärke des Eisens noch die Größe und Schwere der
Berge haben, da sie infolge der Erkenntnis der Wahrheit
so recht leichtfertig zerfließen und zu Kot werdeu und nichts
weiter zurücklassen als den faulen Gestank einer grauen¬
erregenden Ketzerei“.
Die Übersetzung ist, wie aus den schon auf dem Augs¬
burger Reichstage mehrfach nachweisbaren Beziehungen des
Legaten zu dem Vorstande der lateinischen Kanzlei Maxi¬
milians, dem Dalmatiner Jakob de Bannissis und seinem
Untergebenen, dem Sekretär Jakob Spiegel aus Schlettstadt,
dem literarisch rührigen Neffen Jakob Wimpfelings, hervor¬
geht *), von dem letzteren besorgt worden, indem Bannissis,
der eigentliche Vertrauensmann der Kurie in der kaiser¬
lichen Regierung, sich dem Legaten gefällig zu erweisen be¬
müht war. Spiegel hat ja dann auch auf dem Reichstage
von 1521 für den Nuntius Aleander wiederholt die Über¬
setzung der lateinischen Entwürfe, wie besonders des
Wormser Edikts, gegen bare Bezahlung besorgt 2 ). Auch
der Bischof von Wien, Georg von Slatkonia, war ein alter
kaiserlicher Rat, der dieses geistliche Amt gewissermaßen
x ) Forschungen S. 12, 102 f., 128.
*) P. KalkofF, Depeschen des Nuntius Aleander vom Wormser
Reichstage 1521. Halle 1897. S. 135f., 152 ff. w. ö. Derselbe, Jakob
Wimpfeling und die Erhaltung der kathol. Kirche in Schlettstadt. In
der Ztschr. f. d. Gesell, des Oberrheins, N. F. XIII (Karlsruhe 1897/98),
S. 88 ff., 111 ff., 264 ff. und die Entstehung des Wormser Edikts usw.
in ARG. IX.
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als Ruheposten erhalten hatte 1 ). Seine Zustimmung erbat
sich der Legat in gewissenhafter Befolgung des vom V. Lateran¬
konzil erlassenen Zensuredikts („Inter sollicitudines“), das
die Drucklegung aller Schriften von der Genehmigung des
Ordinariats abhängig machte.
Nur die Fassung des Titelblattes rührt nicht von Spiegel
her, der als Jurist und Humanist doch zuviel Selbstbewußtsein
besaß, um sich mit der Partei Tetzeis, den Gegnern Reuchlins,
völlig eins zu fühlen und sich zu derartigen fanatischen
Ausfällen gehen Luther hinreißen zu lassen. Zudem war er
gerade in jenen Jahren unter dem Einflüße seines Oheims
Wimpfeling am Werke, wegen der rücksichtslosen Eingriffe
römischer Pfründenjäger in die kirchlichen Verhältnisse seiner
Vaterstadt die konziliaren Überlieferungen des deutschen
Reiches durch Wiederabdruck der pragmatischen Sanktion
aufzufrischen und vollzog seine Schwenkung zugleich mit
dem von Aleander schwerbedrohten greisen Pädagogen erst
zur Zeit des Wormser Reichstages 2 ). Doch läßt sich auch
ein positiver Beweis dafür erbringen, daß diese Überschrift von
deutschen Dominikanern in der Umgebung Cajetans herrührt.
Tetzel hatte im April 1518 eine weitere Streitschrift,
seine „Vorlegung“, d. h. Widerlegung, gegen Luther ver¬
öffentlicht 8 ), in der er eine neue Disputation in Frankfurt
ankündigte, die freilich nicht stattgefunden hat. Luther ant¬
wortete ihm mit einer im Laufe des Monats Juni gedruckten
Gegenschrift, die er schon am 4. Juni seinen Freunden
Spalatin und Lang ankündigte 4 ). In diese Verteidigung
(„Freiheit“) seines Sermons von Ablaß und Gnade wandte
er sich mit einer durch Tetzeis rohen Ton hinlänglich ge¬
rechtfertigten Schärfe gegen die „quaestores et haereticae
!) ZKG. XXV, 283 f. Über die 1513 erfolgte Wahl and Be¬
stätigung des „Vorstehers der kaiserlichen Kapelle and erwählten
Bischofs von Pedena“, G. v. Slatkonia, zum Bischof von Wien vgl.
W. Friedensburg, Informativprozesse über deutsche Kirchen, Qu. u.
Forsch, aus ital. Arch. I, 168 ff.
2 ) Wimpfelings kirchliche Unterwerfung. Ztschr. f. Gesch. des
Oberrheins XXI, 262 ff.
*) N. Paulus, Joh. Tetzel. Mainz 1899. S. 54.
*) Enders I, 205, 27 ff, 207, 16 ff.
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pravitatis inquisitores“, die der Belehrung weitaus bedürftiger
seien als die von ihnen irregeführten Laien, und hot ihnen
im Namen seines Kurfürsten „sicher Geleit, offne Thore,
freie Herberge und Kost“ in Wittenberg an, wenn irgendwo
„ein Ketzermeister sei, der sich Eisen zu fressen und Felsen
zu zerreissen verdünke 1 )“. Diese Herausforderung zu einer
Disputation, die im Grunde nur eine Erneuerung des mit
dem „Disputationszettel“ vom 31. Oktober 1517 erlassenen
Angebots akademischer Erörterung der Ablaßfragen war,
muß den Ordensgenossen Tetzeis sehr unbequem erschienen
sein, denn sie benutzten die auffälligste Stelle des päpstlichen
Erlasses, um die Welt wissen zu lassen, daß die Argumente,
denen der Augustiner so fest vertraute, der römischen Bulle
gegenüber sich nicht so als „Fels und Eisen“ bewähren würden.
Die Besorgung der Übersetzung und der Drucke dürfte
sich bis in das neue Jahr hingezogen haben, so daß der
Legat in der Versendung schon durch den Tod des Kaisers
gestört wurde, durch den er seine Mission überhaupt be¬
endet glaubte. Sein Schreiben aus Augsburg vom 25. Oktober
hatte der Kurfürst erst am 19. November erhalten, da Cajetan
die Kosten für einen besonderen Boten nicht hatte aufwenden
können und es wohl durch die Leipziger Faktorei der Fugger
hatte bestellen lassen. Friedrichs Antwort vom 18. (nicht
vom 8.) Dezember hatte er ja beim Ableben Maximilians I.,
am 12. Januar in Händen; ob aber jener sich nun veran¬
laßt gesehen hatte, den Legaten durch einen besondern Boten
auszuzeichnen, dem Cajetan eine Sendung an Miltitz hätte mit-
!) Luthers Werke. Krit. Gesamtausgabe. Weimar 1883. I, 380 f.
bes. 392,12 ff., 393,19 f. Auch Cochlaeus, der in seinen Commentaria
de actis et scriptis Lutheri (Mainz 1549) die Anfänge der Reformation
durchaas unter dem Gesichtswinkel der Dominikaner darstellt, kannte
die Bedeutung dieser Stelle, die er als Beweis für den durch den
Schutz des Kurfürsten gesteigerten Übermut Luthers aus dessen
„Defensio sermonis de indulgentiis“ wörtlich anführt (p. 11): ausus
fuit etiam Protectoris et Principis sui autoritate Wittenbergam publico
scripto citare quoslibet haereticae pravitatis inquisitores, si qui vide-
antur sibi devorare ferrum petrasque dirumpere, ut veniant illuc cum
ipso disputaturi, habituri non modum salvum conductum, sed etiam
liberum hospitium sumptusque a Principe. Vgl. ZKG. XXXII, 22 f.,
227 Anm. 1, 436 Anm. 4. XXXIII, 63 f.
Archiv für Beformationsgesohichte. IX. 2. 11
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geben können, muß sehr zweifelhaft erscheinen; eine solche
hätte ihn vermutlich auch nicht mehr erreicht, da Miltitz, der
im Januar in Leipzig und dann noch einmal beim Kurfürsten
in Lochau weilte, bald nach Mitte des Monats die Rückreise
nach Augsburg, wo er den Legaten zu treffen hoffte, antrat 1 ).
Während seines ersten Aufenthalts am sächsischen Hofe
also hat der Kommissar die Dekretale noch nicht in Händen
gehabt; er hat sie Luther nicht in verbindlicher Form vor¬
legen oder auch nur ihrem Inhalt nach zum Gegenstand der
Verhandlungen machen, sie dem Wittenberger Professor, als
Norm für den erwarteten Widerruf Vorhalten können. Es
war denn auch in den als kirchenpolitische Intrige des Kur¬
fürsten aufzufassenden Altenburger Abmachungen keine Rede
von dieser Kundgebung des höchsten Richters, doch hat sie
Miltitz Luther ebenso wie Scheurl gegenüber erwähnt: der
unwissende, oberflächliche Mensch, der ja ganz unfähig war
auch nur die wesentlichen Sätze zu behalten, konnte indessen
auf Luthers Frage, ob denn das Schriftstück irgendwelche
Stellen der heiligen Schrift oder des kanonischen Rechts
anführe, doch soviel richtig mitteilen, daß dies nicht der
Fall sei. Luther hat nun die bei Miltitzens Abreise bestehende
Lage in seiner Antwort an Scheurl vom 13. Januar 1519
knapp und klar damit gekennzeichnet: er habe mit jenem
sich über zwei Punkte verständigt: gegenseitiges Schweigen
und Bezeichnung der irrigen und demnach zu widerrufenden
Sätze durch einen deutschen Bischof, wobei der leichtfertige
Junker den Hauptpunkt alsbald ausser acht ließ, den Luther
scharf betont: diesen Schiedsrichter müsse Miltitz mit päpst¬
licher Genehmigung (mandato Summi Pontificis) ernennen. Er
fügt auch sofort hinzu, daraus werde ja ohne besonderes Zutun
Gottes nichts werden, besonders wenn die Kurie, wie zu er¬
warten stehe, ihn mit der neuen Dekretale bedränge, die er
noch nicht gesehen habe, die sich aber ohne Berufung auf
jene Autoritäten einfach auf die päpstliche Vollgewalt ver¬
steife, der er sich nicht unterwerfen könne 2 ).
') ZKG. XXIII, 323 f„ 327, 332; XXV, 400 Anm. 1. Am 22. Ja¬
nuar schreibt M. aus Gräfenthal an den Kanzler Pfeffinger.
2 ) Enders, Luthers Briefwechsel I, 349.
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Luther zeigte dann später während der Leipziger Dis¬
putation, daß er die Dekretale non kennen gelernt habe, doch
ließ er wie sein Gegner Eck die den Ablaß betreffenden
Streitfragen absichtlich znrttcktreten x ) da es sich jetzt viel¬
mehr um die grundlegende Frage der höchsten kirchlichen
Autorität, die Lehrbefugnis, oder, wie man zu sagen pflegte,
das göttliche Recht des Papsttums, handelte. Luther erwähnt
daher die Dekretale nur, indem er dem Papste oder mit
Anspielung auf die Autorschaft Cajetans und das Gutachten
des Prierias „den Kardinälen, Notarien, Pönitentiariern und
Palasttheologen“ das Recht bestreitet, Glaubensartikel zu
machen. Bezüglich des Inhalts der „declaratoria Unigenitus“
bemerkt er nur, daß das Verdienst Christi durch keines
Menschen Gewalt zugeeignet werden könne als allein durch
den priesterlichen Akt der Absolution; im übrigen lasse er
sie auf sich beruhen. Daß sie das Werk Cajetans sei, der
ihm darin das Schlußwort zu ihrer Augsburger Disputation
übermittelte, hatte er sofort bei der ersten Einsichtnahme
erkannt und in der im Frühjahr entstandenen Vorrede zum
Galaterbriefe ausgesprochen 2 ), die nach den folgenden Aus¬
führungen nicht vor den ersten Tagen des Monats Juni ent¬
standen sein kann.
Denn nun ist es möglich, einen wichtigen Schritt Miltitzens,
der diesmal nicht auf eigene Faust handelte, sondern in der
Hauptsache nach einer mündlichen Anweisung Cajetans,
hier einznordnen, nachdem letzthin Crentzberg ihn in die
erste Hafte des Januars 1518 verlegt und zu einem Ausfall
gegen die „grenzenlose Systemlosigkeit des römischen Proze߬
verfahrens“ benntzt hat 8 ), das vielmehr, von den Wahl-
') Köstlin-Kawerau, M. Luther I, 250.
2 ) Kapp a. a. 0. S. 444 ff. Forschungen S. 67.
■*) K. v. Miltitz S. 54. Vgl. Militziade S. 3 Anm. 2 die treffende
Bemerkung Hermelinks. — Ein weiteres Beispiel für die Arbeitsweise
(’r.s: S. 59 heißt es: „Cajetan traf am 18. März in Frankfurt ein, was
er Miltitz mitteilte.“ Die Anm. spricht von einem Briefe bei Cyprian I,
429 f. Da findet sich aber kein Brief Cajetans, sondern M. teilt dem
Kurfürsten S. 431 ff. am 20. März aus Augsburg mit, er wolle heute
nach Frankfurt abreisen, wo er den Legaten zu finden hoffe, wie ihm
dieser geschrieben habe. Vgl. ZKÜ. XXV, 400 Anm. 1, 409 Anm. 2.
Cajetan traf am 10. März in Frankfurt ein (D. Reichstagsakten I, 346
Anm. 3) und reiste von da ab, ehe M. zu ihm kam.
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manövern Leos X. abgesehen, hier in seiner Folgerichtigkeit
bestens gerechtfertigt wird.
Zunächst muß daran erinnert werden, daß die in Alten¬
burg verabredete Übertragung der Entscheidung an einen
deutschen Bischof von beiden Teilen, vom Kurfürsten wie
von Miltitz, nicht aufrichtig gemeint war: der Kurfürst hatte
diese Finte dem leichtfertigen Kommissar suggeriert, und
dieser wieder gedachte sie als Falle zu benutzen, um Luther
zum Widerrufe zu drängen oder auch je nach Gelegenheit
sich seiner Person zu bemächtigen. Der „alte Fuchs“, Erz¬
bischof Richard von Trier, der genau wußte, wie weit er
in dieser scheinbaren Vermittlung würde gehen dürfen, hatte
sich Anfang Mai zu solcher zweideutigen Rolle bereit finden
lassen; die Einwilligung des Legaten als des von der Knrie
delegierten Richters wird aber nur verständlich, wenn man
beachtet, daß der Erzbischof nur „neben ihm“ Richter sein
sollte, wie Miltitz dem Kurfürsten am 3. Mai anzeigte 1 ).
Cajetans Zusage, daß er „nichts widerrufen werde, was der
Bischof von Trier tun werde“, ist natürlich dahin zu ver¬
stehen, daß dieser keine Entscheidung treffen konnte, die für den
Legaten unannehmbar war. Dieselbe Versicherung in deu
x ) Enders II, 25. Als Miltitz seiner offiziellen Eigenschaft als
päpstlicher Kommissar und der Aufsicht des Legaten ledig war, ver-
stieg er sich gar zu der einfältigen Anmaßung, selbst, neben dem
Erzbischof als Richter Luthers fungieren zu wollen. Miltitziade S. 35,
39, 43. Nach dem Erscheinen Aleanders, der den mit dem Trierer
Kommissorium getriebenen Schwindel gründlich aufdeckte (ZKG. XXV,
515 f.), beschränkte sich Friedrich vorsichtigerweise auf die Fiktion,
als sei der Trierer wenigstens mit der Voruntersuchung, der inqnisitio
famae, vom Legaten betrant worden: so sagt Spalatin im Entwurf
einer Antwort an Hadrian VI.: Miltitz habe damals mit Luther selbst
dahin verhandelt, daß dieser Wittenberg nicht verlassen solle, und
„der Erzbischof als K o m in i s s a r i u s sich auf des Kardinals
S. Sixten Bitte damit beladen, die Sache zu ver¬
hören; das habe Luther angenommen und vor Trier zu erscheinen
bewilligt“; nur darum sei er in Wittenberg verblieben (September 1523).
In der Instruktion für seinen Gesandten auf dem Nürnberger Reichs¬
tage vom 16. Februar hatte der Kurfürst nrn* behauptet, Miltitz habe
damals angezeigt, daß der Erzbischof von Trier als ein Kommissarius
Befehl hätte die Sache zu verhören, was Luther angenommen und
daraufhin unter dem Schutze des Kurfürsten verblieben sei (Wülcker-
Virck, Planitz-Berichte. Leipzig 1899. S. 367, 32 ff., 610, 37 ff.).
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Schreiben an Lnther nnd an Spalatin 1 ), daß der Legat alles
genehmigen werde, was der Trierer „in seiner Gegenwart
tue“, wird überdies erläutert durch die vorausgeschickte
Bemerkung: „Cajetan sei voll gütiger Gesinnung gegen Luther,
vorausgesetzt, daß dieser widerrufen wolle
(dummodo . . . se emendare velit), wie er ja mit Miltitz
in Altenburg mehrfach übereingekommen sei.“ Dieser stellte sich
also naiver Weise auf den Standpunkt, daß die Entscheidung
des Prozesses durch den Trierer subdelegierten Richter
für Luther als eine anständige Art des Rückzugs nur will¬
kommen sein könne. Cajetan dagegen vergab seiner Stellung
als Richter nichts und hat damals schon die Mitwirkung des
Trierers als ganz nebensächlich behandelt, sie auch nach
Beendigung seiner Legation nicht weiter empfohlen.
Denn als Cajetan unmittelbar darauf den Nuntius an
den Kurfürsten abordnete, um ihm die ersten Eröffnungen
über seine vom Papste gewünschte Kandidatur zu machen,
ersuchte er ihn gleichzeitig Luther vorerst noch in Wittenberg
zu belassen, bis Miltitz dort noch weiter Uber seine An¬
gelegenheiten mit Friedrich verhandelt habe 2 ): der Nuntius mußte
am 11. Mai den Kurfürsten ersuchen, die von ihm vorge¬
schlagene schiedsrichterliche Behandlung einstweilen ruhen
zu lassen, womit Cajetan seine vorübergehende Einwilligung
schon zurücknahm. Denn nun instruierte er seinen Unter¬
gebenen zugleich darartig, daß ihm bei dem schon in Weimar
(26. bis 30. Mai) erfolgten Zusammentreffen mit dem Kur¬
fürsten und Spalatin 8 ) wenig Spielraum zu Seitensprüngen blieb,
») Cyprian II, 121, 124 f.
2 ) ZKG. XXV, 413 f.
*) Vgl. ZKG. XXV, 412 Anm. 1, 416 Anm. 2. Wahrscheinlich
läßt sich die Zeit der Verhandlungen während der aus dem Itinerar
des Kurfürsten bekannten Dauer seines Aufenthalts in Weimar von
Donnerstag, dem 26. Mai bis zum 30., Montag nach Rogate, noch ge¬
nauer festlegen. In der umfassenden Denkschrift vom Ende des
Jahres, in der die kurfürstlichen Räte die durch Miltitz dem Kur¬
fürsten übermittelten Drohungen der Knrie ablehnen mußten (Cyprian
II, 142—148. ZKG. XXV, 437 ff. Miltitziade S. 29 ff ), wird die an¬
gebliche schiedsrichterliche Kommission des Erzbischofs von Trier
ausgenntzt und daran erinnert, wie Miltitz bald nach der anfänglichen
Vorladung Luthers nach Koblenz sich dessen Kommen brieflich ver-
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In der schriftlichen Instraktion (etwa vom 16. Mai) x )
die Cajetan diktiert hat, wurde Miltitz angewiesen „vor allem“
bei dem Kurfürsten den Befehl zu erwirken, „daß in Kirchen
und Klöstern, sowie bei allen Versammlungen von Geistlichen
und Laien,“ (also auf den Kuralkapiteln und den Landtagen)
„beglaubigte (authentica) Exemplare der neuen Dekretale
über die Ablässe feierlich und verbindlich (cum effectu) be¬
kannt gemacht würden.“ Die Bulle selbst schrieb vor, daß
die zu diesem Zwecke verbreiteten Kopien durch die Unter¬
schrift eines öffentlichen Notars und das Siegel eines Prälaten
bekräftigt sein müßten 2 ): derartige Exemplare wurden dem
Nuntius also mitgegeben.
Dann sollte Miltitz die Bitte des Legaten um Gewährung
einer Zusammenkunft bei Frankfurt in Sachen der Kaiser¬
wahl vortragen; die weiteren Punkte, über die Miltitz münd¬
lich mit dem Kurfürsten verhandeln sollte, hatte Cajetan,
wie man dies bei einer ostensibeln Instruktion der besseren
Beglaubigung wegen zu tun pflegte, eigenhändig angedeutet:
„Über das Kommen Martins zu uns usw., wie wir verab¬
redet haben. Über die Ursache des Aufschubs (der Über¬
bringung) der Rose, wie wir gesagt haben.“ Schließlich
folgen Empfehlungen des Legaten an den Kurfürsten.
Die angedeuteten Erklärungen über Luthers Angelegen¬
heit, die Cajetan dem Kurfürsten zur Kenntnis zu bringen
wünschte, sind nun niedergelegt in einem Gutachten Miltitzens 8 ),
beten und sein demnächstiges persönliches Erscheinen beim Kurfürsten
zu mündlichem Bericht angezeigt habe; „also wäre er darnach un¬
gefährlich Freitags nach Vocem iucunditatis“ (= Sonntag Rogate)
zum Kurfürsten gen Weimar gekommen und habe diesem nebst
andern Schriften (besonders der Bulle „Cum, postquam“) einen
Brief des Erzbischofs von Trier gebracht, in dem dieser meldete, wie
der Kardinal und Miltitz ihn um gütliche Vermittlung ersucht
hätten usw. (p. 145). Dieses Datum, das uns auf den 3. Juni führen
würde, ist natürlich falsch, aber wahrscheinlich liegt nur ein Schreib¬
fehler vor, indem es heißen sollte: „Freitag v o r V. i.“; Miltitz wäre
also am 27. Mai in Weimar eingetroffen, so daß die Verhandlungen
am 28. und 29. stattgefunden haben.
*) Cjprian II, 115 ff.
*) Opp. var. arg. II, 431.
*) Cyprian II, 134 ff. Das darauf folgende Gegenbedenken Spa-
latins liegt in Cod. Goth. A. 337 vor.
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in dessen Eingang er sich an! einen Wunsch Friedrichs be¬
zieht, ihm darznlegen, „was in der Sache des päpstlichen
Stuhles und Herr Martin Lutters nützlich möchte erfanden
werden.“ Denn es gehörte zu den Gepflogenheiten der reichs¬
ständischen Diplomatie, der Gegenpartei die Vorschläge zu
einem Ausgleich zuzuschieben.
Diesmal stellt nun Miltiz klipp und klar als unerläßliche
Hauptbedingung voran, daß Luther sich vor der römischen
Kirche demütigen müsse, indem er alles, womit er ihr und
dem päpstlichen Rechte Abbruch getan habe, widerrufe; wenn
er dabei dreist hinzufügt: „wie wir denn unter uns kon-
kordierten und übereingekommen sind,“ so meint er damit
den zweiten Teil der Altenburger Abrede, bei dem Luther
freilich seine Überführung durch einen unparteiischen
Schiedsrichter zur Voraussetzung gemacht hatte.
Dem sachlichen Zusammenhänge nach schließt sich zu¬
nächst der fünfte Punkt an, indem in stillschweigender Anspie¬
lung auf Friedrichs Schreiben an Cajetan vom 18. Dezember 1518
darauf hingewiesen wird, daß Luther künftig nicht mehr be¬
haupten könne, er sei ungehört — „nondum cognita causa et
sufficienter discussa 1 )“ — verurteilt vorden. Denn der Papst
habe sich durch seine Schriften veranlaßt gesehen, eine
Dekretale abzufassen, in der Luthers Zweifel endgiltig behoben
würden, so daß er hinfort auf keine weitere Belehrung über
die Ablässe zu warten habe und nicht mehr seiner eigenen
irrtümlichen Auffassung zu folgen brauche. Der Nuntius
übergab gleichzeitig eine Kopie der Bulle, die dem¬
nach als Unterlage für den Widerruf dienen sollte. Aber
während in den Breven vom 23. August und 11. Septem¬
ber 1518 der Legat ermächtigt worden war, Luther nach
geschehener Unterwerfung wieder in den Schoß der Kirche
aufzunehmen und nach heilsamer Buße die völlige Wieder¬
herstellung seiner Ehre auszusprechen („ad famam honores-
que restituendi“) 2 ) verlangte er jetzt folgerichtig, daß, wenn
Luther, der zu seiner Halsstarrigkeiten dem delegierten
Richter gegenüber die Berufung an ein Konzil hinzugefügt
*) Opp. var. arg. II, 409.
*) Forschungen S. 58 f.
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hatte und dessen Absolvierung durch die neue Bulle dem
Papste Vorbehalten wurde, auch jetzt noch den Widerruf zu
beschwerlich finde, der Kurfürst ihm „auf ewige Zeiten“
das Predigen untersagen müsse. Diese Vollstreckung der
suspensio a divinis wäre eine tatsächliche Anerkennung
der längst eingetretenen excommunicatio latae sententiae
gewesen, und nach diesem ersten Zugeständnis hätte Friedrich
den Bemakelten auch an seiner Universität nicht mehr halten
können. Und auch wenn Luther sich nachträglich noch
zum Widerrufe entschlossen hätte, wäre es bei dieser Ab¬
machung gehlieben.
Es entsprach ferner nicht der von Miltitz sonst und auch
in den Formen dieser Denkschrift zur Schau getragenen hö¬
fischen Devotion, wenn er dann den Kurfürsten aufforderte
zu bedenken, ob er sich getraue Luther und seine Anhänger
auf die Dauer gegen die römische Kirche zu beschützen.
Nachdem also Friedrich den Forderungen des Papstes gegen¬
über schon zweimal die Auslieferung Luthers, dem Legaten
seine Ausweisung verweigert und sich notorisch der in dem
Breve vom 23. August 1518 den Gönnern Luthers angedrohten
Strafen schuldig gemacht hatte, ließ ihm der Legat hier mit
aller Schonung, die dem gegenwärtigen Thronkandidaten
des Papstes gebührte, zu Gemüte führen, wie die Macht des
Oberhauptes der Kirche der seinigen doch unzweifelhaft
überlegen sei: Miltitz mußte ihn an den Sieg Julius II. Uber
die schismatischen Bestrebungen Ludwigs XII. und Maximilians I.
erinnern, die mit der Absetzung von vieren der beteiligten
Kardinäle (24. Oktober 1511) und dem kläglichen Scheitern
des Konzils von Pisa geendet hatten *); nur daß der Nuntius
dabei nach seiner Art den Mund etwas zu voll nahm und
auch „Engelland, Schottland, Burgundia und ganz Italia“ als
gleichzeitige Feinde der Kurie aufzählte, auch von neun ab¬
gesetzten Kardinälen redete, deren „Statuen der Papst ver¬
brannt habe.“
Das Gegenbedenken Spalatins ist in aller Kürze her¬
anzuziehen, weil es vor allem beweist, daß diese Verhand-
J ) Pastor, Gesch. der Päpste III, 649 ff., bes. 683, wo eine Ver¬
brennung hölzerner BUder der Kardinäle, wie sie am 12. Juni 1521
mit einem Standbilde Luthers vorgenommen wurde, nicht erwähnt wird.
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langen noch während der Anwesenheit and Zuständigkeit
Cajetans geführt wurden, die mit der Kaiserwahl ihre End¬
schaft erreichte. Es war zunächst nur eine schwache Aus¬
flucht, wenn der Hofkaplan Friedrichs angesichts der Über¬
reichung der Bulle „Cum, postquam“ noch verlangte, daß
Miltitz den begehrten Widerruf bestimmt formulieren müsse,
da er ihn vielleicht in größerem Umfange fordern könne als
der Legat, der nach Luthers „Acta Augustana“ in der Ab¬
laßfrage nur den einen Satz angefochten habe, „daß das
Verdienst Christi der Ablaß sein sollte.“ Mit der Oberfläch¬
lichkeit, die das Korrelat seiner sonst so nützlichen An¬
passungsfähigkeit war, übersah Spalatin dabei, daß viel¬
mehr Luther es war, der die Gleichsetzung des Verdienstes
Christi mit den vom Papste kraft der ihm verliehenen Schlüssel¬
gewalt gespendeten Ablässen, die nur von zeitlichen Strafen
entbinden könnten, bekämpft hatte, *) und so ist es ihm mög¬
lich, kurzer Hand zu behaupten, daß Luthers Meinung mit
den Erklärungen der Dekretale über diesen Punkt völlig
im Einklang sei, so daß Miltitz sich auf die Bulle gar nicht
berufen könne.
Zutreffend aber fährt er fort, daß, wenn Luthers Wider¬
ruf auch den Nuntius befriedigen („besättigen“) sollte, doch
vermutlich der Legat oder andere weiter gehen würden: denn
einmal erinnerte er sich doch vielleicht, daß Cajetan schon
in Augsburg noch eine andere grundliegende Lehre Luthers,
die vom Glauben als der notwendigen Voraussetzung für den
heilbringenden Empfang der Sakramente, beanstandet hatte;
und dann bemerkte er, daß ja seit der Absendung Miltitzens
manche Veränderung in Luthers Standpunkt vor sich gegangen
und durch gedruckte Schriften belegt sei, die den Papst und
den Legaten zu entsprechenden Maßregeln veranlassen müßten,
wie das in erster Linie der zwischen Luther und Eck ent-
*) Köstlin-Kawerau, M. Luther I, 204, 207 {., 220 f. Einen
weiteren urkundlichen Beweis für die theologische Rückständigkeit
des sonst so nützlichen nnd fleißigen Hofkaplans, der sich keineswegs
von eigenem Wissensdurst getrieben, sondern im Aufträge des Kur¬
fürsten um die religiösen Unterweisungen Luthers bemühte, habe ich
ift der Miltiziade S. 31 Anm. 3 gegeben.
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brannte Streit Uber „das göttliche Recht“ des Papsttums } )
tatsächlich anch zur Folge hatte.
Die Forderung, Luther von der Kanzel fernzuhalten,
wies Spalatin, der in dieser Hinsicht der Übereinstimmung
mit seinem Herrn von vornherein gewiß sein durfte, unter
Berufung auf S. Paulus, 2. Tim. 2, 9 („das Wort Gottes ist
nicht gebunden“) zurück; die Drohung des Legaten aber
erklärte er für unstatthaft unter Hinweis auf das Hirten-
und Lehramt des Papstes, wie es S. Petrus und die ersten
heiligen Bischöfe von Rom verstanden hätten.
Nun hatte aber Miltitz es sich nicht versagen können,
auf seine vorwitzigen Machenschaften zuritckzukommen und,
wie er es schon im Herbst in Liebenwerda wieder versuchte,
auf seine Manier die Unterwerfung Luthers anzubahnen:
er bemerkte also, daß wenn Luther „alhie“ beim Kurfürsten
wäre, so hoffe er bei geeigneter Einwirkung Friedrichs von
Doktor Martinus eine Erklärung zu erlangen, die der Papst
mit einem „tolorari potest“ annehmen könne; vielleicht könne
man sich auch auf einen fremden, für Luther unverdächtigen
Richter einigen, der die Sache untersuchen solle. Er wagte
') Über diesen Kernpunkt des ganzen Streites verriet wieder
Miltitz bei der übrigens völlig belanglosen Unterredung mit Luther
in Liebenwerda (9. Oktober 1519) eine Unwissenheit, die man bisher
wohl ans überliefertem Respekt vor dem „Nuntius und Kammerherrn“
nicht gebührend hervorgehoben hat: Köstlin (M. Luther I, 264) er¬
wähnt nichts davon; Creutzberg schreibt nur die verworrene Über¬
setzung Spalatins (Cyprian II. 141) wörtlich ab, zitiert aber gerade
hier den lateinischen Bericht Luthers bei Enders II, 188. Danach
machte der mit kanonischem Recht offenbar nicht beschwerte Junker
Luthern von vornherein das Zugeständnis, daß der Papst die von ihm'
gegenwärtig beanspruchte Gewalt nicht kraft göttlicher Verleihung
besitze, doch sei sein Auftrag immerhin verschieden von dem der
übrigen Apostel; und als sich Luther nach dem Wesen dieses Unter¬
schiedes erkundigte, wußte der UnglückUche nichts weiter vorzubringen,
als daß die Vollmacht Petri sich auf einen andern Teil der Welt er¬
strecke, im übrigen sei es dieselbe wie die der andern Jünger. Er
meinte damit offenbar nichts weiter, als daß der Nachfolger Petri eben
tatsächlich von Rom aus die Herrschaft über die abendländische Kirche
ausübe. Auf diese Weise konnte er freilich hoffen mit Luther „der
Sache bald eins zu werden“. Es ist dies das einzige Mal, daß M. auf
eine der Streitfragen sachlich eingegangen ist, was von vornherein
nicht seines Auftrages war; dieser aber war damals schon erloschen.
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also den Trierer Erzbischof, dessen Mitwirkung Cajetan schon
wieder ausgeschaltet hatte, nicht mehr zu nennen, und er¬
leichterte es so dem Vertreter Friedrichs, diesen Vorschlag
als ganz aussichtslos bei Seite zu schieben und statt dessen
Luthers Anerbieten zu empfehlen, der sich der Prüfung und
dem Erkenntnis der vier Universitäten Freiburg, Löwen,
Basel und Paris oder eines Schiedsgerichts der gelehrtesten
Italiener, Franzosen und Deutschen unterwerfen solle. Dies
war natürlich für die Vertreter der Kurie derartig unan¬
nehmbar, daß Miltitz dem Legaten kaum davon Mitteilung
gemacht hat, wie Luther seinerseits die Ladung vor den
Trierer Erzbischof ohne vorherige Zustimmung des Papstes
als eine plumpe Finte mit bitterem Hohn zurückgewiesen
hatte. 1 )
Seiner Schlußbemerkung zufolge hat nun Spalatin die
Dekretale sofort an Luther übermittelt 3 ), der sich indessen
zu keiner besonderen Kundgebung veranlaßt sab, weil der Streit
gegen Born längst in ein neues Stadium getreten, er auch
mit den Vorbereitungen für die Leipziger Disputation be¬
schäftigt war; wie er am 30. Mai einem Ordensbruder mit¬
teilte, war der Druck seines Kommentars zum Galaterbrief
in Leipzig dem Abschluß nahe 8 ): in der nun erst nieder¬
geschriebenen Vorrede gönnt er dem Werke Cajetans eine
spöttische Erwähnung.
Die von dem Legaten vorgeschriebene Veröffentlichung
der Ablaßdekretale hat Miltitz auch im Herbst, als er bei
Übergabe der goldenen Bose in Altenburg die beiden Ab¬
laßbullen für die Wittenberger Schloßkirche publizierte,
nicht vornehmen dürfen, und so wird das an Luther weiter¬
gegebene Exemplar das einzige sein, das nach Kursachsen
gelangte. Die Kenntnis der abschließenden päpstlichen De¬
finition der Ablässe verdankt man also bis jetzt im wesent¬
lichen der Sorgfalt, mit der Luther dieses Aktenstück auf bewahrt
und den übrigen Denkmälern jenes weltgeschichtlichen Kampfes
: ) Luther an Spalatin, an Lang, beides vom 16. Mai, an Miltitz,
17. Mai. Enders II, 46, 51, 53 ff.
*) Vgl. die schnelle Beförderung des Schreibens Cajetans nach
Wittenberg an Luther, ZK(t. XXVII, 329.
*) Enders II, 63, 20.
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einverleibt hat. Die Bulle „Cum, postquam“ war, wie ein
katholischer Kirchenhistoriker *) urteilt, die Antwort auf
Luthers Appellation an den besser zu unterrichtenden Papst;
durch sie „wurde der theologischen Opposition gegen die
Wittenberger Reformlehre der Stempel der kirchlichen Or¬
thodoxie aufgedrückt.“ Ihr Verfasser hat dann aber auch
als delegierter Richter in Luthers Sache alles getan, was
in seinen Kräften stand, um die Vollstreckung des nun der
Öffentlichkeit gegenüber feierlich begründeten Urteils anzu¬
bahnen.
[Bl. j‘]
Copei? 5er Butten tmfers fyeili^iften
Patter 23at>ft Ceo 5es 3efyen5ten:
Port ftrafft 5es Hornigen 2tntla|:
2lu£ 6er matt mol ftnbett mirbt / bas etlidj piebig baruott
eingetrucffyt mit yrer befeftigung / itocfj etftten ftercffye
nocfy ber perg gro£ pttb ferner fyaben / fo fy burdj
bett anfcfyein ber marljayt fo gar lieberltcf}
5erflteffen pnb 5m ffjot merben / Vnb
nxdft artbers finiter yn laffen als
faulen geftancffy grauffa*
mer yerrung.
*) H. Laemmer, Die vortridentinisch-katholische Theologie des
Reformationszeitalters. Berlin 1858. S. 12 f. In einem Breve an die
Schweizer Kantone vom 30. April 1519, das der Nuntius Anton Pucci
wegen seiner Auseinandersetzungen mit Zwingli erwirkt hatte, ver¬
weist der Papst auf die beiliegende Bulle, die er aus Anlaß eines
ähnlichen Streites „inter aliquos theologos partium Alemanniae“ an
den Kardinallegaten Thomas gerichtet habe über die Gewalt des
Papstes bei Verleihung der Ablässe „juxta Romanae ecclesiae veram
definitionem“, die bei Strafe der excommunicatio latae sententiae
von allen beobachtet und gepredigt werden müsse. Der Papst erwartet,
daß die Eidgenossen solche Disputationen nicht anhören und „verae
determinationi S. Romanae ecclesiae et huius S. Sedis, quae non
permittit errores“, sich anschließen werden. Löscher, a. a. O. III,
925 f. Die Kurie hat also dem Inhalt der Dekretale den vollen Wert
einer endgültigen Entscheidung des höchsten unfehlbaren Lehramtes
beigemessen.
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[Unter dem Titel das prächtig in spätgotischem Stil gehaltene
Wappen Leos X.; der Schild mit den sechs Kugeln der Medici, in der
obersten der Reichsadler, überragt von der dreifachen Krone, dahinter
die gekreuzten päpstlichen Schlüssel mit Bändern. Der Holzstock ist
geschnitten worden in freier Nachahmung des Papstwappens Leos X.
wie es auf den offiziellen Drucken etwa der Bullen des V. Lateran¬
konzils erscheint, doch zeigt da die oberste Kugel drei Lilien, das
Wappen von Florenz.]
|B1. g*]
Eo pabst ein diener der diener gottes. Dem lieben
san Thome des titel sand Sixt zw dem allerliebesten
in Christo vnserm sun Maximilian erwelltem Kayser,
vnserm vnd des Römischen stuel Legaten hayl vnnd pabst-
5 liehen segen. So nach dem dein weißhait khomen ist in
Deutsche landt, ist an vnns gelangt, das etlich geistlich
auch zu predigen das wort gottes verornt, von dem antlaß
von vns vnd andern bapsten vnsern vorfodern von vnge-
denckhlicher zeit here gewonlich verliehen, olfenlich predigent
10 maniger menschen hertzen yrrung einpildent, das vns den
yn rechter erkhantnuß vil zw schwere und betrieblich was.
Haben wir yn anderm vnserm schreiben beuolhen deiner
weißhait von der wir vmb yr sonderliche lere vnnd yn wi-
richlichen Sachen erfarung sonderlich in Christo dem herren
15 vertrawen haben, befolhen das dw durch vnsern gewalt dy
ding die dan bestatung wirdig weren bestetten mechtest.
Aber dy ding die der warhait nit geleichen, auch so sy ge-
rett wurden von den dy da der Römischen kirchen lere
nachzuuolgen sich willig bekhenten, zuuerwerffen vnd ver-
20 damen vleiß ankherest. Vnnd das nicht hin für etwas vn-
wissenhait der leer der Römischen khirchen, die solichen
antlas vnd krafft des antlaß berueret, furschlag oder von
wegen solicher vnwissenhait sich entschuldig, oder mit ge-
dichter protestation sich behelfe, sonder das dy selbing
25 von gewisser lug als die strafflichen vberwunden vnd billich
verurteilt mogent werden. Haben wir vns furgenomen
dir zu verkhunden durch dise gegenwirtige geschrifft, das
dy Ro-[Bl. ij b ]mi8ch kirchen, der dan dy anndern als yrer
mutter schuldig sindt nach zu volgen. Hat in der lere ge*
80 geben das der vatter Babstain nachuolger Petri der himlischen-
schlisseltrager vnd Jesu Christi auff der erden stathalter in
macht der himelschlissel, welichen zu gehört auff zw thuen,
in abnemung der hindernuß der Christgelaubigen, das da ist
dy schuld vnd penn, die do gepurt den sondern aus aigem
35 willen volbracht. Die schlosset nemen ab die schuld durch
mittel des sacrament der pueß. Aber die zeitlich penn die
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nach gotlicher gereehtikhait gepuert den sundern des aigen
willen durch mittel des antlaß, mag verleichen antlaß auß
auifrichtiger vrsach der Christgelaubigen menschen dy do
sind gelider Christi in verainigunder lieb aintzwer sy sindt 40
in disem leben oder in dem fegfewr. Vnd das anß dem
vberflnssigen verdienen Christi vnd der heiligen, Auch yn
verleichung des antlaß auß Babstlichem gewalt den schätz
des verdienen Christi vnd der heiligen austailen als wol
für dy lebendigen als fwr dy totten, hat auch gewonhait 45
solichen antlaß mit zutailen in weiß der ablosung oder in
weis barmhertziger bilff den totten zuuerleichen. Ynnd darumb
alle als wol die lebentigen als die totten, die warhafftikhlichen
solichen antlaß erlangt haben, erledigen von so vill grosser
zeitlicher penn die nach Gotlicher gereehtikhait gepuert, 50
vmb yr aigenwillig sundt als vil da geleicht dem verliehen
vnd erlangten antlaß. Vnd durch gewalt des Römischen stuel
in lautt der dasigen geschrifft, entlieh verornen wir, das es
also schol von allen gehalten vnd gepredigt werden, pey
gefeitem vrtail der pen des grossen pann, von welichem 55
[Bl. iij a ] die dar ein khomen werdent, nit mogent entpunden
werden, von khaim andern als von dem heiligen vatter Pabst
ausgenomen tödliche notte. Vnnd das niemant von den vor-
geschriben dingen mog anziehen die vnwissenhait so gebietten
wir deiner weißhait, das dw alle vnnd ainen yeden sunderlich 60
Teutscher landt Ertzbischolff, Bischolff, vnnd ander aigensel-
trager, in krafft der heiligen korsam, vnd bey der pen der
enthaltfig von den gotlichen amptern, manest vnd in strengen
gebot gebietest das sy dise gegenwirttige geschrifft oder yer
gelaubhafftig abgeschrifft in der zeit dy in von deiner weißhait 65
auffgesetzet wirdt, verkhunden in yren khirchen so dar ynnen
die menig des volckh zw gütlichem dienst besambt wirdt.
Vnd bey vorgemelltem antlaß die obgeschriben ding halten
vnnd predigen sollen, bei geleicher pen, gefeiter vrtail des
grossen Pann. Vnnd niemant darwider yn ainigerlay weiß 70
ebengeleich oder frembt verporgen sich vermeß zu streben.
Nichtz weniger verleich wir dir in gegen wirttiger geschrifft, vol-
khomen vnd freyen gewalt, gerichtlich zu handeln, wider die tor-
stige vnd vngehorsamen, dy auch mit gepurlicher pen nach
deinem guettem bedunckhen zu straffen. Allso das khainerlay 75
die ding hindern soll. Vnd angesehen das es schwär were die
gegenwirttigen brieff zu bringen an all besunderbar stett do
es not were. Wellen wir vnd in eegemelltem gewallt entlieh
verornen wir, das yrer gelaubhafftiger abgeschrifft vnterschriben,
mit haudtgeschrifft aines offenbaren Notarij dar zu gepeten, 80
vnd besichert mit sigel aines Prelaten, oder ainer person in geist¬
licher wird bestellt, oder khirlichs hoff, [Bl. iij b ] gentzlich
solicher gelaub im gericht, vnd ausserhalb des gerichts vnd
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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anderswo geben werde, als diser gegenwärtiger geschrillt
85 so sy furgebracht vnnd gezaiget wurde.
Geben zw Rom bey sandt Peter in dem iar von der
menscbwerdung des herrn Tausent funffbundert achtzehen.
Quinto Idus Nouembris. In dem sexten iar vnnser pabstlichen
wirdt.
90 Bembus
Der Schreiber ist gewesen Albergatus
Registriert außwendig wonunt 1 )
bey mir Bembus.
Getruckt zw Wienn in Österreich.
95 Mit gunst vnd willen des gnedigiste
herü Bischoff daselbst.
[Bl. 4 weiß]
>) So! Der Notar beschreibt: „A tergo vero literarum apostoli-
carum praefatarum: Registrata apud me Bembum.“ Gemeint ist also:
„wohnend“ = verbleibend, zu finden bei... Bei der Seltenheit des
Druckes war zunächst eine diplomatisch genaue Wiedergabe notwendig.
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Original from
UNIVERSITY OF MICHfGAN
Mitteilungen.
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Aus Zeitschriften. 1 )
Allgemeines. Über den Konstanzer Ablaß von 1513 und
1514, über den seinerzeit Schulte (Die Fugger in Rom) ausführlich
handelte, bringt H. Bai er aus neu aufgefandenen Akten des bischöf¬
lichen Archivs einige weitere Nachrichten, die besonders für die Vor¬
bereitung des Ablasses nicht unwichtig sind; unter den Beilagen be¬
gegnet ein Verzeichnis der General- und Vizekommissare für den
Ablaß. ZGObrh. 65 (N. F. 26) S. 193—203.
Auf Grundlage der vatikanischen Dokumente, die im An¬
hang mitgeteilt werden, behandelt G. Brom den König Karl (V.) im
Jahre 1515 von P. Leo X. verliehenen Ablaß zur Herstellung der
verwahrlosten Dämme in den Niederlanden; in Wahrheit war es auf
Bereicherung des Königs wie des Papstes (der die Hälfte erhielt) ab¬
gesehen: De Dijk-aflaat voor Karei V., in Bijdragen en Mededeelingen
van het hist. Genootschap te Utrecht, 1911 S. 407—459.
Über „Wetterzeichen der Reformation nach Murners Satiren aus
der vorlutherischen Zeit“ handelt G. Schuhmann in RQuSchr. 25, 3
S. 162*—184*. Er gibt Auszüge aus Murner, die die sittlichen Schäden
der Zeit aufzeigen.
W. Köhler, Reformation und Mission, untersucht, weshalb
die Reformation auf dem Gebiet der Mission nicht förderlich gewesen
ist. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Reformatoren die Heiden¬
bekehrung, getreu dem Grundsatz „alles aus Gnaden“, Gott anheim¬
stellen, dem sie es überlassen, „Apostel“ zu erwecken; eine plan¬
mäßige Heidenmission wäre ihnen als Werkdienst erschienen. Schw.
theolZ. 28, S. 49—66.
Aus den Actis generalatus Aegidii Viterbiensis, die sich, aus
dem Archiv des Ordens ausgezogen, in einer von der K. Bibi, zu Berlin
kürzlich erworbenen engl. Hs. 18. Jh. befinden, gibt G. Kawerau
einige Extrakte von 1510—1518, die auf die Verhältnisse des Ordens
in Deutschland sowie die Anfänge des lutherischen Handels Licht
werfen. ZKG. 32, 4 S. 603-606.
*) Die Redaktion ersucht die Herren Verfasser höflich st um Zu¬
sendung einschlägiger Zeitschriftenartikel zur Anzeige an dieser Stelle.
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In The Biblical World 38, 4 S. 235—245 charakterisiert Pr. Smith
Erasmus, Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin als Bibelinter¬
preten, indem er hervorhebt, daß mit ihnen die Bibelkritik erst be¬
ginne; sie seien gleichsam die Vorläufer der modernen historischen Schale.
Im Nachtrag zum 32. Jahrg. d.Ges.f.d.Gesch.d, Prot, in Österreich
S. 73—91 verteidigt J. Bidio, „Zur Frage über das konfessionelle
Verhältnis der Brüderunität zum Luthertum w , seine in 2 tschechisch
geschriebenen Schriften entwickelte Ansicht, wonach die Brüderunität
von Anfang an den Reformierten konfessionell näher gestanden habe
als dem Luthertum, gegen J. Kvagala („Die Beziehungen der Unität
zu Flacius und Lasco w , im Jahrg. 30 und 31). Kva^ala bekennt sich
am Schluß als nicht überzeugt.
Aus der Autographensammlnng der Wiener Hofbibliothek teilt
0. Clemen einen Brief Kf. Friedrichs des Weisen an den Bischof
Bernhard Cleß von Trient, Rat Erzherzog Ferdinands, vom 16. August
1524 mit. Friedrich äußert sich hier über seine Stellung zur Refor¬
mation, aber mit der ihm eigenen absichtlichen Unbestimmtheit.
NASG. 32 S. 136—138.
W. Stolze, Zur Gesch. der 12 Artikel, würdigt die ein¬
schlägigen Arbeiten von A. Peters und H. Böhmer (vgl. diese Ztschr. VIII
S. 219), gegen deren Ergebnisse er verschiedene, formale und sach¬
liche Bedenken geltend macht: HZ. 108, 1 S. 97—104; er kündigt
dabei eine eigene Arbeit über Hnbmeier an.
W. Müller teilt eine Eintragung in ein auf der Darmstädter
Großh. Bibliothek befindliches Exemplar der Weltchronik Hartmann
vSchedels (1493) mit, wonach das Exemplar in der Schlacht von
Pfeddersheim (24.—25. Juni 1525) von Eberhard Schenck von Er¬
bach den geschlagenen Bauern abgenommen wurde, die es anscheinend
bei der Plünderung des Augustinerklosters in Großfrankenthal (zwischen
Speier und Worms) geraubt hatten. „Vom Rhein“ X (1911) S. 49 f.
In der ZHV. Niedersachsen 1911, S. 119—135 behandelt Roscher
— etwas dilettantisch — das Ünternehmen Kf. Moritz’ von Sachsen
gegen das in Verden stehende Mansfeldische Kriegsvolk (1550 Dez.
bis 1551 Januar); er sieht darin eine wichtige Etappe auf dem Wege
M.s nach Passau.
W. Platzhoff, Eine deutsche Brautwerbung für K. Heinrich HI.
von Frankreich i. J. 1574 (= ZVhessG. 45 S. 202—212) behandelt nach
Marburger Akten einen Versuch Katharinas von Medici, durch Ver¬
schwägerung mit einem deutschen protestantischen Hause die pro¬
testantische Partei in Deutschland zu schwächen. Daß Lf. Wilhelm
von Hessen diesem Bestreben einigermaßen entgegenkam, ist kein
Ruhmesblatt für ihn.
Biographisches. „Romae wolt meum avum ex purgatorio
erlösen, gieng die treppen hinauf Pilati, orabam quolibet gradu pater
noster. Erat enim persuasio, qui sic oraret, redimeret animam; sed in
fastigium veniens cogitabam, quis seit an sit verum!“ Diese alle
Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 2. 12
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Merkmale der Zuverlässigkeit tragenden Worte Luthers über sein
Erlebnis auf der Pilatustreppe in Rom teilt G. Buchwald
aus einer noch nngedruckten Predigt L.s, die er auf der Zwickauer
Ratsschulbibl. fand, in ZKG. 32,4 S. 606 f. mit, zugleich als eine
bündige Widerlegung der leichtfertigen Darstellung bei Grisar I S. 24f.
Im 2. Teil seiner „Ausschnitte aus dem Leben des jungen
L u t h e r u setzt sich 0. Scheel mit Grisar über dessen Dar¬
stellung von Luthers Verhältnis zu den Observanten (von denen er
angeblich zu Spalatin und den Konventualen abgefallen sein soll, was
dann gewissermaßen der erste Schritt auf dem Wege fort von der
Kirche gewesen sei) sowie über die Örtlichkeit des „inneren Erleb¬
nisses“ Luthers im Wittenberger Kloster in minutiöser, durchschla¬
gender Kritik auseinander, nach deren Ergebnis er sich zu dem Aus¬
spruch berechtigt fühlt, daß Grisar „das Wichtigte nicht gelernt habe,
nämlich historische Fragen historisch zu behandeln“. ZKG. 32, 4
S. 531—571.
P. Kalkoff behandelt als Nr. 6 seiner neuen Forschungen zu
Luthers römischem Prozeß „Luthers Rechtfertigung und Widerklage“
gegenüber den Machinationen der Dominikaner nach der Heidelberger
Disputation. ZKG. 32, 4 S. 572—595. Den Schluß der Studie bringt
Bd. 33, 1 S. 1—66; als Endergebnis bezeichnet es K., daß die
schonungslose Verfolgung durch die Dominikaner und seine von diesen
eiligst betriebene Prozessierung Luther zu der von ihm zunächst
mehr geahnten als gewollten Reformation im Gegensatz zur Papst¬
kirche vorwärts getrieben habe.
In „Luthers Stellung zur Inkorporation und zum Patronat
1522 bis 1525 u polemisiert U. Stutz gegen die Auffassung K. Müllers
(Kirche, Gemeinde und Obrigkeit nach Luther) von Luthers Äuße¬
rungen über die Inkorporation aus Anlaß des Altenburger Streites von
1522. Nach Stutz vertritt L. hier die Anschauung, daß die Stadt¬
pfarrkirchen den Bürgerschaften deshalb gehören, weil sie sie erbaut
haben und die Baulast tragen. Z. Sav. Stift, f. Rechtsgesch., kanon.
Abt. I S. 309-313.
L. Cristiani beschäftigt sich in RQH. 90 (N. S. 46), Liefer. 180
S. 470—497 in anregender Weise mit den Tischreden Luthers,
und zwar zunächst nach ihrer Entstehung, indem er die erste Ausgabe
durch Aurifaber und die neuen Entdeckungen an Tischreden sowie
die verschiedenen Sammler charakterisiert; ein zweiter Artikel soll
sich über die der Wissenschaft durch die Tischreden gestellten Auf¬
gaben auslassen.
Ein Vortrag von Theobald über die Bedeutung des kleinen
Katechismus Luthers für die innere Bildung des deutschen Volkes
ist abgedruckt in NkirchlZtschr. 23,2 S. 89—107.
ln dem alten Einbanddeckel des Jenenser Univ.-Bibl.-Exemplars
des Lufftschen Quartdruckes des N. T. von 1540 hat 0. Albrecht von
Rörers Hand eine Abschrift des Lutherliedes: „Was fürchtstu
Feind Herodes sehr“ gefunden, die er als die älteste Fassung des
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Liedes nachweist; vielleicht hat Luther Rörer das Lied diktiert; das
beigeschriebene Datum des 12. Dez. 1541 bezeichnet wohl sicher den
Tag der Dichtung des Liedes. Mitgeteilt und erläutert in ThStK.
1912, 2 S. 287—303.
E. Fr. Fischer, Zum Schicksal lutherischer Gedanken im
16. Jahrhundert (Nkirchl. Ztschr. 22 S. 719—737; 745—760), sucht, an-
knüpfend an Tschackerts „Konkordienformel 1580“, nachzuweisen, daß
in der Lehre vom Glauben wie von der Prädestination die Gedanken
Luthers in der 2. Hälfte 16. Jahrh. zwar nicht unverändert geblieben
seien, aber doch ihrem Kern nach sich behauptet haben.
E. Koerner, Zur Liturgik der Reformatoren (= Nkirchl.Z.
22 , S. 761—796), erörtert an der Hand der Schriften des Erasmus Alber
dessen liturgische Bestrebungen, d. i. seine Ansichten über Zeit des
Gottesdienstes, Kirchenschmuck, Priesterstand, Sakramente, Gottesdienst¬
ordnung, Erstkommunion, Gesang und Zeremonien usw. Alber lehnt
sich, in scharfem Gegensatz nicht nur zu Rom, sondern auch zu den
„Schwärmern“, durchweg an die Ideen und die Praxis Luthers an.
H. Ammann beendigt seine Arbeit über Gregor An ge rer von
Angerburg B. von Wiener-Neustadt in Forsch, u. Mitt. z. G. Tirols cet.
VIII, 4 S. 304-319 durch Mitteilung von Angerers, meist von Kirch-
mair abhängigen historischen Aufzeichnungen 1521—1526 (vgl. ds.
Ztschr. VIII S. 413).
0. Clemen druckt in ThStKr. 1912, 1 S. 129 — 139 aus dem
Hauptstaatsarchiv in Dresden eine noch unedierte, bei Seidemann er¬
wähnte Streitschrift des sächsischen Pfarrers Franciscus Arnoldi gegen
Luthers Schrift von der Winkelmesse und Pfaffenweihe mit einleitenden
Erläuterungen über das Verhältnis Arnoldis zu Hz. Georg von
Sachsen ab.
Einen anon. Bericht über das Regensburger Religionsgespräch
von 1546, in Letters and Papers, Henry VIII, vol. XXI, 1 (1908)
Nr. 501, weist A. Hasenclever aus inneren und äußeren Gründen
Bucer zu; der Bericht stellt danach das älteste publizistische Zeugnis
eines Teilnehmers dar: ZGObrh. 65 (N. F. 26) S. 491—500. — Derselbe
teilt ebenda S. 715—718 aus seinem Besitz einen poetischen Nachruf
Sleidans auf Bucer (30 Zeilen) mit.
8 Briefe des Nürnbergers Hieron. Besold (1520 — 1562), Tisch¬
genossen Luthers, aus Wittenberg 1541 und 1542, an Veit Dietrich
in Nürnberg veröffentlicht G. Kawerau aus Knaakes, jetzt im Besitz
von 0. Albrecht-Naumburg befindlicher Abschrift eines „Manuscriptum
Thomasianum“, das zahlreiche Briefe aus Dietrichs Nachlaß enthielt.
Die Briefe betreffen die Vorgänge und Verhältnisse in Wittenberg,
Literarisches usw. BBK. 18 S. 38—47; 81—89; dazu S. 89f. eine „An¬
frage“ 0. Clemens in betreff der in den Briefen erwähnten Schrift des
G. Bucoldianus über die „Hungerkünstlerin M. Weiß in Speier“.
K. Francke, Erasmus als Denker und Künstler, betrachtet
E. als Haupt-Repräsentanten der den deutschen Humanismus charakte¬
risierenden Verstandeskultur, und zeigt, wie E. gleichwohl in dem Lob
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der Narrheit und den Vertrauten Gesprächen aus seiner rein intellek¬
tuellen Betrachtung des Lebens heraus wahre Kunstwerke von dauernder
Bedeutung zu schaffen vermocht hat. Internat. Monatsschrift, I Heft 3
(Dez. 1911), S. 270—292.
Vermischte urkundliche Beiträge zur Geschichte Hz. Georgs von
Sachsen (1490—1538) aus dem Bautzen er Stadtarchiv veröffentlicht
in Regestenform P. Arras (NLaus. Mag. 87 S. 280—294); mehreres betrifft
Klosterangelegenheiten.
Eine poetische Grabrede auf Hz. Georg von Sachsen, die eine
eingehende Charakteristik dieses darbietet, teilt 0. Clernen in NASG. 32
S. 138—141 aus einem Wolfenbütteler Druck von 1540 (auf der Wiener
Universitätsbibi.) mit.
Th. Henner führt in einem Vortrag, der sich z. T. auf die Er¬
gebnisse eines Aufsatzes von M. Lenz über Florian Geyer (1896)
stützt, die Bedeutung Geyers und seiner angeblichen „schwarzen Schar“
für die Würzburger Kämpfe im Bauernkrieg auf ihr richtiges Maß
zurück und gibt über den Ausgang Geyers zuverlässige Mitteilung.
Archiv HV. Unterfranken 52 S. 181—193.
St. Ehses veröffentlicht in RöQuartalschr. 25, 2 S. 126*—129*
eine von ihm in Bibi. Pia 198 (Vat. Archiv) neben anderen Akten
gefundene, bisher unbekannte Denkschrift, die Bischof Joh. Fabri von
Wien 1539 dem Papst übersandte, um ihn zur Abhaltung des Konzils
zu mahnen.
Zur Familiengesch. des Breslauer Reformators Joh. Heß bringt
E. Fuhrmann in Schles.Geschichtsbll. 1911, 1 S. 9—13 Material über
die beiden Ehen H.s bei, worüber bisher Unklarheit geherrscht hat.
Zwei Verfügungen der Kff. von Sachsen zugunsten des Justus
Jonas, von 1528 und 1537, und eine Melanchthon betreffende Kauf-
urkunde von 1533 teilt F. Bode aus einem Dresdener Kopialbuch aus-
züglich mit. Thür.-Sächs. Z. f. Gesch. u. Kunst I, 2 S. 263f.
A. Nägele verfolgt in Rö.Quartalschr. 25, 2 S. 83*—109* und
139*—161* das Leben des Daniel Mauch (vgl. ds. Ztschr. VIII S. 415)
weiter von 1525 bis zu seinem Tode 1567. M. war verschiedentlich
in der Umgebung Campeggis, über ein Jahrzehnt Sekretär des Bisch.
Georg von Brixen, endlich seit 1545 Domscholaster in Worms; zum
Priester ist er nie geweiht worden. Beigegeben ist der Briefwechsel
M.s mit Wolfgang Rychard in Ulm.
E. Kroker behandelt in Schrr. Ver. f. d. Gesch. Leipzigs X S. 113
bis 126 „Anekdoten Melanchthons und Leipzig“. Es handelt sich
um allerlei Erzählungen, Berichte, Urteile, Erinnerungen — vielfach
aus der Gelehrtengeschichte, auch allgemeingeschichtlichen oder geo-
graphischenlnhalts, in Anknüpfung an Bibelsprüche usw. —, die Melanch¬
thon in seinem Kolleg vorzutragen liebte und die dann von eifrigen
Schülern nachgeschrieben und gesammelt wurden, also gleichsam ein
Gegenstück zu Luthers Tischreden. In Anknüpfung an eine Hs. dieser
„Anekdoten“, die der Leipziger Stadtbibi, gehört, teilt K. Beispiele mit
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und zeigt, wie diese eigenartige, unter Umständen recht ertragreiche
Geschichtsquelle nutzbar zu machen ist.
Thomas Münzers Briefwechsel während seines Aufenthalts in
Mühlhausen (1524 Aug.—1525 Mai) verzeichnet R. Jordan; dazu druckt
er die im Marb. St.A. beruhenden beschlagnahmten „Akten Th. Münzers
usw. u (Küch, Polit. Archiv I, 141 f.), soweit noch unveröffentlicht, ab
(1525 Mai 6—14): Mühlh. Geschichtsbl. XII S. 26—42. — Der näm¬
liche entnimmt ebenda S. 133 einer Eintragung in einem Exemplar des
Sleidanus die Namen des Ritters, der Münzer gefangen nahm, und seines
Knechtes (Otto von Eppe u. Schroffell von Waldeck).
Aus kürzlich von der Hzl. Bibi, in Gotha erworbenen Autographen
teilt R. Eh wald eine von Mutian ausgestellte Quittung über eine an¬
sehnliche Schenkung des Kf. von 1526, wenige Tage vor seinem Tode,
und einen Brief des Friedr. Myconius von 1542 an Kf. Johann
Friedrich zugunsten der 1524 begründeten Schule im Augustinerkloster,
der Vorstufe des Gymnasiums zu Gotha, mit: Mitt.Vereinig.f.Goth. G.u. A.
1911 S. 43-47.
Eine Übersicht über das Leben des aus Nordhausen gebürtigen
Kurialisten Johannes Sander (1455—1544) gibt nach einer hsl. Familien¬
geschichte K. Meyer in Thür. Sächs. Z. f. Gesch. u. Kunst II, 2 S. 272
bis 274. Sander, der u. a. zur Anima-Bruderschaft gehörte, war bei
dem Neubau der Animakirche (1503—1511) tätig.
Aus dem Nachlaß des leider inzwischen verstorbenen Pfarrers
G. B e r b i g bringt die Nkirchl.Z. 23,3 S. 250—260 weitere „S p a 1 a t i n i an a“,
die den Neudeckerschen Mss. auf der Hzl. Bibi, zu Gotha entnommen
sind. Es sind 9 Stücke aus Sept. bis Dez. 1525, die vorwiegend die An¬
gelegenheiten des Kapitels zu Altenburg betreifen.
Das Leben und die Schriften des Johann Spreter aus Rottweil,
der, seit 1526 dem Evangelium gewonnen, unter den Förderern der
Reformation in Konstanz erscheint, später die Pfarrei Trossingen inne¬
hatte und zahlreiche reformatorische Schriften (leider auch mehreres
über Hexenwesen im Sinne des Malleus) veröffentlichte, behandelt auf
Grund alles erreichbaren gedruckten und hsl. Materials G. Boss er t
in Bl.f.WKG. 1911 S. 103—125.
Dr. Eberhard Weidensee 1486—1547, ein „Reformator
2. Ranges“, der als tatkräftiger Gesinnungsgenosse Luthers in Nord¬
deutschland eine vielseitige Tätigkeit — in Halberstadt, Magdeburg,
Hadersleben, endlich als Superintendent von Goslar — entfaltet hat,
wird von (f) P. Tschackert in NStGThK., Stück 12 (VIII, 104 S.) auf
Grund der Bestände der Stadtarchive von Goslar und Magdeburg und
anderer Quellen gewürdigt, unter Beigabe von Bibliographie und
Fundortverzeichnis der Schriften Weidensees.
Brehm handelt über das Leben und die Schriftstellerei des
Propstes Melchior Zanger von St. Moritz in Ehingen a. N. (f 1603);
Z. ist u. a. Vf. einer Schrift gegen Luthers Bibelübersetzung (gedr.
März 1605): Schwäb. Archiv 29, 3 S. 33—39; 4 S. 53—59.
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Territoriales. Das im Ulmer Stadtarchiv liegende Proto¬
koll über die Einladung der Stadt Ulm zum Trienter Konzil nebst
dem päpstlichen Einladungsschreiben vom 13. Dezember 1560 und die
Antwort der Stadt (26. Mai 1561) wird im Schwäb. Archiv 29, 5 S. 78
bis 80 mitgeteilt.
Die Gegenreformation zu Biberach von 1546—1618 nach den
Akten des kathol. Pfarrarchivs behandelt in kurzem Überblick Bummel
in Schwäb. Archiv 29, 2 S. 17—22; 3, 39—44.
Nach Akten des Augsb. Stadtarchivs behandelt in BBK. 18 S. 129
bis 141 F, Koth einen „seltsamen Wiedertäuferprozeß in Mittel¬
schwaben“ von 1530. Es handelt sich um Weiterungen, die un¬
bedachte Angaben eines gefangenen Wilderers nach sich zogen.
0. Clernen teilt in BBK. 18 S. 124—128 aus Druck der
Zwickauer Ratsbibi, ein unbekanntes Totentanzgedicht von 1517 mit,
das ein aus Rothenburg a. T. stammender Poet, Andreas Seiden¬
schwanz, verfaßt und dem Rat seiner Vaterstadt gewidmet hat.
Streitigkeiten zwischen den Gnesiolutheranern in Weißenburg i.N.
und den philippistisch gerichteten Geistlichen in Brandenb.-Ansbach
1564 und 1573 behandelt K. Schornbaum in BBK. 18 S. 97—110
unter Mitteilung einer Eingabe der Philippisten an den Mfen. aus dem
Nürnb. Kr.-A.
Im 58. Jahresber. des HV. f. Mittelfranken S. 120—130 teilt
K. Schornbaum Bruchstücke aus dem Briefwechsel des (ehemal.)
Ansbachischen Kanzlers Georg Vogler (von 1536 und 1540) mit.
Der noch im 18. Jahrh. gesammelt vorhanden gewesene Briefwechsel
V s ist jetzt zerstreut, einige Reste bewahrt die Ulmer Stadtbibi. —
Der Nämliche veröffentlicht ebendort S. 130—136 einzelne Briefe des
Ansbacher Stadtpfarrers Georg Karg 1549 und 1558, dessen Brief¬
wechsel (im Besitz des HV. v. Mittelfr.) er zur Herausgabe vorbereitet;
und handelt S. 136 f. über den von Bischof Konrad v. Würzb. 1528
gefangen genommenen Priester Friedr. Pretscher, für dessen Frei¬
lassung sich Mf. Georg vergebens verwandte.
Den Bericht des Muggendorfer Pfarrers Leipold an seinen
Dekan v. J. 1583 teilt aus späterer Abschrift Bickel in BBK. 18
S. 110—120 mit. Der Bericht L.s schildert eingehend die kirchlichen
Zustände in seiner Pfarre und sein kirchliches Walten.
Eine poetische Beschreibung des ehern. Jungfrauenklosters
Himmelskron bei Kulmbach von dem lutherischen Pfarrer Loer zu
Meikendorf v. J. 1559 veröffentlicht aus der Urschrift das AfG.u.A.v.
Oberfranken 24, 3 S. 1—20.
Seinem Aufsatz zur Gesch. des Bauernkrieges in Baden (vgl.
ds. Ztschr. 8 S. 417) fügt G. Bossert noch einige Notizen nach, die
in die Gegend von Pforzheim und Bretten führen. ZGObRh. 65
(N. F. 26) S. 544—546.
Den Abdruck der Visitationsberichte aus dem Bist. Straß bürg
i. 16. Jahrh. (vgl. ds. Ztschr. VIII S. 417) beendigt K. Haber in ZGObRh.
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65 (N. F. 26) S. 501—543, 573—598 unter Beigabe eines Orts- und
Personenregisters.
Unter dem Titel „Antitrinitarisches aus Nassau“ untersucht
K. Pagenstecher die Berührungen des Grafen Johann des Älteren
von N.-Dillenburg und seiner Theologen mit antitrinitarischen Ele¬
menten, wie Erasmus Johannis und insbesondere Mathias Vehe,
über deren Schicksale und Ansichten wir dabei Näheres erfahren. Mit
6 archival. Beilagen aus den Archiven von Wiesbaden und Aurich.
Ann.V.Nass.Alt. 41, 4 S. 97—119.
In den Friedberger Geschichtsbll. 3 S. 55—59 handelt F. Dreher
kurz über einen mißglückten Aufstandsversuch der Friedberger
Bürger vom 27. April 1525 und die Bestrafung der Rädelsführer;
ebenda S. 60—62 bespricht R. Schäfer Melanchthons Eingreifen in
die Friedberger Schul Verhältnisse 1545 auf Ersuchen des Burggrafen
Joh. Brendel von Homburg.
Die soziale und wirtschaftl. Gliederung der Bevölkerung Erfurts
in der 2. Hälfte 16. Jabrh. betrachtet A. Loffing in MittVGErf. 32
S. 131—240. Er richtet sein Augenmerk auf dio Volkszahl, die
Gliederung der Bevölkerung nach Beruf und Stand und die wirtschaft¬
liche Lage der einzelnen Berufsklassen, im wesentlichen auf Grund
des „Vorrechtsbuchs“ von 1569. U. a. begegnen 7 Pfarrer, 1 Lizentiat,
23 Magister und 19 Doktoren.
Die ostwärts gerichteten Kriegszüge des sog. Mühlhäuser
Haufens unter Pfeifer und Th. Münzer, die ihrem Zug ins Eichsfeld
vorauf gingen, schildert R. Jordan auf Grund der Urkunden, aus denen
vielerlei Einzelheiten mitgeteilt werden, in Mühlh. Geschichtsbl. XII
S. 47—92.
Die Sequestration der geistlichen Güter in den Landkreisen
Meißen, Vogtland und Sachsen 1531—1543 behandelt in ein¬
dringender, instruktiver Weise A. Hilpert in MittAV. Plauen i. V . 22
S. 1—136. Diese Sequestration bildete die Vorstufe zum Übergang
des geistl. Besitzes an den Kurfürsten und zu ihrer Veräußerung für
Rechnung des letzteren, der aber die eingehenden Summen und die
Erträge der unveräußerten Güter zum erheblichen Teil den Zwecken
des neuen evangelischen Kirchen- und Schulwesens zugewandt hat.
Hilpert lehrt die Verhältnisse kennen, aus denen der Gedanke an
Sequestrierung erwuchs, schildert deren Verlauf und gibt dann sehr
ausführliche Mitteilungen über Besitz und Einkommen der einzelnen
sequestrierten Klöster sowie über die Neueinrichtung und die Ver¬
sorgung der Klosterpersonen; endlich faßt er die finanziellen Ergeb¬
nisse der Sequestration ins Auge: alles, wie sich versteht, auf Grund
der reichen Bestände des Weimarer Archivs.
In den Geschichtsbll. f. Magdeburg 46, 1 S. 59—102 gibt
M. Riemer eine Zusammenstellung der Geistlichen des Kreises Neu-
haldensleben von der Ref. bis 1850 unter kurzer Mitteilung alles
dessen, was über die einzelnen bekannt ist, hauptsächlich nach den
alten Konsistorialakten, dem sog. Kultusarchiv des Magdeb. St.A.
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Im Jahrb. f. KG. des Hzt. Oldenburg 20 S. 128—145 gibt
G. Rüthning allerlei Notizen aus verschiedenen Quellen zur Gesch.
der Ref. in den einzelnen Kirchspielen des Landes, als Ergänzungen
zu dem Werke „Die Prediger des Hzt. Oldenb. seit der Ref. w .
Über die landesherrlichen Einkünfte (in Schleswig-Holstein)
im 16. Jahrhundert handelt auf Grund von Registern und Berech¬
nungen, die bei den verschiedenen Landesteilungen aufgestellt wurden,
R. Hansen in Z.Ges.Schl.H.Gesch. 41 S. 214—272; bei den späteren
Einkommensberechnungen fallen die mittlerweile säkularisierten Klöster
stark ins Gewicht.
Zur Pommerschen Reformationsgeschichte bringen die Bal¬
tischen Studien N. F. XV (1911) 2 beachtenswerte Beiträge: 1. S. 77
bis 142 beendigt E. Bütow seine Abhandlung über „Staat u. Kirche
in Pommern im ausgehenden Mittelalter“ (vgl. ds. Ztschr. VHI S. 225).
Er behandelt hier die Stellung des Herzogs zum Klerus (Besetzung
der Kirchenämter, politische Ansprüche des Staats an die Geistlichkeit;
herzogl. Aufsichtsrecht über die Kirche) und zur geistlichen Gerichts¬
barkeit; der Schluß betrifft Staat und Kirche während der Einführung
der Ref. (1520—1534). Als Hauptergebnis bezeichnet B. den Nach¬
weis, daß die Begründung der ev. Landeskirche in P. nicht sowohl
mittels Bruches mit der Vergangenheit als nach allmählicher An¬
kündigung und Vorbereitung durch Weiterbildung erfolgt sei. —
2 S. 1—76 behandelt K. Schröder auf Grund des Urkunden¬
materials „Pommern und das Interim“, wobei er zeigt, daß die Unter¬
werfung der Herzöge unter den Willen des Ks. eine wesentlich for¬
melle war, die die Hauptpunkte nicht berührte. Die Hze. haben die
Wiedereinführung des kathol. Gottesdienstes nicht nur abgelehnt,
sondern auch, durch ihre Mitwirkung zur Wahl des ev. Martin Weiher
zum Bischof in Kammin, zu verhindern beigetragen. Der Abhandlung
folgen 12 archivalische Beilagen.
Aus den ausführlich erhaltenen Materialien über die Stettiner
Kirchen- und Schulvisitation von 1573 druckt M. Wehrmann in
Balt. Stud. N. F. 15 S. 153—181 „zunächst“ die wichtigeren Stücke ab,
die sich auf die Schulvisitation beziehen, wobei W. hervorhebt, daß
dem rechten Gedeihen des Schulwesens besonders die Zwitterstellung
der Schule zwischen der Stadt- u. der Kirchenverwaltung im Wege stand.
Über das polnisch geschriebene Werk IgnatzWarminskis
über die beiden ältesten posenschen Reformatoren Andreas Samuel
und Johann Seklucyan macht K. von Miaskowski dankenswerte
Mitteilungen in den Histor. Monatsbll. f. Posen 12 S. 148—154.
In Posen ums J. 1600 auf geführte Jesuitendramen, die sich in
einer Hs. der Univ.-Bibl. zu Upsala finden, behandelt 0. Wieselgren
in Histor. Monatsbll. f. Posen 12 S. 33—40.
Die Geschichte der unitarischen Gemeinde in Meseritz - Bobel-
witz, die bis auf die Reformationsepoche zurückführt, schildert — mit
urkundl. Beilagen — Th. Wotschke in ZHG. Prov. Posen 26, 2
S. 161—223.
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Einen Erlaß des Braunsberger Rates zur Verhütung von
Unfrieden zwischen Jesuitenschülern und Handwerksgesellen von 1569
teilt P. S i m s o n aus Abschrift des Ratsarchivs von B. in ZGA. Erm-
lands 18,1 S. 168—170 mit; in jenem schlechten Verhältnis zwischen
den Ordensleuten und den Bürgern kam deren Abneigung sowohl gegen
die unter den Schülern stark vertretenen Polen, wie gegen den Orden
selbst zum Ausdruck.
Ansland. Als Nachtrag zum Jahrb. Ges. Gesch. Prot. Österr.
Bd. 32 geben G. Loesche und G. A. S k a 1 s k y die übliche Lite¬
rarische Rundschau über die den Prot, in Österreich betreffenden
Veröffentlichungen des Jahres 1910 (S. 1—71).
„Beiträge“ zur Geschichte Erzbischofs Wolf Dieterich von Rai-
tenau von Salzburg (geb. 1559, Erzb. von 1587—1612) gibt, anstatt
einer ausführlichen Geschichte dieses Prälaten, F. Martin in Mitt.
Ges. Salzb. LK. 51 (1911) S. 209—336. Er behandelt auf archivalischer
Grundlage Herkunft und Vorleben; Bautätigkeit; Verhältnis zur
Gegenref. und Streit mit B. Sebastian von Chiemsee; Familie.
Die Unterwerfung des utraquistischen Prager Administrators
Heinrich Dworsky (Curius) von Helfenberg unter den katholischen
Erzb. A. Brus 1572 behandelt A. Kröß in ZKTh. 34, 4 S. 702-712
zugleich mit dem, was sonst über Dworsky den Quellen zu entnehmen
ist. Für seine Person scheint D. damit aufrichtig gewesen zu sein.
A. Waldburger, Zwingli exclusus, zeigt die grobe Leicht¬
fertigkeit, mit der F. Rüegg in ZSchr.KG. 2 (1908) Zwingli mit dem
Makel einer Exklusion seitens der Universität Wien ans schwerer Ver¬
fehlung zu behaften versucht hat. Ist es schon durchaus unsicher, ob
nicht das Wort „exclusus“ in die Wiener Matrikel von späterer Hand,
vielleicht der eines Feindes des nachmaligen Reformators, hinzugefügt
ist, so nötigt nichts, falls die Ausschließung wirklich stattgehabt, da¬
für schwerwiegende, am wenigsten Z. moralisch belastende Anlässe
anzunehmen. Schw. theol. Z. 28 S. 39f., 89—94, 134—140, mit Nach¬
trag 181—184.
Den in der zwischen R. Steck und G. Schuhmann über die Berner
Disputation von 1528 schwebenden Kontroverse (vgl. ds. Ztschr. VIII,
226 und 419f.) erwähnten Brief des Jacobus Monasteriensis druckt
R. Steck mit angehängter Übersetzung und eingehender Würdigung
ab, in der er zeigt, daß kein Grund vorliegt, wie von gegnerischer
Seite versucht worden ist, den Brief, der aus dem katholischen Heer¬
lager stammt, aber für die katholische Sache ungünstig ist, für eine
Fälschung zu erklären oder, wie Schuhmann versucht hat, W. Capito
als Verf. anzunehmen. Schweiz, theol. Z. 28 S. 193—214.
Im Jahrb. f. Schweizer. Gesch. 36 S. 215—344 gibt E. Bähler
ein Lebensbild des bemischen Staatsmanns Nikolaus Zurkinden
(1506—1588). Nach kurzer Darstellung der Jugendjahre und der
Betätigung Z.s im heimischen Staatsdienst verfolgt B. eingehender
die Beziehungen des Berners zu hervorragenden Zeitgenossen, wie
Musculus, Bucer, Zwingli, Farel, besonders aber Calvin, Beza, Curio.
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Castellio an der Hand der mit ihnen geführten Korrespondenz Z s, die
teils in Druckwerken, wie den Opera Calvini, vorliegt, teils aber nur
handschriftlich vorhanden ist, wie die Korr, mit Beza in einem Gothaer
Codex, anderes in der Simlerschen Sammlung in Zürich nsw.
In RH. 108, 2 S. 225—250 beginnt L. Romier eine Darstellung
des kirchenpolitischen Streites zwischen Papst Julius HI. und K. Hein¬
rich II. von Frankreich („La crise gallicane de 1551; 1. partie w ).
In der RH. 108, 1 S. 59—74 und 2 S. 294—318 weist H. Hauser
die zuerst 1573 gedruckten, aber wenig ausgebeuteten „Acta
tumultuum gallicanorum (1559—1569“) als wichtige Geschichts¬
quelle für die drei ersten Religionskriege nach und beginnt einen Neu- .
druck. (Fortsetzung folgt.)
In Revue d’hist. mod. et contempor. 16 S. 50—61 führt H. Hauser
die meist in der Ausgabe von 1743 benutzten „MGmoires de Cond6“
ihrem Kerne nach auf eine 1563 im Hauptquartier der „Condöens“ zu
Orleans veranstaltete Zusammenstellung von Schriften über die jüngsten
Unruhen zurück; seine Untersuchung bestätigt den hohen authentischen
Wert der „Mömoires“.
Im Juli/August-Heft 1911 des Bull, der Soc.H.Pr.Fr. S. 289—311
weist H. Hauser gegen P. Fouqueray, Hist, de la Comp, de J6sus
en France (1910) nach, daß der Jesuit P. Anger zu den Anstiftern der
Protestantenmorde in Bordeaux 1572 (vgl. diese Ztschr. VIII S. 420
unten) gehört hat; mit Dokumentenanhang.
Zur Geschichte der Streitigkeiten zwischen der Universität Padua
und den Jesuiten, die dort eine konkurrierende Studienanstalt planten,
bringt A. Favaro, der den Gegenstand schon 1878 behandelt hat,
seither aufgefundene Dokumente von 1597. Durch die Vertreibung der
Jesuiten aus dem Venetianischen fand der Streit 1607 sein Ende.
NA Veneto, N.S. 21 S. 89—100.
Anknüpfend an neuere Lebensbeschreibungen des Kardinals
Reginald Pole charakterisiert G. Constant letzteren als eine zur
Mystik neigende Natur, die für die Realitäten des Lebens wenig Sinn
gehabt habe und für diplomatische Missionen völlig ungeeignet gewesen
sei: RQH. 90 (N.S. 46), Liefer. 180 S. 498-514.
In RöQuSchr. 25, 2 S. 110*—123* setzt A. Zimmermann seine
tendenziösen Betrachtungen zur Reformation in Schottland fort.
Das Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis N.S. VIII bringt
folgende einschlägige Artikel: S.l—29 I. Lindeboom, Georgius Cassander
en zijne pogingen tot bemiddeling en verzoening naar aanleiding van
zijn strijd met Lindanus. — S. 62—73 W. Meindersma, De reformat.
beweging derlö.eeuwte’s-Hertogenbosch. — S.74—80 A. A. vanSchelven,
Petrus Delenus en Albertus Hardenberg. — S. 81—96 L. Knappen,
Stukken uit den stichtingstid der Nederlandsche hervormde Kerk IV.
(„Een Leidsch theol. Student 1577—80“). — S. 107—109 I. S. van Veen t
Overgang van Lunteren tot de hervorming (1580). — S. 194—199
A. A. van Schelven, Lambertus Danaeus to Leiden (1581). — S. 200—201
I. S. v. V., De Harderwijksche predikant Otto van Heteren (1580). —
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S. 202—204 A. A. van Schelven, Een brief van Pieter Hazaert (1562). —
S. 293—295 L. Knappert, De verloren schuldbekentenis van Moded
teruggevonden en uitgegeven (1590). — S. 297—321 W. Meindersma,
Ovet het protestantisme in westelijk Brabant. — S. 322—332 A. A. van
Schelven, Cassiodorus de Reyna; Christophorus Fabricius en Gaspar
Olevianns. — S. 848—351 A. A. van Schelven, Moded (1560). —
S. 352—356 A. A. van Schelven, Karakter en stand van van Haemstede.
— Den Schluß (S.357—389) macht eine Übersicht über Neuerscheinungen
auf dem Gebiet der niederländ. KG.
In Kyrkohistorisk Arsskrift 1911 S. 1—51 handelt E. Linder¬
holm von Nordischen Kirchenordnungen des 16. u. 17. Jahrh. (Om
norrlänska kyrkostadgar frän 1500— och 1600—talen); dazu eben¬
daselbst S. 95 ft. der Meddelanden och Aktstycken Abdruck von Visn
tationsartikeln des Erzb. von Upsala, „apud Helsingenses et reliquos
Nordmannos“ von 1585, sowie spätere Stücke. — Ebendaselbst S. 197
bis 203, 203—214 referiert Hj. Holmquist eingehend über Grisars
Lnther I (ablehnend) und H. von Schuberts „Bündnis und Bekennt¬
nis“ usw.
In Hist. Monatsbll. f. Posen 12 S. 173f. weist Th. Wotschke auf
die neue große Quellensammlung zur evangel. Kirchengesch. Polens
hin, die Mon. ref. Poloniae et Lithuanicae, deren Herausgabe 1908 von
der ref. Wilnaer Synode beschlossen und kürzlich durch Ausgabe des
1. Heftes inauguriert worden ist, das 38 Urkk. vorwiegend zur litauischen
Ref.Gesch. enthält.
Neuerscheinungen.
Allgemeines. Die alte, auf d. J. 1557 zurückgehende Kon-
sistorialbibl. zu Rothenburg a. T. besitzt reiche Schätze an Druck¬
schriften der Reformationszeit, die ihrem größten Teile nach
aus dem Nachlaß des bekannten Ansbachischen Kanzlers Georg Vogler
(*j* 1550) stammen. Es sind i. g. gegen 1000 Schriften, die zu einigen
60 Miszellqnbänden zusammengefaßt sind. Von diesem ganzen Bestände
erhalten wir nun durch (f) A. Georgii und A. Schnizlein sehr
dankenswerte Verzeichnisse; den Hauptteil bildet die Inhaltsangabe
der einzelnen Miszellanbände (mit den erforderlichen literarischen
Nachweisen); dazu treten außer einer einleit. Gesch. der Bibliothek
Register der Autoren, der Druckorte und Drucker, endlich der wich¬
tigsten in den verzeichneten Schriften behandelten Materien. („Die Mis-
cellanea reformatoria der Rothenburger Bibl. w : Beilage z. Jahresber.
des K. Progymnasiums zu R. 1909/10, LVI, 125 S.; dazu Nachtrag im
Jahresber. 1910/11: Verzeichnis der sonstigen Reformationsschriften
der Bibi., 18 S.)
In der eben ausgegebenen Lieferungder „Religion in Geschichte
und Gegenwart, Handwörterbuch in gemeinverständl. Darstellung,
unter Mitwirkung von Hermann Gunkel und Otto Scheel hrsg. v.
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F. M. Schiele und L. Zscharnack“ behandelt W. Köhler in prägnanter
Kürze „Martin Luther“: Er gibt zunächst eine Übersicht über L.s
Leben und Entwicklung (Jugendzeit; Entwicklung zum Reformator;
vom Ablaßstreit bis zum Bauernkrieg; der spätere Luther), erörtert dann
die „Wandlungen und Umbiegungen Lutherscher Theologie“ (u. a. im
Verhältnis zur Bibel, im Glaubensbegriff, in der Stellung zu abweichenden
Ansichten, in der Abendmahlsanschauung, in dem Problem von Kirche
und Staat), wobei K. jedoch mit besonderem Nachdruck auf das ver¬
bindende Band hinweist, das den jüngeren mit dem älteren L. Zusammen¬
halt; endlich behandelt er „L. und die Gegenwart“; letztere hat L.s
„ganzen Weltanschauungsrahmen gesprengt“; „gleichwohl läßt sie alle
die L.schen Motive, welche die neue Zeit heraufführen halfen, gelten,
vertieft und ergänzt sie, findet auch neue in dem unerschöpflichen
Borne L.schen Genies“. Es folgen reichhaltige Literaturangaben. — Die
gleiche Lieferung bietet u. a. auch die Artikel „Lutherische Kirche“
(rechtlich) von Foerster, „Luthertum“ (konfessionskundlich) von
Scheel. — Wir weisen hei dem Anlaß auf das rüstige Fortschreiten des
trefflichen Werkes hin; es ist zu hoffen, daß es, wie vorgesehen, Ende 1913
in 5 Bänden abgeschlossen vorliegen wird; der Gesamtpreis wird sich
auf M. 120 stellen. Verlag von J. C. B. Mohr (P. Siebeck), Tübingen.
Quellen. 0. Scheel bringt reichhaltige „Dokumente zu
Luthers Entwicklung“ (bis 1519), für die zunächst an den Gebrauch
in kirchenhistor. Seminaren gedacht ist; aber auch darüber hinaus wird
man diese Quellen Zeugnisse gern in bequemer handlicher Form bei
einander haben. Es sind teils Zeugnisse über Luther („Quellen 2. und
3. Ordnung“, Nr. 1—104), teils Aussprüche Luthers selbst („Quellen
I. Ordnung“, Nr. 105—326), letztere soweit möglich in chronologischer
Ordnung. Wie Scheel im Vorwort bemerkt, hat bei der Auswahl die
Rücksicht auf die „augenblicklichen Probleme der Lutherforschung“
mitgespielt, also zumal auf die bei den Kontroversen im Anschluß an
Denifles und Grisars Lutherwerke im Vordergrund stehenden Fragen
und Materien, doch so, daß nach Möglichkeit nur Stücke gegeben
wurden, deren Inhalt ihnen dauernde Bedeutung verleiht. — Krüger,
Samml. ausgew. kirchen- und dogniengeschichtl. Quellenschriften II, 9.
Tübingen, Mohr 1911. XI, 146 S. M. 3.—.
Das 4. Heft des IV. Bandes der „Flugschriften aus den
ersten Jahren der Reformation“ bringt einen von K. Schotten¬
loher besorgten Neudruck der kraftvollen Streitschrift, die Zwinglis
Berner Freunde, allen voran Sebastian Meyer und Berchthold Haller,
gegen den vor der neuen Lehre warnenden Hirtenbrief des Konstanzer
Bischofs Hugo von Landenberg vom 2. Mai 1522 verfaßt und am
II. November 1522 an Zwingli gesandt haben, damit er die Schrift
revidiere und zum Druck befördere; sie erschien dann aber weder in
Zürich noch in Basel, sondern bei dem „rätselhaftesten Drucker der
Reformationszeit“, über den Schottenloher demnächst eine eingehende
Untersuchung veröffentlichen wird; höchst wahrscheinlich ist er in
Augsburg zu suchen. Meyers Schrift ist für die Reformationsgeschichte
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von Bern von hoher Bedeutung geworden, hat auch auf Nikolaus Manuel
stark eingewirkt. — Im 5. Heft bietet W. Lucke einen Neudruck der
Spottpraktik „Doctor Schrotentrecks von Bissingen“ nach dem Original¬
druck, der in der Bibliothek des Würzburger Historischen Vereins
wieder zutage gekommen ist; er ist wie der 2. Druck von Wolf gang
Stürmer in Erfurt hergestellt worden; wahrscheinlich ist ein aus der
Maingegend stammender Erfurter Student der Verfasser dieses wohl
zu Fastnacht 1523 erschienenen Scherzes. Die Vorlage ist die
„Practica Doctor Johannis Roßschwanz“ von 1509 (Vierteljahrsschr. f.
Literaturgesch. 3, 203 ff.). Im Kommentar hat Lucke wieder manche
harte Nuß aufgeknackt. — Es folgen noch Ergänzungen, Berichtigungen,
Register zu Bd. I—IV — und damit hat die Sammlung leider ab¬
geschlossen werden müssen. Der Zufall fügt es, daß ich wie VIII 334
die Blicke der Leser unseres „Archivs“ von meinen Flugschriften
hinüberlenken muß zu der „Bibliotheca Reformatoria Neerlandica“.
Hier eine Sammlung, die voraussichtlich für immer auf die vier
bescheidenen Bändchen beschränkt bleiben wird und deren Erscheinen
nur dem Idealismus der Herausgeber und des Verlegers zu verdanken
ist, und dort acht stattliche, höchst splendid ausgestattete Bände in
Lexikonformat, denen sich noch zwei andere zugesellen werden! —
Mit Wehmut bin ich von der mir liebgewordenen Arbeit geschieden.
0. Clemen.
Bibliotheca Reformatoria Neerlandica. Geschriften uit
den tijd der hervorming in de Nederlanden, opnieuw uitgegeven en
vaninleidingenen aanteekeningenvoorziendoorS. Crameren F. Pijper.
Achtste deel: Het martelaarschap van Hendrik Vos en Joannes van
den Esschen, Willem van Zwolle, Hoste vander Katelyne, Christophorus
Fabritius en Oliverius Bockius, Guido de Bres en Peregrin de la
Grange, bewerkt door F. Pijper. ’s-Gravenhage, Martinus Nijhoff 1911.
IX, 667 blz.
Während der 2. Teil der „Bibliotheca“ den Märtyrern aus den
Kreisen der Doopsgezinden gewidmet war, führt uns dieser 8. Teil
einige Märtyrer aus den Reihen der Lutherischen und Reformierten
vor. Zuerst erhalten wir die drei Hauptquellen zur Geschichte der
zwei Antwerpener Augustinermönche, die als die ersten Märtyrer des
evangelischen Glaubens „in geheel Europa“ am 1. Juli 1523 in Brüssel
den Feuertod erlitten: 1. Der actus vnd hand- / lung der degrada / tion
vnd verpren / nung der Cristlichen drey / en Ritter . . ., und zwar ist
das die Ausgabe, die durch „das recht Christenlich Salue“, d. h. eine
Umdichtung des Salve regina, bereichert ist. 2. Historia de duobus
Augustinensibus, ... 3. Dye histori, so zwen Augustiner / Ordens
gemartert seyn . . . von Martinus Reckenhofer. Ich möchte nicht zu
denjenigen Rezensenten gerechnet werden, die die Veröffentlichungen
anderer zuerst daraufhin ansehen, ob ihre eigenen Arbeiten berücksich¬
tigt sind, muß es aber doch bedauern, daß Pijper meine Beiträge zur
Reformationsgeschichte 140ff. entgangen sind. Manches war da schon
untersucht, was P. nun erst noch einmal hat untersuchen müssen,
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manchen Literaturhinweis hätte er sich dort holen können; vgl. ins¬
besondere über Reckenhofer I 49ff., III 105. — Es schließt sich an:
Eenen Troostelijken Sentbrief, voor alle die om derwaerheyt, ende om
Christus naem veruolcht worden, vielleicht eine Übersetzung aus dem
Englischen. Zwei Drucke, Emden 1530 und Wesel 1558, sind nach¬
weisbar. Da von dem 1. nur ein unvollständiges Ex. erhalten ist, ist
der 2. dem Neudruck zugrunde gelegt. — Es folgt die mit einem Vor¬
wort Bugenhagens 1530 von Joseph Klug in Wittenberg gedruckte
Schrift: Artickel der Doctorn von Louen, zu welchen, Wilhelm von
Zwolien, Königs Christiernen Forirer, Christlich hat geantwort, . . .
nebst dem Glaubensbekenntnis und dem innigen Liede dieses am
20. Oktober 1529 zu Mecheln verbrannten Dieners des seit 1523 in Lier
in Brabant im Exil lebenden Königs Christian II. von Dänemark.
Vgl. noch Wackernagel, Bibliographie (1855), S. 112 Nr. CCXC und
Kirchenlied I (1864), S. 395 f. Nr. Geisenhof, Bibliotheca
Bugenbagiana (1908), S. 297 ff. Nr. 262, Katalog III von Martin Bres¬
lauer in Berlin S. 366 Nr. 203 und Bibliothek I. K. F. Knaake III
Nr. 62, S. 87 Reproduktion des Titelblatts (Titelbordüre: Luther, Titel¬
einfassungen II Nr. 44, Schuchardt, Cranach II, S. 292 Nr. 140). —
Ganz besonders ergreifend ist sodann das von Martin Microen heraus¬
gegebene und bevorwortete und wahrscheinlich noch 1555 in Emden
gedruckte Martyrium des Hoste oder, wie ihn sein englischer Meister
nannte, Iooris vander Katelyne; aus Gent gebürtig, reiste er als Jüng¬
ling nach England, um hier das „Damaszieren“ von Messern, Klingen
und Rüstungen zu betreiben, gehörte der niederländisch-reformierten
Gemeinde in London bis zur Thronbesteigung der blutigen Maria an,
ging dann nach Norden (wo Microen seit 1554 Prediger war), protestierte
in Gent gegen die Predigt eines Dominikaners, des später so berühmten
Petrus de Backere (Pistoris) über die Transsubstantration und Anbetung
der Hostie, wurde gleich darauf am 11. April 1555 verhaftet und am
27. verbrannt. — Auch Christophorus Fabritius, dessen Martyrium uns
darauf nach der zweiten Ausgabe von 1565 dargeboten wird (die erste
ist verschollen), weilte einige Zeit in England; als Prediger der Ant-
werpener Gemeinde wurde er am 2. Juli 1564 von der mit den Jesuiten
verbündeten „Lange Margriete“ heimtückisch verraten und dem Mark¬
grafen und Schultheiß von Antwerpen ausgeliefert. Ein Ex. des
2. Druckes der französischen Übersetzung der „Historie w , Leyde 1614.
ist angezeigt im Catalogue de la bibliotheque de M. le Pasteur
H. A. I. Lütge ä Amsterdam (1910), p. 8 Nr. 61. — Den Schluß bildet
das Martyrium des am 31. April 1567 zu Valenciennes hingerichteten
Georg de Bray, des Verfassers der „Confession de foy u (ein Ex. des
3 . Drucks seines „Baston de la foy“, 1565, im Catalogue p. 28 Nr. 176):
die Einleitung führt in einigen Punkten über L. A. van Langeraad,
Guido de Bray, Zierikzee 1884 (vgl. auch desselben schlecht übersetzten
Artikel RE 3 3, 364 ff.) hinaus. — Mit Recht betont der Herausgeber
wiederholt den erbaulichen Charakter dieser „martelaars-geschiedenissen“.
Laudate Dominum in sauctis eius! 0. Clemen.
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Darstellungen. Von Hartmann Grisars S. I. „Luther“
sind bisher 2 Bände erschienen; der erste behandelt „Luthers Werden;
Grundlegung der Spaltung (bis 1530)“, der zweite „Luther auf der
Höhe des Lebens“ (Freibarg, Herder 1911, XXXV, 656 u. XVII, 819 S.
M. 12.— und M. 14.40; der Schlußband „Vor dem Ausgang; Lebens¬
resultat“ ist in Vorbereitung).
Wir können in eine nähere Würdigung des weitschichtigen Werkes
hier nicht eintreten, sondern müssen uns mit kurzer Wiedergabe des
allgemeinen Eindrucks begnügen, den wir erhalten haben.
„Unsäglich traurig“, schreibt Grisar im Anschluß an die Schilde¬
rung der Leipziger Disputation von 1519, „stimmt den heutigen
fühlenden Beobachter die Wahrnehmung, wie Luther, der einst eifrige
Ordensmänn, immer mehr sich dem Herzen der Kirche, ihrem Leben,
Denken und Fühlen entfremdet . . . Das ist der hochbegabte feurige
Mann, so sagt der Katholik sich mit Schmerz, dessen Worte hätten
beitragen können, auf dem Boden der Kirche eine wahre kirchliche
Reform für die Zukunft anzuregen, wofern sie sich nach dem Geist
und den Normen dieser Kirche mit Ernst und Gelassenheit, mit Gott¬
vertrauen und Beharrlichkeit an die Gläubigen und an die Oberen der
Kirche gewandt haben würden“ (I S. 299).
Wer diese Worte liest und erwägt, dem muß es schon recht
zweifelhaft werden, ob Grisar der richtige Mann dazu war, ein Leben
Luthers zu schreiben. Ein Luther, wie er ihn hier wünscht, der seine
brünstige Heilssehnsucht der Entscheidung der kirchlichen Oberen
anheimgibt, der die Stimme seines Gewissens zum Schweigen zu bringen
vermag, wenn Menschen ihm dies weisen, wäre eben kein Luther.
Katholische Kirchen- und Ordensheilige gibt es zu tausenden, auch
an Männern, die sich der Schäden der Kirche bewußt wurden, beim Zu¬
sammenstoß mit den Mächten der Tradition aber das Opfer des Intellekts
gebracht und sich der triumphierenden Kirche „löblich“ unterworfen haben,
ist kein Mangel; aber ein Luther darf augenscheinlich weder an den einen
noch den anderen gemessen werden. Grisar jedoch tut eben dies; er mißt
Luther an dem Ideal katholischer Rechtgläubigkeit und vollkommener
Werkheiligkeit, und da Luther nun den überlieferten Normen der Kirche
sich tatsächlich nicht gefügt, seine Sache den kirchlichen Oberen nicht in
Gelassenheit und Ergebung anheimgestellt hat, so ist er für Grisar
von vornherein verurteilt. Hat ihn nicht, wie Denifle behauptete, un~
gebändigte Sinnlichkeit von der Kirche getrennt, so sind es — nach
Grisar — kaum minder schwere sittliche Mängel gewesen, Hochmut,
Widerspruchsgeist, Rechthaberei, denen sich mangelhafte Kenntnis der
Kirchenlehre beigesellte. Ein Sakrileg bleibt sein Vorgehen in jedem
Fall, und ein solches kann denn auch nicht andere als unheilvolle
Wirkungen nach sich ziehen.
Der Versuch, dies im einzelnen nachzuweisen, macht nun den
Inhalt des Grisarschen Werkes aus, wobei nicht selten die sich jedem
Unbefangenen aufdrängende Beurteilung der Tatsachen und Verhält¬
nisse in ihr gerades Gegenteil verkehrt wird, wie wenn Grisar in
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Kapitel 22 Abschnitt 5 (II S. 481—522) nachweisen möchte, daß Luther
Frau und Ehe von der Höhe der mittelalterlich-katholischen Schätzung
herabgezogen und entwürdigt habe(!) Dabei trägt es für das Ganze
auch nicht sonderlich viel aus, daß andererseits der Jünger Loyolas
einen glatteren Ton anschlägt als seinerzeit der polternde, grobe
Dominikaner Denifle; daß ersterer auch an Luther einzelnes zu rühmen
weiß, wie etwa seine Mildherzigkeit, die Gewalt seiner Sprache, selbst
wohl einmal seinen sittlichen Ernst; daß er endlich eine Reihe der
schlimmsten Bezichtigungen, die die Gegner von den Tagen des
Cochlaeus an bis zur Gegenwart grundlos und vielfach gegen besseres
Wissen auf Luther gehäuft haben, abweist und widerlegt oder
wenigstens zu widerlegen scheint; denn eine Hintertür läßt er allemal
dem offen, der nun doch noch weiter an jene Verleumdungen glauben
möchte. Und es bleiben auch so noch in Luthers Bilde, wie es Grisar
malt, der ungünstigen, ja verwerflichen Züge gar viele übrig!
Mittlerweile hat nun aber die protestantische Forschung und
Nachprüfung mindestens in Stichproben mit aller nur erreichbaren
Evidenz bereits erwiesen und gezeigt, wie unsolide der Aufbau Grisars
ist, wie leichtfertig er mit den Zeugnissen der Quellen umspringt, wie
planvoll er diese nach seinen vorgefaßten Ansichten gruppiert und
beleuchtet. Ich möchte dazu noch auf die Darstellung des Verhaltens
Luthers während des Augsburger Reichstages von 1530 (am Ende von
Bd. I) verweisen; wie absichtsvoll sind da doch aus der überreichen,
hunderte von Druckseiten füllenden Korrespondenz des Reformators
aus der Zeit des Koburger Aufenthalts nur ganz vereinzelte Wen-
dnngen herangezogen, und zwar solche, die, aus dem Zusammenhang
gerissen und in eine gewisse Beleuchtung gerückt, Luther als zaghaft
und wankelmütig, ja sein Verhalten in jener Krisis als unlauter er¬
scheinen lassen können.
Mit der Objektivität, über die der Verf. in der Vorrede so schöne
Worte macht und an die er vielleicht selbst auch glaubt, ist es also
nichts; wir haben in Grisars „Luther“ ein Buch vor uns, das schlecht¬
weg den katholischen, durch die Autorität gebundenen und voraus-
bestimmten Standpunkt vertritt. Dabei ermangelt Grisars Werk auch
des Verdienstes, das Denifle nicht abzusprechen ist, nämlich unsere
Kenntnis von Luther erweitert, und vertieft zu haben. Neue QueUen
hat Grisar nicht benutzt; das aber, was an seinen Darlegungen neu
erscheint, wie seine Entdeckung des Abfalls Luthers von den Obser¬
vanten seines Ordens zu den laxeren Konventualen, was dann als eine
Art Vorspiel zu dem Abfall von der Kirche erscheint, ist nicht richtig.
So besorgen wir aussprechen zu müssen, daß Grisars „Lutherwerk“
(soweit es bis jetzt vorliegt) keinen Fortschritt in der wissenschaft¬
lichen Lutherliteratur bedeutet. —
Druck von C. Schulze & Co., Ci m. b. H., Gräfenhainichen.
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ARCHIV
FÜR
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.
Id Verbindung
mit dem Verein für Reformationsgeschichte
herausgegeben von
D. Walter Friedensburg.
Nr. 35.
9. Jahrgang. Heft 3.
oQo
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1912.
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Zur Lebensgeschichte des Augsburger
Formschneiders David Denecker und seines
Freundes, des Dichters Martin Schrot
von
Fr. Roth.
Ein Streitfall zwischen einem Koburger Bürger
und einem Kaplan 1550
von
(+) G. Berbig.
Beiträge zur Reformationsgeschichte aus
Drucken und Handschriften der Universitäts¬
bibliothek in Jena.
von
Bernhard Willkomm.
Aus den Zeiten des Interim
von
Walter Friedensburg.
Karlstadt in Tirol?
von
H. Böhmer. .
Georg Motschidler,
ein neuentdeckter Flugschriftenverfasser
von
0. Clemen.
Mitteilungen
(Zur Vorgeschichte des Reichstags in Augsburg 1530. —
Neuerscheinungen — Bibliograpie).
-oQo-
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1912.
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UNIVERSITY 0F MICHIGAN
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Zur Lebensgeschichte des Augsburger
Formschneiders David Denecker u. seines
Freundes, des Dichters Martin Schrot;
ihr anonym herausgegebenes „Schmachbuch“
Von der Erschrocklichen Zurstörung vnnd
Niderlag deß gantzen Bapstumbs.
Von Fr. Roth.
Der von 1512 bis 1548 in Augsburg nachweisbare
Formschneider Jobst Denecker, besonders bekannt durch seine
Mitarbeit am Theuerdankwerk und durch die Herausgabe
einer vergrößernden Kopie des Holbeinscben Totentanzes,
vererbte seine Kunst auf seine zwei Söhne namens Samson
und David 1 ). Der letztere, mit dem wir uns hier beschäf¬
tigen wollen, wurde um 1530 geboren und übernahm, bei
seiner in verhältnismäßig günstigen äußeren ^Verhältnissen
lebenden Mutter wohnend 2 ), nach dem Tode des Vaters, der
auch sein Lehrer gewesen, dessen mit einer kleinen Druckerei
verbundenes Geschäft 8 ), worauf er sich im Jahre 1550 oder
J ) Siehe über Jobst Denecker (Danecker, Tanegker, Dienecker)
und seinen Sohn David den Artikel in der Allg. D. Biogr. (Bd. 23 S. 355)
von Steiff. Ans der dort angeführten Literatur heben wir hervor das
Werk von Butsch, Die Bücherornamentik der Renaissance, Bd. I
(Leipzig 1878), wo S. 16 das, was über die Lebensnmstände der beiden
Formschneider früher bekannt war, durch Notizen und Auszüge aus
den alten Augsburger Stadtbüchern wesentlich vermehrt wurde.
*) Jos Denecker ist in den Steuerbüchern zum letzten Male im
Jahre 1547 eingetragen. Er bezahlte eine Steuer von 60 d, 6 fl, 3 d,
seine Witwe im Jahre 1548 30 d, 8 fl, 6 d.
*) Aber nicht sofort. Im ßerichtsbuch 1549 Bl. 138 findet sich
unter dem 27. April der Eintrag: „Josen de Neckers, formschneiders,
wittib hat zfigesagt, inner ainem viertl jar, dem nechsten, ainen form¬
schneider, der des handwercks wol bericht, einzfistellen, den ChristofEen
Plapharten, iren lernjungen, das handwerck trewlich, eerlich und redlich
Archiv für Beformattonsgeschichte IX. 3 . 13 ^
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1551 verheiratete. Seine Frau, Sarah Laugenmäntlin, eine
Waise, entstammte einer der uralten Augsburger Patrizier¬
familien, deren es damals nur noch sieben gab. Sie war
eine Tochter des der Stadt als „Reisiger“ dienenden Marx
Langenmantel und der ebenfalls einer sehr angesehenen
Augsburger Familie angehörenden Barbara Wielandin 1 ),
scheint aber vermögenslos und bedeutend älter als ihr Mann
gewesen zu sein 2 ). Trotzdem wird die vornehme Verwandt¬
schaft, in die er so geriet, ihm „mit wenig Gunst“ gegen-
Ubergestanden sein, da sie die Verbindung der Sarah mit
dem jungen Formschneider als sehr anstößigen Schritt in die
Tiefe hinab betrachtete.
Die Zeiten waren, als Denecker seinen Hausstand be¬
gründete, schlecht, und wir lernen, indem wir, soweit dies
möglich, seine Wege verfolgen, das ganze Elend kennen,
unter dem oft recht tüchtige Künstler, namentlich wenn sie
ihre Kunst handwerksmäßig betreiben mußten, zu leiden
hatten. Die glänzende Periode des den Gelehrten und
Künstlern so wohl gewogenen Kaisers Maximilian, der dem
Vater Jobst wie so vielen anderen lohnende Beschäftigung
gegeben, lag schon ein Menschenalter zurück, und die reli¬
giöse Bewegung, die in ihren Anfängen, als sich eine Flut
von polemischen Flugblättern und satirischen „Schmach¬
bildern“ unter das Volk ergoß, den Zeichnern und Form¬
schneidern reiche Gelegenheit zu mannigfaltiger Produktion
ußzülernen; dann wo sie inner ainem viertl jars, dem nechsten. kainen
formbschneider, der den knaben lernen wollt, einstellen wurde, sol der
knab der übrigen lemjar allerding von ir ledig nnd loß sein.“ —
David Denecker war demnach damals noch nicht imstande, den Knaben
„auszulernen“, oder er war in der Stadt nicht anwesend. Im Steuer¬
buch 1548 ist er noch nicht eingetragen, auch nicht 1549. 1550 Bteht
bei seinem Namen unter dem der Mutter: „Dat heur nit“, was besagen
will, daß er jetzt steuerpflichtig gewesen wäre, aber für diesmal frei
ausging, weil er heiratete. Im Jahre 1551 und in den nächsten Jahren
ist David, bei seiner Mutter wohnend, angeschlagen mit 80 d, 1 fl, 6 d.
*) Nach Seifferts Stammtafeln des Langenmantelschen Ge¬
schlechtes, wo er als „Herr von Necker“ aufgeführt und seine Hoch¬
zeit in das Jahr 1551 gesetzt ist.
*) Ersteres erhellt daraus, daß der Vater als „Reisiger“ dienen
mußte, letzteres aus dem Hochzeitsjahre der Eltern: 1498. Der Vater
starb 1540, die Mutter schon 1537.
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verschafft, hatte ihnen in ihrem weiteren Verlauf schwere
Schädigung ihres Gewerbes gebracht, indem infolge reichs¬
gesetzlicher Bestimmungen and kaiserlicher Spezialmandate
in fast allen Territorien, im besonderen auch in den Reichs¬
städten, eine strenge Bücher- und Bilderzensur eingeführt
wurde, die die Veröffentlichung aufreizender Schriften und
„Gemälde“ streng verbot und den Verkauf von solchen schwer
bestrafte. So hatte auch Augsburg seine Zensurherren, die
je nach den herrschenden Zeitläuften und dem persönlichen
Standpunkt, den sie zu den ihnen vorgelegten Manuskripten
und Bildern'einnahmen, bald schärfer, bald nachsichtiger —
aber auch in diesem Falle für die Autoren noch hemmend
genug — ihres Amtes walteten. Das besserte sich zwar in
den letzten Jahren vor dem Schmalkaldischen Krieg, als sich
bei den Protestanten die Rücksicht auf den Kaiser und der
Gehorsam gegen ihn immer mehr lockerten, und noch mehr
während des Krieges selbst im Sinne der Zeichner und
Drucker, aber desto schmerzlicher empfanden sie dann die
Reaktion, die nach dem Siege des Kaisers hereinbrach. All
die vielen Bücher und Bilder, die in dem benannten Zeit¬
raum „hervorgekommen“ waren, alte und neue, mußten jetzt
augenblicklich verschwinden, zumal in Augsburg, wohin der
Kaiser am 23. Juli 1547 kam, um auf einem Reichstag die
Verhältnisse des Reiches seinen Wünschen gemäß neu zu
ordnen. Die hier gepflogenen Religionsverhandlungen führten
zu dem im Mai 1548 publizierten Interim, und da der Kaiser
fürchten mußte, daß sich gegen dieses eine heftige polemische
und satirische Literatur erheben würde, sorgte er dafür, daß
ein außerordentlich drückendes Reichspressegesetz zur An¬
nahme kam, das noch einmal auf das eindringlichste gebot,
alles zur Veröffentlichung Bestimmte vor dem Druck der
obrigkeitlichen Zensur vorzulegen und ohne Angabe des
Autors, des Druckortes und des Druckers nichts, auch nicht
das geringste „ausgehen“ zu lassen 1 ). Zwei Jahre später
J ) Der Wortlaut des Gesetzes ist abgedruckt bei Voigt, „Über
Pasquille, Spottlieder und Schmähschriften aus der ersten Hälfte des
XVI. Jhdts.“ im Hist. Taschenbuch, ed. Raumer, Bd. IX (Leipzig 1838)
S. 351 ff.
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wurden diese Gebote durch ein kaiserliches Mandat 1 ) neuer¬
dings eingeschärft und zu ihrer Durchführung scharfe Ver¬
ordnungen erlassen, denen der nach Abschaffung des Zunft¬
regiments am 3. August 1548 in Augsburg eingesetzte Herren¬
rat mit dienstwilligem Eifer nachzukommen bemüht war.
Das mußte natürlich auf die Buchdrucker und die zeichnenden
Künstler, die sich mit der Illustration von „Schmachbüchern“
und der Herstellung von satirischen Bildern durchgebracht
hatten, geradezu erstickend wirken und in ihnen eine ver¬
zweiflungsvolle Stimmung erwecken 2 ). Zwar kam noch
einmal eine für sie günstige Periode, nämlich während des
Fürstenkrieges (1552), als auf Befehl des Kurfürsten Moritz
und seiner Mitverwandten, die in die Stadt eingelassen
worden waren, die Zünfte und ihr Regiment wiedererstanden
und der Herrenrat abgesetzt wurde. Da druckte man die
„schmalkaldischen Schmähschriften“ und anderes, das in
besseren Zeiten erschienen war, rasch nach, holte die auf
den Böden und in den Kellern versteckten Vorräte solcher
Erzeugnisse hervor und fertigte neue an. Aber bevor man
noch Zeit gehabt, diesen unvermuteten Wandel der Dinge
recht auszunützen, erfolgte ein zweiter „grausamer“ Rück¬
schlag: Der von den „rebellischen“ Fürsten verjagte Kaiser
kam wieder in die Höhe, zog nach dem Abschlüsse des
Passauer Vertrags am 20. August 1552 in Augsburg ein,
setzte das Zunftregiment zum zweiten Male ab und restituierte
die „Herren“, die sich sofort daran machten, die seit ihrer
Verdrängung vorgekommenen Druckerexzesse zu untersuchen,
die Schuldigen zu bestrafen und einer Wiederholung solcher
„Frevel“ vorzubeugen. Die ganze, durch den Fürstenkrieg
für die Drucker und Formschneider geschaffene Herrlichkeit
hatte kaum fünf Monate gedauert.
*) Ordenung vnd Man-/dat Kaiser Caroli V. ver¬
newert im/April Anno 1550 . . . Ein Register der Ver- / worf-
fenen vnd verbottenen Büchern, Auch von gu- / ten Büchern, welche
man inn der Schalen lesen / mag. 4°, 34 Bl.
®) Am 19. März 1551 reichten die Augsburger Buchdrucker an
den Rat eine „bewegliche“ Bittschrift ein, in der sie um Milderung
der gegen sie geübten Zensur baten; die „Beschwerden“ der Form¬
schneider waren die gleichen. Augsb. St. Arch., Literalien.
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Daß unter solchen Umständen ein junger Meister wie
Denecker, der damals seinem evangelischen Herzen am
liebsten dnrch recht viele das Papsttum verhöhnende Bilder
Luft gemacht hätte, auf keinen grünen Zweig kommen konnte,
ist wohl verständlich; aber auch er selbst trug einige Schnld
daran, denn er war, wie man aus den Augsburger Gerichts¬
und Strafbttchern ersehen kann 1 ), ein Mann, der sich allzu
gern in der Schenke „einen guten Mut“ holte, in der Wahl
seiner Gesellschaft sehr wenig heikel war, solang es ging,
ein ängstliches Abwägen von Einnahmen und Ausgaben ver¬
schmähte, sich durch ein böses Maul recht unnötig manche
Feinde machte und schon im vierten Jahre nach seiner Ver¬
heiratung mit einer aus Nürnberg stammenden Magd vielmals
Ehebruch trieb und deshalb von den Zuchtherren bestraft wurde.
Bald steckte Denecker ziemlich tief in Schulden, und
verschiedene Versuche, die er machte, sich ihrer zu ent¬
ledigen, waren erfolglos. Was er veröffentlichen durfte, wie
sein Passionale vom Jahre 1557, fand wenig Liebhaber, und
die Anfertigung solcher Dinge, nach denen Nachfrage bestand
— hauptsächlich stark gepfefferte religiöse und politische
Satiren —, war zu gefährlich und erforderte ein raffiniertes
Versteckenspielen, das einen guten Teil des etwa zu erhoffen¬
den Gewinnes verschlingen mußte. Trotzdem hat Denecker
sicher gar manches auf dem Markt gut abgehende Stück in
seiner Werkstätte nachgedruckt und zum Verkauf gebracht,
w r enn er auch später, als er deshalb zur Verantwortung ge¬
zogen wurde, nur zwei zugestand: ein noch zu Lebzeiten
seines Vaters geschnittenes „altes Geniel, vor 100 Jaren in
einem Kloster in den Niederlanden gefunden von der baby¬
lonischen Huren“ und einen „Ablaßbrief, auf dem der Teufel
sitzt“; aber auch der Dialog „Warumb nit muglich gewest,
daß Hertzog Johann Friedrich, Kurfürst, gesigen können
wider kai. Mt. Carolum“, gehört hierher, denn wenn er ihn
auch nicht selbst nachdruckte, so ließ er doch eine neue
Auflage des Schriftchens durch den ihm befreundeten Buch¬
drucker Hans Gegler herstellen 2 ).
J ) Das meiste, was sich hier erhalten hat, ist zusammengestellt
bei Butsch 1. c.
2 ) S. unten die Beil.
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Außerdem aber beschäftigte ihn, natürlich mit Unter¬
brechungen, jahrelang ein größeres Werk, von dem er sich
goldene Berge erhoffte: die Anfertigung von Schnitten zu
der von dem Augsburger Dichter Martin Schrot verfaßten
Komödie „Von der erschrocklichen Zurstörung und Niderlag
des gantzen Babstumbs“ 1 ). Wer war Martin Schrot 2 )? Er
wird in einem alten Verzeichnis der Augsburger Meistersinger
als einer ihrer ältesten Zugehörigen *) und in einem poetischen
Bericht Uber die Augsburger Singschule vom Jahre 1575 4 )
unter den zwölf Männern aufgeführt, die den Meistergesang
in Augsburg „ausgebreitet“. Als seine Heimatstadt wird
München genannt, das Augsburger Bürgerrecht erwarb er
sich im Jahre 1547 6 ); von Beruf war er Goldschmied, „Me߬
stecher“ ®) und wohl auch Uhrmacher. In den politisch und
religiös so erregten Jahren vor dem Religionskrieg war er
mit mehreren Tendenzdichtungen hervorgetreten, in denen er
sich als fanatischer Eiferer und Vorkämpfer des Evangeliums
erweist; er betrachtet den Kaiser als Verderber des Vater¬
landes und Feind Gottes, den Papst als ein alles Gute auf
Erden zerstörendes Ungeheuer und beide, den Kaiser und
den Papst, als von Gott Verdammte, die dem zeitlichen und
ewigen Verderben verfallen sind. Was Schrot an dichterischen
Einfällen und an Schwung der Sprache fehlte, suchte er
durch Häufung biblischer Zitate, durch derbe Kraftworte und
blutrünstige Bilder, di^ er mit Vorliebe den Propheten und
der Apokalypse entnahm, zu ersetzen. An diesem Schrot
nun scheint Denecker großes Gefallen gefunden zu haben,
wohl weil er in ihm — wenigstens soweit der Haß gegen
das „römische Pfaffentum“ in Betracht kam — einen Geistes-
*) Aufgeführt bei We 11er, Ann. der poet. Nat.-Litt. der Deutschen,
Bd. I S. 323, Bd. II S. 549 ohne Kenntnis der Autoren.
2 ) Siehe über ihn den Artikel in der Allg. D. B. (Bd. 32 S. 556)
von R Ö t h e.
3 ) Keinz, Ein Verzeichnis der Augsburger Meistersinger des
XVI. Jahrhunderts, München 1893, S. 3.
4 ) Abgedruckt bei Hartmann, Das Oberammergauer Passions¬
spiel (Leipzig 1880) S. 189.
6 ) Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte, Bd. III (München
1907) S. 178 Nr. 106.
°) Instrumentenmacher.
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verwandten erblickte and sich darch dessen radikale An*
schauungen künstlerisch angeregt fühlte.
Unter den Dichtungen Schrots finden sich zwei, nämlich
ein „Freudengeschrei über das gefallne Papsttum“*) und
„Ein neuer römischer Pasquillus“ *), beide in das Jahr 1546
fallend, mit denen die Komödie „Von der Zerstörung des
Papsttums“ in engem, hier nicht näher zu erörternden innerem
Zusammenhang steht, und es ist kein Zweifel, daß sie auch
in derselben Zeit entstanden ist wie jene. Wir entnehmen
einem im Frühling 1546 von dem Augsburger Kardinalbischof
Otto an Alessandro Farnese bzw. die Konzilslegaten gerichteten
Brief, daß man damals überall in ganz Deutschland Komö¬
dien aufführte, um bei dem Volke den Haß gegen das Papst¬
tum zu schüren, namentlich eine in Sachsen gedruckte,
worunter wir wohl den schon damals in ein paar deutschen
Übersetzungen vorliegenden Pammachius des Thomas Nao-
georg zu verstehen haben werden. Besonders stark, meldet
der Kardinal mit Entrüstung, werde diese Sache von den
rebellischen Augsburgern betrieben, die sich nicht mit der
erwähnten Komödie begnügten, sondern noch eine andere
zur Aufführung gebracht hätten, deren Inhalt er mit einigen
fluchtigen Zügen skizziert 8 ). Seine Andeutungen, namentlich
*) Apocalypsis. / Ain frewden geschray/uber
das gefallen Bapstumb, so/yetz diser zeit durch
Gottes wort vnd/schwert überwunden ist. S. 1. e. a.
4°, 4 Bl. (Beime). Holzschnitt auf dem Titelblatt.
*)Ain neüwer Römi-/scher Pasquillus, von dem
Bapst,/seinemReych, vnnd seinem Stal, derStatt/
Rom, vnd jren Töchtern, Pariß vnd Cöln,/sampt
allen jren glydern, Cardinal, B i s c h o f f, / P f af f e n,
Münch, vnd allvermaintenGaist-/lichenderRömi-
schen Kirchen, jr wesen, leben/handlung, vnder-
g an g, v n d außdilck-/ung durch die krafft Gottes etc.
M. D. XL. VI. Am Schlüsse des Textes: Gedruckt zu Augspurg durch
Valentinum Othmar. 4°, 13 Bl. Mit Holzschnitten auf Bl. 2b und
als Anhang zum Text.
*) Nuntiaturber., ed. Friedensburg, Band VIII Nr. 130
S. 577 (14. März): „Li Luterani non cessano con libri stampe et comedie,
secondo ii suo solito, accrescere l’odio alli populi contra la Sautitä di
Nostro Signore e ’1 stato ecclesiastico, et secondo che ho scritto et
mandato a V. Rm» et Ill ma di una comedia, staippata in Saxonia, la
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was er von der in dem Stücke vorkommenden Beraubung
des Papsttums sagt, lassen vermuten, daß er damit die
Schrotsche Komödie meint. Die Wahrscheinlichkeit dieser
Annahme wird gesteigert durch die uns aus anderer Quelle ’)
bekannte Nachricht, daß die Dichtung Schrots tatsächlich in
Augsburg aulgeführt worden ist, was im Jahre 1546 gewesen
sein muß, da hier weder vorher, noch viel weniger nachher
von der Aufführung derartiger Stücke die Rede sein konnte.
ln den nächsten so bösen Jahren ruhte das Manuskript
der Komödie wohl verwahrt in der Truhe, und auch die
meisten der gedruckten Blätter und Büchlein Schrots mußten
von der Bildfläche verschwinden und konnten sich erst 1552
während des Fürstenkrieges wieder vorübergehend ans Licht
wagen. Als aber ein Augsburger Buchführer, Hans Zimmer¬
mann, auch noch im Oktober des Jahres, nachdem die Reak¬
tion schon in vollem Gange war, ein Schrotsches Gedicht
„Vom Untergang des Adlers“ (des Kaisers) 2 ) verkaufen wollte
und dabei betreten wurde, führte man ihn auf Befehl des
Rates in die Fronfest 8 ), und auch Schrot wäre „eingelegt“
worden, wenn er sich nicht noch rechtzeitig heimlich unter
Zurücklassung seines Weibes davongemacht hätte, um zu
giocano adeaso per tutta la Germania con personagi per commover piit
li populi; et questi rebelli d’Augusta avanzano tutti in far piü cose
contra Dio et la santa sede apostolica; et non si contentano solamente
di giocar qneata comedia, ma sopragiongeno altre invention ridiculose,
tra le quäl per conclnsion di la comedia fano comparer un papa vestito,
en pontifical, con cardinali, vescovi et tutti gradi e ceremonie ecclesia-
stiche, mettendolo in sedia, dove al incontro metteno un imperator con
re, principi et tutti gtati seculari, li quali uno ad uno dal vilano fin al
imperator si lamentano de glingani di pontifici e stato ecclesiastico et
rivoltono sotto sopra il papa, caciando, il cardinali, vescovi et il elero,
riparteno tra loro tutti li spogli, il regno, aneli, croce, mitre, capeli,
la sedia, il sceptro et tutte le altre regalie et ornamenti et poi al ultimo
fano fine tal che non l’ardisco scriver“ etc.
*) S. unten.
2 ) Die Phrophecey,/Deß vierten Büchs E s d r e, /
am Ailften Capitel. / Von dem Adler vn seine vnder-
gang. / In Germania. / Im Tholner Thon zu sinngen. / etc. Titel¬
bild. 4°. 6'/ 2 Bl. S. 1. e. a.
3 ) Urgicht Hans Zimmermanns, dd. 9. Oktober 1551 in der Ur-
gichten-Sammlung. Vgl. R o th , Augsb. Ref.-Gesch., III S. 178 Nr. 106.
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den Wiedertäufern nach Mähren zu ziehen. Bevor er aber
die Stadt verließ 1 ), übergab er seinem Freunde Denecker das
Manuskript der Komödie »Von der Zurstörung des Papsttums“
zur freien Verfügung. Was -sollte dieser damit anfangen?
Freilich fanden auch jetzt, nach dem Passauer Vertrag, und
später nach dem ßeligionsfrieden Verhöhnungen des Papst¬
tums bei den Evangelischen noch Käufer genug, aber derer,
die noch im Ernste an die von Schrot verheißene Vernichtung
des „römischen Ungeheuers“ glauben mochten, waren es nur
mehr wenige. Dieses Thema hatte, abgesehen von den
Kreisen gewisser Theologen, seine Aktualität verloren; die
Komödie war nur noch eine Dichtung wie jede andere und
nicht wie früher eine Prophezeiung, deren Erfüllung man mit
Begierde entgegensah. Denecker aber, verführt von der Er¬
innerung an den Beifall, den das Stück seinerzeit bei der
Aufführung gefunden, war der Meinung, daß sich damit ein
schönes Stück Geld verdienen ließe, wenn er es auf seiner
Presse druckte, mit Holzschnitten aufputzte und auf fremden
Büchermärkten zum Verkauf brächte 2 ). Aber als er sich
an die Arbeit machte, wurde er gar bald gewahr, daß das
Schrotsche Manuskript in schlechter Ordnung war, und daß
er nicht zum Ziele kommen könnte, wenn es der Dichter nicht
noch einmal durchsehen und das, was noch fehlte, ergänzen
würde. Wahrscheinlich ließ er das Schrot durch Botschafter
wissen, und dieser, der ohnehin Sehnsucht nach seinem Heim
haben mochte, entschloß sich, den Bitten des Freundes zu
willfahren und im Sommer 1557 nach Augsburg zu kommen.
Aber da er vor fünf Jahren als ein dem Bäte „Ungehorsamer“
weggezogen war, hatte er die Verhaftung zu gewärtigen und
mußte daher darauf bedacht sein, sich bei seinem Aufenthalt
in der Stadt, der länger als einen Monat dauerte, sorgfältig
verborgen zu halten. Er schlich sich während dieser Zeit
dreimal in das Haus Deneckers, um sein Manuskript zu
korrigieren, es druckfertig zu machen und mit einer Vorrede
und einem „Beschluß“ zu versehen. Anfangs des Jahres 1558
! ) In den Steuerbüchern ist Schrot noch eingetragen bis 1557; in
diesem Jahre heißt es: „Christoph (statt Martin) Schrot ab.“
2 ) Dies und alles Folgende, wenn nichts anderes bemerkt ist,
aus den als Beilage mitgeteilten Urgichten Deneckers.
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maß das Bach, von dem 1000 Stücke gedruckt wurden, fertig
Vorgelegen haben. Das erste Exemplar, das er hinausgab,
machte er dem als Sammler von seltenen und seltsamen
Büchern bekannten Kurfürsten Ottheinrich zum Geschenke,
das zweite dem Markgrafen Karl von Baden; dann verkaufte
er eine größere Anzahl von Exemplaren an den Buchfttbrer
Georg Wuller, der sie, das Stück um fünf Batzen, als Abtrag
einer Schuld annahm und nach Leipzig schickte J ); etliche
Exemplare setzte er bei dem nach interessanten Neuigkeiten
lüsternen Schreibpersonal der Firmen Craffter und Bimel ab 2 ),
etliche bei einigen einheimischen Bücherfreunden — vor allen
bei dem bekannten Katsdiener und Chronisten Paul Hektor
Mayr — und auch der Frau des Schrot gab er einige Stücke.
Die Hauptmasse der Auflage aber brachte Denecker selbst
auf die Frankfurter Messe und „wurde“ auch in Nürnberg
150 Stücke „an“, die wahrscheinlich Martin Schrot absetzte.
Noch war Denecker mit der Ausbeutung dieses Unter¬
nehmens beschäftigt, als der Rat im Aufträge Kaiser Ferdi¬
nands mit großen Vorbereitungen für einen im nächsten Jahre
in der Stadt abzuhaltenden Reichstag begann, auf dem auch
eine feierliche „Besingnus“ des am 21. September 1558 ver¬
storbenen Kaisers Karl V. stattfinden sollte. Letzteres hatte
für Denecker die angenehme Folge, daß Ferdinand bei ihm
2200 hierzu benötigte Wappen bestellte, deren Anfertigung
ihn und sein Gesinde Tag und Nacht beschäftigte. Da pochte
am Abend des 22. Januar, eines Sonntags, das Unglück an
die Tür. Der draußen stand, rief Denecker zu dein Wirt
Kapfer am Lech, und von diesem hörte er, daß der Rat ihn,
den Formschneider, „fangen lassen“ werde. Dieser mochte
die Warnung als schlechten Scherz betrachten und schlug
sie, wie er selbst sagt, in den Wind. Aber es hatte mit dem,
was der Wirt ihm gesagt, seine Richtigkeit 8 ); am nächsten
Morgen erschienen die Stadtknechte bei Denecker und holten
*) Wullers Urgicht vom 27. Januar 1559.
*) Siehe über diese Firmen Strieder, Zur Genesis des mod.
Kapitalismus (Leipz. 1904) S. 146 ff., 208 ff.
3 > Der Rat hatte am 21. Januar beschlossen: „David Denecker
soll angesprochen, gebunden und aufgestellt aber nit [auf der scheibe)
aufgetzogen werden.“ Ratsdekrete 1559, Bl. 5b.
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ihn aus den Federn in die Eisen, wie man das Stadtgefängnis
nannte. Was war geschehen? Man hatte am kaiserlichen
Hofe ein Exemplar der Schrotschen Komödie zuhanden be¬
kommen, auf irgendeine Weise den Namen des Verlegers
erkundet und dem Rate befohlen, sich seiner sogleich zu
bemächtigen.
Der Kaiser hatte freilich allen Grund, gerade in diesem
Augenblick, in welchem er nach dem ergebnislosen „Zer¬
gehen“ des Wormser Religionsgespräches auf die Einleitung
neuer Vergleichsverhandlungen bedacht war, Uber die Heraus¬
gabe und Verbreitung derartiger „Hetzlibelle“ sehr ungehalten
zu sein, und die Sache sah ftlr Denecker gefährlich genug
aus. Die gegen ihn zu führende Untersuchung wurde dem
Rate übertragen und ihm dabei befohlen, Uber das Resultat
derselben zu berichten und zugleich ein Gutachten wegen
der über den Frevler zu verhängenden Strafe einzusenden.
Daraufhin wurde Denecker dreimal, am 24., 27. und 30. Januar,
in dem Verhörszimmer, in dessen Hintergrund der auf die
Weisungen der „Examinatoren“ harrende „Züchtiger“ stand,
einer strengen „Befragung“ unterworfen *), bei welcher man
ihn über alle bei solchen Preß vergehen in Betracht kommenden
Einzelheiten „einvernahm“: Wer ihn hierzu angestiftet, von
wem der Text des Buches herrühre, ob er die Schnitte selbst
gefertigt, wer ihm dabei geholfen, an wen er die bereits ab¬
gesetzten Exemplare verkauft, was er mit dieser Publikation
habe bezwecken wollen, was er sonst noch Verbotenes ge¬
druckt usw. Denecker gestand, da er wohl sah, daß Leugnen
nichts helfen und ihm vielleicht auch noch die Folter zu¬
ziehen würde, seine Vergehen offen ein und beantwortete die
an ihn gestellten Fragen im allgemeinen der Wahrheit gemäß;
doch ist als sicher anzunehmen, daß er außer den von
ihm eingestandenen Schnitten und Drucken auch noch andere,
die ihm nicht nachgewiesen werden konnten, „verschuldet“
hat. Dem Vorhalt, wie er denn trotz so vieler und strenger
Verbote habe wagen dürfen, ein solches Buch erscheinen zu
lassen, begegnete er mit der schwächlichen Ausrede, er habe
gemeint, „es werde mit diesem Druck, weil er ein schwänkig,
*) Siehe in der Beilage Nr. I, II, III.
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lächerig Ding, wol abgehen“, und man werde, weil er ja
kein eigentlicher Drucker, sondern ein Formschneider sei,
nicht so gar hart gegen ihn vorgehen. Die Absicht, damit
Unruhe und Unfrieden zu stiften, habe er nicht gehabt, son¬
dern er habe nur etwas „erobern“ wollen, um seine Schulden
damit bezahlen zu können. Das konnte man ihm wohl glauben.
Aber es gab noch andere Dinge, die man von ihm wissen
wollte. Man hatte nämlich in seiner Wohnung verdächtige
Handschriften gefunden, über die er Rechenschaft geben sollte,
und verlangte auch von ihm, daß er den Drucker eines
wegen seiner Schärfe großes Aufsehen erregenden Pasquillus
und den Verfasser des oben erwähnten Dialogs über die Nieder¬
lage des Kurfürsten von Sachsen nennen solle, da er beide kennen
müsse. Die von ihm gemachten Aussagen befriedigten seine
Verhörer gerade in den ihnen wichtigsten Punkten nicht,
aber trotzdem sie ihn mit der Marter bedrohten, konnten sie
ihn über das hinaus, was er gleich anfangs eingestanden, zu
keinem weiteren Geständnis bringen und mußten vorläufig
von ihm ablassen. Seinem von „Forschriften“ der Ver¬
wandten unterstützten Flehen, ihn doch auszulassen, damit
er die bei ihm bestellten Wappen rechtzeitig liefern und auf
der bevorstehenden Frankfurter Messe seinen Verbindlichkeiten
nachkommen könnte, wurde natürlich nicht stattgegeben,
sondern beschlossen, ihn bis auf weiteres „liegen zu lassen“.
Es mögen recht traurige Stunden gewesen sein, als er am
24. und 25. Februar, an welchen Tagen die „Besingnus“ vor
sich ging x ), im Gefängnis das Geläute der Dom- und andern
Kirchenglocken vernahm und an die vielen schönen Wappen
dachte, deren Fertigstellung er andern hatte überlassen müssen.
Drei Wochen später, am 17. März, drangen die Verhörer bei
einer vierten Vernehmung mit Macht in ihn, endlich zu sagen,
wer den Dialog Uber den Kurfürsten von Sachsen gemacht
und zuerst gedruckt, aber die Antworten waren die gleichen
wie früher 2 ). Jetzt wurden die Untersuchungsakten und mit
*) Siehe hierzu den auf Grund von Quellenschriften bearbeiteten
Aufsatz Luitpold Brunners, „Kaiser Karls V. Todtenfeier, veranstaltet
von Kaiser Ferdinand I. im Dom zu Augsburg am 24. und 25. Fe¬
bruar 1559“ im 34. Jahresbericht des hist. Kreisvereins im Reg.-Bezirke
von Schwaben und Neuburg für das Jahr 1868 (Augsburg 1869) S. 71 ff.
*) Siehe in der Beilage Nr. IV.
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ihnen Vorschläge, was mit dem Delinquenten geschehen solle,
dem kaiserlichen Hofe übermittelt. „Wiewol“, heißt es hier,
„einem ehrsamen Rate nit gebühren will, Ihrer Kais. Mt.
als dem Brunnen der Gerechtigkeit vorzugreifen und hierin
Maß und Ordnung zu geben, so will er doch derselben als
einem milden Kaiser allergnädigst zu bedenken heimgestellt
haben, ob er, Denecker, angesehen seiner langwierigen Ge¬
fängnis, ehrlichen Freundschaft und des ansehnlichen Für-
bitts, seinethalb beschehen, aus sondern Gnaden [nur] nach
Inhalt der Polizeiordnung, im 48. Jahr hie aufgericht 1 ), zu
straffen sein soll, dieweil er solchen dialogum selber nit ge¬
macht sondern seines Vorgebens aus Armut, sich darmit aus
Schulden zu erledigen, nachgetruckt hat 2 ).“ Beigelegt
wurde noch eine Bittschrift der Mutter und der Frau Deneckers,
die schon früher nebst der ganzen „Freundschaft“ an den
Kaiser suppliziert hatten und ihn nun inständigst noch ein¬
mal baten, die Freilassung des Gefangenen zu verfügen 3 ).
Der vom kaiserlichen Hofrat den mit der Führung des
Prozesses betrauten Ratsherren erteilte Bescheid 4 ) lautete:
Denecker habe zwar nach Gestalt seines Verbrechens wohl
eine Leibesstrafe verdient, aber der Kaiser wolle doch „aus
den vorgebrachten Ursachen leiden, daß ein ehrbarer Rat
ihn Dach Inhalt der Polizeiordnung strafe, damit er und
andere sich hinfüran solcher Sachen enthalten“. Am 13. April
wurde Denecker, dem der Rat dies mitteilte, auf eine schrift¬
liche „Urphede“ aus dem Gefängnis entlassen und ihm dabei,
den angezogenen Bestimmungen des Reichsgesetzes ent¬
sprechend, „das Handwerk niedergelegt“ mit dem Zusatz,
daß er es ohne Bewilligung des Kaisers oder des Rates
nicht wieder aufnehmen dürfte 6 ). Die noch erreichbaren
*) Gemeint ist hier das der Polizeiordnung vom Jahre 1548 ein-
verleibte Pressegesetz, von dem oben (S. 2) die Rede war.
*) Dieses Schriftstück liegt im Konzept den Urgichten bei. —
Befremdlich ist es, daß hier nicht mehr von dem Druck und der Heraus¬
gabe der Schrotschen Komödie, sondern von dem Nachdruck des die
Niederlage des Kurfürsten von Sachsen behandelnden Dialogs als
Grund der Verhaftung gesprochen wird.
# ) Mitgeteilt in der Beilage II.
4 ) Vermerk auf dem Rücken der eben erwähnten Bittschrift.
6 ) Ratsdekrete 1559, 13. April (Bl. 27»).
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Exemplare des Buches werden wohl konfisziert und verbrannt
worden sein J ).
Denecker war jetzt frei; aber wenn die über ihn ver¬
hängte Strafe nicht recht bald anfgehoben wurde, mußte er
zum Bettelstab greifen. Der Rat, der aus Rücksicht auf die
mächtigen Verwandten der Deneckerin schon bisher bemüht
gewesen war, soviel als möglich von ihrem Mann das Ärgste
abzuhalten, gab diesem auf sein wiederholtes Bitten am
3. Juni die Zusage, ihm zu seiner Restitution behilflich zu
sein; er möge den Kaiser schriftlich darum bitten, dann
wolle man sich, wenn Bericht gefordert werde, „nach Gebühr
halten“ 2 ). Denecker beeilte sich natürlich, seine Eingabe 8 )
an den Kaiser einzureichen, und seine Sache wurde auch
durch „Förderung“ von verschiedenen Seiten her auf gute
Wege gebracht; aber die vielen Geschäfte, die die Feststellung
des Reichstagsabschiedes und die Vorbereitungen zu der am
21. August erfolgenden Abreise des Kaisers mit sich brachten,
verzögerte die endliche „Absolution“ Deneckers um einige
Wochen. Erst am 7. September 1559, nachdem seit seiner
Gefangennahme mehr als siebeneinhalb Monate verflossen
waren, wurde ihm durch den vom Kaiser hierzu ermächtigten
Rat eröffnet, daß er sein Handwerk wieder ausüben dürfe.
„Doch soll er“, wurde hinzugesetzt, „angeloben, nichts aus¬
gehen zu lassen, er hab es denn zuvor die Schulherrn (die
zugleich die Zensoren waren) besichtigen lassen und seinen
Namen darunter gesetzt 4 ).“ Und einen Monat später (7. Ok-
*) Nach Angabe des Lagerkatalogs VIII (1911) der Leutnerschen
Hofbuchhandlung in München sind nur noch sechs vollständige Exem¬
plare des Buches vorhanden, von denen der Verfasser dieser Zeilen das
an der Kgl. Staatsbibliothek in München und das der Stadtbibliothek
in Augsburg vorhanden gehabt. Ein siebentes, unvollständiges, das
sich im Besitz 0. Weigels befand (Kusinsky 3639) ist nun in dem
Leutnerschen Katalog als Nr. 37 aufgeführt. — S. zu dem Buch Schnorr
v. Cavolsfeld im Arch. für Litt.-Gesch,, IV S. 405.
*) Ebenda, 3. Juni (Bl. 8*>).
3 ) Sie ist gedruckt bei B u t s c h , S. 17 Anm. 3. Der 7. Sep¬
tember ist aber nicht das Datum der Eingabe, wie Butsch anzunehmen
scheint, sondern das des Tages, an dem Denecker vom Kate seine Be¬
gnadigung verkündet wurde.
4 ) Ratsdekrete 1559, 7. Sept. (Bl. 33 1 >).
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tober) wurde, offenbar im Hinblick auf diesen Fall, sämtlichen
Buchdruckern und BuchfQhrern noch einmal eingesohärft,
sich bei Ausübung ihres Gewerbes genau an die Reichs¬
presseverordnung vom Jahre 1548 zu halten *).
Das Unternehmen, durch das sich Denecker aufzuhelfen
gehofft, war also gründlich mißglückt, und anstatt seine alten
Gläubiger befriedigen zu können, war er noch in neue
Schulden geraten. In dieser Not war es, daß er das Toten¬
tanzwerk seines Vaters in dritter Auflage (1561) herausgab.
Um dieses sowie verschiedene andere gangbare Bücher und
Bilder zu verkaufen, besuchte er als Buchführer die großen
Messen und kleineren Jahrmärkte und scheint damals nur
selten zu eigener Produktion gekommen za sein. Am
21. Januar 1561, an dem gleichen Tage, an dem der Rat
vor zwei Jahren seine Verhaftung angeordnet, erhielt er von
diesem die Erlaubnis „ain Jahr daust zu wonen“ 2 ), machte
davon aber erst 1562 Gebrauch und bezahlte, wie es üblich
war, beim Abzug drei Steuern, im ganzen 1 fl 15 Kreuzer
3 d, also nur 25 Kreuzer pro Jahr 8 ). Er blieb aber Augs¬
burger Bürger und kam zeitweise in die Stadt zurück; sein
Name findet sich in den Steuerbüchern noch eingetragen
bis 1567, jedoch ohne Anlage; im Jahre 1568 und weiterhin
fehlt er.
In der Zwischenzeit, im Jahre 1564 brach Denecker
noch einmal durchs Eis. Am 10. Juni dieses Jahres zeigte
nämlich Bürgermeister und Rat von Dinkelsbühl den Stadt¬
pflegern und Geheimen von Augsburg an, daß ein Buchführer,
Christoph Eberhard, zwei verbotene Schandbriefe feilgehabt,
die er tags zuvor von David Denecker auf der Nördlinger
Messe gekauft. Denecker habe diese Briefe selbst gemalt
und gedruckt und bringe sie ungeachtet der strengen Ver¬
bote und des Ärgernisses, das sie bei vielen erregen müßten,
unter die Leute 4 ). Die Geheimen sprachen den so wach-
') Stetten, Geschichte von Augspurg (Frankfurt und Leip¬
zig 1743), I S. 534.
2 ) Ratsdekrete 1561. 21. Januar (Bl. 5*>).
*) Steuerbuch 1562 (unter: Salta zum Roten Tor) Bl. 9c.
4 ) Das Schreiben und die Antwort darauf liegen bei den Urgichten
des Jahres 1564.
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samen Dinkelsbtlhler Herren schon am 12. Juni für diese
Mitteilung ihren Dank aus und versicherten ihnen, daß man
gegen Denecker, der jetzt nicht zu Hause sei, sobald man ihn
fassen könne, vorgehen werde, wie es sich gezieme. Der
so Denunzierte muß schon an einem der nächsten Tage
zurückgekehrt sein, denn am 15. Juni lag er in den Eisen.
Er wurde von den ihn verhörenden Herren mit Vorwürfen
Uberhäuft 1 ), daß er sich, seiner im Jahre 1559 ausgestellten
Verschreibung entgegen, nun neuerdings „Untaten und Mi߬
brauch seines Handwerks“ schuldig gemacht, so daß er
„meineidig und gelübdlos“ geworden sei. Denecker wußte
darauf wieder nichts vorzubringen, als daß die beanstandeten
Stücke alte Sachen seien, die man früher auf den freien
Messen in Frankfurt und anderswo offen habe verkaufen
dürfen, und daß er seine Verfehlung nur aus Not und Armut
begangen. Über ein Manuskript Schrots, das man in seinem
Schreibtisch gefunden hatte, vermochte er beruhigende Aus¬
kunft zu geben.
So sehr der Rat über Denecker erzürnt sein mochte,
machte er es diesmal, da er selbständig bandeln konnte und
ein leichterer Fall vorlag als im Jahre 1559, mit ihm kurz
und „glimpflich“, indem er noch am 15. Juni das Urteil fällte:
„David Denecker soll zu einer gnädigen Straf vier Wochen
in Eisen liegen bleiben und ihm seiner Hausfrauen Brieflein
furgehalten werden 2 ).“ Welchen Inhalt dieses gehabt, wissen
wir nicht; keinesfalls einen erfreulichen, da die „Herren“
die Mitteilung desselben gewissermaßen in die Strafe mit-
einbezogen.
Nach einem Vierteljahre kam Denecker, wenn auch nur
vorübergehend, noch einmal in die Eisen, und zwar diesmal
wegen eines mit seinem Handwerk in keinerlei Zusammen¬
hang stehenden Reates. Das Strafbuch von 1563 bis 1568
berichtet nämlich (Bl. 65“) unter dem 19. September 1564:
„Gilg Meichsner und David Denecker haben Eugelin in die
Wertach geworfen, davon die Fisch Uber sich gangen und
*) Siehe Deneckers Urgicht vom 15. Juni 1564 in der Beilage
unter Nr. VI.
*) Ratsdekrete 1564, 15. Juni, Bl. 53 b .
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gestorben sein 1 ); derhalben sie in Frönfest gelegt aber auf
Ftlrbitt ausgelassen worden sind.“ Nach dieser neuen „Mi߬
handlung“ scheint Denecker sein Heim in Augsburg für
immer aufgegeben zu haben und hat, wenn er die Stadt
überhaupt noch einmal betrat, in ihr nur als „Gast“ geweilt.
In spätere Zeit, als er sich bereits in Wien niedergelassen,
fallen zwei ihn betreffende Einträge in den Augsburger Rats¬
dekreten, die jedoch für uns belanglos sind 2 ).
Beschreibung des yon Schrot und Denecker herans-
gegebenen „Schmachbuches“.
Das Buch, Fol., trägt den Titel :Von der Erschrock-
li-/chen Zurstörung vnud Niderlag deß/
gantzen Bäpstumbs, gepropheceyetvnd ge-/
weissagt, durch die prophet'en, Christum, vn/
seineAposteln, vn außJohannisApoca-/lypsi
Figürlichvnndsichtliehgesehen/. Durch ain
Hochgelehrten, dise gegen/würtige ding, vor
sehr vil Jaren/beschriben, vnd der wellt
trew- / lieh, auffs kürtzest hiermit / furge-
halten, züNutz vn/güt, derSeelen, zum/Ewi-
gen Leben/. Mathei am 7:/Weicht ab jr ybeltheter all
behendt / Dan ich hab euch noch nie kain mal erkent. — Dieser
Titel ist von einem aus vier Leisten bestehenden Rahmen
umgeben. Obere Querleiste: in der Mitte ein Altar; links
steht vor demselben Christus mit dem Lamm, den zu ihm
herandrängenden Auserwählten den Kelch darreichend; rechts
J ) Diese Art des Fischtötens scheint damals in Deutschland ziemlich
in Schwung gekommen zu sein. Der Advokat Dr. Hieronymus Fröschel
erzählt in seiner Hauschronik (jetzt im Staatsarchiv zu Marburg) aus seiner
Studentenzeit unter dem Jahre 1552: „Am 12. april hab ich die kunst
mit den vischkngeln im Rein versucht, daß die visch doll worden und
jechling ans gstat geschossen, daß ich etlich zimlich grosse bachvisch ...
heraus genomen.“
*) Ratsdekr. 1577, 2. Mai: „David Dennecker soll nachgesehen
und seinem sone (Hercules?) die begert urkund eelicher geburde mit-
getailt werden.“ — 7. Mai: „David Dennecker soll, do er die ausstendig
steur betzalt, ain urkund, wie die Sachen (wol sein Weggang von
Augsburg) an ir selbst geschaffen ist, mitgetailt werden.“ Bl. 40», 41 b .
Archiv für Beformationsgeschichte. IX. 3. 14
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der Papst mit dem siebenköpfigen Tier der Apokalypse und
seinem „Gesind“ von Kardinälen, Bischöfen und anderen
geistlichen Personen, den vor ihm knienden Kaiser belehnend.
Untere Querleiste: links die Schar der Auserwählten, die
ein Engel in das Reich der ewigen Seligkeit führt, rechts
der Papst und sein Anhang, die der Satan iö den Höllen¬
rachen treibt. Längsleiste links: der nackte Christus mit
Marterwerkzeugen in den Händen, darunter der Tod; rechts:
der Papst in prächtigem Ornat mit den Insignien seiner
Macht und Würde, darunter der Satan in fratzenhafter Gestalt.
Den Hauptinhalt des Buches bildet die von Denecker
mit Holzschnitten *) ausgestattete Komödie Schrots, die von
den 397 2 Blättern, die es zählt, 27 einnimmt. Sie gehört
zur Gruppe der protestantischen Tendenzdramen, die den
Zweck verfolgen, die „Schande“ der alten Kirche aufzudeoken,
das Papsttum als eine Schöpfung des Teufels zu erweisen
und es dadurch verächtlich und verhaßt zu machen, wie dies,
um die berühmtesten Namen zu nennen, in den Totenfressern
des Basler Druckers Pamphilus Gengenbach, in den Fast¬
nachtspielen des Berner Malers Nikolaus Manuel und vor
allen in den großen Kampfdramen des sächsischen Pfarrers
Thomas Naogeorg geschieht 2 ). Das von Schrot in kurzen
Beimpaaren verfaßte Stück ist wie die meisten „Spiele“
dieser Art ohne Handlung im eigentlichen Sinne des Wortes
und besteht nur aus einer Folge von Vorgängen, die sich in
ziemlich schablonenhaft angelegten Monologen der nach¬
einander auftretenden Personen oder in Dialogen von höchst
einfacher Gestaltung abwickeln. Über der Liste der „Namen,
so in disem Handel begriffen seind“, sehen wir einen auf
einem Felsen sitzenden Mann — vielleicht den Dichter —,
der, einen Stab in der Hand, zu einer nicht sichtbar gemachten
Person spricht: „Simplex, die Werk Gottes seind vor Augen 8 ).“
>) Im ganzen nicht weniger als 101.
*) Siehe hierzu Holstein, DieReformation im Spiegelbilde der
dramatischen Literatur des sechszehnten Jahrhunderts, Halle 1886
S, 166 fl.
*) Wie in Schrots oben (S. 195) erwähnten „Newen Römischen
Pasquillus“. Siehe die Beschreibung dieser Schrift bei Roth, Augs¬
burgs Ref.-Gesch., Bd. III S. 166ff.
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Die „Agierenden“, nicht weniger als 55, sind in drei Gruppen
eingeteilt: in die der „Himmlischen“, unter denen sich der
eben verstorbene Luther befindet, in die der „Höllischen“,
die den Teufel nebst dem Papst und den „Seinen“ umfaßt,
und die der „Irdischen“. An dieses Verzeichnis reibt sich
das Bild des Herolds, der „die Vorred thut“, und das eines
Knaben, der „das Argument redt“.
In Akte und Szenen ist das Stück nicht gegliedert, da¬
gegen wird jeder der sich von selbst ergebenden Abschnitte
gewissermaßen eingeleitet durch einen Folioschnitt Deneckers,
der den Inhalt desselben veranschaulicht. Der erste mit der
Aufschrift: DerBapst rfifft seine Schutzherren
an zeigt uns eine auf dem siebenköpfigen Tier sitzende
Frauensperson — „Angnes, ain Weib aus Engelant, Johannes
der sibent genant, A. 851 x )“ —, das den Kaiser, den König
sowie andere Potentaten und Würdenträger aus einem Kelche
trinken läßt und sie dadurch zu ihrem Schutze feierlich in
Pflicht nimmt. Der dazu gehörende Vorgang auf der Szene:
Der Papst erfordert die weltlichen Herrscher vor sich; es
erscheint zuerst der Kaiser, um ihm den Treueid zu leisten,
dann treten, von einem Domherrn einzeln zitiert, der römische
König, die Könige von Frankreich, von Spanien, von Eng¬
land, von Portugal, von Schottland und von Polen, ein Herzog,
ein Graf, ein Edelmann und ein Bürgermeister hervor und
versichern dem heiligen Vater, mit Leib und Leben zu ihm
halten zu wollen. Natürlich fehlt auch der Narr nicht und
der Satan, der mächtigste Protektor des Papstes. Alle diese
Personen sind, teils freistehend, teils mit hübschen, manch¬
mal recht originellen Bahmen umfaßt, in typischen Einzel¬
figuren oder durch ihre Wappen dargestellt. Für jede Person
wird in der Regel durch das ganze Buch hindurch das Bild
gebraucht, mit dem sie da,* wo sie zum ersten Male auftritt,
eingeführt ist.
Auf dem zweiten Hauptbild: Der Saluatorwirt
zornig vber das gefallen Bapstumb erblicken
wir den über feuerspeienden Wolken thronenden Gott Vater
*) Siehe hierzu Döllinger, Die Papstfabeln des Mittelalters,
2. Anfl., ed. Friedrich (Stnttg. 1890). Wegen des Namens Agnes
insbesondere S. 27.
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als Richter, der ein flammendes Schwert aus dem Munde
schnaubt und eine Sichel in der Rechten hält. Im Halbkreis
umschweben ihn die apokalyptischen Engel mit dem Mühl¬
stein, mit dem Kelch, mit dem Rauchfaß, mit dem Buch, mit
der Posaune und der, der unter Freudengeschrei die Hände
über dem Haupte zusammenschlägt. Der Siebente nimmt von
dem Salvator die Sichel in Empfang, um damit das Papst¬
tum zu zerschlagen. Das siebenköpfige Tier, der Papst und
seine Leute hören dies, brechen vor Schrecken zusammen
und wälzen sich in wirrem Haufen auf dem Boden. —
Szenischer Vorgang: Der Salvator und fünf der genannten
Engel künden, jeder einzeln (in Reden von je 28 Zeilen),
den „Verworfenen“ die Vernichtung an, halten ihnen ihre
Missetaten vor und schicken sich an, zur Tat zu schreiten.
Drittes Hauptbild: Das jemmerlich Geschray
der verworffnen Geistlichen. Das Strafgericht ist
vollzogen. In der Höhe schwebt der von feurigen Wolken
umgebene Racheengel, der in jeder Hand ein Flammenschwert
schwingt. Auf der Erde liegt regungslos der zerschmetterte
päpstliche Haufen. Zur Linken desselben steht der Satan,
der sich bemüht, einen der Kardinäle aufzurichten, zur
Rechten der Narr und hinter ihm das Närrlein, die „ir all-
sam spotten vnd in die Warheit sagen“. In einiger Ent¬
fernung von dieser Gruppe sieht man die bestürzte Schar
derer, die noch vor kurzem dem Papste unverbrüchliche Treue
geschworen. — Szenischer Vorgang: Der Papst, der Kardinal,
der Bischof, der Legat, der Cortisan, der Cometer oder Creuz-
herr, der Offizialchorrichter, der Anthonier Pfaff, der Thum¬
herr, der Layen-Pfaff, der Apt, der Cartheuser Orden, der
Augustiner Münch, der Prediger Münch, der Barfüßer Münch,
Unser Frauen Brüder Münch, die edel Nunn, die gemeine
Nunn, die vielberufene Pfaffen Magt und der Jakobs Bruder
ergehen sich nacheinander in verzweiflungsvollen Klagen
über das, was sie verloren, und das, was ihnen nun bevor¬
steht. Die Sprüchlein, die sie hersagen (alle wieder 28 Zeilen
lang), heben, freilich in Anlehnung an bekannte Vorbilder,
das für jeden dieser Stände Charakteristische in recht ge¬
schickter Weise hervor und decken in Form von Geständ¬
nissen alle die Mißstände und Mißbräuche auf, die dem
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„päpstlichen Pfaffenwesen“ von den Evangelischen zum Vor¬
wurf gemacht wurden; es war für Denecker eine dankbare
Aufgabe, für diese von dem Dichter vorgeführten Typen den
entsprechenden bildlichen Ausdruck zu schaffen. Zum Schlüsse
kommen noch der Narr und das Närrlein, um zu dem Ge¬
schehenen ihre Glossen zu machen, und der Satan, der den
Papst zu trösten versucht, aber auch seinen Spott nicht ver¬
beißen kann.
Viertes Hauptbild: Hie wirdt das Bapstumb
widerumb geblindert. Auf die leblos auf der Erde
liegenden Geistlichen treten von links her der Kaiser sowie
die übrigen Potentaten und Herren, von rechts her Leute aus
dem Volke heran, um jedem von ihnen das wegzunehmen,
was die Vorfahren ihnen einst geschenkt und gestiftet. Im
Hintergründe breitet sich das erregte Meer aus, auf dem ein
paar Schiffe dahingetrieben werden, und am Strande steht
je eine Gruppe wehklagender Kaufleute und Schiffer (Apok. 18).
— Szenischer Vorgang: Der Kaiser, der römische König,
die bei Beschreibung des ersten Bildes genannten Herrscher,
der Herzog, der Graf, der Edelmann, der Bürgermeister, dann
der Handwerker und der Bauer sprechen in Monologen (von
je 28 Zeilen) ihre Gedanken über das Geschehene aus und
greifen, die wehrlos vor ihnen Liegenden plündernd, nach
dem, was sie als das Ihrige erkennen. Dann kommen noch
hervor ein Bettler, der sich in sehr derben Worten Uber die
Hartherzigkeit und die verächtliche Behandlung ausläßt,
womit sich die üppigen Pfaffen an ihm versündigt, und der
„einfältige Mann“, der Gott dankt, von dem gleisnerischen
Papsttum erlöst zu sein. An sie schließen sich der Kauf¬
mann und der Schiffer, die darüber jammern, daß sie infolge
der über das Papsttum hereingebrochenen Katastrophe ihre
besten Kunden, die hohen kirchlichen Würdenträger, verloren
hätten. Endlich erscheint der Papst selbst, gedenkt dessen,
was er bis vor kurzem noch war und was er jetzt ist, und
„weint und verzweifelt“.
Fünftes Hauptbild: Hie wirdt das Vnkraut inß
Höllisch Feuwr geworffen. Der Salvator thront in
seiner furchtbaren Herrlichkeit über den flammenden Wolken,
zu seinen Füßen schwebt, das Angesicht auf die Erde ge-
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richtet, der Engel mit dem Buche. Unter ihm, in der Tiefe,
wird der Haufen der Päpstlichen, der mit starken eisernen
Ketten umfangen ist, von den Racheengeln und dem Tod an
den Höllenrachen hingescbleppt und in ihn hineingestoßen.
— Szenischer Vorgang: Der Engel mit dem Buch höhnt den
Papst, indem er ihm vor Augen führt, daß er und die Seinen
jetzt von all ihren mächtigen Anhängern und Schützern ver¬
lassen und dem Verderben preisgegeben worden seien. Er
schließt mit den Worten:
„Nun Tod, Sathan, nimms hin s’ ist Zeit
Und quäl sie nun mit Herzeleid
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Nachdem noch der siebente apokalyptische Engel der Ge¬
fallenen „gespottet“, ertönt ein Lobgesang der Engel und
Heiligen Gottes, der das von diesem Uber das Papsttum gehaltene
Gericht mit jauchzendem Halleluja preist. Der die Sense
schwingende Tod macht sich auf, um die Leiber des Papstes
und seiner Genossen zu „würgen“, während ihre Seelen in
ewiger Pein fortleben sollen. Dann erscheint Christus mit
dem „Siegfahnen“ in der Hand, der in längerer Rede das Ur¬
teil des Salvators wiederholt und noch einmal die erst zeitlich
Gestürzten in alle Ewigkeit verdammt. Sofort befiehlt nun
der Engel mit dem Buch den ihm untergebenen Geistern des
Lichts, das Papsttum in Fesseln zu schlagen und der Hölle
zu überantworten. Das geschieht. Zuletzt wird auch noch
der Satan, des Papsts „Gesell“, trotz heftiger Gegenwehr
überwunden und in den Avernus hinabgestürzt.
Das sechste Hauptbild: Die Außerwölten standt
bey ainander vmb das lamb Gottes. Oben, über
den Wolken, das Lamm in der Glorie, im Halbkreis umgeben
von singenden und musizierenden Engeln. Unten, auf der
Erde, zwei einander gegenüberstehende Gruppen: links die
Gelehrten und Leute aus dem Volk, rechts der Prophet Daniel,
der Apostel Paulus, der Evangelist Johannes und Martin
Luther. Die drei Erstgenannten erinnern an die Prophezei¬
ungen, in denen sie das, was jetzt eingetreten, vorausgesagt.
Luther versichert, daß er an der Niederlage des Papsttums
keine Schuld trage, sondern dieses sich ganz und gar selbst
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ins Verderben gebracht habe. Er begründet das dnrch ein
langes Sündenregister, das er ihm vorhält, meint aber
schließlich:
„Doch ist mein redt, hülfft es in nott,
Last vns noch für sy bitten Gott,
Ob doch etlich vnder in wem,
Die sich ein mal wolten bekern,
Damit globt wird Gottes namen.
Wer das begert, der sprech Amen!“
Damit endet die Komödie; die Figur des Herolds, natürlich
dieselbe wie die am Anfang des Stückes, ist die letzte, die
Denecker hierfür geschnitten. Aber Schrot veranlaßte ihn,
noch ein siebentes Hanptbild zu fertigen, das mit dem Stück
in keinerlei innerem Zusammenhang steht und betitelt ist:
Die war heylig, einig, christlich Kirchen,
darin die newgebornen Kinder Gott deß
Vatters sein, die erlöst seindt durch das Plüt
Christi vndVergebung derSünden im heylign
Geyst han empfangen, eine frostige, spitzfindig aus¬
geklügelte Allegorie, deren Konzeption natürlich ganz und
gar das Werk Schrots ist. Auf der Höhe einer zwischen
zwei Felsen ansteigenden Treppe mit zwölf Stufen — den
Artikeln des christlichen Glaubens — steht Christus, der den
Tod hinabstößt; in der Mitte der Treppe erblickt man den
Heiligen Geist als Taube. Über den Wolken, links von
Christus, sitzt Gott, der Vater, auf einem prunkvollen Stuhl;
unter den Wolken stürzen sich Engel mit Schwertern auf
den Satan, um ihn in die Hölle zu treiben. Rechts von
Christus steht auf einem kleinen, Uber die Wolken sich er¬
hebenden Hügel das Lamm, das von einer Schar unschuldiger
Kinder umgeben ist; unter den Wolken schweben hier
bewaffnete Engel, die aufgestellt sind, die hinterlistig, auf
falschem Wege dem Reich Gottes Zustrebenden abzutreiben;
denn in dieses führt nur ein Weg, das ist der über die
Treppe hinauf. Am Fuße derselben drängen sich die, denen
es ernst ist mit dem Kampfe um die Seligkeit; umschlungen
mit einer Kette, von deren Gliedern jedes eine christliche
Tugend verkörpert, lauschen sie mit Andacht den Worten
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der Propheten und Johannis des Täufers. Außerhalb dieser
Kette steht die unübersehbare Menge der noch nicht zur
Gemeinde Christi Gehörenden, vor ihnen Moses mit der
Gesetzestafel, wie er ihnen, „sonderlich den Juden, ihre Sünde
anzeigt“. Links unten schlägt das wilde Meer an den Felsen
der Kirche und „grausame Mörthier und Syrenen“ bereiten
ihr Gefahren und Versuchungen. Gegenüber, in der Ecke
rechts, zeigt sich ein mit der päpstlichen Tiara bekrönter
Teufelskopf, der gegen die Gemeinde der Auserwählten sein
Gift spritzt.
Warum Schrot dies Bild den andern hat anfügen lassen,
ist klar. Er wollte die Herausgabe der Komödie, von der
er hoffte, daß sie weite Verbreitung finden werde, benützen,
um im Anschluß an den Text die Summe seines Glaubens
darzulegen und für ihn in den Kreisen der nach seiner An¬
sicht noch „in der Irre Gehenden“ zu werben. Wie aber
war damals sein Glaube beschaffen ? Schrot war, wie man
Grund hat anzunehmen, ursprünglich zwinglisch, besaß dabei
aber doch so viel Sinn für die Bedeutung und die Größe
Luthers, daß er diesen mit den in der Komödie auftretenden
Propheten und Aposteln in eine Linie stellte. Aber bald
nach dem Jahre 1546 muß Schrot, vielleicht infolge persön¬
licher Berührung mit dem damals in Augsburg lebenden
Täufer Pilgram Marbeck*), täuferische Anschauungen in sich
aufgenommen haben, sonst wäre er nicht, wie er im Jahre 1552
tat, nach Mähren gezogen, wo die Täufer in einer Anzahl
geschlossener Niederlassungen hausten 2 ). Natürlich wurde
>) Siehe hierzu B o t h, Augsburgs Bef.-Gesch., III S. 248.
*) Über das Leben, Leiden und Treiben der mährischen Brüder¬
gemeinden sind wir trefflich unterrichtet durch das Werk Josef Becks,
„Die Geschichts-Bücher der Wiedertäufer in Österreich-Ungarn,
betreffend deren Schicksale in der Schweiz, Salzburg, Ober- und Nieder¬
österreich, Mähren, Tirol, Böhmen etc. in der Zeit von 1526 bis 1785“.
(Wien 1883) = Fontes Ber. Austr., Diplomata et Acta, Bd. 43. —
Polemisch: Der Hutterischen/WidertaufferTauben-
Kobel...DurchChristophorumAndreamFischerD./
Pfarrherrn zu Velsperg. Darunter ein Holzschnitt, einen
Taubenkobel darstellend. Mit Böm : Kay: Mayest: freyheit./ Getruckt
zu iDgolstatt, in der Ederischen Truckerey, / Durch Andream Anger-
mayr./ Anno M.DC.VIL
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er hier io seinem neuen Glauben bestärkt und gefestigt, nahm
aber doch die Lehre der Brüder nicht in allen Punkten an,
denn er war ein selbständiger Bibelausleger und Denker,
der seine eigenen Wege gehen wollte. Als er nun im
Sommer 1557 mit Denecker die zur Veröffentlichung des
Buches nötigen letzten Arbeiten erledigte, schrieb er eine im
Druck hinter dem Titelblatt eingereihte prosaische Vorrede
(2 1 / 2 Bl.) hierzu, in der er die Gott zur Vernichtung des
Papsttums bewegenden Gründe auseinandersetzt und die
Komödie mit ihren sechs Hauptbildern nebst den dazu
gehörenden Nebenfiguren als den ersten Teil des Buches
bezeichnet; der zweite werde von dem siebenten Hauptbild
und der ihm angehängten Erläuterung gebildet. Diese eben¬
falls in Prosa verfaßte Erläuterung (8 l j 2 Bl.) war ihm offen¬
bar das Wichtigste des ganzen Buches. Ich will, kündigt
er in der Vorrede an, hier, „so viel mir Gott der Gnaden
hat gegönnt und gegeben, mein Licht nit unter die Bänk
setzen und einen Metzen drüber stürzen sondern es frei auf
den Tisch aller Gutherzigen ... setzen, daß aller Gläubigen
Hausgesind mein Licht, von Gott angezündet, scheinen seh
zu Lob und Preis der Ehre Gottes, des himmlischen Vaters,
der das lebendige Wort durch seinen heiligen Geist in mir
als einen Samen des ewigen Lebens gesäet hat, des Frucht
und Nutz aus dem neu gebornen Wort herfürbricht wie die
schöne Morgenröte und [das] Blut [des] Bräutigams Jesu
Christi, seines eingebornen Sohns, so durchs Wort, das er
selbst ist, mein Herz durchlenchtet mit dem Glanz seines
heiligen Geists nach Maß meines Glaubens, darmit ich jetzt,
nachdem mich der Herr gestärkt hat, auch meine Brüder
möge stärken“. Und es ist jetzt, meint er, wahrlich nötiger
als je, zu ihnen mit mahnenden und warnenden Worten zu
reden, denn non, nachdem das Papsttum aus den Herzen
verbannt ist, geht der Teufel um, um die Menschen mit den
Satzungen des neuen Papsttums zu beladen, allenthalben neue
Sekten zu stiften und, wenu dies möglich wäre, selbst die
Auserwählten zu verführen.
Was Schrot mit dem neuen Papsttum meint, ist nicht
zweifelhaft. Er zielt damit auf die evangelischen Landes¬
kirchen und die Lehre der in ihnen wirkenden Prädikanten,
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die nichts wissen vom lebendigen Wort und nur den toten
Buchstaben zu predigen vermögen. Im Gegensatz zu diesen
Kirchen steht die „wahre christliche Kirche“, wie sie die
Täufer und Schrot auffaßten: „Die Versammlung aller Gläu¬
bigen, die, durch den heiligen Geist versammelt, durch die
reine Lehre Christi von der Welt abgesondert und durch die
göttliche Liebe vereint, dem Herrn aus dem Herzen geist¬
liche Opfer bringen. Wer in diese Kirche eingeführt, ein
Hausgenosse Gottes werden will, muß in Gott leben und
wandeln; wer außerhalb dieser Gemeinde ist, ist außerhalb
Christo 1 ).“ Auch Schrots „Meinungen“ über das Wesen der
Obrigkeit sind täuferisch. Die Kindertaufe wird von ihm
mit Nachdruck abgelehnt und statt ihr die Taufe der durch
das Wort Gottes Unterwiesenen, also die Spättaufe, gefordert.
Das Abendmahl ist ihm zwar eine Einsetzung Christi, aber,
wie den Zwinglern und den Täufern, nur eine Feier des
Gedächtnisses an das Leiden und Sterben des Heilands und
zugleich ein Dankfest hierfür. Als drittes Sakrament nach
der Taufe und dem Abendmahl nennt Schrot jedoch nicht
wie die mährischen Brüder die Ehe, sondern „die Gewalt
der Schlüssel“ und „das Regiment des heiligen Geistes“.
Den Schluß dieser Ausführungen, von denen, wie er dies
auch in der Komödie durchgeführt hat, fast jeder Satz, ja
manchmal jedes Wort mit dem Zitat einer Bibelstelle belegt
ist, bilden die Aufforderung, „in der einigen christlichen Kirche“
und im rechten Glauben zu verharren, ein Aufruf zur Buße
angesichts des nah bevorstehenden Gerichtes und eine noch¬
malige Warnung vor den Verführern, die er in die für ihn
so bezeichnenden Verse faßt:
Wer auß dem allten Bapstumb ist gegangen,
Der schauw, das er nit im Neuwen werd gefangen,
Dan yetzund vil hell Geister vmbher brangen,
Die manchem sein gwissen bschweren mit drangen.
Mit vil yrthumb seind sy selbst behängen,
Mügen doch Gotts gnadt vnd Geist nit erlangen.
Solche seind wilde, verdorbne Wein rangen,
Scorpion, Basiliscus vnd stechent Schlangen,
J ) Beck S. XI.
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Die züsamen werden banden mit strängen
Vnd in das Höllisch fewr geworffen mit zwangen;
Aber die frumen mit Englischen gesangen
Ewig leben; da wirt Gott von iren wangen
Die treheren abwischen, mit Lieb vmbfangen.
Anhangsweise mögen hier noch einige Notizen zu dem
späteren Lebenslaufe Martin Schrots folgen. Er hätte, nach¬
dem er zur Herausgabe der Komödie das Seine getan, seinen
ständigen Wohnsitz gern wieder in Augsburg genommen,
erhielt aber, als er beim Kate der Stadt, mit dem er seit
seinem Entweichen im Jahre 1552 immer noch nicht „ver¬
glichen“ war, um die Erlaubnis zur Rückkehr supplizierte,
den in ähnlichen Fällen häufig erteilten Bescheid: „Wer ihn
hab heißen hinausgehen, der soll ihn wieder heißen herein¬
gehen.“ So wanderte er nochmals zu den Brüdern nach
Mähren, von wo aus sich das Gerücht von seinem Tod ver¬
breitete, so daß seine Frau Margareta in dem im Oktober 1558
angelegten Steuerbuch als Witwe verzeichnet ist. Schon im
nächsten Jahre ist sie wieder zu Schrots „Ehewirtin“ ge¬
worden, die in einem ihr gehörenden Häuschen „an des
Geigers Garten“ wohnte und jedenfalls alles aufbot, um durch
„Fürsprachen“ den Rat endlich für ihren Mann gnädig zu
stimmen. Das gelang erst im Jahre 1563, wenigstens findet
sich erst von dieser Zeit an sein Name wieder in den Steuer¬
büchern, und zwar an der Stelle, an der bisher der seiner
Frau eingeschrieben gewesen und mit demselben Steuersatz,
der von dieser bezahlt worden war 1 ).
Schrot kam nach Hause als ein verbitterter Mann. Seine
religiösen Ideale hatten bei den Täufern — den Huterischen
— so wenig dauerndes Genüge gefunden wie einst in der
Lehre Luthers und Zwinglis, und die Sympathie, die er an¬
fangs den mährischen Brüdern entgegengebracht, war schließlich
in solchen Unwillen gegen sie umgeschlagen, daß er sich
*) Die Steaerquote der Schrotin und dann Schrots betrug nur
30 d, 20 kr., 6 d; sie scheint sich aus dem Ertrag des Häuschens er¬
geben zu haben.
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sogar hinreißen ließ, ein Büchlein gegen sie zu schreiben,
in dem er sie als schädliche Verführer anklagte 1 ). In Augs-,
bürg verlebte er fortan äußerlich still dahinfließende, aber
von dürftigen Verhältnissen getrübte Jahre. Von poetischen
Arbeiten, durch deren Ertrag er sich aufzuhelfen versuchte,
kennen wir aus dieser Zeit nur eine einzige unter seinem
Namen erschienene, nämlich „Die X Alter der Welt“ 2 ) (die
zehn Lebensalter), ein damals außerordentlich beliebter Stoff.
Außerdem war er damit beschäftigt — vielleicht unter Be¬
nützung von Sammlungen seines wappenkundigen Freundes
Denecker —, Material zu einem größeren Wappenwerke
zusammenzubringen, starb aber, bevor er damit zu Ende kam,
in den letzten Monaten 1575 oder im Frühling 1576. Der
Buchdrucker, * in dessen Verlag das Buch erscheinen sollte,
Adam Berg in München, gab es dann, soweit es fertig vor¬
lag, mit einer Widmung an König Rudolf vom 21. Juni 1576
heraus 3 ). Den größten Teil des Werkes bilden die Wappen
*) S. die Beilage I, E, Punkt 7 und 8.
2 ) Die X Alter/der weit, mit jrem lauf/vnd
aygenschafften erkläret,/nach dem öesatz gaist-
licher w e iß , / vn d in Reymenverfaßt, durch/Martin
Schrot, im 1574. / Jar, lieblich zft lesen/vndhören etc./
1. Johann, am 3. cap. / Die Welt vergeht mit jrem glust, / wer aber
Gottes willen thüt, / der wirt bleiben in / ewigkait. / Cum gratia &
priuilegio. / Getruckt zü Augspurg, durch / Philipp Velhart. (Exemplar
in der Universitäts-Bibliothek zu München). — Siehe hierzu den Auf¬
satz von A. Englertin der Zeitschr. des Ver. für Volkskunde in Berlin,
1907 S. 16ff., wo der wichtigste Teil des Schrotschen Büchleins ab¬
gedruckt ist.
8 ) Wappen Buch/Des hohen Geistlichen v n d /
Weltlichen Stands der Christenheit in Europa,/
des Apostolischen Stuels zu Rom: Der Patriarchen,
Cardi-/nälen, Ertz vnd gemaine Bistumben: der
Gefürsten Preläten,/Abbteyen, Auch der Uniuer-
siteten vnd ho-/hen Schulen Namen vnd/Wappen. /
Deßgleichen auch des Römischen Reichs vnnd/
Kayerthumbs, der Christlichen Königreichen,
Chur/vnnd Fürstenthumb,/Graff vnnd Herrschaff-
ten,/sambt den Freyen Reichs-/Stätten. / In wel¬
chem j etz tgemelt em Wappen Buch gleich/als inn
einem Spiegel zusehen, wie weit sich der/Christ-
liche Glaubvnnd sonderlich d a s R 6 m i s c h e / ß e i c h
vnd Kayserthumb etwan/ erstrecket hat./ Durch
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der „geistlichen Stände“, an ihrer Spitze das des „aposto¬
lischen Stuhles“, den Schrot einst als den Sitz des Antichrists
und der babylonischen Hure in seinen Dichtungen in die
tiefste Hölle hinabgeschleudert hatte; dazu ein einleitendes,
sichtlich von Schrot selbst herrllhrendes Gedicht, in welchem
„die päpstliche Heiligkeit“ die „geistlichen christenlichen
Stände“ zum Gebet um die Hilfe und den Beistand Gottes
wider den Feind der Christenheit, „den greulichen, blut¬
dürstigen Türken“, ermahnt. Es ist schwer zu sagen, ob
Schrot, von Not getrieben, um ein Geschäft zu machen, ein¬
fach eine sein Gesicht verdeckende Larve vorgebunden hat
und dabei der Alte geblieben ist, oder ob er zu den nicht
gar so wenigen gehört, die erst lutherisch, dann zwinglisch,
dann täuferisch oder schwenkfeldisch geworden, um endlich
als reuige Söhne zur „Mutter“, der alten Kirche, zurückzu-
kehren 1 ).
Im übrigen werden wohl die meisten Schriften Schrots
gleich seiner „Komödie“ anonym erschienen sein, und es muß
dem Zufall überlassen werden, diese Anonymität aufzudecken.
Die engen zwischen ihm und David Denecker bestehenden
Beziehungen aber, die wir nachgewiesen, werden künftige
Forscher, die den Arbeiten dieses Künstlers nachgehen, ver¬
anlassen, alle bekannten Bücher und Schriften Schrots darauf¬
hin zu prüfen, ob sie nicht Holzschnitte von David enthalten.
In den vor 1548 erschienenen könnten noch solche seines
Vaters Jobst zu finden sein.
Martin Schrot von Augspurg zusa-/men getragen. /
Getruckt zu München. / Mit Röm : Kay: May: freyheit nit nachzu-
trncken. / M.D.LXXV1. Eine zweite Ausgabe vom Jahre 1580 an¬
geführt bei Weller, Annalen der poet. National-Literatur der
Deutschen, Bd. I S. 333. — In der Vorrede des Druckers zu der Aus¬
gabe von 1576 wird bemerkt, daß Schrot eben gestorben sei. Das
bestätigen auch die Augsburger Steuerbücher: 1575 ist er noch ein¬
getragen, 1576 an seiner Statt seine Witwe.
In den Ratsdekreten 1575, 8. April (Bl. 40») findet sich der
Eintrag: „Martin Schrots supplication soll den pflegern über sant
Antonspfründt nach gepflogenheit zugestellt werden.“ Nimmt man im
Hinblick auf ähnliche Einträge, deren Zweck und Folgen wir kennen,
an, daß Schrot sich in seiner Supplikation um Aufnahme in die Antons¬
pfründe beworben habe, so müßte man in ihm einen „Bekehrten“ er¬
blicken, da die Pfründe eine streng katholische war.
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Archiyalische Beilagen.
i.
Die an David Denecker bei den gegen ihn 1559 nnd
1564 geführten Untersuchungen gestellten Fragen und
seine darauf gegebenen Antworten (in der Urgichten-
sammlung des Augsburger Stadtarchivs).
A.
DavidDenecker soll uffnachvolgendearticul
ernstlich angesprochen und, da er nit gleich
Zusagen würd, gebunden und aufgestellt, aber
doch unaufgezogen, angesprochen werden:
1. Wer das puech von underdruckung despabs-
tumbs gedruckt und zue trucken gegeben hab.
2. Wer die form darzue geschnitten und es verlegt hab.
3. Wer es gemacht oder darzue geholfen hab.
4. Er hab es selbs alles angericht und gemacht; aus
weß anstiften es beschehen sei.
5. Aus was Ursachen er es gethan, und was er ver-
maint hab, damit auszerichten und zu erlangen.
6. Er wird es nit aus im selbs allain gethon, noch den
costen allain darauf gewendt haben; darumb soll er anzaigen,
wer im geholfen zum gedieht und verlegen.
7. So hab er auch die formen, so er darzü gepraucht, nit
allain geschnitten; wer im in selbem geholfen hab.
8. Da er dann je nit bekennen wollt, daß er es selbs
gemacht oder gedruckt, soll er die anzaigen, die es gemacht
oder gedruckt und die formen geschnitten haben.
9. Woher im die exemplaria komen, die er gehabt, wifr
vil derselben gewest seien.
10. Wem er dieselben verkauft, und wie vil, auch wohin,
das soll er underschidlich anzaigen.
11. Was in oder dieselben verursacht, daß sie es wider
gemain und sunder verbot unangezaigt gedruckt und ver¬
kauft oder publiciert und under das volck pracht haben.
12. Wer in gewarnet, und von wem es derselb erfarn,
daß man nach im greifen wöllen.
Actum, afftermontag den 2 4. januarii annu
1559hatDavidDaneckervonAugspurguffbei-
ligende fragstuck gütlich bekant*), wie volgt:
Erstlichen: Dises büch hab ainer gemacht, so Martin
Schrot haiß, aber jetzo nit mer hie, sonder, wie er ver-
1 ) Verhörer waren: Herr Wolf Langemnantl, Herr Otto Lauginger.
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numeD, bei den gartenbrüdern im landt zü Merhern sei. der
habs ime, Tanecker, ungeferfich vor 6 oder 7 jaren uff sein
beger zügestelt, und er, Danecker, willens gewest, mit der
zeit ain werck daraus zuezerichten, formen darzne zeschneiden
und es in truck zü bringen, und sei dise comedi vor jarn
durch ermelten Schroten alhie öffentlich gespielt*), aber ime
bald darnidergelegt worden; und sei Schrot selbs der teufel
im spiel gewest, nachdem sich aber mittler weil zügetragen,
daß der Schrot von hinnen körnen 2 ), habe er mit dem büch
nit fort gekundt bis etwo ungeverlich vor anderhalb jaren.
[da] sei derselbe Schrot alher körnen und ain zeit lang hie
gewöst, doch haimblich und in der stille, der habe die
Schriften, vorred und beschluß alles corrigirt und fertig ge¬
macht, daß er, Danecker, es hernach in truck gebracht und
selbs mit seinem gesindt getruckt, dann er die formen alle
selbs geschnitten und mit seinen eigen Schriften getruckt und
es sonst niemanden zuekomen lassen, und koste in diser
truck bis in die 400 gülden, und habe das erste exemplar,
das er ausgeen lassen, dem pfaltzgraven, churfürsten, uffs
schönst mit gold eingebunden, geschenckt; so habe er des
Schroten handschriften, als des autors, noch dahaimen in
seinem haus, auch wisse der Michel Frey *), schuester, wol
umb dises gestelte büch; habs oft bei ime im haus gesehen,
ee er gar mit fertig sei worden.
Zum 2.: Er, Danecker, habs selbs geschnitten und ver¬
legt, der hoffnung, was damit zü erobern.
Zum 3.: Der Schrot hat die reimen, vorred und beschluß
ime, Danecker, alles in Schriften, zügestelt und seines Wissens
selbs gemacht, und er kainen büchstaben davon oder darzue
gethon, dann daß er die formen geschnitten und getruckt hab.
Zum 4. sagt er wie oben, also sei es zügangen: von
Schroten hab ers empfangen, volgents die formen darzü ge¬
schnitten und mit seinem aignen gesind selbs getruckt, und
hab ime sonst niemand darzü geraten noch geholfen.
Zum 5.: Er hab kain andre ursach gehabt, dann daß
er für feiren ain werk zuericht, daß er auch gelt gewinnen,
seine schulden bezalen und sich ernehren könne.
Zum 6. nimpt ers zum höchsten, daß ime weiters kain
*) S. oben S. 195.
*) S. oben S. 196.
*) Der Schuster nnd Meistersinger Michel Frey, ein Freund
Deneckers, hatte, wie es scheint, im Kreise von Bekannten oder anch
Fremden gegenüber von dessen Buch gesprochen, war verhaftet und
am 27. und 30. Jannar über sein Verhältnis zu dem Formschneider so¬
wie über das, was er von dessen Arbeiten und anderen verdächtigen
Schmachschriften wüßte, verhört worden. Er hatte sich dabei natür¬
lich als „unwissend* 1 und unschuldig hinzustellen versucht.
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mensch darzü geholfen oder verlegen hab helfen, sondern
habs allain fUr sich selbs heraus gearbait. so wiß er auch
mit dem gedieht niemand dann den Schroten, ders gemacht
hab; der habs ime auch geben.
Zum 7.: Seine gesellen und bueben hab er darzue ge¬
braucht, wie ain jedlicher sein gesind braucht und inen zu
arbeiten furgeb. und hab kain frembde sondern allain seine
diener darzue gebraucht.
Diser 8. artieul ist ime unnot furzühalten gewest.
Zum 9.: 1000 exemplare hab er gefertigt.
Zum 10.: die ersten 2 exemplar hab er ains dem pfaltz-
graff, churfürsten, und das ander marggraff Carlen von Baden x )
geschenckt. darnach in der vasten verschinen hab er 400
exemplar gen Frankfurt gefurt, deren noch ain teil unverkauft
daselbs ligen. item gen Nurenberg hab er 150 anworden,
wie vil er aber deren hie anworden, könne er nit aigentlich
wissen oder anzaigen. dem Jörgen Wüller, buchfürer alhie 1 2 3 ),
hab er bis in 60 ungeverlich geben, dem Laux Remen 1,
Herrn Hans Jörgen Pomgartner zwai, Thomau Arnold ains,
Hans Vogel ains, dem Gegler ains, Hector Mayr ains, in des
Bümel Schreibstuben 4, item in die Kraffterische s ); Jörgen
Wüllers diener hab auch 8 für sich selbs genomen.
Zum 11.: Er hab grosse mühe, arwait und costen darauf
gewandt und darnach besorgt: mache er vil geschreis daraus
oder bitte umb erlaubnus zu trucken und solts ime abge¬
schlagen werden, so wurde er in großem schaden ligen
bleiben, habs deßhalb gleich getruckt und verhofft, weil es
ain schwenckig, lecherich ding sei, es solt nit vil daran ge¬
legen sein, bitt derhalben ain ersamen rath umb Gotts
willen, imbs nicht im ergsten aufzünemen sondern gnediglich
zu verzeihen und der fengknus zu ledigen, er welle solichs
und dergleichen nit mer thuen sondern muessig steen; dann
er solte der kai. mt. eilend 2200 wappen zur besingnus
schneiden, malen und zuerichten 4 ); das könne sein gesind on
ine nit thuen, und wurde sein verderblicher nachtail daraus
volgen.
1 ) Markgraf Karl II. von Baden-Durlach.
2 ) Georg Wüller wurde auf diese Aussage hin ebenfalls verhaftet
und wie Frey am 27. und 30. Januar „befragt“; das gleiche war dem
Buchführer Hans Gegler, der auch eine Druckerei besaß, zugedacht,
doch konnte sich dieser noch rechtzeitig davon machen. — Ein Kupfer¬
stichbildnis G. Wüllers (geh. 1514) aufgeführt in F. Schöninghs Antiqn.-
Kat. 123 (1911), Nr. 309.
3 ) Die genannten Persönlichkeiten sind alle wohl bekannt. Über
die Bimelsche und Kraftersche Firma siehe Strieder „Zur Genesis
des modernen Kapitalismus“ (Leipzig 1908) S. 146 und 208.
4 ) S. oben S. 198.
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Znm 12.: Am sontag [22. Jan.] abends hab der Kapffer,
wirt am Lech, nach ime geschickt nnd ime anzaigt, man werd
nach ime greifen, das hab er damals in wind geschlagen,
bis morgens die statknecht ins haus körnen, nnd könne nit
wissen, wers dem Kapffer anzaigt hab.
Bitt nm gnad wie im nechsten artical.
B.
David Denecker soll ferner angesprochen
werden.
1. Als Martin Schrot vor anderthalb jaren wider her-
komen, wie lang er damalen hie gewest.
2. Wo und bei wem er zü herberg gelegen nnd sich
enthalten hab.
3. Ob nnd wie oft er sonst and außer desselben mals
hie gewest, wie lang und bei wem.
4. Derweil im die comedie ze halten emidergelegt worden,
solt ers desto weniger gedruckt und ausgeprait haben, son¬
derlich unerlaubt, über verbot und so vil reichsabschid.
5. Er hab sonst mer schmachpuecher und schandtliche
gemel gedruckt und verkauft, die soll er anzaigen und nichts
verhalten.
6. Wer im zedrucken geholfen hab.
7. Wem er der comedien oder tragedien verkauft bab,
die soll er sambt den vorigen anzaigen.
Actum, freitagden 27. januarii anno 1559 hat
David Danecker vonAugspurg uff beiligende
fragstück gütlich, doch uff ernstlich betroen,
bekant, wie volgt:
Erstlichen: Als der Schrot vor anderhalb jaren hie
gewest, sei er in ainer wachen zu drei malen in seinem,
Daneckere, haus gewest und den beschloß und vorred des
bdchs comgirt und verfertigt, wie lang er aber damals hie
gewest, könne er nit aigentlich wissen, woll hab er von
seines, Schrots, weib gehört, daß er dazumal bei vier oder
bis in die fünfte wachen hie gewest, er, Danecker, und der
Michel Frey haben auch auf fleißig bitt des Schroten weibs
ine, Schroten, mit ernst angesprochen und, sovil an inen
gewest, vermanet und gebetten, daß er ir eeliche beiwohnung
thuen welle, wie aim eeman gebürt, aber sie haben bei ime
Archiv für Beformationsgeschichte. IX. 3. 15
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nichts erhalten können, sondern er hat wider zu seinen brudern
in Merhern gewolt 1 ).
2. Er wiß nit anders, dann daß er sich in seinem haus
bei seinem weib enthalten, dann er ine daselbs gesehen hab.
Zum 3.: Er wiß nicht, daß er sonsten, seid er Ton hinnen
komen, merers weder dißmals hie gewest.
Zum 4.: Er sei in schulden und abnemen komen und
vermaint, mit disem truck, weil es als ain lecherlich ding
wol abgeen werd, etwas zu erobern und sich aus den schulden
zu bringen und, weil er selbs kain büchtrucker sondern ain
formschneider und briefmaler sei, vermaint, es solle nit so
hoch schaden.
Zum 5.: Er hab sonsten kain buech nie dann dises ge-
truckt, allain ain passionalbuch mit schönen figuren 2 ), reimbs-
weiß. gleichwol hab er allerlai gemalte brief gemacht, deren
etliche widers babstum seien, als ains auf 3 regal bogen,
des titel: ain alts gemel, vor 100 jarn in aim closter im
Niderlandt gefunden, ist von der babilonischen hum etc.,
welches stuck bei seines, Daneckers, vaters lebzeiten ge¬
schnitten worden, item ain gemeld auf aim pogen, alda der
teufel uff aim ablaßbrief sitzt, die stück seind bede vor
längs gemacht, und habs er hernach von neuem truckt. item
ain dialogus, des tittel stet: Warumb nit muglich gewest, daß
hertzog Johanns Fridrich, churfürst, gesigen können etc. wider
kai. mt. Carolum 3 ). diser dialogus sei ungeverlich vor ander-
halb jaren durch den Gegler getruckt worden und öffentlich
verkauft worden. desselben hab er, Danecker, auch
1000 exemplar denselben Gegler nachdrucken lassen, deren
hab er mertails gen Franckfurt gefurt und verkauft und deren
ungeverlich bei 400 exemplar noch im haus, habs weiter
nit verkaufen sondern behalten wollen; und habe Abraham
Schaller, tüchgwanter alhie, wie er bericht [sei], am ersten
solchen dialogum dem Gegler in truck zügestelt.
Zum 6.: ime hab niemand geholfen, sondern was er
getruckt, als obstat, das hab er selbs gethon mit seinem
aignen dienstgesind und weiters, dann obstat, weder getruckt
noch verkauft.
*) Aber erst, nachdem ihm vom Rate die Bitte, in die Stadt
zurückkehren zu dürfen, abgeschlagen worden war. (S. oben S. 215).
— Von seinem Aufenthalt bei den mährischen Brüdern findet sich in
deren Geschichtsbüchern keine Spur, wenn nicht etwa der bei Beck
S. 213 erwähnte Martin N. mit Schrot identisch ist.
2 ) S. oben S. 193. Die Reime dieses Buches werden wohl von
Schrot sein, der ja im Jahre 1557, wenn auch nur kurze Zeit, in Augs¬
burg weilte.
s ) Von diesen drei Stücken konnte ich nur das letzte zu Gesicht be¬
kommen, und zwar (handschriftlich) in Cod. 118 der „Schätze“ des
Augsb. Stadtarchivs.
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7. Dem haaptman Vogl 2, Martin Marquart, gold-
scbmied,. 2, dem Zorer andern herrn Ilsung 1, Anthonien
Pfeffenhauser 1, Stoffl Müller, notari, 6, des Schroten weih
4 oder 5, Portern, am schüchhaus 1. and frembden, die er
nit alle zü nennen wiß.
Item, als ime der getrackt pasqaillas *) fargehalten, sagt
er, er hab dessen kain wissen, deßgleichen von dem andern bäch,
ain christlich bedencken 2 ), wiß er kain wort, habs nie gesehen.
Bitt umb gnad. hab je die Sachen so fleissig nit bedacht.
C.
David Denecker soll uffs ernstlichist verner
angesprochen werden, und da erweiter nichts
bekennen wollt, gebunden and aafgestellt,
jedoch unaufgezogen.
1. Was er, Uber das er hievor bekannt, von schmach-
puechern oder gemel getrackt oder verkauft hab.
2. Ob er auch des Wernheri postill 8 ) verkauft hab.
3. Wie vil er derselben gehabt, von wem ers bekommen,
und wem ers verkauft hab.
4. Wer den eingang in sein gedruckt puech geschriben
hab, und weß handschrift es sei, so mit S bezeichnet.
5. Weß handschrift das dabei ligend missiv sei.
6. Was er dem Michel Freien für ain puechle zü lesen
geben hab, als er vor anderhalb jaren uff ainem floß gen
Lintz gefaren sei 4 ).
7. Wo er dasselb puechle hingeton, und ob er es bei
Passaw von sich in die Thonaw geworfen hab. (Durchstricben.)
8. Wie oft der Frei bei ime im haus gewest, dweil er
an seinem schmachpuech gedruckt habe.
9. Ob und wie vil er im exemplar zügestelt hab.
10. Er kenn den truck des pasqnilli vom teufel geiaid 6 ),
deshalb soll er guetlich bekennen, wer in getruckt, oder man
wird das und anders mit der marter aus im pringen.
*) S. unten Anm. 5.
2 ) Dieses Buch ist nicht bestimmbar.
3 ) Habe kein Exemplar dieses Buches erlangen können. Der
Verfasser war wohl der Schlesier Joh. Werner, einer der bekannteren
Schwenkfelder.
4 ) Michel Frey hatte bei seiner Vernehmung am 27. Januar an¬
gegeben, er habe auf seiner Floßfahrt nach Linz ein ihm von Denecker
mitgegebenes Büchlein bei sich gehabt, in dem er und andere „für die
Langweil“ gelesen. „Weil aber grob ding darin gestanden, hab ers
bei Passau in die Thonaw geworfen; die materi sei im abgefallen.“
5 ) Wohl der Pasquillus, Von dem gejäg der Deuffel, des sich
furgenomen haben on zweiffel, das sie wellen Jagen faiste Schwein,
wie der Bapst, vnnd Antichrist sein, die Netz schon auff gespannen,
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11. Also kenn er auch des andern trnoks x ) pnechstaben
und wiß, wer in hie gedruckt hab. das soll er auch an-
zaigen und sein selbs damit verschonen.
12. Er sei vom Wtlller treulich gewarnet worden, sein
puech nit zedrucken, er werd dardurch in unglllck kommen 8 );
warumb er darüber nicht minder frevelich und verechtlich
furgefarn sei, und wer in derhalb vertröstet hab.
13. Wo die 400 gedruckte piecher in seinem haus zu
finden seien, so Hans Gögler ime von den tausent, so er ge¬
druckt, zügestellt.
14. Was im wissent, daß Gögler sonsten für schmach-
schriften gedruckt hab, das soll er aigentlich anzaigen.
15. Wer der Abraham Schalter sei, so das biechlin von
hertzog Hans Friderichen von Sachsen den Gögler erstmals
habe trucken lassen.
Actum, montag den 30. januarii anno 1559 hat
David Danecker uff heiligende fragstück
guetlich, doch uff ernstliche betroung, bekant
und gesagt, wie volgt:
Erstlichen: Über das er angezaigt, hab er weiters kaine
schmachbücher getruckt noch verkauft; dobei well er ime
wol und weh geschechen lassen.
Zum 2. und 3.: Nain, er habs nie gesehen.
Zum 4.: Seine gesellen und gesind, die er zum trucken
und fertigung des buchs gebraucht, haben des Schroden
schrift nit wol lesen können; derhalb er, Danecker, des
Schroden schrift lauter abgeschriben, und sei diß, mit S be-
zaichnet, sein, Daneckers, aigen handschrift.
Zum 5.: Als ime die missif 8 ) furgehalten, auch etlich
zeilen darinnen lesen lassen, nimpt er zum höchsten, daß er
die handschrift mit nichten kenne, wollts nit verhalten.
vnd schon etlichen gefangen, die jm handt verhaissen zil, denen ers
warlich nit vergessen wil. S. 1. e. a. 8 Bl. 4. (Gespräch zwischen
Dr. Joh. Faber und dem Jagdteufel.) Weller, Ann. I S. 61, Nr. 262;
II S. 512.
*) Den Druck des oben (S. 223 Z. 8) erwähnten „Christlichen
Bedenkens“.
*) Wuller hatte in seinem Verhör vom 27. Januar geäußert: „Er
habe nichts überal daran (an dem Deneckerschen Schmachbuch) gemacht
noch darzfi geholfen sonder, wie ims der Danecker ains mals bei
2 jaren verschinen angezaigt, daß er im werck mit aim solchen büch
sei, und hernach ains mals, als ers in truck zü bringen underst&nden,
hab ers ime treulich widerrathen.“ — Verhören herr Wolf Langen-
mantel, herr Ott Lauginger.
*) Es wird nirgend angedeutet, um was für ein „Missiv“ es sich
handle.
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Zorn 6.: Das sei der dialogus, davon er jttngstüch an-
gezaigt, von dem churftirsten, hertzog Jobans Fridrichen,
warumb er nit gesigen können, den der Gegler getrnckt hab.
Znm 7.: 0.
Zum 8.: Der Frey sei vor nie, weil er am trneken des
bdchs im werck gewest, zu ime körnen, aber züvor, ehe er
das büch zft trneken angeiangen, hab er den Frei etlich mal
sampt andern güten freunden, nit von wegen des büchs,
sondern sonsten als güten freund, zü gast gehabt, alda hab
er ine, Frei, etlich mal die Schriften sehen und lesen lassen,
er habe aber sonst nichts dazü geholfen noch gefordert; wollt
ains sagen wie das ander.
Zum 9.: Er hab ime kains geben.
Zum 10. nimbt er zum höchsten uff seiner seel selig-
kait, daß er nicht wissen könne, weß dieser truok des pas-
quilli sei.
Zum 11. sagt er sein unwissen wie uff den 10. articl.
Zum 12.: Er sei schon zü tief in der arbait gewest mit
dem form schneiden und allem, so darzue gehörig; hab one
schaden nit wider zuruck kündt und gleich mit fort gefaren.
13.: In seiner schlafkamer, in aim eingemachten kästen,
in der obern taten x ) ligen sie; wiß gleichwol nit aigentlich,
ob es ebenso vil als 400 exemplar oder etwas weniger seind;
sein bausfrau wisse es wol anzüzaigen, wo sie ligen.
Zum 14.: Wiß nit, was Gögler sonsten getrnckt, dann
ain passion vom gefangnen churftlrsten von Sachsen sei ge-
truckt worden*), den habe seines achtens der Gegler auch
getrnckt. *
Zum 15.: Der Gegler hab ime anzaigt, daß der Abra¬
ham Schaller ime denselben dialogum erstlich zü trocken ge¬
geben; und sei diser Abraham Schaller ain lediger gesell;
hab ain tüchladen zwischen des Caspar Ettingers und der
Heissin heisern.
Die Schriften in 8°, so steet „die irdischen personen“,
2 ) Schublade, Fach.
*) Passio./ Wie der Durchleuch-/tigst Hoch-
geborn Fürst vnd Herr, Herr/Johanns Friderich
zü Sachssen, des Hayligen / Römischen Reychs
Ertzmarsch&lk vnd chur-/fttrst etc. Von Keyser
Karel dem Fünfften/(auß verhengknuß Gottes,
Tand ver-/lassung seiner Bundtsverwand-/ten)
bekriegt vnnd ge-/fangen ist wor-/den etc. / Marci 10.
spricht Christas: / Wer mir will nachfolgen, der verleüg- / ne sich selbe,
vnd neme sein Creütz auff / sich, vnd folg mir nach. / 1548. Auf der
Rückseite des Titels eine gereimte Ansprache an den Leser mit der
Jahrzahl 1547. Am Schluß des Büchleins: Ende des Ersten theils dises
passions. Der ander Theil von seiner begräbdtnus vnnd aufEerstehung,
steckt beim Pasquillo noch in der Fäder. 8°. Im ganzen 13 Bl.
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zaigt er an, sei vornen herein alles des Schroden bandschrift
und hinden seih, Daheckers, schritt, wie sie das böch in ain
Ordnung stellen wellen, das register von A bis uffs G sei des
Holzmans, so auf harnisch etzet, handschrift-).
Item, als er gebunden, aufge9telt und uff die marter
betroet worden, dann man hab bevelch, daß mans nit umb-
geen kttnne, man mueßt in martern; aber er hat mit heftigem
clagen und wainen zum höchsten uff seine seligkait genomen,
daß er über das, so er hieoben angezaigt, unschuldig, auch
von den zwaien trucken und der handschrift des missifs kain
wissen hab. und da es sich in jar und tag mit warhait apders
uff ine erfind, begere er kainer gnad, sondern daß man iöe
an leib und leben straf.
Item weiter sagt er des Holtzmans schritt halb mit den
bucbstaben A bis auf G, daß derselbe ime, Danecker, uff
sein beger dieselben reimen gemacht, er hab ime aber von
disem Werk und püch anderst, dann was dise reimen betrifft,
nichts gesagt, und wiß derselbe Holtzman vom puech nichts,
das zaige er seines gewissens halb darumben an, damit der
güt man nit unschuldigclich in verdacht oder haft kome.
und wißte er merers oder weiters mit warhait anzuzaigen,
das Wolte er ja nit verhalten:
Bitt umb Gots willen umb gnad, wie er jtlngstlich auch
gebetten, damit er das werck, so er jetzo kai. mt. zu ver¬
fertigen, verrichten könnte, dann er je one das in grossen
anfechtungen und Schuldenlast sei und sonderlich, daß er
wider in die Frankfurter meß komen, trauen und glauben
halten möge.
D.
Actum. 17. marcii anno 1569 ist dem Danecker
mit ernstlicher troe uff der marter furge-
halten worden:
Well er ime selbs vor marter sein und sich zü seiner
entledigung der gefengknus selbs befurdern, soll er guetlich
bekennen, wer den dialogum 2 ) gemacht, auch wer in zum
l ) Dieses Register fand in dem Druck — -wenigstens in den von
mir eingesehenen Exemplaren — keine Aufnahme. Der erwähnte Holz¬
mann ist wohl Ulrich Holzmann, der Dichter von ,,Ain New Lied Wie
die Predicanten der Statt Augspurg geurlaubt und abgeschafft seind,
Den 26. Augusti, Anno Domini, 1551, geschehen“. (Siehe die ver¬
schiedenen Ausgaben bei Weller, I 8. 56 Nr. 239.) Er ist auch auf¬
geführt in dem K a i n z sehen Meistersinger-Verzeichnis S. 15 Nr. 271.
*) S. oben S. 222.
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ersten getruckt hab, dann ain ersamer rat gute kundschaft
hab, daß er es wisse.
Darauf er geantwurt und zum höchsten genumen, daß
er nicht wisse, wer den dialogum gemacht hab. das sei aber
wahr, der Abraham Schaller, tuchgwanter, hab disen dialogum
alhie den Gegler, wie er von ime vernomen, am ersten trucken
lassen, und nachdem diser truck öffentlich fail gehalten
worden, hab er, Denecker, etlich hundert, wie er vormals
anzaigt, nachtrucken lassen, auch von gedachtem Abraham
Schaller gehört, daß er gesagt, ainer in Sachsen hab sollten
dialognm gemacht, der sei vor etlich jaren gestorben, gründ¬
liches wiß er, als ime Got.helf, davon nit zA sagen.
Bitt urab Gottes willen umb gnad und barmhertzigkait.
E.
David Tanneckher, formschneider, in fron¬
fest, soll ernstlich angesprochen werden:
1. Ob er sich nicht zu erinnern wiß, wasmaßen und
waromb er jungstverschinen 69. jars gefangen glegen sei.
2. Dieweil er wol wiß, wasmaßen er damals uf seiner
mneter, hausfrauen und viler seiner freind underthenig bit
von kai. mt. und ainem ers. rat begnadt worden, und wie
hoch er sich datzumal verschriben hab, wider die reichs-
abscbid, pollicei Ordnung und gemaine recht nichts schmech-
lichs zetrncken, zemahlen noch ansgeen zulassen: warnmb
er solichem nit glebt und voltziehung gethon sonder* sein
urphed, glübt und aid brochen hab.
3. Was in not angangen, daß er die zwai lesterliche
gemel, darinnen die catholischen zum schmehlichisten an-
griffen, ron neuem getruckt, gemahlen und ausgeprait, und
wie er so vermessen und verzweivelt an im selbs sei, daß
er dieselben wider sein Verschreibungen offenlich hab feil¬
haben und verkaufen dürfen.
4. Ob er soliche gemäl und Schriften aus ime selbs ge¬
dieht und erfanden, oder wer ime soliches angeben und zu
disem werck geholfen habe.
5. Was er sonst mer gedruckt, so etlichen stenden des
reichs zu schmach und nachtail gelanget, und wer im solche
stack anfangs zu trucken gebracht habe.
6. Wievil er derselben exemplaria getruckt und wohin
dieselben körnen seien.
7. Woher im das tractetlin komm, oder wer ims züge-
stelt, das in seinem Schreibtisch fuqden worden.
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8. Warumb im ein solches zügestelt and durch in ab*
geschriben worden; ob er es nit auch trocken sollen und wem.
9. Was im deßhalben verhaissen oder schon auf solich
werck gegeben worden und von wem.
10. Warumb er im die vorige gnedige straf und erlangte
vatterliche begnadigung nit ain Warnung sein lassen und
sich dergleichen unthaten und mißbrauche seines handwercks
enthalten hab, dieweil im ain ers. rat zum andern mahl und
sonderlich im September a4 59, nachdem er auf april darvor
erlassen und im das handwerck ernider gelegt worden, dise
gnad bewisen und seinem weib und kindern zu guetem das
handwerck weiter zü treiben erlaubt, doch der gestalt, daß
er hinfuro nichts ausgehn soll lassen, es haben dann die
schuelherrn soliches züvor gesechen, bewilligt und er seinen
namen darunder gesetzt, weliches er abermals zü halten an-
globt. warumb er sich selbs so oft mainaid und gelttbtlos
gestellet habe.
Actum. 15.juniianno 1564 hat David Tanecker,
formschneider von Augspurg, uff heiligende
fragstüok gnetlich bekant 1 ), wie volgt:
Erstlich: ja:
Zum 2: Er hab nichts anders als eiD alt ding, so vor
vil jarn gemacht worden, nachgemacht, weil es keuflich und
ander sein arbeit mit abgeen wölle, darzue ine auch die not
und armuth verursacht, nachdem auch diß und anders vil
in freien jarmessen zu Frankfurt und anderstwo öffentlich
veilgphalten und verkauft werden, bitt derohalb zum die-
muetigisten, ain er. rath wol ime das nit zum ergsten zue-
messen.
Zum 3. sagt er wie oben.
Zum 4. sagt er auch wie zuvor, daß diß gemeld anfenk-
lich vor 24 jaren zü Nürnberg, Leipzig und ander orten ge¬
stochen. nachmals hab der poet, so zü Fridperg enthaubt
worden 8 ), etliche reimen darzue gemacht, sonsten hab ime
niemand darzue geholfen.
Zum 5., 6.: hab sonsten nichts getruckt, das wider die
stende des reichs.
Zum 7., 8.: Martin Schrot hab ime diß bueohlein zü-
gestellt 8 ). sei wider die Hueterschen taufbrueder, so in Mehern
!) Verhören Herr Melchior Ilsung, Hans Schmid.
*) Über die in Bede stehenden „Gemälde“ und den Friedberger
Poeten vermag ich keine Auskunft zu geben. — Die „Gemälde“ lagen
der Anzeige der Dinkelsbühler bei, sind aber jetzt verschwanden.
*) Es kam, wie es scheint, nicht znm Drucke; wenigstens konnte
ich keine Spur davon finden.
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großen schaden thnen und «rerfnernng anrichten, gestellt, diß
hab er angefangen sanber abzüschreiben, darnach den pre-
dicanten sehen lassen nnd folgents für die rö. kön. mt., so
großen nberlanf von disen widerteffern hab, zü bringen nnd
ain privilegium zu erlangen, es in trnck zü verfertigen.
Zorn 9.: nain.
Zum 10. sagt er wie oben, hab allain den passion und
sonsten nichts von neuem gemacht und es so weit nit be¬
sonnen, dieweil diß und anders vil Schürfers an freien märkten
oder messen unverscheucht feil gehalten werde.
Bitt umb gnad.
n.
Bittschrift von Deneckers Matter nnd Frau an den Kaiser
um Begnadigung des Gefangenen. 1559.
Allerdurchlauchtigister, großmächtigister und unttberwindt-
lichister römischer kaiser, allergnedigister herr!
Eur. rö. kai. mait. bitten wir zwue betruebte Weibs¬
personen gantz diemuetigklich, volgendt unser anliegen aller-
gnedigist zü behertzigen. E. kai. mait. haben wir verschiner
zeit allerdiemuetigist furgebracht x ), wie leider unser lieber son
und eewirt Davidt Denegkher, formschneider, burger alhie zü
Augspurg, von wegen der buecher, so er getruckt, bei et¬
lichen wuchen verschinen von unsern gebietenden und gün¬
stigen herren stattpfleger, burgermaister und rähte der statt
Augspurg fängklich angenomen und bißher also endthalten
worden, das mir, seiner eewirtin, und unsern kleinen kindem
zue grossem nachtail und verderben gelangt, und wiewol wir
mermals bei gedachten unsern herren von Augspurg umb
erledigung nnsers sones und eewirts underthänigklich an-
gesücht, haben wir doch bißher nichtzit erlangen mögen,
also daß wir dardurch besorgen, derselb unser son und eewirt
habe mit angeregten buechern, die er doch unsere wissens
selbs nit gemacht sonder allain nachgedruckt hat, etwas
gegen E. kai. mait. verwurckt, welches doch uns ain hertz-
lichs laid were. darauf umb ergebung bemelts unsere sons
und eewirts gefängknus allerdiemuetigist gebetten und bei
E. kai. mait allergnedigiste antwurt, jedoch bißher kain er¬
ledigung erlangt, und dieweil dann je in allen Sachen bei
Gott, dem allmechtigen, gnad und barmhertzigkait zü er¬
langen verhoffenlich und Christus Jesus, unser erlöser, die
] ) Dieses Schriftstück war nicht aufznfinden.
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schuldt des ewigen tods mit seinem bittern leiden and sterben
aas lauter gnaden and barmhertzigkait für die menschlich
natar betzalt, derowegen. auch hie in > zeit die barmhertzig¬
kait der strengen gereehtigkait furgetzogen and E. kai. mail
aus hpchangeborner goete und miltekait bei menigklichen
allerhöchst beruembt sein, ist hierauf an E. rö. kai. mait. als
unsern allergnedigisten herren abermals zum allerdiemueti-
gisten unser underthänigist mueterlich und weiblich flehen
pnd bitt, E. kai. mait. wollen umb des unschuldigen, bittern
leiden, sterben und bluetvergiessens des eingebornen son
Gottes, auch aus hoch angeborner miltekait und auf der in
unser hievor ubergeben supplication zu endt sametlich unter¬
schreiben unserer günstigen lieben herren, auch vettern,
Schwäger und verwandten aller underthänigist furbethe uns
bemelten unsern sone und eewirt allergnedigist ergeben und
obgedachter seiner fängknus zu endtlassen allergnedigist
bevehlen. wirdet er sich hinfuro ungezweifelt aller under-
thänigkait und gehorsame befleissen und umb E. röm. kai.
mait. als unsers allergnedigisten herren gesundthait, langk-
wirige, friedliche regierung bei Gott, dem allmechtigen,
sambt uns zu bitten niramermer vergessen, allergnedigster
antwurt gewartende
E. rö. kai. mait.
allerdiemuetigiste:
Anna Denegkerin, Jobsten Denegkers
verlässne wittib, und Sara Langen-
mäntlin, Daviten Denegkers eeliche
haüsfrau, sambt der gantzen fraindt-
schaft, so in vor ubergebner subli-
cation, kai. mait. ubergebeD, under-
schriben sendt.
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Ein Streitfall zwischen einem Koburger
Bürger und einem Kaplan 1550.
Von (f) 6. Berbig.
Seine „ehrbare, achtbare, fürwichtige Weisheit“, der
Rat von Kobnrg hatte es manchmal nicht leicht. Die Zeiten
waren manchmal recht bewegt, und wenn die Geister auf
einander platzten, dann war der Stadtrat die Instanz, die
innerhalb der Körperschaft zu ordnen, zu schlichten hatte.
Solch ein Streitfall liegt heute vor in zwei Briefen; ein ehr¬
samer Bürger und Buchbindermeister beschwert sich über
einen geistlichen Herren wegen fortwährender Eingriffe in
sein Handwerk und Gewerbe. Denn Gewerbefreiheit gab
es damals noch nicht, und so mußte es als lästige Konkurrenz
empfunden werden, webn ein Kaplan sich fortwährend mit
Buchbinderei beschäftigte, sich dann noch einen Gesellen hielt,
wie der Beschwerdeführer angab.
Immerhin lehren uns die beiden geharnischt geschriebenen
Briefe einen Blick tun in das kulturelle und bürgerlich-
sittliche Leben um die Mitte des Reformationsjahrhunderts,
etwa 1550. Während wir von den Lebensumständen des
ehrsamen Buchbindermeisters Wagner nur Kunde aus unseren
beiden Briefen erhalten, — aber auch sie können doch nie¬
mals einen völligen Rückschluß auf den wahren Charakter
des Mannes gestatten —, so tritt anderseits die sehr streit¬
bare Gestalt des alten Koburger Kaplans Johann Bauern¬
schmidt aus dem Rahmen seiner Briefe hervor, was um so
willkommener ist, als die sonstigen Notizen über das Leben
dieses Koburger Geistlichen im Reformationszeitalter sehr
spärliche sind. Er wird zwar bei Thomae ganz kurz erwähnt 1 ),
0 Vgl. Joh. Chr. Thomae, „das der gantzen Evangelischen Kirchen /
insonderheit in dem gesammten Fürstenthum Coburg aufgegangene Licht
am Abend“ etc. Cob. 1722. S. 438.
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and aacb Chr. Schlegel *) macht ihn als einen Frennd
nnd Amtsgenossen des im Jahre 1548 verstorbenen Johann
Langer, des ersten Kobarger Generalsaperintendenten, nam¬
haft. Baaernschmidt’s theologische Stellung and Richtung
aber wird am klarsten durch sein Verhältnis zu Ciriacus
Schnauss, dem bekannten Koburger Apotheker, Dichter und
Buchdrucker 2 ). Man geht wohl nicht fehl, ihn als einen
scharfen Gegner des Interim vom Jahre 1548 zu bezeichnen 8 ).
Wahrscheinlich aber nur er, selbst der Verfasser des Liedes
gegen das Interim, mindestens hat er seinen Freund, den
Drucker Schnauss, inspiriert. Das „Lied“ trägt den Titel:
„Interim. // Ein newes vnd mit Heiliger // Schrifft
wolgegrüntes Lied / wieder // das schöne heuchelische
vnnd gladstreichende Ketzlein // genant // Interim // Auff
die weise / Christ vnser Herr // zum Jordan kam zc. //
Htlt dich (fromer Christ) fttr den Katzen // die forn leeken
vnd hindten Kratzen ze.“
Es ist nun interessant, auch aus dem Privatleben des
Koburger Kaplans einiges zu erfahren, wozu die Klageschrift
des Buchbindermeisters Wagner daselbst immerhin einige
Veranlassung bot. Johann Schmidt, alias Bauernschmidt trieb
demnach als Nebenbeschäftigung die Buchbinderei, die er
nicht zunftmäßig und nach altem herkommenden Gebrauch
erlernt, sondern als Antodidakt sich angeeignet hatte. Gegen
die Ausübung dieser Nebenschäftigung des Kaplans protestiert
nunmehr der wirkliche Buchbindermeister von Koburg, da
er dadurch in seinen Geschäftseinnahmen geschmälert wurde.
Er, der Kaplan, habe überdies eine regelmäßige Besoldung
und zeitliche Nahrung, sei überdies ohne Kinder und dazu
steuerfrei als Geistlicher. Überdies habe der ehrwürdige,
nunmehr in Gott verschiedene Magister Johann Langer bei
Gelegenheit der letzten Gehaltsaufbesserung — jedenfalls in
*) Vgl. Christian Schlegel: Initia Reformation» Coburgensis. Gothae
1717, p. 294.
*) Vgl. die erschöpfende Darstellung bei C.Höfer: „Beiträge zu einer
Geschichte des Koburger Buchdrucks im 16. Jahrhundert. Ein biblio¬
graphischer Versuch.“ Koburg 1906. S. 38.
*) B. hat den Protest der Koburgischen Pfarrer gegen das Interim
unterschreiben, vgl. „Fortges. Sammlg. v. alten u. neuen theol. Sachen.“
Anf. d. Jahr 1733. Lpz. S. 33—62. Unterschriftlich erscheint er da
als J o h. S c h m i d t.
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der Visitation des Jahres 1545 — an! der Kanzel darauf
hingewiesen, daß die Kirchendiener nnd Geistlichen deshalb
steuerfrei und in ihren Bezügen aufgebessert seien, um sich
aller bürgerlichen Erwerbe zu entschlagen. Besagter Bauern¬
schmidt aber kümmere sich um solches Verbot nicht, sondern
treibe aus eigenem Fürwitz ohne Genehmigung der Obrigkeit
das Buchbinderhandwerk, ihm, dem Kläger zum Schaden.
Er möge doch bedenken, daß er einst arm in die Stadt ge¬
kommen sei, daß männiglich mit ihm habe Geduld und Mitleid
gehabt. Nun sei er reich geworden, halte sich sogar einen
Buchbindergesellen, unter Vorwendupg des Apothekers und
Druckereibesitzers Ciriacus Schnaus, d. h. letzterer verlege
die Arbeiten. Offenbar wurden die in dieser Koburger
Druckerei fertig gestellten Flugschriften durch den Kaplan
Bauemschmidt in Buchform gebunden und zwar unter Her¬
anziehung eines gelernten Buchbindergesellen. Dap war
natürlich dem Meister Wagner zu stark, und er hat vielleicht
nicht ganz unrecht, wenn er sich in seinem Klagebrief auf
seine „vielen kleinen Kinder“ beruft, die bei seinem
schlechten Geschäftsgang Mangel leiden mußten, und wenn
er auf sein Bürgerrecht und auf seine Gewerbeprivilegium,
das in der Stadt Geltung habe im Gegensatz zu den
Dörfern, sich beruft. Das alles respektire der Kaplan nicht,
berufe sich vielmehr auf seinen Amtsvorgänger Veit Köhler,
der ebenfalls Buchbinderei getrieben habe. Nun aber habe
Köhler die Buchbinderei zu Nürnberg zünftig gelernt, dazu
sei er ein Koburger Bürgerkind gewesen, was bei Bauern¬
schmidt nicht der Fall sei. Außerdem sei aber früher
kein Buchbinder in der Stadt Koburg gewesen usw. Was
aber besonders bedauerlich sei, das sei die Tatsache, daß
Kaplan Bauernschmidt die Preise drücke und billiger ar¬
beite, als er, der Meister, es könne, der doch für sein Alter
sorgen müsse, dazu für Weib und Kinder, die nicht andern
Leuten einmal beschwerlich fallen, oder, an den Bettelstab
gebracht, dem „Gemeinen Kasten“, d. h. der kirchlichen
Armenkasse zur Last werden sollten. Das möge der Stadt¬
rat verhindern! Dagegen solle der Kaplan sich um sein
Kirchenamt kümmern und seinen Beruf gewissenhaft ver¬
sehen und ihn in Ruhe lassen.
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Man sieht, daß es dem ehrsamen Meister aa Angriffs¬
punkten gegen den Kaplan nicht fehlte.
Der „fürsichtige und weiße“ Herr Bürgermeister und
Bat der Stadt Koburg sandte durch den Batsdiener diese
Klage in Urschrift an den Kaplan Bauernschmidt znr Beant¬
wortung and Bechtfertigung. Natürlich blieb letzterer die
Antwort nicht schuldig, —t-. eine Antwort, die an Deutlichkeit
und Derbheit, — dem Charakter der Zeit entsprechend —
nichts zu wünschen übrig ließ. Eigentlich sei es, meint
Bauernschmidt, unter seiner Würde, auf „solch böses, un¬
gereimtes und grundloses“ Schreiben, auf solch „schwäbisches
Geschwätz“, zu antworten. Nur deshalb, weil der Stadtrat,
er gewünscht, wolle er es tun. Wagner, der Buchbinder,
beschuldige ihn ganz ohne Grund. Allerdings treibe er diese
Beschäftigung, aber nicht als Handwerk, neben seinem
Amte als Kirchendiener. Wagners Unfleiß und Untreue im
Buchbindergeschäft hätten ihn aber dazu gebracht, seine
Bücher selbst zu binden. Es sei ihm Schafleder für Schweins¬
und Kalbleder eingeredet und geliefert worden, wie er be¬
weisen könne. Außerdem aber habe er niemand um Arbeit
gebeten und angesprochen, auch keine Geschäftstafel aus¬
gehängt. Nur aus Gefälligkeit habe er, der Kaplan, die
Bücher anderer zu binden übernommen. Denn diese hätten
erklärt, sie wollten ihre Bücher im andern Falle in Hildburg-
hausen oder in Nürnberg binden lassen. Besonders betont
der Kaplan, daß niemand in der ganzen Gemeinde ihn der
Versäumnis in seinem Kirchenarat bezichtigen könne. Wenn
er die Buchbinderei treibe, so tue er es in seiner freien Zeit,
sich zur Ergötzung und einigen guten Herrn und Freunden
zu Gefallen. Auch die Apostel hätten gearbeitet, wenn sie
nicht gepredigt. Paulus habe Decken gewebt. Die anderen
seien fischen gegangen. Das sei besser, als täglich auf der
Bier- und Lügenbank zu sitzen, die Leute auszumachen und
neue Zeitungen zum Schrecken der armen Leute auf dem
Lande zu erdichten usw.
Wagner treibe es so. Mit Karten, Würfeln, Wein- und
Bierkandeln schädige er seine Familie sehr schwer; so habe
er im Spiel auf dem Steinweg vor kurzem 19 Gulden ge¬
wonnen, aber wiederum verspielt, entgegen dem Kat frommer
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Leute. Auf dem Burgschloß (Veste) habe er etliche Taler
eingenommen, diesen Arbeitslohn aber wiederum Verspielt,
ehe er nach Haus gekommen. Auch, mit deip Apotheker
Cyriak Schnaus habe er mutwillig hoch gespielt Das sei
es doch kein Wunder, wenn Weib und ßinderr.wie Schnee¬
tücher, aussähen! ■■■-'
Im übrigen habe Wagner seihe, detf 'Kaplans, Worte
verdreht, wenn er ihn beim Stadtrat des Ungehorsams ver¬
dächtigen wollte. Sofern Wagner ein Zunftprivileg aufweisen
könne, wolle der Kaplan aufhören, Bücher zu binden, d. h.
für andere, nicht zum eigenen Gebrauche. Andererseits solle
sich Wagner seines losen Geschwätzes gegen ihn enthalten,
ebenso aller Drohungen, wie er ihn einstmals in der Bade¬
stube des Jörg Liab, — mit Züchten zu reden —, im Bei?
sein vieler frommer Bürger und Bauern „angetastet und
schändlich ausgeholhipelt haben.“
Damit befiehlt der Kaplan den Bürgermeister und Rat
in Gottes Gnade und wünscht ihm eine glückliche Regierung.
Ob damit der Streitfall beendigt war, ist aus den Akten¬
stücken nicht zu ersehen.
* *
*
Ein Klagebrief des Buchbindermeisters Wagener gegen
den Caplan Bauerschmidt.
Erbare, achtbare, fürsichtige, weise, günstige gebietende
Herren, Ewer E. f. w. (Ew. fürsichtige Weish.) sind mein gantz
vnderthenige willige pflittige Dinst mit allem Fleiß zuvor
bereit. Erbare, fürsichtige, weise Herren. Aus Erforderung
der Not thue ich armer, Ewer E. f. w. vndertheniglichen er¬
suchen, mit anzeigen wie volget: Nachdem sich Er Hans
Bauerschmidt, alhie zu Cobergk Capelian, vnderstanden das
Buchpiuder Handwerck zu treiben, welches er nit gelernet,
bei keinem erlichen Meister, wie es sich nach alther-
komenden Gebrauche des Handwerkes zu treiben gebüren
will, zum andern, kein Bürger oder bürgerecht er erbet noch
erkauft, auch keine bürgerliche Aufsätze, als nemlich, beten,
wachen, fronen, thorhüten, knechthalten, reisszüge, vnd dergl.,
solche nie gemelt keins mit bidet oder duldet, sondern von
solcher bürgerlichen beschwerung aller befreiheit auch mit
der zeitlichen Narung vor hin gantz reichlich, nach aller
notturft versehen, auch wie der ehrwirdige Herr in Gott ver-
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schieden vnd seliger gedechtnis, Magister Langer vnser
pfarrer öffentlich in der Kirchen publiciret, das die Kirchen¬
diener darnmb frei sitzen vnd Zulage gethan, auf das sie
auch aller bttrger Händel vnd Handwerk mtlssig stehen vnd
enthalten sollen. Das der gedachte Bawrnschmidt, solchem
Verbot nit nachkompt noch eingedenk ist, sondern sich ans
eigenem Gewalt und Fürwitz, unangesehen oder mit Erlaub¬
nus oder Vergnügung der Oberkeit, understeet bürgerliche
Händel und Handwerk zu treiben, dar zu keine Kinder, und
gar nit nötigk, sondern mich sampt meinem Weibe und un¬
erzogenen Kindern zum Verterbnis fürnimpt, vnd er gemelte
Baurnschmidt, behertzigen mochte, wue christliche oder
brüderliche Liebe in ihm were, wie er tegelich in der Kirchen
leret vnd prediget von Geiz, Wucher vnd ein itlicher in seinem
Beruf bleiben, vnd er der erste der solches bricht vnd in
das Handwerk störet, welchs ihm nit gezimet, auch mochte
der bawrnschmidt wol eingedenck sey vnd sich erinnern,
wie reich er her käme, das menicklich mit leiden vnd geduld
mit ihme trüge, solcher woltet nit gar vergessen, vnd itzund
so er reichtum bei ihm entpfindet, einen gesellen des buch-
binders handwercks gehalten, mit Vorlegung, des Ciriacus
schnaus, den sie sind solcher erbet gantz stetig, vnd darzu
vil deiner kinder, das sie in alten hendel stören etc. wan
solch stören einem iden gestattet werde, was weren hand-
werker freyheiten, bürgerrecht, oder stette, so were kein
vnderschidt vnder Dorffern oder stetten. Bauernschmidt gib
für, es häts veit Keler seliger getriben vnd ein kirchendiner
gewest; Veit Keler seliger bat zu Nurnbergk das buchpinden
bey eynem erlichen Meister gelernet, dar zur eins bürgers
kindt hie zu Cobergk gewest, das bawrnschmidt nit ist.
Über solches ist kein buchpinder hie gewesen. Auch wendet
Baumschmidt für, er mach es oder pind es neher dan ich,
muß ich nachgeben, wan ich aber auch ierlichs so vil ein-
kommens hette, als bawrnschmidt, wolt ichs auch neher
(billiger) machen, vnd keine kinder, ob mir ein erlicher
Mann eynes gnacken oder schillingers mer gibt, auff das ich
die tag meines alters auch die zeitliche aussenhaltung, sampt
meinem Weibe vnd kindern hinbringe, vnd meine vnerzogene
Kinder was lernen lasse, das sie andern leutten nit beschwer-
nis weren, oder an den Bettel aber an den gemeinen Kasten
gedeihen.
Darzu ist meniglich gut wissen, wie itzund alles theur
ist, vnd in Sonderheit das leder in totem Kauff, solches alles
wird mir aus Vngunst vnd Nachtheil aussgeleget, welchs ich
hiemit vorantwort wil haben, vnd der bawrschmidt, gegen
mir gesaget, er wolle das Handwerck triben, vnd gern sehen,
wer es ihm weren wolle, das wil ich ewer E. f. w. heim-
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gestellet hab za erkennen, aaff solhes ist mein gantz vnder-
thenige fleissige bitt an ewer E. f. w. mich armen bürger
sampt meinen weibe vnd vnerzogenen kindern zn bedencken,
welhes von ewer E. f. w. gerhnmet, als veter der armen vnd
Notgedrenthen zn schützen, vnd handznhaben, vnd er hansen
bawerschmidt, do hin halten vnd abschaffen, meines hand-
wercks müsick zn stehen, darzn mich mit bösen vnnntzen
Worten gegen menicklich vnvorhindert, vnd vnansgewaschen
lasse, vnd seines kirchen ampt vnd beruff alleine warte,
damit wil ich ihn anch znfriden lasse, solches alles .wil ich
mich gentzlich zu ewere E. F. W. vndertheniglich vordresten,
das habe ich ewer E. F. w. als meinen gebittenden günstigen
herm nit lenger weyse zu Vorhalten. Ewer e. F. w. günstige
antwort bittende etc.
Ewer E. F. W.
vndertheniger williger
burger
Cristof Wagner
pnchpinder.
Die Adresse lautet:
Dem Erbaren achbaren fürsichtigen vnd weisen
herrn bürgermeister vnd Rath der stad Coburg,
meinem günstigen herren.
Darunter von des Bürgermeisters Hand:
Hern Hansen Pauerschmidt zuzustellen vnd sein
antwort Einem Erbarn Rathe hirauf zu geben.
Antwort des Caplans Bauerschmidt.
Erbare fürsichtige vnd weyse grosgünstige libe hern,
E. E. W. sind mein willige vnd gevlissene Dinst zuuor. Er¬
bare grosgünstige liebe hern, E. e. w. haben mir nechst ver¬
gangene Freytags, bey iren Diener ein supplication so
Cristoffel Wagner buchpinder an e. e. w. gethan, zustellen
lassen, mit vnterschribenem beuelch meine gründtliche ant¬
wort, vnd warhafftigen gegenbericht darauf schriftlichen zu¬
geben. Wiewol ich aber bey mir solches böses, vngereimbstes
darzu vngegründes schreiben, vnd schwebische geschwetz,
zuuerantworten vnwirdig geacht, doch weil mir solchs von
e. e. w. derwegen überantwort ist, hab ichs im bedacht des
gehorsams, nicht vnderlassen können, bit derhalben e. e. w.
wollen gegen solcher vnnotiger klagschrift, meine kurtze Ver¬
antwortung, vnd gegenbericht, anzuhoren, vnbeschweret sein.
Erstlieh das mich Wagner gegen e. e. w. beschuldiget,
wie das ich im in sein Handwerck gefallen, vnd dasselbig
nicht gelernt, etc., — daran redt er recht, ich habs nit ge¬
lernt, hab mirs auch zu lernen nie fürgenommen. Das ich
Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 3. Iß
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aber daran kamen bin, hat mich niemand» an! erden zw
solchem mehr verursacht, dan eben genanter Wagner, welcher
durch seinen Unfleis vnd Untrew, also vnd der gestalt gegen
mir gehandelt, das woe ich anders meine btlcher rechtschaffen
haben wollen, die selbst mtlssen binden, aus Ursachen, das
er mir ofltmals scheffin leder, für schweine vnd kelbere, (wie
die bttcher verhanden vnd sein erbeit in selbst vberaeuget)
eingeredt. Derhalben ich solchs aus not, vnd nicht, wie er
mit gesparter warheit dichtet, aus eignem gewalt vnd firwitz,
hab thun müssen, etc.
Über das hab ich auch nyemals ymants vmb erbeyt
gebeten noch angeredt, daraw kein tafel ausgehenkt, sondern
so mir was gebracht, oftmals zw im gewisen, aber die jenigen
gesacht, sie woltens ehe, wo kein buchpinder zw Hilpertaußen
wehr, gehn Nürnbergk schicken, aus was vrsach solchs ge-
scheen, weiss er vnd sie, am allerbesten. Hab auch mein
erbeit, die bisher gering gewesen, ia so voll bezalet genomen,
als er. Derwegen er sich zum anderen mal verstigen.
Das er mir aber mein ampt vnd kirchenbeuelch sampt
meiner besoldung fürwirft, hoff ich mein her pfarher, auch
e. e. w. sampt der gantzen gemein, werden meines bindens-
halben, kein verseumnis in meinem Kirchenampt spüren,
dan ich vnderweilen nur zur lust vnd etzlichen guten hern
vnd freundten' zugefallen binde, auf die Zeit, so ich der
kirchendinst befreyet bin, auf das ich gar nit müssig sitz,
vnd solchs ist meinem bernf unverweislich. Haben doch alle
apostel gearweit, wan sie nicht geprediget. Paulas hat Deck
geweben. Die anderen sind fischen gangen. Ich acht es
dafür es stehe mir viel besser an, dan wan ich den tag
vber etwa auff der Lügenbank sesse, vnd rieht die leut aus,
oder aber macht mit erdichter loser neuer Zeitung (wie etzliche)
ein schrecken in das arme einfeltige bauersvolk, so iren lügen
glauben geben.
Und darzu weiß ich gewiss, alles, was ich bisher ge¬
bunden, wer im kein bogen zutheil worden, ehe anders wohin
geschickt, oder vngebunden bliben.
Das aber (welchs sein haubtklag ist) meiner arbeit halben,
sein weyb vnd Kindlein an den bedelstab oder gemeinen
Kasten gedeien mochten, acht ich darfür, wie e. e. w. vnd
meniglich woli wissend, wo er selbst seinem frome Weib
vnd Kindern, mit Würffeln, Karten, Wein und Birkandeln,
so wenig schaden thet als ich mit meinem binden, so dorfft
er warlich derselbigen sorg gar nicht. Ich hab noch kein
10 fl. mit binden verdinet (habs auch darum nicht angefangen)
so er doch vor kurtzen Jaren 19 fl. auf dem steinweck ge¬
wannen, vnd vnangesehen fromer leute treuen rath, bald
widerumb iemerlich verspilt hat. Item etzliche thaler auffm
Gck igle
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berckschloß eingenommen, vnd dieselbigen bey der alten
Kornerin znm Bir (ehe er heim keeme) verspilt. Item dem
Ciriaco schnanssen 5 gr. za einen gesetzt im bretspil, vnd
matwillig verspilet. Und der stück sind sehr vil, welche
wol arsach sein mögen, entlieh des bedelstabs zugewarten.
In samma wo er selbe seine arme Weib vnd Kindern (die
er hie hoch fürwttrffit vnd doch sonst lech vnd wie die
schnetücher heit) das brodt recht !ar dem maal vnvetterlich
abschnidt, vnd mit seinem spil für dem maal hinweck rükt, würd
es sonders Zweifels besser mit inen stehen, dann es leider steht.
Letzlich das er aber felschlich anzeigt, als solt ich
frenentlicher weiß gesagt haben, solchs zuthnn, vnd sehen
wer mir weren wolt etc., damit er meinet, mich gegen e. e. w.
zaveranglimpfen, da hat er die parten gar za weit geworden,
vnd wirt sie schwerlich wider holen können. Das aber hab
ich gesagt: Ich wol binden vnd zosehen uelcher Bachbinder
mir das weren woll, vnd nicht die Herrschaft veracht.
Was aber den gesellen (den er on alle vrsach bey necht-
licher weil, mit grosser vngestümlichkeit vnd gotslesterang,
aas seiner behaasang gestossen) belangt geht mich gar nichs
an, dan nit ich sonder Cyriacns hat in angenumen. So er
deshalben za im zaklagen hat, mach ers wol than, so acht
ich, im sol gebürliche antwort widerfaren.
Nachdem er aber das Handtwerck hin vnd wieder meldt
etc., Erbent ich mich vntertheniglich, so er ein auffgerichte
Zunffit, oder aber sonderliche privilegia, von e. e. w. ausleget,
nymants forthin za binden, doch mir selbs za binden vnbegeben.
Bitt e. e. w. wollen solche mein antwort, vilgedachten
Wagner, sich darin zuspiegeln, zustellen, vnd mich durch
solchs loss geschwetz gegen e. e. w. nicht verunglimpften
lassen, als ich mich gegen e. e. w. als den verstendigen
gentzlich versehen, auch mich hiemit in e. e. w. gunst vnd
schätz beuelen wil, mit demütiger bit Wagnern ernstlich
dahin zuhalten, das er sich seiner losen Stocher vnd trawe
wort, damit er mich eins in Jorgen Lieben mit Züchten badt-
stuben, in beysein viler fromer bürgern vnd bauern angedast
vnd schendtlich ausgeholhipelt hat, entschlaken vnd enthalten
wol, er sol von mir in seiner narung wol ungehindert bleiben.
Welchs ich mich von einer e. w. bey im zuverschaffen gentz-
lichen vertrösten will.
Hiemit ich e. e. w. in gotes Gnaden mit glückseliger
Regirung beuelen thue.
E. e. w.
vntertheniger caplan
johan pauerschmidt.
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Parturiunt
montes.
Nascitur
ridiculus
asinus.
Beiträge zur Reformationsgeschichte
aus Drucken und Handschriften der
Universitätsbibliothek in Jena.
Mitgeteilt von Bernhard Willkomm.
I.
1. Nova metamorphosis,
ein bisher unbekanntes Seitenstuck za Lathers: „Ein newe
Fabel Esopi“.
In einem Sammelbande der Universitätsbibliothek za
Jena, der Schriften aas der Reformationszeit enthält, befindet
sich als letztes Stück ein nur auf den Innenseiten bedrucktes
Doppelblatt, auf dem rechts folgende Verse stehen:
Nova metamorphosis.
In nova fert animus mutatas dicere formas
Corpora, dii, coeptis quaeso favete meis.
Et quia vos illas mutastis imagine turpi
Pandite quae formae causa sit ista novae.
Egregii vates celebresque fuere magistri,
Inflati sophia turba superba sua.
Utque solent rapidis turgescere carbasa ventis
Atque turnet succo fertilis uva suo,
Sic illi nimia turgebant arte poetae,
Foedantes scriptis iusque piumque malis.
Sacraque coniugii dissolvere iura volebant
Versibus incomptis ridiculisque logis.
[Quji tarnen ex merito poenas subiere pudendas,
Quas meruit nugis impia causa suis:
Nam Deus in stultos subito mutavit asellos,
Auribus ut longis prodita facta forent.
Talibus exemplis moneo Germana iuventus,
Cauta velis libros composuisse pios.
Non modo in humanis irato a numine quondam
Corporibus facies saepe novata fuit.
Nuper enim nostros quia commeruere magistros
Vertit in auritum turpia monstra gregem
Jamque opus exegi superi sit gratia vobis,
Qui mihi divinam paene tulistis opem
bv Google
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Die linke Seite des Doppelblattes bietet als Illastration
hierzu einen Holzschnitt: in der Mitte des Bildes ein Esel, .
nach rechts schreitend und Ia schreiend, dahinter zwei auf
den Hinterfüßen aufrecht gehende junge Esel, die mit den
Vorderfüßen eine Krone mit einem Kothaufen über dem Kopfe
des ersten Esels halten, den außerdem zwei gleichfalls auf¬
recht gehende kleine Esel mit Hellebarden über den Schultern
eskortieren.
Wie mir Herr Prof. Lic. Dr. Clemen in Zwickau, dem
ich den Druck zeigte, freundlichst mitteilt, ist der Holzschnitt
nicht unbekannt, sondern findet sich bereits in der wohl
Luther zuzuschreibenden „Neuen Fabel Esopi“ vom Jahre 1528
und außerdem auf einem Einblattdruck eines Gedichtes von
Melanchthon.
Die Nova metamorphosis berichtet, wie Magister, die
aufgeblasen und stolz ob ihrer Weisheit sind und sich auf
ihre Dichtkunst viel einbilden, in Schmähschriften entweihten,
was anderen heilig ist, ja, in rohen Versen und lächerlichen
Possen „sacra coniugii dissolvere iura volebant“ und zur
Strafe dafür in Esel verwandelt werden. Nun ist die „Neue
Fabel Esopi“ nach Köstlin-Kawerau, Luther 6 H, S. 146 und
Thiele in der Weimarer Ausgabe von Luthers Werken
(W. A. 26, 537) bei Gelegenheit der Angriffe der Leipziger
Magister Johannes Hasenberg und Joachim von der Heyden
(= Myricianus) auf Luthers Verheiratung wenn auch nicht
erst entstanden, so doch veröffentlicht worden, speziell als
Gegengabe für Myricians Übersetzung der Schrift des Am¬
brosius: ad virginem vestalem corruptam et ad corruptorem
nepharium. Durch die letztere wie auch durch: M. Joh.
Hasenbergii epistola Martino Ludero et suae parum legitimae
uxori Catherinae a Bhor, Christiano prorsus animo, scripta,
in hoc, ut aut vel tandem cum prodigo filio resipiscant, ac
ad poenitentiam coenobiorumque sanctimoniam redeant, aut
certe Luderus nonnam suo sponso Christo matrique ecclesiae
postliminio reponat sollte Luther zur Lösung seiner Ehe ver¬
anlaßt werden. Dasselbe beabsichtigen aber auch die
Magistri der nova metamorphosis mit ihren Schriften. Das
legt die Vermutung nahe, daß die magistri unseres Gedichtes
eben Hasenberg und von der Heyden sind, und sie wird
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durch einige weitere Beobachtungen noch gestützt: Wie
nämlich in der nova metamorphosis offenbar ironisch ganz
besonders die poetische Begabung der Magister betont wird
(— Utque solent rapidis tnrgescere carbasa ventis atqne
turnet sncco fertilis uva suo, sic illi nimia tnrgebant arte
poetae —), so wird anoh in der gegen die Leipziger er¬
schienenen Gegenschrift der „Illnministen der Bücher Myri-
ciani 1 ) u ihre Dichtkunst gebührend hervorgehoben, besonders
Myrician wegen eines fünffüßigen Hexameters, den er sich
in einem Schmähgedicht auf Luther geleistet hatte, zur Genüge
aufgezogen (W.A. 26, 546). — Ferner wird die Beziehung
der nova metamorphosis auf Hasenberg und Myrician auch
noch dadurch gestützt, daß ihr Verfasser die Magistri gerade
in Esel verwandelt werden läßt. Allerdings waren ja gerade
in damaliger Zeit Titulaturen aus dem Tierreiche und Er¬
zählungen von Verwandlungen in Tiere, wobei besonders
der Esel eine große Rolle spielte, nicht selten, wie ein Blick
in die Pasquillen-Literatur jener Zeit lehrt (vgl. z. B. die
„Abbildung des Bapstums“ von 1545, den „Papstesel“ und
besonders Schade, Satiren und Pasquilleil, 190ff. und Clemen
im Archiv für Reformationsgeschichte H, 87 ff.), aber gerade
die beiden Leipziger Magister werden von Luther und seinen
Anhängern ausgesucht oft als Esel tituliert. So schreibt
Luther an Wenzel Link: „Lipsenses asini meam Ketham
impetiverunt ..(W.A. 26, 535, vgl. auch S. 545 Zeile 26);
auch Rörer uennt an einer Stelle eines Briefes, die sich auf
die neue Fabel Aesopi bezieht: „Azinös Lipsenses“ (W. A. 26,
535); und die Verteidiger Luthers bezeichnen die Leipziger
in ihren Gegenschriften immer wieder als Esel, vgl. W.A. 26,542
Zeile 17, 544 Zeile 9, 546 Zeile 15, auch das Rätselquadrat
(W.A. 26, 542) und die Beischrift: „Et quia estis vobisipsis
suspecti de multa sciencia, est quidam frater habens mirabilem
probleumam circa quadraturam circuli, petens dedarationem,
quotiens in ista figura possit legi nomen dignitatis vestrae,“
die zugleich für die Betonung des aufgeblasenen Wesens der
Magister eine Parallele bietet zu den Worten der Nova meta¬
morphosis: Inflati sophia, turba superba, sua. Ja, sogar von
’) Luther W. A. 26 S. 537 Zeile 16 und S. 547 Zeile 4/5.
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der Heydens latinisierter Name muß herhalten: ans Myri-
cianns wird Myriti onos (W.A. 26, 546f.; 553 Zeile 19ff.;
554 Zeile 8/9). Und wenn anch in der neuen Fabel Aesopi
mit dem Esel, den die Tiere zu ihrem Könige wählen,
eigentlich der Papst gemeint ist, unter dessen Herrschaft
sich die Menschen beugen, statt ihren angestammten Fürsten
zu gehorchen (vgL Thiele im Lutherkalender für 1910 S. 114),
so wird doch die Stelle, in der erzählt wird, wie der Esel
nach dem Raben, der sich ihm auf die Lippe gesetzt hat,
schnappt und ihn so ohne eigene Anstrengung und Mühe
fängt, noch besonders zu einem Seitenhieb auf Myrician und
auf die Art, wie er seine Leipziger Collegiatur* erlangt haben
mag, benutzt durch die Randbemerkung: „Hie fehet Myri-
tianus die Collegiatur zu Leiptzig u ; also wird auch wieder
Myrician im Esel dargestellt Es macht fast den Eindruck,
als sei in dem durch Hasenberg und von der Heyden an¬
geregten Streite Esel, asini Lipsenses zur stehenden Bezeich¬
nung der beiden Leipziger Magister geworden, die jeder ohne
weiteres verstand; und in diesem Kreise, dem die neue Fabel
Aesopi ihre Veröffentlichung verdankt, würde auch die Ent¬
stehung eines Gedichtes wie die nova metamorphosis recht
wohl möglich und verständlich sein. Scheinen doch auch
örtlich und zeitlich beide Drucke zusammenzugehören. Die
nova metamorphosis ist zwar undatiert, aber das Jenaer
Exemplar trägt den handschriftlichen Vermerk: Joh. Sauro-
mannns vitebergae und dazu eine Jahreszahl, deren letzte
Ziffer aber leider durch ein Loch im Papier unleserlich ge¬
worden, ebenso gut als 7 wie als 9 gelesen werden kann,
so daß nicht zu sagen ist, ob 1527 oder 1529 dagestanden
hat. Immerhin wird dadurch der Druck zeitlich nahe an die
1528 erschienene neue Fabel Aesopi herangerückt, während
der Name auf den Wittenberger Kreis weist Wer dieser Joh.
Sauromannus ist, läßt sich allerdings nicht mit Bestimmtheit
sagen. Der Breslauer Kanonikus kann es nicht sein, denn
der ist bereits 1510 gestorben. Aber G. Bauch (Zeitschrift
d. Vereins f. Gesch. u. Alterthum Schlesiens 38 S. 317) erwähnt
noch zwei dieses Namens, die in Wittenberg studiert haben:
einen Joh. Sanermann aus Herieden, der im Winter¬
semester 1511, und einen aus Kupferberg, der im Winter-
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Semester 1518 in Wittenberg immatrikuliert wurde. Einer
von diesen könnte es wohl sein.
Schließlich läßt auch die Verwendung des gleichen Holz¬
schnittes vermuten, daß beide Drucke irgendwie zusammen¬
gehören. Ob ihn einer vom andern übernommen hat, bleibt
fraglich; vielleicht stammt er anderswoher, denn er scheint
in keinem der beiden vorliegenden Drucke original zu sein,
da er bei keinem zum Texte recht passen will: die nova
metamorphosis erzählt von mehreren Dichtern, die zur Strafe
in Esel verwandelt werden. Dem Zeichner des Holzschnittes
kommt es aber offenbar nur auf den in der Mitte befindlichen
Esel an, mit ihm allein geschieht etwas: er wird gekrönt;
oder genauer genommen: er wird als einer bezeichnet, dem
eine solch« (schmutzige) Krone zukommt. Die vier anderen,
kleineren Esel dienen wohl nur als Staffage. Man wird
also in dem Bilde keineswegs eine zutreffende Illustration
zur nova metamorphosis sehen können. Der Verfasser wird
es fertig vorgefunden und sich etwa durch den Gedanken
an die Dichterkrönungen bewogen gefühlt haben, es seinem
Gedichte als Illustration seiner in Esel verwandelten Dichter
beidrucken zu lassen.
Ebensowenig wie zur nova metamorphosis paßt der Holz¬
schnitt nun aber auch zur neuen Fabel Äsopi. Sie erzählt, wie nach
dem Tode des alten Löwen auf Betreiben etlicher falscher, un-
getreuer Bäte mit Hilfe des Fuchses nicht der junge Löwe,
sondern der Esel zum König der Tiere gewählt wird. Auf einer
Illustration dieser Fabel sollte man doch nicht nur Esel, sondern
auch die anderen, bei der Wahl des neuen Königs beteiligten
Tiere, vor allem den jungen Löwen, die falschen Räte und
namentlich auch den Fuchs erwarten. Nach der überaus
anschaulichen Schilderung der Fabel hätte sich doch mit
Leichtigkeit auch eine recht anschauliche Illustration her¬
steilen lassen. Statt ihrer ein Bild, in dem nicht einmal
der Sinn der Fabel angedeutet ist, daß nämlich unter dem
Esel der Papst zu verstehen ist! Und das hätte sich doch
leicht machen lassen, wenn der Zeichner etwa der Krone
die Form der Papstkrone gegeben hätte, wie sie sich auf
ähnlichen Bildern tatsächlich findet, z. B. auf Cranachs Holz¬
schnitt zu Luthers Vers: „Der Bapst kan allein auslegen /
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Die Schrift und irthum ausfegen / Wie der Esel allein pfeiffen /
Kan: vnd die Noten recht greiffen“/, in der „Abbildung des
Bapstum“ 1545 (abgebildet bei Brieger, Reformation in von
Pflugk-Harttungs Weltgeschichte Bd. 4 S. 421; weitere Bilder
mit der Papstkrone ebenda S. 387 und 410, ferner im
Passional Christi und Antichristi“ ebenda S. 248/249). Es
drängt sich auch hier die Vermutung auf, daß der Holzschnitt
nicht als Illustration zur neuen Fabel Äsopi hergestellt ist,
sondern daß die Herausgeber der Fabel ihn fertig vorfanden
und ihrer Ausgabe beidrucken ließen, weil er nach ihrer
Meinung dazu paßte. Allerdings bleibt dies zunächst Ver¬
mutung, solange uns nicht ein glücklicher Fund einen Text
liefert, in dem sich unser Holzschnitt sicher als Original-
Illustration erweist.
Die Annahme, daß ein und derselbe Holzschnitt mehr¬
fach verwendet wurde, ist kein Grund gegen die eben aus¬
gesprochene Vermutung, denn gerade unser Holzschnitt ist
28 Jahre später noch einmal verwendet worden, nämlich
auf einem Einblattdrucke aus dem Jahre 1556, von dem
Herr Prof. Clemen ein Exemplar in der Gymnasialbibliothek
zu Zerbst entdeckt und auf das er mich freundlichst auf¬
merksam gemacht hat; er dient hier als Illustration zu
folgendem Gedichte Melanchthons 1 ):
Gigantes clamore asini dissipati.
Impia cum ruerent Titanes in arma furentes,
Conati aetherias profodere ense domos,
Jupiter at 2 ) patriis depelleret arcibus hostes,
His tarnen incussus nec pavor inde foret:
Mentitis imitans Pan Aegocerota figuris,
Terruit hac specie grandia monstra truci.
Sed neque tune fracti bello cessere Gigantes,
Bacche, tuus vector donec Asellus abest.
Ille rudens rauco dum classica personat ore,
Anguipedes turpi dant sua terga fugae.
1 ) Der Druck ist bei Hattfelder, Melanchthon als Praeceptor Germa-
niae S. 613 unter Nr. 598 erwähnt, das Gedicht Corp. Bef. X Sp. 631
abgedruckt. Der Direktion des Herzogi. Gymnasiums zu Zerbst bin
ich für freundliche Überlassung des Originaldruckes zu Dank ver¬
pflichtet.
*) Corp. Bef. a. a. 0.: ut.
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Haad secas Autolyci oallentes forta Sophistae,
Dicentes vero crimina molta Deo,
Terribili fugient asini clamore repressi,
Bella iiarcnctXoyiov exitus hic sequitur.
PHILIPP VS MELANTHON
ANNO 1556.
Herrn Prof. Clemen verdanke ich ander der freundlichen
Mitteilung seines Fnndes zugleich den Hinweis anf die Be¬
deutung des Stückes: Es war die Antwort der Wittenberger
anf die „gelinden Fürschläge“, die Flacins im Mai 1556
an Pani Eber in Wittenberg sandte, um eine Aussöhnung
und Einigung mit Melanchthon und seinen Anhängern herbei¬
zuführen. (Ellinger, Phil. Melanchthon S. 560). „In den
Versen wurde die Fabel, daß die Giganten im Kampfe mit
den Göttern durch das gräßliche Geschrei des Esels, der
Silen gehörte, znrückgeschreckt worden seien, auf den Kampf
der Protestanten gegen das Papstthum angewendet, und mit
unverkennbarer Deutlichkeit dem Flacius und seinen Freunden
die Rolle des Esels zngetheilt“ (W. Preger, Matthias Flacins
Illyricus und seine Zeit. 2. Hälfte &. 13).
Der Einblattdruck zeigt recht deutlich, wie naiv man
bei der Verwendung schon vorhandener Holzschnitte für die
Illustration anderer Schriften verfuhr: Abgesehen davon, daß
der mittlere Esel des Holzschnittes schreit, paßt das Bild
im übrigen ganz und gar nicht zu den Versen, die es
illustrieren soll: hier ein gewöhnlicher Esel, der durch sein
Geschrei die Giganten verscheucht, dort fünf Esel, unter
denen der mittlere offenbar eine besondere Stellung einnimmt!
So wenig die Illustration hier original ist, so wenig wird
sie es in der neuen Fabel Äsopi und in der nova meta-
morphosis sein. Wie hier, mögen sich auch dort Verfasser
oder Herausgeber durch einzelne besondere Züge auf dem
Bilde, die zufällig in ihren Zusammenhang paßten, haben
bestimmen lassen, den Holzschnitt als Illustration ihrer
Publikation zu wählen.
2. Ein Brief Melanchthons an Andreas Trieesins.
Viro optimo D. Andreae Tricesio Amico suo praecipuo
S. D. Significaui tibi nuper, nos cum Cinglio et oecolampadio
collocuturos esse. His diebus ex illo congressu domum
Go igle
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Teversi sumus. Non plus biduo collocati sumus. Nee potuit
res confici tarn brevi tempore. Itaque adhac heret res de
Coena domini. Ipsi suam sententiam non corrigunt, Nos
Nostram defendimas. Egimus cum eis de Trinitate, deque
aliis qnibusdam Articulis, de quibus non satis commode
sentire visi sunt. De Omnibus rebus sunt nobis assensi,
tantum de Coena Domini nihil mutarunt. Si non movissent
tantam tragoediam, nuno opinor non excitarent, vident se
non posse veteris Ecclesiae Autoritate Dogma suum tueri.
Et ego nolim contra vetustae Ecclesiae sententiam, et tarn
multa testimonia veioxeqlteiv xal oraaiateiv. Tabulas
Sarmatiae accepi missas per Hessum. Efficiam ut a me
habeas, ut Jure Civili praeceptum est xa uvxlötoqa. Nunc
autem non licnit hunc tabeliarium onerare nempe hominem
ignotum, De Mathematicis libris valde me delectant, quae
scribis, malo autem habere /ue&odixa quam TtQaxxi/.a. Si quid
mihi miseris, maximo beneficio me tibi devinxeris. Yale
feliciter. Mense octobri Magni exercitus comparantur apud
nos adversus Turcas, qui Viennam nunc obsident. Salutat
te Falco. <I>lXi%og
Der Adressat ist der polnische Edelmann und Humanist
Andras Trzecieski (cf. Janociana Yol. L Varsaviae et Lipsiae
1776 S. 274 ff.). Wie sein Vater des Lateinischen, Grie¬
chischen und Hebräischen kundig, wurde er mit anderen
für die Übersetzung der Bibel ins Polnische gewonnen
(Loesche, Luther, Melanchthon und Calvin in Österreich-
Ungarn. Tübingen 1909 S. 246, 249, 264; cf. auch Calvins
Brief an Tricesius, Corp. Ref. XV Sp. 910 ff.) Als Dichter
begegnen wir ihm in der polnischen Literatur (A. Brückner
Geschichte der polnischen Literatur = Die Literaturen des
Ostens I Leipzig 1901 S. 71). Zwölf Lieder von ihm hat
Joh. Seklucyan in sein Gesangbuch aufgenommen (cf. Th.
Wotschke, Andreas Samuel und Johann Seklucyan, in der
Zeitschrift der histor. Gesellschaft für die Provinz Posen
Jg. XVU 1902 S. 238), und wie sein Vater spielte auch er
eine Rolle in der polnischen Reformationsgeschichte (cf. Val.
Krasinski, Geschichte des Ursprungs, Fortschritts und Ver¬
falls der Reformation in Polen. Nach dem engl. Original
bearb. v. W. A. Lindau, Leipzig 1841 S. 56; K. Völker,
Der Protestantismus in Polen. Leipzig 1910, bes. S. 6f. u.
28 ff.). Er wurde im August 1544 in Wittenberg imma¬
trikuliert (Album acad. Viteberg. ed. Förstemann), hatte
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aber bereits 1527 in Leipzig und Erfurt studiert (Kasimir
v. Miaskowski, Die Korrespondenz des Erasmus von Rotterdam.
Diss. theol. Breslau. Posen 1901. S. 31 f., Wotschke, Brief¬
wechsel der Schweizer mit den Polen: Archiv f. Reformations-
gesch. Ergänzungsbd. 3. Leipzig 1908 S. 421 Anm. 2)
und vermutlich schon bei Gelegenheit dieses Aufenthaltes in
Deutschland Melanchthon kennen gelernt, denn der oben ab¬
gedruckte Brief Melanchthons ist ja kurz nach dem Marburger
Gespräch, also wohl noch im Oktober 1529 geschrieben
(Corp. Ref. I Sp. 1108) und zeigt beide schon in freund¬
schaftlichen Beziehungen. Zu diesen vgl. auch H. Dalton,
Beiträge zur Gesch. der evang. Kirche in Rußland 111: Lasciana.
Berlin 1898 S. 163 und den von Hartfelder in der Zeitschrift
f. Kirchengesch. XII, 1891 S. 194 f. veröffentlichten Brief
des Tricesius an Melanchthon.
In unserm Briefe berichtet Melanchthon kurz Uber das
Ergebnis des Marburger Gesprächs. Besonders charak¬
teristisch für seine vorsichtige und gewissenhafte Art ist der
Satz: Et ego nolim contra vetustae Ecclesiae sententiam et
tarn multa testimonia vetoregtCeiv xcxi araaidteiv, der an
folgende Stelle in seinem Schreiben an Ökolampadius aus
Speier 1529 anklingt: „Ego enim nolim alicuius novi dogmatis
in Ecclesia vel autor vel defensor existere.“ (Joach. Camerarii
de vita Philippi Melanchthonis narratio rec. G. Th. Strobelius,
Halae 1777 pag. 404). — Im übrigen zeigt uns der Brief
Melanchthon in der Vielseitigkeit seiner Interessen, hier
speziell seine Vorliebe für Geographie und Mathemathik.
Zu den Tabulae Sarmatiae missae per Hessum sei auf
Jul. Köstlin in der Zeitschrift des Vereins f. Gesch. u. Alter¬
tum Schlesiens 12. Bd. 1874 S. 420 verwiesen: „Heß schreibt
11. Mai 1529 [an Pirkheimer]: Cracovia nuper dedit tabulas
duas Sarmatiae et Scythiae; am 13. Juli schickt er tabulam
Sarmatiae secundam und hat um die erste an Krakauer
Freunde geschrieben.“ Zu Melanchthons mathematischen
Interessen cf. Bernhardt, Philipp Melanchthon als Mathe¬
matiker und Physiker. Wittenberg 1865. Der letzte Satz
des Briefes mit seiner „neuen Zeitung“ ist ein Beleg dafür,
wie falsch es ist, sich Melanchthon als weltfremden Stuben¬
gelehrten zu denken: nicht nur für die Wissenschaft im
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weitesten Sinne, sondern anch für die Tagesereignisse hatte
er lebhaftes Interesse.
Der mitgeteilte Melanchthonbrief findet sich in einem
Sammelbande der Jenaer Universitätsbibliothek auf einem
Blatte, das den Umschlag za der achten Schrift des Sammel¬
bandes bildet, in Abschrift von der Hand des im Briefe
selbst mit erwähnten Johann Hessns. Diese achte Schrift:
Was zn Marpnrgk in Hessen vom Abendtmal vnd andern
strittigen artickeln gehandelt vnd vergleicht sey worden.
Andreas Osiander. stammt nach der handschriftlichen Widmnng:
D. doctori Helso dono dedit Jacobus lippa, die sechste
Schrift des Sammelbandes: Was sich D. Martin Luther etc.
mit Huldrichen Zwinglin etc. der Strittigen Articul halb /
vereint vnd verglichen auff der Conuocatz zu Marpurg / den
dritten tag Octob. M.D. xxix nach der eigenhändigen Ein¬
zeichnung („Sum Joannis Hessi Nuremburgensis“ cf. Köstlin
a. a. 0. VL Bd. 1864 S. 99 Anm. 1) aus dem Besitze des
Joh. Hessus. Beide Schriften beziehen sich auf das Marburger
Gespräch. Heß hat sich den Brief also wohl besonders
wegen seiner Nachrichten über das Marburger Gespräch ab¬
geschrieben, ganz abgesehen davon, daß der Brief schon
wegen seines Verfassers für Heß große Bedeutung hatte:
stand er doch zu Melanchthon in ganz besonders innigen
Beziehungen (Köstlin a. a. 0. VI. Bd. S. 249). Doch auch
der Adressat war ihm bekannt, wie aus dem Briefe selbst
hervorgeht (cf. auch Köstlin a. a. 0. VI S. 251 Uber Heß’
Beziehungen nach Polen), und gehörte zu den von Köstlin
a. a. 0. XH S. 420 erwähnten Krakauer Freunden.
3. Entwarf einer Aufforderung zur Fürbitte für den
Augsburger Reichstag 1530.
Bevor der sächsische Kurfürst zum Reichstage nach
Augsburg abreiste, gab er an die Stadträte und Amtmänner
Erlasse aus, in denen er von seiner beabsichtigten Teilnahme
an dem Reichstage Kenntnis gab und zu treuer Aufrecht¬
erhaltung der Ordnung während seiner Abwesenheit ermahnte;
in einem Zusatze ließ er noch besonders die Pfarrer zur
Fürbitte für einen guten Ausgang des Reichstages ermahnen.
Die Erlasse sind von Förstemann im Urkundenbuch zu der
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Geschichte des Reichstages zu Augsburg i. J. 1530, 1. Bd.
S. 131 ff. abgedruckt. Eine andere Fassung dieser Auf¬
forderung zur Fürbitte, vielleicht ein Entwurf dazu, hat sich
auf einem Blatte von Caspar Crucigers Hand in der Jenaer
Universitätsbibliothek erhalten.
Unter den aus Buders Besitz stammenden Handschriften
der genannten Bibliothek befindet sich eine Sammlung von
Reichstags- und Landtagsakten, teils in Abschriften, teils
auch nur in Excerpten, aus 13 Foliobänden bestehend und
die Jahre 1521—1611 umfassend. Die Bände sind alle
gleichmäßig gebunden: rotbraune gepreßte Lederbände mit
grünen Bändern; auf dem Vorder- und Hinterdeckel bringen
sie alle in Golddruck das Sachsen-Weimarische Wappen,
auf dem Vorderdeckel über dem Wappen die Buchstaben
S. G. I. V. D., unter dem Wappen die Jahreszahl 1630, eben¬
falls in Golddruck. Es liegt nahe, die Buchstaben I. V. D.
als iuris utriusque doctor zu lesen und in S. G. den Namen
des Besitzers zu vermuten, der sich die Sammlnng anlegte
oder anlegen ließ, zum mindesten, der sie sich in die Bände
wie sie noch jetzt vorliegen, binden ließ. Nach einer sehr
ansprechenden Vermutung des Herrn Archivar Dr. Kritzner,
früher in Weimar, könnten die Buchstaben S. G. Samuel
Göchhausen bedeuten, der um 1630 Kanzler in Weimar war.
Später kamen sie in den Besitz des Jenaer Professors Philipp
Müller, wie der in allen Bänden vorn und hinten sich findende
handschriftliche Vermerk: Philippus Müller Sangerhnsanus,
S. S. Theologiae Doct. Prof. Publ. Jenensis Ao. 1670 besagt,
und dann in die Budersche Bibliothek und mit der letzteren
schließlich in die Jenaer Universitätsbibliothek.
Im 2. Bd. dieser Sammlung, der Akten des Reichstages
zu Augsburg vom Jahre 1530 enthält, findet sich das oben
erwähnte Blatt von Crucigers Hand (Cod. Bud. fol. 2 Bl. 11).
Es bietet folgenden Text: „Weyl man ietzund weg zeucht,
vnd Sachen für hatt, die nicht alleyn vnser person farlich,
sonder die gantze Christenheit betreffen, Ist not, das man
Gott mitt grossen Ernst anruffe, vnd bitte, das ehr vns gnade
verleyhe, das alle Sachen also gehandelt werden, das da
durch Gottes nahm geehret werde, vnd das es zu friden in
allen lendern reiche, vnd zusonderheyt bey vns.
Denn es ist nicht möglich, solche grosse Sachen mit
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menschlicher veysheit za faren oder za handeln, so hatt auch
Gott gepotten in solcher vahr yhn anzuruffen, vnd hilff zu¬
gesagt, welche ehr on zweyfel erzeigen wirt, so man yhn
mit ernst anraffen wirt.
Wer na mit Ernst betten solt, dem ist nott, das ehr
sich besser, vnd Vergebung seyner senden suche, vnd dnreh
Gottes wort vnd sacrament glauben schöpfe vnd sich Sterke,
das ehr getrost hoffen möge, Gott werde seyn gebett erhören
vnd annemen. Dazu sind die sacrament ingesetzt das wir
dadurch zu besserung vermanet werden, das wir auch glauben
dadurch fassen.“
4. Eine bisher unbekannte Redaktion von Melanchthons
Einleitung und Schloß zur Augustana.
ln dem oben erwähnten Cod. Jen. Bud. fol. 2 stieß ich
auf ein Schriftstück, das meine Aufmerksamkeit zunächst
durch seine Aufschrift erregte. Sie lautet: „Supplication
vnd Erclerung des Churfürsten zu Sachsen an Kay. Mtt:
woher die Lehr, so zu jhr Churf. Gnaden Landen ge¬
predigt, rührt, vnd wouon sich dieselbige verursacht, Mitt
pitt [= Bitt?] solche Sachen glt [= gnädigst?] zu beherzigen,
daß Recht vnd die wahre Lehr zu schützen vnd die falsche
abzuschaffen u. s.“ Bei dieser Aufschrift denkt man unwill¬
kürlich zunächst an die Sonderverhandlnngen des Kurfürsten
Johann mit dem Kaiser vor dem Reichstage und könnte in
dem Stück etwa einen Entwurf für die Darstellung der
neuen Lehre und Rechtfertigung wegen ihrer Duldung ver¬
muten, die der Kurfürst an den Kaiser nach Innsbruck
sandte. Aber ein Blick in den Inhalt zeigt, daß es nicht
in diesen Zusammenhang gehört. Das Schriftstück, eine
nicht sehr sorgfältige Abschrift von Schreiberhand, aus dem
16. Jahrhundert, mit Korrekturen z. T. von anderer Hand
aus derselben Zeit, vielleicht sogar von der Hand des Kanzlers
Brück, lautet:
Diweil die Kay Mät vnnser aller genedigster Herr jn
nechstem Irer Mät aulschreiben dieses angesezten gemaynen
Reichstags sich gegen Churlürsten, Fürsten vnd allen andern
stenden des Reichs genedigklich erboten, jnn Sachen die
christlich Religion belangend, Eins izlichen gutbedttneken,
opinion vnd maynung zwuschen jnen selbs jn lieb vnd
gutigkait zuhorenn, So wolle Ire Mät genedigklich vnter-
tenigen Bericht anhoren vnd vernehmen, der lehre vnd
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kirchenbreuohe halben, so jn des Chorfursten za Sachssen
Landen vnnd gebieten gefirt vnnd gehalten werden, auch wie
diese Sachen allenthalben gelegen 1 ), woran! der grand ge-
melter lehre vnnd kirchenbreuohe ruhet®).
8 ) Dan also habenn vor alters, die vorigen Romischenn
kaiser als Constafitinus, Theodosius, Carolas Magnas, Hainricas
der ander Inngleichenn Sachen die Religion vnnd den christ¬
lichen glaubenn belangend auch getan vnnd die hendel vnnd
pact nach notarfft allenthalb genedigklich gehört, damit sie
jn so hochen Sachen, die seele vnd gewissen berurend, nicht
wider got handeltenn.
So vermanet auch der hailig geist jm andern psalm,
die konig, fürsten, potentaten, vnd Herrn auf erden, vnd
weiset sie alle za Christo dem höchsten aynigen konig, das
Eaangeliam zahoren, vnnd sollen sich solcher vormanang so
am jüngsten tagk wird am licht stehen, mit herzlichem Ernst
annehmen, dan also spricht der psalm, So seyt nhnn klueg
vnd last euch züchtigen, jr Herrnn vnnd Richter auf erden,
das jr höret den Christum, das Eaangeliam etc. Item es sagt
der xlvij psalm, die farsten vnter den Volckern seind ver¬
sandet zu aynem volck dem Goth Abraham wan sich die
beschuzer der erden zu Gott thun. So zaiget der prophet
ahn, das dann die Recht Ehre gottes, der rechte hoche wäre
gotsdinst gemehret vnnd erhaldtenn wirdet, wann konig vnnd
fürsten gotfurchtig 4 ) vnnd die rechte Rayne Christliche lahre
Inn der kirchenn erhaldtenn. Darumb werden sie auch be-
schtlzer der Erdenn genennet, das Inenn got aufgelegt, die
frommen vnd gotfurchtigenn Inn trewlichem schuz vnnd
schirm zu habenn.
Nachdem nhun kay Mat vnnter allen Römischen, kaisernn,
so yhe gewesenn, der gewaltigsten ayner seind, vnnd vonn
hochadeliger kay Tugent, löblichem gerächt, vnnd nahmen,
nicht weniger berumbt, dan Constantinus, Theodosius, Carolus,
Hainricu8 der ander, So werdenn Ir Maiestat daran gar
löblich christlich, vnnd kaiserlich handelnn, so sie jnn solchenn
sachenn der Christlichen Religion dem kaiserlichen aulz-
schreibenn nach jnn liebe vnnd gutigkait dermassenn vor-
aynigung zu machenn trachtenn werdenn.
Auf das alle sachenn der Religion nach der gotlichen
*) So ist wohl zu lesen. Das Wort ist durch Korrektur un¬
deutlich geworden. Ursprünglich scheint gegigen dagestanden zu
haben, was der Schreiber selbst in gelegen korrigiert hat.
2 ) Einige gestrichene und dadurch unleserlich gemachte Worte
folgen noch.
*) Am Rande ist hier von späterer Hand hinzugesetzt: NB. Keißer
haben in Religionssachen die Partheyen gehört.
4 ) Von anderer Hand gestrichen: seind.
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schriift vnnd der warbait Christlicher Religion ans derselbenn
geschepfft vnnd erforscht werde, nicht ans raenschenn sazungen,
altem herkomenn, gebrenchenn ader gewonhaiteo, welche ob
sie woll jn weit hendeln, zeitlich gnt vnnd dergleichenn be¬
langend stathabenn, mugen sie doch jnn Sachen des glanbens
nicht fnrdruckenn noch haftenn*), wie dan die wort Augnstinj
vnnd Gregorij dasselb anzaigen, so jm Decret 2 ) viij diss. in
c. veritate manifestata vnnd c. s. 3 ) consuetudinem angezogen
sein, do sie bezengenn, das Inn solchenn sachenn des glanbens,
wan die warhait geoffenbart wirdet, alle gewonhaitenn so
darwider gehaltenn sein wordenn, weichen müssen, wie alt
vnnd langwerig die gestaudenn sein, vnnd beweret Gregorius
dasselb mit dem Sprach Jo: am xiiij, do er sagt, Ich byn
der wege, die warhait, vnnd das leben, spricht nicht (sagt
sand Gregorius) Ich byn ein gewonhait 4 ), sondern die
warhait, dann das gleichwoll zu zeitenn mißbreuche wider
die schrillt, auch vor denn zeitenn gemelter veter jnn der
kirchenn eingewnrtzelt seind, zaigenn berurte jre [?] wort
genugklich vnnd klar ahn. Dann wo dieselbigenn also auch,
das sie vor ein gewonhait vnnd hergebracht Recht haben
angezogen wollen werden, nicht eingewnrtzelt, hetenn sie
nicht darwider disputirn oder dieselbigenn mit solchenn vnnd
mehr worden anfechtenn durfenn. Vnnd weil nhun bald
nach der Erstenn kirchenn der feynd der warhait nicht ge-
feyert, sondern solchenn samen des mißbrauchs mit ein-
gestrauet hat, Als das gedachter veter wort, vnnd sonderlich
des hailigenn, furtrefflichenn gelerten Bischoffs vnnd merterers
Ciprianj, so Gregorius an gemeltenn ort darzu auch einfuret,
6 ) anzaigenn, wieuil mehr f zu achtenn, das er solchenn boßenn
samen der mißbreuche, nhun jn denn letzternn ferlichenn
gezaitenn, do aygennuzige leuthe aufstehenn wurden, Als der
heilig Apostell sand Paul dasselb clerlich anzaigt, vnter souil
vnd mancherlay ordenn, Secten vnnd trennungen zutrauenn,
nicht wirdet vnterlassenn noch darbey gefeiert habenn. Dana
sand Bemhart hat bey seinenn Zeitenn berayt, wie er die
kirche mit jrem wesen vnnd breuchenn angesehenn, darüber
x ) Oder: haltenn [Korrektur!].
2 ) Corpus iuris canonici instr. Aem. Friedberg Pars I Lipsiae
1879: Decretum Gratiani Distinctio VIII Cap. IV Veritati et rationi
consuetudo est postponenda: Item Augustinus de unico baptismo lib. II a
[lib. III de baptismo, contra Donatistas c. 6] „Veritate manifestata
cedat consuetudo ueritati. — Cap. VI Veritate revelata consuetudinem
sibi cedere oportet: Item Augustinus in libro de baptismo paruulorum
[lib. III de Baptismo, contra Donatistas cap. V]: Nam Dominus . , .
non dixit ego sum consuetudo.
3 ) Undeutlich geschrieben; vermutlich: s. [= sechs!].
4 ) Cf. Anm. 3.
6 ) Am Bande hinzugefügt: f ist f.
Archiv für Reformationsgeschichte IX. S. 1 1
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geclagt, warnet vnnd besorget sieb, das ans denselben miß-
breuchenn entlieh nichts anders dann der grenlh daoon
Christus gesagt, erfolgen wurde.
So gebeut auch der Babst Inno: der dritte den prelatenn,
das sie nicht gestatenn sollenn, die leute so jnn jre kirchenn
komen, mit manicherlay figmenten vnnd ertiehtungen noch
falschenn lehrenn betriegen zulassenn wie dann an vielen
ortenn vmb geniess ader nuzes halbenn zugescheh'en pflegte
(spricht er) aus welchem Babst Innocencij gezeugknis genug¬
sam zuuernemen ist mit was betrug vnnd falschenn lehrenn
auch zu der zeit der teufell berait vmbgangen vnnd jnn denn
gotsdinst vnnd lehre, zubringen, vnterstandenn.
Darzu wissenn die kay. Mat sich genedigklich zuerjnnern
wie vnnd was manicherlay handt mißbrauch auf. Irer Maf
Erst gehaltenenn Reichstagk zu wormbs auf Irer Mat. genedige
Zulassung zusamengetragen vnnd vbergebenn wordenn.
Auch hat Babst Adrianus der nechst durch aynen
legaten auf vergangenem Reichstagk zu Nurmberg [1522/23]
vonn solchen mißbreuchenn meldung thun lassenn mit er-
bietung dieselbigenn mit der hulf des almechtigenn zu
andemn vnnd bessernn.
_ Vnnd solchs wirdet zu vntertenigster. eijnnerung kay.
Mat. darumb angezaigt, das sich Ire Mat durch nyemants
wolle beredenn ader bewegenn lassenn, Als sie auch ane
zweiuel nicht thun werde, Als ob kain mißbreuche jnn der
kirchenn, der leren, vnd Cerimonien halbenn, die wider got
vnnd die schriffte, vorhandenn sein mochtenn.
Vnnd.wiewoll solche mißbreuche vonn aynem zu dem andemn
Kay. Mat. ist alsbaldt kondtenn namhaftig angezaigt vnnd
erzelet werdenn, So wirdets doch zu vnterlassen bedacht, das
die kay. Mat. hernach stuckweis sehen vnnd vernemen werden,
was jn des Churfurstenn zu Sachssenn landen gelert vnnd
gepredigt, Auch wie es mit denn Cerimonien vnd.sacramenten
gehaltenn wirdet. Aus welchem Ire kay. Mat. vnnd me-
nigklicher, dem dieser handell furkumbt, leichtlich zuuerstehen
habenn, was dargegen die mißbreuche gewesenn, die dadurch
gefallen vnnd sich abgelaynt haben.
Aber domit gleichwoll die kay. Mat. herrurung der
lehr so jnn des Churfurstenn zu sachssenn landen gefurt
wirdet, vnnd ablaynung der mißbreuchlichenn Cerimonien, wo
vonn sich dieselbige notwendig verursacht, bericht entpfahenn
mugen, So ist Jedermann x ) sonderlich jnn deuzscher Nationn,
wissenntlich, das man fast an allenn orten wenig von denn
Hauptstuckenn, Christlichs glaubens gepredigt vnnd gelert,
sondern dem volck vill schedlicher auch vnnotiger lehrenn
J ) Gestrichen: firderlich.
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ann stat gotes wort furgetragenn hat. Vnnd jnsonderhait
vonn Indnlgentien, dauonn yhe zu Zeitenn die questorn, so
dorzu verordent wordenn, also gar nngotlich vnnd vnschicklich
vor dem volck geredt das domit vrsach gegeben ist wordenn
vonn denselbigenn vnnd dergleichen falschenn Jehrenn, die
zu verfnrnng des volcks einwachssen wolten znredenn vnnd
dispntirn. Dann vnter andern jren vnschantbarn fnrgebungenn
dorffenn etlich öffentlich auf der Canzel sagenn vnnd
ausschreyhenn, wann das gelt jns beckenn fielh, so fihr die
seelh 1 ) dafir das gelt eingeworfen alsbald gein hymel.
Darumb hat sich gebart die lente vonn solchenn Sachen
christlich zu vnterrichten, dann wan man gleich darzu lenger
zu verfnrung des einfeltigenn volcks stiller geschwigenn,
Hetenn doch solche öffentliche gotslesterung 2 * ) vnnd darneben
auch dye wahre christliche Religion jnn Verachtung komenn
mussenn, So got aus genadenn vnnd Barmherzigkait dar¬
wider nicht bestendige vnnd rechte warhafftige lehre gebenn
hete. Als sich aber nhun etliche aus gedrencknus jrer ge-
wissenn wider solch vngeschickt predigen vnd ausschreyen
von Indnlgentien gelegt. .. ®)habenn die Widersacher vnnd
jre anhenger so solche vngegerundte vnnd lesterlicbe lehre
die sie vonn den Indnlgentien, als obstehet, getriebenn, vor*
tednigen vnd vorfechtenn wollenn wie menigklichen jm Reich
bewust ist aufs hertest mit schreibenn vnnd schreyen vonn
den Canzeln darwider gedrungenn vnnd sich zu vorigenn jren
vnschambarn 4 * ) furgebungen noch mehr vngegrundter dingk
zu erhaltenn vnterstandenn, das man auf diesem taill hat
grundt vnndt vrsachenn der beschehenn Christlichenn vnter-
richtung, wider solche gefurthe falsche lehre von vnmeidlicher
notb wegenn, an tag gebenn, vnnd das volck mit anzaig
gotlicher hailiger schrifft, darwider vnterrichten 6 ) müssen
wie man genadt vnnd vorgebung der sundenn erlangen vnnd
dye gewissen durch glauben an Christum tröstenn sold, das
allen Christenn zuwissenn noth ist. Daraus dann hat volgenn
müssen, diweil man dodurch gedrungen ist worden vom
gründe jrer vnschicklichen lehr znredenn, So hat aus an-
zaigung der gegründeten warhait ein mißbrauch nach dem
andern auch fallen, vnnd so ayner durch bestendigenn grundt
abgelaynt, hat der ander vnnd aber ein ander so darauf
hat wollen gewidembt werdenn, auch fallenn müssen, Als
l ) Gestrichen: als.
*) Hinter „gotslesterung“ scheint etwas zu fehlen. Cf. unten.
*) Unleserlich; es scheint nur eine etwas groß geratene Form
des folgenden h dagestanden zu haben oder nur ein ganz kurzes
Wort wie: so.
4 ) Korrigiert aus: vnschantbarn.
6 ) Gestrichen: mugen.
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wie mit aynem gebeudte, do der grundt darauf es gefast
wandelbar vnnd nicht bestendig ist. Die prelatenn haben
berurte vngeschickte predigen 1 ) vnnd schreiben 2 ) hyngeben
lassenn vnd doijnnen als sich woll gebürt bete, nicht ge-
sehenn, das die sachenn mit schrifften soweit getriebeun
wordenn, das vill redlicher vnnd gelerter lente welche die
ergangen baider part schreibenn gegeneinander erwogen vnnd
gesehenn, diesem tail vnnd jrer lahr habenn znfalh gebenn
vnnd dieselb vor christlich vnnd gnet achtenn vnnd richtenn
mussenn, Nemlich das anf diesem taill vonn dem stuck, wie
man genad vnnd vorgebung der snnde erlangenn soll, recht
gelert, vnnd der Widersacher furgebenn vngegrnndt vnnd
vnrecht jha wider die _ helle gotliche schrifft erticht were.
So kann auch kay. Mat. genedigklich bedenckenn das den-
jhenen, denen goth genade des Vorstands gütlicher schrifft
vorliehenn, nicht hat geburen wollenn An vnterlaß darzu
stiller zu schweigenn vnnd das christlich volck mit solchenn
ertichtenn vnnd ergerlichen lehren annvnterlaß vorfnren zu¬
lassen vnnd das gezeugknus der erkandten warhait zu vor¬
bergen ader vorhaltenn. Dann wie sand Chrisostumus sagt,
das wort xi. q. iijc nolite timere referirt werdenn, So soll
nyemants vmb menschlicher forcht willenn vnterlassenn, das
er die warhait nicht frey bekenne. Dann nicht allain ist
das ein falscher gezenge, der anstat der warhait Ingen redet,
sundern auch der so die warhait nicht frey bekennen thuet
ader dieselbige nicht vorthednigt, jst anch ein falscher ge¬
zenge. Beweret solchs durch den sprach sand paulns zu
denn Römern 8 ), mit dem herzenn glaubenn wir zu der ge-
rechtigkait, aber mit dem munde bekennen wir zu der
seligkait. Dorzu hat sich auch kain ergernusse wollen
ansehen noch schewhen 4 ) lassenn, das doramb die warhait
wider die öffentliche _vnwarhait nicht sold an tag gebenn wer¬
denn, Dann kay. Mat. wissenn, das es nuzlicher 5 ) ist jn Sachen
des glaubens ergernuß zuentstehenn vnnd erwachsenn lassenn,
dann das vmb ergernuß willenn die warhait vorschwigenn
vnd vordruckt sold pleibenn.
Das aber nhun auch die widerpart heyschenn dieser
lehre vnnd den predigeru derselbigenn gern auflegenn
wolltenn, Als wurdenn alle guete ordnungk, Cerimonien vnnd
gotselige nuzliche kirchennbreuche dodurch zuruttet vnnd
x ) Korrigiert aus: prediger.
*) Korrigiert aus: Schreiber.
3 ) Röm. 10,10.
*) = schauen?, korrigiert aus: ansehenn.
B ) Am Räude von anderer (Kanzler Brücks?) Hand: nieüig-
licher weys.
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nydergelegt, Aach wie sie vnerfintlich_ redenn durflenn, gute
werck verbotenn, So wirdet kay. Mat ans nachverzaichen-
tenn berichtenn vnnd den artigkeln bernrter lehre sparen,
wie es sich vmb die kirchenbreache, Cerimonien vnnd anders
jnn des Charfnrstenn za Sachssen Landenn baltenn ist, aach
was allenthalben doijnne gelert wirdet, vnnd ob recht
schaffene christliche werck vnnd Ordnungen ader anders das
gotselig ist, nydergelegt, vorworffenn vnnd zarnttet werde,
^ader nicht, vnnd das solche der widerpart angebenn ein
vnnotturfftige vnd vnerfintliche, vnpilliche auflag ist, dann
diese lahr ist gar nicht dohin gericht.
Schon bei oberflächlicher Betrachtung fällt die große
Ähnlichkeit unseres Schriftstückes mit der Einleitung der
von Schornbaum im Nürnberger Kreisarchive gefundenen
und von Kolde veröffentlichten Nürnberger Rezension der
Confessio Augustana auf 2 ). Eine vergleichende Betrachtung
des Inhaltes beider Stücke möge dies noch deutlicher machen.
ln Ja, wie ich das Stück aus der Jenaer Handschrift
in Anlehnung an Koldes Bezeichnung der Nürnberger Rezen¬
sion durch Na der Kürze halber nennen will, wird zunächst
die Kais. Majestät auf Grund des Reichstagsausschreibens
gebeten, den folgenden Bericht Uber Lehre und Kirchen¬
gebräuche in des Kurfürsten Landen anzuhören, wie vor
Alters auch die früheren römischen Kaiser wie Constantinus,
Theodosius, Carolus Magnus und Heinricus II. in Sachen
der Religion und des Glaubens getan haben, und wie ja
auch in Psalm 2 und 47 die Könige, Fürsten, Potentaten
und Herren auf Erden ermahnt werden, Christus, das Evan¬
gelium zu hören, durch Erhaltung der rechten, reinen christ¬
lichen Lehre in der Kirche die Ehre Gottes und den wahren
Gottesdienst zu mehren und als Beschützer der Erden die
Frommen und Gottesfürchtigen zu schützen. Da nun die
Kais. Majestät unter allen römischen Kaisern der gewaltigsten
einer ist und von hochadliger, kaiserlicher Tugend, löblichem
*) Am Rande von anderer (Kanzler Brücks?) Hand: sonderlich.
*) Kolde, Die älteste Redaktion der Augsburger Konfession mit
Melanchthons Einleitung zum erstenmal herausgegeben und geschichtlich
gewürdigt. Gütersloh 1906. — Zur Bezeichnung der Einleitung als Sup¬
plikation vgl. jetzt: Wilh. Gussmann, Quellen und Forschungen zur
Geschichte des Augsburg. Glaubensbekenntnisses 1911. I, 1 S. 431.
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Gerücht and Namen and an Kahm den oben genannten
Kaisern nicht nachsteht, wird sie dem kaiserlichen Aas¬
schreiben nach in Liebe and Güte eine Einigung herbei¬
zuführen trachten, auf daß alle Sachen der Religion aus der
Schrift erforscht werden and nicht aas Menschensatzungen,
altem Herkommen, Gebräuchen und Gewohnheiten, die in
Sachen des Glaubens keine Berechtigung haben, wofür auf
Augustinus und Gregorius verwiesen wird.
Auch Na beginnt mit einer captatio benevolentiae, aber
sie ist hier viel kräftiger und deutlicher als in Ja, indem
vor allem die Milde und Güte betont wird, die die Kais.
Majestät bisher gezeigt und auf die der Kurfürst nächst auf
Gott seine höchste Hoffnung und Zuversicht setzt. Der
Kaiser könne nichts Gott Angenehmeres noch Sich selbst
Ehrenvolleres und Rühmlicheres tun, als seine Macht und
Gewalt zur Einigung der Christenheit zu gebrauchen. Nun
wird auch hier auf Theodosius, Karl den Großen und
Heinrich H. (— Constantinus fehlt in Na! —) verwiesen und
auf Psalm 2 und 47; ebenso folgt der Appell an die kaiser¬
lichen Tugenden und an seine Gewalt, dagegen findet sich
die Warnung vor den Menschensatzungen mit dem Zitat aus
Augustinus und Gregorius in Na nicht
Ja geht nach der captatio benevolentiae zunächst auf
die Mißbräuche ein, die sehr bald schon in der ältesten ,
christlichen Kirche eingerissen seien, wie mit den angeführten
Stellen aus Augustinus und Gregorius sowie besonders durch
den Hinweis auf Cyprianus und auf den Apostel Paulus be¬
wiesen wird. So seien der Mißbräuche in der Kirche immer
mehr geworden, so daß bereits St. Bernhard darüber klagt
und besorgt ist, daß aus ihnen schließlich der Greuel, davon
Christus gesagt, erfolgen würde. So ermahnt auch Papst
Innocenz HI. die Prälaten, nicht zuzulassen, daß die Leute
in ihren Kirchen mit Erdichtungen und falschen Lehren be¬
trogen werden, „wie dann an vielen Orten urab Genieß oder
Nutzes halben zu geschehen pflegte“. Ferner wird der Kaiser
daran erinnert, wie auf dem Reichstage zu Worms mit seiner
Zulassung eine Zusammenstellung von Mißbräuchen übergeben
worden sei; und schließlich wird noch auf Hadrian VI. hin¬
gewiesen, der auf dem Reichstage zu Nürnberg (1522/23)
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dnreh seinen eigenen Legaten Mißbräuche in der Kirche
aufzeigen ließ und Abhilfe versprach.
Als Zweek dieses ausführlichen Beweises wird angegeben,
daß der Kaiser nun von niemandem überredet werden könne,
als seien überhaupt gar keine Mißbräuche in der Kirche
vorhanden! Für die Einzelheiten wird auf die später fol¬
gende „stückweise“ Behandlung dessen, was in des Kur¬
fürsten Landen gelehrt und gepredigt wird, verwiesen.
ln Na fehlt der Abschnitt über die Entstehung und Ver¬
breitung der Mißbräuche in der Kirche. Dafür wird hier
an dieser Stelle, bevor „die im Kurfürstentum gepredigte
Lehre erörtert wird, gezeigt, daß der Kurfürst nicht aus
bösem Vorsatz dieser neuen Lehre Vorschub und Beistand
getan hat“ (Kolde a. a. 0. S. 36) nnd zu diesem Zwecke
hier eine Verteidigung des Kurfürsten und seines Bruders
Friedrichs des Weisen eingeschoben.
In Ja wird nun die Ursache der neuen Lehre und der
Abschaffung mißbräuchlicher Zeremonien in des Kurfürsten
Landen besprochen: Wie jedermann sonderlich in deutscher
Nation weiß, ist fast überall wenig von den Hauptstücken
christlichen Glaubens gepredigt und gelehrt, vielmehr sind
dem Volke viel schädliche und unnütze Lehren anstatt
Gottes Wort vorgetragen worden; besonders von den Indnl-
genzen ist ungöttlich und unschicklich vor dem Volke ge¬
redet worden. Da ist es denn nötig gewesen, die Leute
hierüber christlich zu unterrichten, weil durch längeres
Schweigen zu dieser Verführung des einfältigen Volkes die
wahre christliche Religion in Verachtung gekommen wäre.
Als sich nun aber etliche in ihrem Gewissen gedrungen
fühlten, gegen dieses ungeschickte Predigen von den Indul-
genzen aufzutreten, haben die Widersacher und ihre Anhänger
ihre ungegründete und lästerliche Lehre durch Schrift und
Wort zu verteidigen gesucht, ja, sie noch überboten, so daß
man dagegen auf Grund der heiligen Schrift das Volk hat
unterrichten müssen, wie man Gnade und Vergebung der
Sünden erlangt. Nachdem man nun aber der gegnerischen
Lehre auf den Grund gegangen war und die Wahrheit auf¬
gezeigt hatte, hat ganz von selbst ein Mißbrauch nach dem
andern fallen müssen. Die Prälaten haben die falschen
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Prediger in ihrem Tan nicht gehindert nnd haben nicht
gesehen, daß viele redliche nnd gelehrte Leute der rechten
Lehre von der Gnade und Vergebung der Sünden zugestimrot
und sie für christlich und gut gehalten haben. Die aber,
denen Gott die Gnade des rechten Verständnisses göttlicher
Schrift verliehen hat, konnten nicht stillte dazu schweigen
und zulassen, daß das christliche Volk noch länger durch
falsche Lehren verführt würde. Sie wären ja sonst (nach
dem Urteile des Chrysostomus) selbst wie falsche Zeugen
gewesen, wenn sie die erkannte Wahrheit verborgen gehalten
hätten. Zum Schluß wird noch gegen die Beschuldigung
der Widersacher, daß in den kurfürstlichen Landen alle gute
Ordnung, Zeremonien und gottseligen, nützlichen Kirchen¬
bräuche dadurch zerrüttet und aufgehoben nnd die guten
Werke verboten wären, auf die folgenden Berichte und
Artikel der neuen Lehre verwiesen.
In Na schließt sich der entsprechende Abschnitt Uber
die Entstehung der neuen Lehre direkt an die oben er¬
wähnte Verteidigung des Kurfürsten an. Die neue Lehre
sei nicht von ihm ausgegangen, „sondern von den vielen
Frommen, die davon beschwert wurden, daß die christliche
Lehre mit Menschensatzungen, unnützem Geschwätz und
täglich sich mehrendem Mißbrauch unterdrückt und ver¬
finstert wurde, von der Buße aber und der uns nicht um
unserer Genugtuung willen, sondern durch den Glauben an
Christum gegebenen Gnade niemand etwas zu sagen wußte“
(Kolde, Die älteste Redaktion der Augsburger Konfession
S. 36). Wie in Ja wird dann auch in Na die Predigt von
den Indulgenzen als die eigentliche Ursache der Neuerungen
angegeben, aber hier wird nun im Unterschiede von Ja das
Auftreten Luthers, der in Ja sonderbarer Weise überhaupt
nicht erwähnt wird, geschildert. Auch in Na wird am
Schluß der Einleitung auf die Beschuldigung der Gegner
eingegangen, daß in den kurfürstlichen Landen „alle Zere¬
monien abgeschafft und alle geistliche Ordnung zerrüttet“
(Kolde a. a. 0. S. 37) sei, hier werden aber die guten christ¬
lichen Zustände in Kirche und Schule viel ausführlicher als
in Ja behandelt.
Aus dieser Vergleichung von Ja mit Na erhellt deutlich,
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daß beide trotz einzelner Abweichungen doch im Großen
nnd Ganzen den gleichen Inhalt haben and ihn aach in der
gleichen Anordnung bieten. Sie berühren sich aber an
vielen Stellen auch im Ausdrucke und stimmen zum Teil
wörtlich miteinander überein. Das möge die folgende Zu¬
sammenstellung zeigen, die übrigens nur die gleichen Aus¬
drücke an den sich entsprechenden Stellen berücksichtigen
soll. Außerdem ist hierbei zu beachten, daß wie Na 1 ), so
vielleicht auch Ja eine Übersetzung aus dem Lateinischen
ist — wenn die Latinismen in Ja nicht einfach damit zu
erklären sind, daß in einer Zeit, in der Latein geläufiger
als Deutsch war, einem Deutsch schreibenden Verfasser ganz
unwillkürlich lateinische Wendungen in die Feder kamen.
Hätten wir beide Stücke im deutschen Originale, so würden
die wörtlichen Übereinstimmungen vermutlich noch viel zahl¬
reicher und deutlicher sein.
J a.
So vermanet auch der
hailig geist jm andern psalm
die könig, fürsten, potentaten
... dan also spricht der psalm,
So seyt nhun klueg.
Die fürsten vnter den Vol-
ckem seind versamlet zu
aynem volck dem Goth Abra¬
ham, wan sich die beschützer
der erden zu Gott thun.
So zaiget der prophet *) ahn,
das dann die Recht Ehre
Gottes . . . gemehret vnnd
erhaldtenn wirdet.
Darumb werden sie auch
beschützer der Erdenn ge-
nennet, das jnenn got auf¬
gelegt, die frommen vnd got-
furchtigenn jnn trewlichem
schuz vnnd schirm zu habenn.
Na.
. . . wie dan der heilig
geist die fürsten furnemlich
vermant, . . ., da er spricht
im andern psalm, so seyt
nun klug ir könig.
Die fürsten der volcker
versanden sich mit dem Gott
Abraham, wenn die fürsten
des lands sich zu got ver¬
sanden . . .
mit diesen Worten will der
prophetanzeigen, das gottes
eer gefurdert werd.
Darumb nennt er auch die
fürsten . . . beschützer des
lands, das si die fromen und
gotsforchtigen sollen mit irer
gewalt schützen und hand¬
haben.
») Kolde a. a. 0. S. 32f. 43/44.
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. . . was jn des Churfur-
stenn za Sachssenn landen
gelert . . . wirdet.
haben die Widersacher . . »
lesterliche lehre
diweil man dadarch ge¬
drungen ist worden . . .
vill redlicher vnnd gelerter
leute diesem tail vnnd jrer
lahr habenn zufalh gebenn.
... als wurdenn alle gaete
ordnungk, Cerimonien vnnd
gotselige nützliche kirchenn-
breache dodarch zarattet vnnd
nydergelegt
. . . dann diese lahr ist
gar nicht dohin gericht!
die leer . . ., die in dem
chorfnrstentumb Sachsen ge-
leret wirdt.
aber seine Widersacher ...
ließen viel lesterlicher bach¬
lein ausgeen.
nicht dest minder wardt
Luther gedrängen . . .
and hetten vil fromer and
gelerter leut ob seiner ant-
wort ein gefallen.
... als hetten wir alle
ceremonias ernider gelegt und
zaratten alle geistliche Ord¬
nung und Satzung.
* dan dise leer nit dahin ge¬
richt ist . . .
(Schluß folgt im nächsten Heft.)
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Aus den Zeiten des Interim.
Briefaaszfige aas Nord* and Westdeutschland.
Mitgeteilt von Walter Friedensburg.
Die Jahre nach dem Schmalkaldischen Kriege bilden
eine Prttfnngszeit für den deatschen Protestantismus. Bisher
unter der Gunst der Umstände machtvoll emporgetragen,
hatte dieser nun, nach schweren Niederlagen im Felde, zu
bewähren was in ihm war, zu zeigen ob die Wurzeln, die
er geschlagen, festhielten. Nicht ganz ohne Opfer ist der
Protestantismus durch diese Periode hindurchgegangen, aber
im großen und ganzen hat er die Probe, auf die das Geschick
ihn stellte, bestanden, ja, aus Unglück und Not neue Kräfte
gesogen. Mochte auch, von einer einzigen Stelle abgesehen
der siegreiche Kaiser, der Vorkämpfer des Katholizismus
im ganzen Umfang des deutschen Reichs keinem Widerstande
begegnen, mochten Fürsten und Stadthäupter wetteifernd
herbeieilen und seine Gnade anflehen, das Volk war nicht
gemeint, vom Evangelium, das ihm längst lieb geworden
und mit seinem ganzen Dasein innerlich verwachsen war,
abzulassen.
Die nachfolgenden Brief- und Zeitungsbruchstücke spiegeln
diesen Verlauf wider. Sie zeigen, wie der Katholizismus,
auf den Kaiser und dessen Erfolge gestützt, im Westen und
Norden unseres Vaterlandes wieder Fuß zn fassen versucht,
aber alsbald auf starken Widerstand stößt, an manchen Orten
auch völlig abgelehnt wird. Wegen der Einzelheiten, die
die an Ort und Stelle aus genauester Kenntnis abgefaßten
Aufzeichnungen enthalten, sind ihre Schilderungen nicht ohne
Wert. Die Namen der Verfasser wie der Adressaten sind
unterdrückt; wir erkennen nur, daß beide Teile im katholischen
Lager stehen. Vorgefunden haben sich die Stücke ab-
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schriftlich oder auszttglich teils unter den Briefschaften des
Kardinals Marcello Cervini in Florenz, teils in den Farnesischen
Papieren in Neapel.
1. Nachrichten ans Halberstadt: Wirken des Jnstns Jonas
in Hildesheim. Die Altstadt und die Neustadt Hildesheim.
Rückkehr Herzog Heinrichs von Wolfenbüttel in sein Land. Der
vertriebene Erzbischof von Bremen und die Stadt Bremen.
Markgraf Johann von Brandenburg bei Herzog Heinrich:
Katholische Restaurationsbestrebungen des letzteren. Zahlungen
der Diözesen Halberstadt und Magdeburg und der Stadt Halle
an den Kaiser. 1547 August 16.
Ex literis datis 16 augusti 1547 ex Halberstadio.
ln civitate Hildensemensi adhuc magna pressura et
oppressio cleri est; nam circa primum hujus Justus Jonas*),
Lutheri incarnatus, ymo ipsius diaboli unigenitus, in collegiata
ecclesia Sancte Crucis Hildensemensis incepit legere epistolas
sancti Pauli ad Ephesios, et omnes monachi et clerici totius
civitatis sub pena proscriptionis extra civitatem eorum per
senatum Hildensemensem compulsi sunt violenter ad eandem
lectionem auschultari. et per hoc constituitur eidem Jonae
ibidem salarium a clericis; una ecclesia dat ei plus, altera
minus et ecclesia Sancte Crucis coacta est ei 80 florenos
polliceri annuatim pro eorum personis, et omnes clerici
ibidem compulsi sunt per consulatum ad dandum consulatui
vigesimum denarium omnium bonorum suorum mobilium
et immobilium.
Ante mensem vel circa omnes incolae novae civitatis
Hildensemensis compulsi sunt senatui antiquae civitatis Hilden¬
semensis dare ex qualibet domo duorum florenorum con-
tributionem; incolae autem novae civitatis nolebant dare.
ideo incolae antiquae civitatis clauserunt ad 8 dies portas
civitatis antique et coegerunt eos ne emerent cibos et alia
victus necessaria, et proscripserunt eos extra eorum anti-
quam civitatem. et sic compulsi vi cogebantur dare unum
florenum ex qualibet domo senatui antiquae civitatis; sed
alterum florenum pro qualibet domo addidit senatus novae
civitatis.
Henricus dux Brunswicensis cum mille equitibus
rediit ad dominia sua unacum Carolo fllio primogenito.
J ) Jonas war nach der Niederlage Johann Friedrichs vor dem
Zorne Herzogs Moritz von Sachsen, mit dem er sich überworfen hatte,
aus Halle, wo er Prediger war, gefluchtet; bis Februar 1548 wirkte
er in Hildesheim.
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Philippnm, alternm filium, dimisit apud imperatorem. et
iterum occupavit omnia dominia sna etiam attinentia ad
diocesim Bildensemensem. omnia possidet, quasi nunquam
profngatns fuisset, et hodie est in Wulffenbuttell, principali
Castro docatns sui.
Cives Brunswicenses vendunt ei cerevisiam et panes et
omnia necessaria.
R ma * d. archiepiscopns Bremensis *) est per Bremensern
civitatem profugatus non solnm extra diocesim Bremensern,
sed etiam Verdensera, et ipsi Bremenses occupant vi ambas
dioceses. dicitnr qnod idem Henricns dux fratrem suum
archiepiscopnm ex commissione imperatoris nunc velit restituere
et nomine imperatoris civitatem Bremensern iterum obsidere.
et dicitnr quod Sna Cesarea Majestas iterum mittet ad dictnm
Henricum 3000 eqnitnm pro obsidione Bremen, et heri ac
hodie fuit hic rnmor quod Bremen jam sit iterum obsessum,
de quo tarnen non est certitudo.
111“®* princeps Johannes marchio Brandeburgensis, frater
electoris, gener ejusdem dncis Brunswicensis 2 ), venit cum
eodem duce, qui, ut dicitnr, est commissarius imperatoris, et
die veneris 12 hujus intravit Brunswicensem civitatem, ubi
etiam nti princeps est acceptatus honorifice, et agit quotidie
cum Brunswicensi civitate super restitutione damnorum
per ducem passorum, et speratur quod sit spes concordie.
Idem dnx Henricns jam restituit omnes monachos et
moniales e snis terris profugatos et facit per eos divina juxta
morem sancte Romane ecclesie resumi, et restitui facit illis
bona eornm antea in absentia sna per Lutberanos illis vi
ablata, et nndiqno facit colligi fratres ad sna monasteria
desolata. et debet dixisse, etiam si 2000 fratres venirent,
illos in suo dominio velit colligere. et colligit predicatores
catbolicos, qni in terris suis predicent et inducant populum
ad verum antiquum catholicum ordinem.
Hic in Halberstadt adhuc sumus absque capite et
epmcopo, et etiam in diocesi Magdeburgensi 8 ).
Hec nostra diocesis Halberstadensis dedit noviter impera-
tori viginti millia florenorum, et Magdeburgensis diocesis
dat qnadraginta millia flor.; oppidum Halle Magdeburgensis
dioc. dat qnindecim millia flor.
Neapel, Grande Archivio Carte Farnesiane Fase. 744, gleichzeitige
Abschrift.
*) Christoph, Bruder Herzog Heinrichs von Braunschweig-
Wolffenbüttel, Erzb. von Bremen 1511—1558, zugleich Bischof von
Verden (seit 1502).
*) Johann war seit 1537 mit Katharina, Tochter Herzog Heinrichs,
vermählt.
*) Bischof von Halberstadt und Erzbischof von Magdeburg war
Johann Albrecht von Brandenburg.
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2. Nachrichten aas Bremen: Dänemark erstrebt Frieden
mit dem Kaiser, die verheirateten Bischöfe treten znrlick.
Der Erzbischof von Bremen ist mit dem Kapitel versöhnt.
Kaiser verlangt Wiedereinsetzung der alten Hierarchie in Däne¬
mark. Oldenburg nimmt das Interim an; andererseits Wider¬
stände gegen den Kaiser and das Interim bei den nord¬
deutschen Städten. 1548 Dezember 11.
Ex civitate Bremensi 1548 dec. 11.
Fernnt regem Datie 1 ) conditiones pacis a Caesarea
Majestate oblatas acceptare veile et civitatem Hamburgensem
partes regis tenere nec Caesarem bello provocare aut ad
regnum Dati elicere. episcopi certi regni Datie uxorati
episcopatus ad manus capituli resignaverunt in favorem
quorundam catholicorum canonicorum, nepotum et amicorum
ipsorum, timentes exitum rei. cautiores facti exemplo
villici iniquitatis 2 ) episcopatus amicis dimittent, ut uxores
retineant.
R mtu et Ill mu8 dominus archiepiscopus Bremensis tandem
pacem cum suo capitulo, nobilibus ac civitate confecit, per
Caesaream Majestatem confirmandam et approbandam, et ad
omnia castra et dominia sua integre restituetur hic in diocesi
Bremensi, prout in Verdensi restitutus est, laus Deo!
Ferunt Caesaream Majestatem requisivisse Danorum
regem ut archiepiscopatus et episcopatus, abbatias et monas-
teria restitnat reedificetque, et ideo in ducatu Holtsatie ac
regno Datie dietas binas generales observatas esse; quid fiet,
videbimus.
Item comes Oldenburgensis 8 ) illudInterim in suis comi-
tatibus acceptari ubique mandavit isto mense preterito, sub
penis corporis et bonorum, dicitur tarnen a multis, presertim
a mercatoribus, quod multe civitates Saxoniae et marittime
septentrionales unacum quibusdam principibus, etiam regibus,
novum foedns inierunt de non acceptando illo Interim, quod-
que legationem ad Caesarem mittent pro obtinenda sua
intentione, aiioqui velint se, ut melius possint, defendere.
Neapel, Grande Archivio Carte Farnesiane fase. 737, gleichzeitige
Abschrift.
3. Nachrichten aus Speier: Wiederherstellung des Reichs¬
kammergerichts unter dem Bischof von Speier; Austreibung
>) Christian in 1533-1559.
2 ) So!
8 ) Vgl. von Drussei, Briefe und Acten in (Beiträge zur Beichs-
geschichte 1546—1552) S. 148. (Graf Anton von Oldenburg erklärt
1518 September 24, er will nach Möglichkeit das Interim beobachten.)
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genannter Prokoratoren. Katholische Restauration im Württem-
bergischen und Kurpfälzischen. 1548 Dezember 23.
Ex Spira 1548 dec. 23.
R m " 8 dominus mens episcopus Spirensis 1 ) est supremus
commissarius Iudicii Camerae Imperialis, quod de novo fuit
ordinatum prima die octobris 1548, deputatis personis 24,
additis decem assessoribus, qui adjuvent illas 24 personas;
sunt igitur simul 34, qui prestiterunt eidem R m0 domino
episcopo Spirensi prima octobris nomine Caesareae Majestätis
juramentum.
Et dicta die prima octobris fuit etiam solemniter cantata
missa de spiritu sancto et finita missa te deum laudamus
decantatura.
Deinde quinta octobris procuratores ejusdem Iudicii
Camere Imperialis prestiterunt suum juramentum, attamen
quidam eorum fuerunt exclusi, qui nunquam debebant in
Iudicio Imperiali advocare aut procurare, videlicet doctor
Helffman, doctor Engelhart, doctor Hoes et licentiatus Maji.
Ex aliis litteris.
In ducatu Wirtenbergensi continuatur ordinatio et
restitutio antiquae religionis, deficientibus presbiteris catho-
licis, qui undique solicitantur et apud capitula Spirense et
Wormatiense ac ex aliis locis.
Similiter Ill mU8 princeps elector Palatinus 2 ) mandavit in
suis ditionibus antiquam catholicam religionem restitui di-
missis lutheranis concionatoribus.
Neapel, Grande Archivio Carte Fornesiane fase. 737, gleichzeitige
Abschrift.
4. Nachrichten aus Hildesheim betreffend den Stand der
kirchlichen Dinge in Stadt und Bistum und in der Nach¬
barschaft, den Streit Herzog Heinrichs d. J. mit den Städten
Braunschweig und Goslar, Brände in Einbeck, Tod der
Landgräfin von Hessen, Kirchliches im Kurfürstentum Sachsen,
in den sächsischen Herzogtümern, in Stadt und Bistum
Merseburg. 1549 Mai 2.
Ex civitate Hildensemensi 2 maji 1549.
Nostra civitas Hildensemensis manet indurata, neque
scitur ubi pro nunc sit noster episcopus 3 ), longa defatigatione
et cura curisque exhaustus, neque in ea civitate acceptarunt
Interim.
J ) Philipp von Flörsheim 1529—1552.
*) Friedrich II, Knrfürst von 1544—1556.
3 ) Valentin von Teutleben 1537—1551.
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* Tarnen post tot annos atqne mandata Caesarea Rer. d.
abbas sancti Godehardi ad sanm monasterinm in civitate
Hildensemensi restitntus est nnacnm fratribns suis et ad
omnia bona ipsius raonasterii, initis tarnen concordia et pactis
cum senatu Hildensemensi, inter que est unum, quod divina
et cerimonias juxta ritum catholice ecclesie peragere possunt
clausis januis, veluti faciunt.
Simili modo restituti sunt canonici collegiate ecclesie
Sancte Crucis Hildensemensis, de qua restitutione concionatores
Lutherani in eadem civitate furiunt et blaterant ex suggestu;
ymo claraant monacbos et canonicos esse omnino necandos
et e medio submovendos.
In locis nostris circumvicinis omnia peraguntur Luthe-
ranornm more, nbi potius Lutheranismus augetur, et nullibi
acceptatum est illud Interim.
Ulmns ,1 Henricus dux Brunswicensis adhuc est in magna
discordia cum civitatibus Brunswicensi et Goslariensi;
sed istis diebus elapsis fuit in tractatu cum eisdem civitatibus
et fuerunt mediatores pacisque tractatores principes et pre-
cipui ex senatibus civitatum Lubicensis et Luneburgensis;
qui licet valde laboraverint et per plures dies tractaverint,
tarnen nihil effectum fuit, quinymo omnis labor perditus est,
ideoque negotium istud videtur esse in majori periculo quam
hactenus. hinc Brunswicenses cives alunt in corum civitate
400 equites, collecturi plures. contra dux cogitat quo pacto
possit eorum insultibus resistere, ideoque et ipse müitem
colligit. et si ad arma deventnm fuerit, erimus in maximo
discrimine etiam in hac civitate Hildensemensi ob malos
concionatores civesque.
Oppidum Eimbicense ante aliquot annos miraculose
quasi exustum, cum deriderent sanctos, iterum pro medietate
exustum est et eque obstinati man ent in eorum Lutheranismo.
ubique sunt pericula nihilque curantur, adeo viget obstinatio.
Item uxor lantgravii Hassie, filia bo. me. ducis Saxonie
Georgii catholici, mortua est et in vigilia pasche sepulta 1 ).
In dominiis electoris Saxonie ducis Mauritii omnia
aguntur Lutheranorum more, ubi tumultuantur tarn nobiles
quam plebei et rustici, diciturque quod dux non sit admo-
dum in Caesaris gratia, nec sciatur ubi nunc sit idem dux.
Filii ducis captivi, olim electoris, Saxonie 2 ) vivunt suo
more et permiserunt quod subiditi eorum invaserunt depre-
dantes dominia civitatis Erfurdensis, que Caesari obediens
*) Christine, geh. 1506, vermählt 1523, gest. 15. April 1549.
*) Johann Friedrich der Mittlere, Johann Wilhelm, Johann Ernst
und Johann Friedrich der Jüngere, die Söhne des abgesetzten und
gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich.
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«sty licet Lutherana, sed nun quam adhesit conjurationi Smal-
«aldiane neque clerum expulit miuüsque spoliavit, nisi tan-
tum in jurisdictione ecclesiastica.
In’civitate et ecclesia Merseburgensi adhuc omnia pera-
guntur Lutheranorum more et canonici pro majori parte
duxerunt uxores, qui omnes sunt Lutherani effecti ; et indies
magis deficiunt a catholica religione. nostri araici, domini
Joachim a Latorff 1 ) et doctor Joannes Horneburg, Merse-
burgenses canonici, constantissime perseverant in catholico
ritu et sese opponunt Lutheranis quantum possunt. et dicitur
quod sub finem hujus mensis maji celebrabitur aliud capi-
tulum ad eligendum episcopum juxta commissionem Caesaree
Majestatis in personam R. d. suffraganei Maguntinensis, si
Lutherani canonici non impediunt, sicut jam per plures annos
fecerunt 2 ).
Florenz, Archivio di St&to Carte Cemniane filza 28 fol. 101 a bis
102Abschrift.
5. Nachrichten aus Halle, betreffend die unentwegt
lutherische Haltung der Stadt Magdeburg und die an¬
scheinende Unmöglichkeit einer Restitution des Katholizismus
dort! Die kaiserliche Acht scheint wirkungslos zu bleiben.
Der Erzbischof ist seiner Güter beraubt und führt krank
ein elendes Dasein. 1549 Mai 17.
Ex oppido Haitis Magdeburgensis dioc. de dat. 17.maji 1549.
Status hujus nostre patrie est infelicissimus et indies
magis augetur suppressio ecclesiasticorum magisque in-
saniunt nostri cives Magdeburgenses in sacram catholicam
religionem. quo fit ut plures, qui meliora sperabant, retra-
hantur ab resipiscentia. frustra post Gaesaris victoriam
biennio jam actum est et solicitatum pro restitutione, quae
etiam debite nunc minime fieri posset; nam fundi et bona
ecclesiastica sunt alienata ecclesieque pro majori parte,
domus curieque ecclesiasticarum personarum everse, usurpate
et alienate, adeo quod, etiamsi ipsi latrones cives Magde¬
burgenses permittere vellent restitutionem fieri, non esset in
eorum potestate minusque damüa resarcire possent. et casu
quod restitutio fieret, non reperiuntur catholici religiosi neque
*) Ein Joachim von Latorff erscheint 1520 als Havelberger Dom¬
herr; die ans dem Anhaitischen stammende Familie war außerdem im
Brandenburgischen nud den Gebieten der heutigen Provinz Sachsen
angesessen.
*) Im Bistnm Merseburg hatte Herzog August von Sachsen die
Administration, die er seit 1544 versah, im Oktober 1548 niedergelegt.
Kandidat der katholischen Partei war Michael Helding, Weihbischof
von Mainz.
ArehiT für Beformationageichichte. IX. 3 . 18
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presbyteri secnlares, nt cathoiica religio de novo instituatur.
interim boni successive interiemnt et indies morinntnr, desti-
tnti omni spe post tarn longam moram admissam in defen-
sione religionis nostre catholice, et si qni (panci licet)
restant Catbolici, defatigantnr in solicitationibns et qnerelis
suis ac impensis. quid erit sperandum, nisi solns Dens in
melins provideat?
De restitutione R“ 1 et 111“ 1 domini nostri archiepiscopi
Magdebnrgensis parnm gloriari valeo, quia nnnqnam sne
ecclesie Magdebnrgensis possessionem habnit et maxima pars
dominiorum snornm, nnde vivere et statnm intertenere deberet,.
occnpatnr per civitatem et consnlatnm Magdeburgen[semj
preter omnem rationem et jus. vilipendunt etiam imperatorem
nec hic in propinquo principes, comites, barones et nobiles
Caesaris edictnmexequi andent. nam ipsi Magdeburgenses
sunt adeo feroces qnod cnnctos terreant cum comminatione
quod velint eoruin dominia auferre et subvertere. jactitant
se habere maximam confederationem et snbsidia; sed spero
ex illornm desperatione hanc spem potins esse confictam.
Preterea de valetudine ejusdem R mi et gratiosissimi domini
nostri archiepiscopi Magdebnrgensis nihil boni scribere valeo.
ultra qnasvis tribnlationes et sne Magdebnrgensis ecclesie
spolia gravi cruris infirmitate continne detinetur nec deXtrum
pedem curvare potest, sed simpliciter extensnm intertenere
cogitnr. et cirurgicnm habet, qni morbnm incnrabilem dicit,
et nullibi ire potest nisi portetnr. parnm qniescit et noctes
insomnes dncit misera vita principis hnjns! nam bonis
spoliatns corpore qnoqne affligitur absque intermissione. hoe
spolinm triennio jam elapso duravit, preterea qnod clerns in
hac regione martirinm suffert. Dens concedat nobis melioral
Florenz, Arch. di Stato, Carte Cerviniane filza 28 fol. 102“*>,
Abschrift.
6. Briefauszng aus Worms- betreffend Kirchliches ans
Heidelberg, Frankfurt und Straßbnrg, wo überall das Luther¬
tum sich behauptet; kirchliche Zugeständnisse erscheinen
unabwendbar. 1549 Mai 18.
Ex literis de dat. Wormatie 18 maji 1549.
Palatinum conjugemque 2 ) ejus andivi hoc paschate sub
nna tantum specie communicasse, major antem pars auli-
corum sumpserunt in pago Heydelberge vicino ntramque
speciem.
0 Das am 27. Juli 1547 erlassene kaiserliche Achtsdekret.
*) Dorothea, Tochter K. Christians II. von Dänemark, vermählt
1532, gestorben 1580.
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Venerabile sacramentnm aliquot diebus post illius 1 )
canonicos Heydelbergenses in ecclesiam S. Spiritus remi-
gravit ut autem non omnino consentirent catbolice ecclesie
et viderentur aliqnid plus sapere, adposnernnt argenteum
vasculum, in qno sanguis Christi per eos consecratus nna
cum bostiis conservatur, nt infirmi qni petunt in promptn
habeant utramque speciem, quod est in ecclesia prohibitum
et credo neminem hereticornm antea vel fecisse vel cogitasse.
dicunt tarnen nullo infirmo petente sacerdotes de bidno in
bidunm sumere, ne acescat.
Frankfordienses babent sex concionatores hereticos et
unum solum catholicum, ovem inter lupos, quem pauci
audiunt et omnes rident, licet vir sit valde doctus et probus.
nuper quidam ex illis ita induxit evangelium 2 ): ,modicum
et non videbitis me et iternm modicnm et videbitis me etc.‘:
„nonue dixi vobis semper evangelii persecutionem non diu
duraturam vosque bono animo esse debere? quod nunc iterum
dico, quia brevi aut imperator erit fautor evangelii aut
morietnr, quia etiam est mortalis, et in modico tempore libere
per totum mundum predicabitur evangelium!“
Argentinenses omnes concionatores ex oppidulis, qne
imperatori resistere non possunt, profugos benigne excipiunt
et favent. nulla adhuc ibi missa est celebrata aut höre
decantate; in anla tarnen imperatoris de illis dicitnr quod
acceptayerunt illud Interim.
Et in snmma omnia sunt pejora prioribus, et nisi per
concilium aut pontificem et imperatorem super communioqe
utriusque speciei et pretenso sacerdotnm conjugio, item qui
debeant ad concionandum adraitti, declaratio et determinatio
facta fuerit, frustra celebramus synodos, frustra nos refor-
mamus, et timendus est ingens . . .*) tumultns aut universalis
ruina Germanie.
Hec sunt que post nuperrime scriptas ad R. 111. D. V.
literas audivi. ex his reliqua atque adeo universus Status
noster-facile colligi possunt.
Florenz, Arch. di Stato, Carte Cerriniane fase. 28 fol. 100«,
gleichzeitige Abschrift
7. Nachrichten aus Mainz Uber den Besuch des dortigen
Provinzialkonzils. 1549 Mai 24.
Ex Moguntia de dat. 24 maji 1549.
Fuit hic celebrata synodus provincialis, que fuit incepta
6 hujus et finita et publicata hodie, soilicet 24 maji. nullns
*) So! Es ist wohl etwas ausgefallen (vieUeicht: jussu per).
*) Evang. Joh. 16 V. 16.
*) Durch einen Riß im Papier der Vorlage ist ein Wort ausgefallen.
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episcoporum snffraganeormn personaliter comparnit preter
R mum episcopnm Eistetensem J ), qni. adfuit. alii comparnernnt
per eornm nnncios; etiam R mu8 et Ill mu8 dominus Joannes
Albertas archiepiscopns Magdeburgensis misit snos oratores
ratione sne ecclesie Halberstadensis, et episcopns Hildense-
mensis in termis 3 ) existens misit snos; sed archiepiscopns
Bremensis ratione sne ecclesie Yerdensis et episcopns .. .*)
neminem misernnt, qnod archiepiscopns Magnntinensis valde
egre tulit.
Florenz, Arch. di Stato, Carte. Cerviniane fase. 28 foL 100 a ,
gleichzeitige Abschrift.
8. Briefanszug ans Osnabrück: Werbungen. Annahme
des Interim and katholische Haltung im Westfälischen.
Wirren in Minden. Bremen und der Kaiser. 1549 Mai 26.
Ex literis de dat ex Osnabnrgis in Westphalia 26majil549.
Colliguntur in locis vicinis milites, presertim equites,
qni proficiscuntur versus Brabantiam, nbi lnstrabnntnr; dicitnr
qnod sint in favorem regis Angliae. dnbitatnr tarnen ne
sint in alinm usum.
Aliquot oppida vicina, presertim HervordiaetLemega 4 ),
acceptarunt illud Interim, nostri cives Osnaburgenses
obedinnt mandatis R mi domini nostri episcopi qnoad Ordi¬
nation em veteris religionis; qnidam antem morinntnr absqne
sacramento encharistie, quando illud sab ntraque specie
consequi non possnnt. si episcopns noster vellet consentire
tantnm qnoad commnnionem snb ntraque spetie juxta tenorem
Interim, Lntherani hic essent qnietiores; nam de matrimonio
ecclesia8ticornm hic non curatur.
Monasterienses tarn in civitate qnam tota diocesi vivunt
juxta antiquum ritnm catholice ecclesie; similiter in diocesi
Mindensi; sed in urbe Mindensi senatus nondum potest ple-
bem compescere. ideo R mns dominus noster episcopns coge-
tur armis agere contra eosdem. verum timende sunt civi-
tates vicine adhuc valde potentes, ideo episcopns noster
non potest absqne periculo solns rem aggredi. speramns
qnod Deus et tempns moderabuntur mnlta, presertim si
Bremensis civitas acceptaret Interim, ad qnam respicit civi-
tas Mindensis. existimatnr antem, nti mnssitatnr, qnod ante
festum nativitalis sancti Johannis Baptiste erit alia rerum
*) Moritz von Haften 1539—1552.
2 ) D. i.: thermis (im Bade).
*) Der größte Teil des Wortes ist durch einen Riß im Papier
zerstört.
4 ) Herford ond Lemgo.
6 ) Franz Graf von Waldeck 1532—1553, gleichzeitig auch Bischof
von Münster.
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facies; nam forsann Caesar aliquid stataet contra Bremenses,
qui tarnen cnpinnt gratiam Caesaris; sed pecuniam, quam
Caesar ab eis postnlat, non possnnt, etiam si vellent,
nnmerare, cum non sit in eornm potestate. existimant non-
nnlli quod Caesar ideo tarn magnam pecnniae snmmam ab
ipsis exigat, ne iacile oonsequantur ipsins gratiam ob longam
eornm inobedientiam.
Florenz, Arch. di Stato, * Carte Cerviniane filza 28 fol. 101»,
gleichzeitige Abschrift.
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Earlstadt in Tirol?
Von H. Böhmer.
Am 3. Oktober 1525 starb der Fürstbischof Sebastian
von Brixen. Das Kapitel ordnete sofort eine Neuwahl an.
Aber einer der Kapitelsherren, Ludwig von Emaushofen,
Pfarrer und Spitalsverwalter zu Clausen, erklärte am
10. Oktober, in einem an Franz Anton Sinnacher, Beiträge
zur Geschichte der bischöflichen Kirche Säben und Brixen
in Tirol 1830 Bd. 7 S. 246 f. aus dem Archiv des Brixen er
Hochstiftes mitgeteilten Briefe: er könne zu dem anberaumten
Termine (21. Oktober) nicht in Brixen erscheinen, weil ihm
durch die Knappen der Villander Erzgruben zurzeit so
viele Schwierigkeiten bereitet würden. ‘Concionatorem Carolo¬
st adium hominem nefandissimum variis locis et nuper ex
Lüsen pulsum in predicatorem quantumcumque mereluctante
acceperunt.’ Ist das wahr? Hat Karlstadt wirklich im
Herbst 1525 versucht, in dem abgelegenen Luisentale
nordöstlich vom Neustift sich festzusetzeu, und ist er wirklich
danach auch an dem 10. Oktober von den Villander Knappen
in Clausen zum Prediger gewählt worden? Johann von Kripp*)
und Loserth 2 ) haben diese Frage ohne weiteres bejaht, ja
Kripp scheint Karlstadt mit dem ungenannten Prädikanten
identifizieren zu wollen, der mit Michael Gaisimaier im
Juli 1525 nach Brixen kam und dort nach dem Bericht des
Domprobstes nichts als Aufruhr und Empörung, nach anderen
Berichten in und um Brixen auf den Dörfern, hierauf zu
x ) Ein Beitrag zur Geschichte der Wiedertäufer in Tirol,
Programm des Staatsgymnasiums in Insbruck 1857 S. 27.
*) Der Anabaptismus in Tirol, Archiv ftir Österreich. Gesch. 78
(1892) S. 447 f.
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Sterzmg und Meran „viel lutherischer und ketzerischer
Lehren“ gepredigt haben soll. Bargn sind diese An¬
gaben entgangen. Sonst hätte er sioher dazu Stellung
genommen. Holen wir dies nach, indem wir fragen, ist ein
Abstecher Karlstadts nach Tirol im Herbst 1525 wahr¬
scheinlich oder auch nur denkbar.
Am 12. Juni 1525 befand sich Karlstadt nachweislich
in Frankfurt am Main. Von hieraus schrieb er an Luther
den bekannten demütigen Entschuldigungsbrief mit der
dringenden Bitte, ihm bei dem Kurfürsten die Erlaubnis zur
Rückkehr nach Sachsen zu erwirken, vgl Enders Luthers
Briefwechsel m. 946, 5 S. 193. Zur selben Zeit schickte
er seine Frau nach Sachsen zurück. Am 26. Juni weilte
diese in 4er Nähe von Wittenberg — wohl in Segrehna bei
ihren Verwandten, vgl. Melanchthon an Camerarius C i. R 1,
S. 751.
Am 25. Juli faßte Karlstadt selbst seine „Erklärung“
auf, „wie Karlstat sein lere von dem hochwirdigen Sacrament
und andere achtet und geacht haben wil“, ygl. Bargn 2
S. 366 f. Vor dem 12. September war er schon in die Nähe
yon Wittenberg ttbergesiedelt, ygl. Enders m. 976, 5 S. 239,
Bargn 2 S. 580. Am 12. September verwandte sich Luther
für ihn bei dem Kurfürsten, ygl de Welte 3 S. 28 t Am
17. September antwortete der Kurfürst auf dies Bittgesuch,
Enders 979, 5 S. 241 ff. Am 9. Oktober, also einen Tag
vor dem Datum des Berichtes des Clausener Pfarrers, über¬
sandte Karlstadt von Segrehna aus dem Kurfürsten seinen
inzwischen in Wittenberg bei Grünenberg mit einer Vorrede
Luthers gedruckten Widerruf, ygl. Bargn 2 S. 581. Hieraus
ergibt sich zur Genüge: Karlstadt ist im Herbst 1525 sicher
nicht in Tirol gewesen. Aber wie konnte Ludwig von
Emaushofen dann so etwas behaupten? Vielleicht ist er
von den Villander Knappen mistifiziert worden oder was
mir noch wahrscheinlicher dünkt, Sinnacher hat den be¬
treffenden Passus in dem ihm anliegenden Buche, der in
seiner Wiedergabe auch sonst einen verdächtigen Eindruck
macht (concionatorem Carolostadium — in predicatorem
ucceperunt), falsch gelesen. Jedenfalls haben wir keinen
Anlaß, die sicheren chronologischen Angaben, die sich aus
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den ’ oben! angeführten * echten Urkunden ' über Karlstadts
• ^Reisegeschichte“ ergeben, zu bezweifeln.
Im Anschlüsse hieran noch zwei nebensächliche Be¬
merkungen zu Karlstadts Lebensgeschichte:
1. Im August 1526 schreibt Luther an Johann Brismann
nach Königsberg, Enders.5 S. 226 m. 969: ‘Scripsi äniea
de Martino Cellario et num latiur ad principem. Adelbertum,
simul de oeremoniis instituendis. Ideo brevissime nunc
tecum agö tot scribendis obrutus. Si Carlstadii Tel Zwinglii
venenura de sacramento ad tos pervenerit, rite, ut Tigiles.
Fuit homo miser apud me clauculo seryatus.. Nunc
totus Trbis ei angustus est: ita ubique petitur, ut ab hoste
cöactus sit petere praesidium. Tractavi hominem quantum
potuo humaniter atque juvi, sed sensu suo non cedit etiam
comictur, nt solet hoc genus spiritnm. Tu ergo' care eum
et dogma ejuo. Ego inveni omnia Tera esse in ipso, in hac
re praesertim.’ Das Original dieses Briefes ist leider ver¬
schollen. Es ist also möglich, daß der Text Schaden gelitten
hat, möglich aber auch, daß die große Eilfertigkeit, mit der
Luther geschrieben hat, die große Unklarheit erklärt, die
den zitierten Versen anhaftet. Der Passus Fuit homo
bezieht sich nach dem Zusammenhänge auf Zwingli. Die
Schlußsätze scheinen dagegen auf Cellarius zu gehen, der
im Juni schon in Königsberg angekommen war, vgl. ebd. S. 191
m. 944. Daß Luther Zwingli nicht gemeint haben kann, ist
klar. Aber auch Cellarius ist ausgeschlossen, wie Kawerau,
Kößlin-Cawerau 1 6 S. 795 Anm. 2, gezeigt hat Denn Cellarius
war Ton Württemberg oder der Schweiz Uber Österreich,
Polen, Danzig damals nach Königsberg gekommen. Es bleibt
also, trotzdem der Wortlaut diese Deutung eigentlich rer-
bietet, nichts anders übrig, als seine Angaben auf C.arlstadt
zu beziehen,
2. Nach einer mir handschriftlich vorliegenden Notiz
aus Beershemius, Ostfriesiches Predigerdenkmal, Aurich 1774,
S. 49, hätte Carlstadt 1529/30 nahe bei Marienhafn in Ost¬
friesland zeitweise ein Landgut besessen. Ob das wahr ist,
yermag ich nicht zu entscheiden.
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Georg Motschidler, ein neuentdeckter
Flugschriftenverfasser.
Von O. Clemen.
In der Zeitschrift für deutsche Philologie 37, S. 66—113
hat Alfred Götze unter dem Titel: „Urban Rhegius als
Satiriker“ auf Grund scharfsinniger sprachlicher Untei'-
suchungen folgende Flugschriften dem Augsburger Reformator
zugewiesen: Klag und Antwort von lutherischen und päpst-
ischen Pfaffen über die Regensburger Reformation (= Schade,
Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit III Nr. VII
= Panzer, Annalen Nr. 2438), Weggespräch geh Regensburg zu
ins Konzilium zwischen einem Bischof, Hurenwirt und
seinem Knecht Kunz (= Schade IH Nr. VIII = Panzer
Nr. 2941 und Weller, Repertorium typographicum Nr. 3677),
Gespräch zwischen einem Edelmann, Mönch und Kurtisan
Schade HI Nr. V = Weller Nr. 3372, andere Ausgabe
•Weller Nr. 3373 [Gymnasialbibliothek zu Hirschberg i. Schl.]),
Unterred des Papstes und seiner Kardinäle (= Schade IH
Nr. IV = Panzer Nr. 2937 [Dessau]), Gespräch zwischen
einem Barfüßermönch und einem Löffelmacher (= Weller
Nr. 1776 *), andere Ausgabe Weller Suppl. 1 Nr. 190 [Hirsch¬
berg i. Schl.]), Gedicht vom Almosen (Weller Nr. 1308 f.,
1313f. und S. 455; der von Götze benutzte Druck ist Weller
Nr. 1313). Ferner hat Götze die Deutung der Pseudonyme
Simon Hessus und Henricus Phoeniceus auf Urbanus Rhegius
und die Zuweisung des Dialogs zwischen Kunz und Fritz
an ihn bestätigt. In der Zeitschrift des Historischen Vereins
für Niedersachsen 1905, S. 74 f. erschien alsbald eine kurze
Besprechung der Götzeschen Abhandlung von K. M., in der
l ) Den hübschen Titelholzschnitt schreibt Röttinger Jörg Breu
zu. Vgl. Frankfurter Bücherfreund, Mitteilungen aus dem Antiquariate
von Joseph Bär & Go. .8. Jhrg. 1910 Nr. 4, S. 107 Nr. 8624; S. 110 ist
der Titel der Flugschrift reproduziert.
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gegen diese Zuweisungen leise Bedenken geäußert wurden.
Inbesondere machte der Rezensent darauf aufmerksam, daß
in den von Götze für Urban Rhegius in Anspruch genom¬
menen Flugschriften Schade III Nr. V und IV wiederholt
der Wahlspruch: „Es ist assun(n)“, einmal mit den hinzu-
gefugten Initialen „J. M. u , begegnet 1 ). Nun gebe es aus
späterer Zeit eine Schrift mit der ganz ähnlichen Unter¬
schrift: „Es ist assun. G. M.“; als Verfasser nenne sich der
Wittenberger Bttchsenmeister Georg Motschidler. Also werde
wohl auch in der Unterschrift des „Gesprächs zwischen
einem Edelmann, Mönch und Kurtisan“ J. M. der Verfasser
Jörg Motschidler stecken und dieser als der Verfasser des
„Gesprächs“ und der „Unterred“ anzunehmen sein.
Nach längerem Suchen fand ich die in Rede stehende
Schrift Georg Motschidlers, von der Gödeke, Grundriß II *
S. 282 Nr. 45,2 ein Göttinger Exemplar erwähnt, auf der
Zwickauer Ratsschulbibliothek, und zwar gleich in zwei
Exemplaren (XVII. XII. 1 1B und XXIV. VIII. 16 10 ): Eneas
Siluius: / darnach Bapst Pius Secun- / dus genand, Der gelerts
al- / 1er Bepst, sagt von Frawen gluck, Wie sie / manchen
vnuerdienten menschen, so/bald als den besten erhöhet,
jnn / Deutsch Reim gefast / durch / Georgen Motschidler. /. ..
16 ff. 4°. l b und 16 b weiß. 16“ unten: Es ist assun./G.M.
Die Vorrede ist datiert vom 19. April 1539 und überschrieben:
Dem Edlen vnd Vhesten, Curförstlicher durchleuchtigkeit zu
Sachsen Land vnd Oberzeugmeister, Friedrichen von der Grün 2 ),
J ) Am Schlüsse der „Vorred“ zur „Unterred“ heißt es (Schade
S. 75): „Verstehe mich recht, ob er gewttnn, Mein reim heißt: Es ist
assunn“, am Ende des „Beschluß“ zur Unterred (Schade S. 100):
„Darumb ist er ein seltsamer kun [= Kunde], Hie stehet mein reim,
heißt: Es ist assunn.“ Unter dem „Gespräch“ endlich steht (Schade
S. 111): „Es ist assun. J. M.“ Götze S. 74 möchte assun(n) mit dem
hebräischen äsä tun zusammenbringen und die Worte als Schlußformel
fassen = Es ist vollbracht. Oder ist etwa an As,. die Eins (unio) auf
Würfeln oder Spielkarten, zu denken?
2 ) Der Zeugmeister Fritz v. d. Grün erscheint noch 1546 beim
Wittenberger Festungsbau: G. Mentz, Johann Friedrich der Gro߬
mütige UI, Jena 1908, S. 156 Anm. 5. Ein Brief Luthers an ihn bei
Burkhardt, Luthers Briefwechsel S. 403; zur Datierung vgl. Preser-
ved Smith, The American Journal of Theology 14, p. 284, ders.,
The Life and Letters of Martin Luther, Boston and New York 1911, r.864.
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Wuudsch ich Georg Motsehidler Büchsemeister, Gottes goad
vnd Seligkeit. Es ist eine poetische Übersetzung des Somninm
de fortnna des Eneas Silvios Piccolomini (Brief an PrOkop
von Rabstein, Wien 26. Juni 1444) 1 ).
(Bei dieser Gelegenheit darf ich noch eine andere, aber
prosaische Übersetzung dieses für die Geschichte der Ver¬
breitung des Märchens vom Schlaraffenland 2 ) wichtigen
Somninm erwähnen: Vom Schlanraffen / Landl / Eyn vast
kurzweilige vnnd/lüstige Histori zu/ Lesen. / *|| Zu Wormbs
truckts Sebastia-/ nus Wagner. /12 ff. 4°. l b und 12 weiß.
ll b unten: Zu Wormbs truckts Sebastianus Wagner/Im
jar nach der gebürt Christi vnsers / Herren, M. D. xlj. / —
F. W. E. Roth, Die Buchdruckereien zu Worms am Rhein
im XVL Jahrhundert und ihre Erzeugnisse, Worms 1892, S. 39
kennt diesen Druck nicht. Dagegen hat ihn Gödeke H*
S. 282 Nr. 46 a nach einem Wolfenbtltteler Exemplar ver¬
zeichnet Ein zweites Exemplar in Zwickau: XXIV. VIII. 16 s .)
Wir haben von Motsehidler auch noch eine Versifiziernng
des Lutherschen Katechismus; es hat sich nur noch ein
defektes Exemplar in Dresden (Theol. ev. cat. 187. 8°) er¬
halten. Das Widmungsschreiben ist an den kurfürstlichen
Kämmerer Hans von Ponikau gerichtet und datiert: Witten¬
berg, 10. Mai 1639»).
Ob nnser Autor identisch ist mit dem 1587 in Reins¬
bronn in Württemberg verstorbenen Georg Motsehidler 4 ),
steht dahin.
J ) Rudolf Wolkan, Der Briefwechsel des Eneas Silvins Picco¬
lomini I. Abteilung: Briefe aus der Laienzeit (1401—1445), I. Band:
Privatbriefe, Wien 1909, S. 343 ff. Nr. 151.
*) Vgl. dazu die reichen Nachweise bei Joh. Bolte, Bilderbogen
des 16. und 17. Jahrhunderts, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde
in Berlin 1910, Heft 2, S. 187ff.
*) Weimarer Lutherausgabe 30*, S. 659, 726, 825; Reu, Quellen
zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche
Deutschlands zwischen 1530 und 1600, I. Teil, II. Bd., 1. Abteilung,
Gütersloh 1911, S. 472*.
4 ) M. Schlenker, Blätter für württembergische Kirchengeschichte.
N. F. 14, S. 139.
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Mitteilungen.
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Zur Vorgeschichte des Reichstags in Augs¬
burg 1530. Die Vorbereitungen, welche die Theologen in beiden
Lagern für den Reichstag in Augsburg trafen, kennen wir ziemlich
genau. Für die evangelische Seite kann jetzt auf das reichhaltige
Werk von Wilh. Gußmann, „Quellen und Forschungen zur Ge¬
schichte des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses“, Bd. I, 1 und 2,
Leipzig und Berlin 1911, verwesen werden. Hier sind bis jetzt un¬
bekannte theologische Gutachten in guter Anzahl mitgeteilt. Über
die Rüstung der katholischen Theologen unterrichtet am besten Joh.
Ficker in der Einleitung und den Beilagen zu seiner Schrift „Die
Konfutation des Augsburgischen Bekenntnisses“ (Leipzig 1891). Wie
eifrig aber schon im Februar gearbeitet wurde, um den Kaiser mit
jenen kräftigen Schriften wie Ecks 404 Artikel, den Monstra secta-
rum ex Luthero et Lutheranis enata etc. über den Protestantismus zu
orientieren, zeigt folgender Eintrag im Protokoll des Senats der Uni¬
versität Tübingen Fol. 22^:
Die sexto februarij (1530) . . . Eodem die mandatum regie
maiestatis, ut colligantur in unum omnes Lutheranorum errores,
commissum est facultati theologice (Acta senatus 1, 2, 1524—1545).
Das theologische Gutachten der Fakultät ist nicht erhalten, es ist
aber anzunehmen, daß es sich in Wien unter den Papieren Joh. Fabris
findet, da es höchstwahrscheinlich an die Regierung in Wien ein-
gesendet wurde. G. Bossert.
Neuerscheinungen.
Quellen. Von H. Lietzmanns „Kleinen Texten f. Vorles.
und Übungen“ (Bonn, Marcus und Weber) sind drei neue Stücke an¬
zuzeigen.
In Nr. 86 gibt 0. Clemen „Alte Einblattdrucke“ heraus,
die sich im Laufe der Jahre bei ihm aus allerlei entlegenen Stellen
zusammengefunden haben, eine recht reichhaltige Sammlung, die vom
Ende des 15. bis über die Mitte des 16. Jahrh. hinausreicht: Ablässe,
Bruderschaftsbrief, Volkslieder, kursächsische Mandate gegen das kirch¬
liche und sonstige Bettelwesen, Pasquille, Leipziger Vorlesungs- und
Bücheranzeigen, ein Leipziger Osterprogramm, zahlreiche Melanch-
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thon und einzelne P. Speratus nnd C. Brasch betreftende Stücke. 77 S.
M. 1.50. — Nr, 87. Der „Unterricht der Visitatoren an die
Pfarhern im Knrfürstentam za Sachsen“. Wittenberg 1528, hrsg. von
H. Lietzmann. 48 S. M. 1.—. — Nr. 88. Job. Bngenhagens
Braunschweiger Kirchenordnang 1528, hrsg. von dem näm¬
lichen. 152 S. M. 2.40.
P. Leonh. Lemmens O.F.M., Ans ungedruckten Franzis¬
kanerbriefen des 16. Jahrh. (Greving, Bef.-geschichtl. Stud. u. Texte 20.
Münster, Aschendorff 1911, X, 120 S., M. 3,30) ist eine Nebenfrucht
der in den norddeutschen Archiven und Bibi, angestellten Forsch, zur
Gesch. der S&chs. Franziskanerprovinz, und zwar handelt es sich um
die Ausbeute aus den Archiven von Zerbst und Dresden (Stadtarchiv).
Die Briefe werden zuerst in umfassenderem Bahmen besprochen, dann
mitgeteilt, und zwar die Zerbster (die hauptsächlich den Briefwechsel
der katholisch gebliebenen Fürstin Margarethe von Anhalt — über
die Clemen im 2. Ergz.-Bd. unseres „Archivs“ zu vgl. — entstammen)
in kurzen Begesten (da ihre Veröffentlichung anderswo erfolgen soll),
die Dresdener (vermischte Franziskanerkorresp.) im Wortlaut. Die sorg¬
fältige Arbeit gibt Über das Verhältnis des Franziskanerordens zur Bef.
und für die Schicksale zahlreicher Ordensleute in den Stürmen der
letzteren wertvolle Aufschlüsse.
Untersuchungen nnd Darstellungen. K. A. Meissin¬
ger, Luthers Exegese in der Frühzeit (Leipzig, Heinsius Nachf.
1911; VI, 86 S., M. 2.75). Das unter dem Einfluß Joh. Fickers in Stra߬
burg entstandene Schriftchen stellt einen Beitrag zu dem Thema: „Luther
und das Mittelalter“ dar. Es behandelt Luthers vor 1517 fallende
biblische Vorlesungen, die sich durch ihre Zusammensetzung aus
Glosse und Scholien von den späteren unterscheiden. Der Stoff ist
eingeteilt in „Luthers Verhältnis zur Vulgata“ nnd „zu den Urtexten“;
ein Anhang erörtert die Notwendigkeit, eine „Bibliothek Luthers“, d. h.
ein Verzeichnis aller von diesem benutzten Schriften zusammenzustellen,
und gibt selbst ein alphab. Verzeichnis der von L. in der Frühzeit ge¬
lesenen Exegeten.
P. Heidrich, Karl V. und die deutschen Protestanten
am Vorabend des Schmalkald. Krieges (I. Die Beichstage 1541—1548,
VT, 164 S.; II. Die Beichstage 1544—1546, 161 S.) — kommt zu dem
Ergebnis, dem Kaiser habe sich vom Begensburger Bt. von 1541 ab
infolge der unerwarteten Hartnäckigkeit der Protestanten, die ihm
dann auch auf den Btt. von 1542—1543 entgegengetreten sei, die
klare Erkenntnis der unbedingten Notwendigkeit des Krieges aufge¬
drängt, ohne daß damit zugleich die sofortige Ausführung des Kriegs¬
planes beschlossen gewesen sei. Dann aber habe der Sieg über den
Hg. von Cleve nicht nur die politische Situation zu Gunsten des Kaisers
verändert, sonderen letzterem auch die Augen über die politische Un¬
fähigkeit der Schmalkaldener geöffnet. So bringen die Beichstage von
1544—1546 nur die Ausführung seines Entschlusses, die eigentlich
schon 1545 erfolgen sollte; doch wird auf dem Wormser Kt. die Ent-
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Scheidung nochmals vertagt bis darauf endlich 1546 der Regensburger
Reichstag bis an die Schwelle des .Waffengangs führt. — Das Ergeb¬
nis ist, soweit es sich um die von Earl selbst in seinen Kommentarien
bezeugte Einwirkung des Clevistihen Krieges handelt, nicht neu; anderer¬
seits hätte diese Erklärung Kurls, wonach für ihn der Protestanten¬
krieg damals überhaupt erst möglich geworden ist, den Vf. warnen
sollen, von einem festen Entschluß zum Kriege bei Karl schon seit
1541 zu sprechen. Aber .selbst nach dem clevischen Feldzuge be¬
herrscht letzteren der Kriegsgedanke nicht in dem Grade, daß er
jede andere Kombination ausgeschlossen hätte; ich habe im Gegen¬
teil in der Einleitung zum 8. Rande der Nuntiaturberichte nachweisen
können, wie noch bis zur zwölften Stunde der Kaiser nicht unwider¬
ruflich zum Kriege entschlossen ist, sondern unausgesetzt nach Mög¬
lichkeiten Umschau hält, die ihn vielleicht noch sicherer ans Ziel
führen möchten. Dem gegenüber kann man nicht mit Heiderich sagen,
daß es seit 1541 mit der Friedenspolitik des Kaisers für immer vor¬
bei gewesen sei. Dazu berechtigen auch die neuen Aufschlüsse nicht,
die H. besonders ans dem reichen Brüsseler Archiv beibringt und die
im übrigen unsere Kenntnis der Geschichte jener bedeutsamen Jahre
in erfreulicher Weise bereichern. — Küntzel, Frankfurter historische
Forschungen, Heft 5 und 6. Frankf., J. Baer & Co 1911, 1912, h M. 5.—.
Der Verein f. RG. beginnt eine neue Serie von Veröffentlichungen
(unter dem Titel: Studien zur Kultur u. Gesch. der Ref.) in glück¬
lichster Weise durch eine Gesch. der Ref. in Polen von
Th. Wotschke. Selten ist wohl ein Autor so trefElich gerüstet an
seinen Stoff herangetreten wie W., der in mehr als 50 Einzelunter¬
suchungen (das Verzeichnis s. S. X f.) das ganze Gebiet der poln. RG.
durchforscht hat, das er nun einheitlich zusammenfaßt. Er zeigt kurz
die allgemeine Lage der Dinge in Polen, um dann das erste Ein¬
dringen und allmähliche Erstarken der Ref. in den verschiedenen
Teilen der Monarchie (unter Berücksichtigung auch Litauens sowie
der böhmischen Brüder) zu schildern. Epoche macht der Tod des
Königs Sigismund I. (1548); der Nachfolger, Sigismund August, er¬
zeigt sich der Ref. freundlicher und diese tritt mehr und mehr in den
Vordergrund und schickt sich an, den endgültigen Sieg zu erringen,
als der Ausbruch innerer, dogmatischer Streitigkeiten die Macht der
Evangelischen schwächt und den Anhängern Roms die Möglichkeit
gibt, den Kampf mit Erfolg wieder aufzunehmen. Immerhin behauptet
bis in die 70 er Jahre (bis wohin W. seine Darstellung führt) der
Protestantismus eine achtunggebietende Stellung; noch 1570 faßt er
seine Kräfte in der Union von Sandomir zusammen und diese erlangt
bei der nächsten Thronerledigung unter geschickter Benutzung der
Umstände in der Warschauer Konfoederation von 1573 die rechtliche
Grundlage ihrer Bekenntnisfreiheit, die freilich den Protestantismus in
Polen nur so lange schützte als er selbst sich zu schützen im Stande
war. Verhängnisvoll ist es für den Prot, in Polen geworden, daß seine
Bekennerschaft auf Bürger und Adel beschränkt blieb; in die Bauern-
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schalt ist er nicht eingedrungen. Gleichwohl bildet die Reformations-
zeit politisch wie literarisch den Höhepunkt der polnischen Geschichte;
an dem Rückfall zur römischen Kirche ist Polen zugrunde gegangen.
— Leipzig, Haupt, 1911. XII, 316 S.
Aus einer Preisfrage von Teylers Godgeleerd Genootschap her-
vorgegangen ist die gekrönte Schrift Geschicdenis van het Luthe-
ranisme in de Nederlanden tot 1618 von dem besten Kenner
dieser Materie I. W. Pont, eine sehr sorgfältige und ergebnisreiche
Arbeit. Das Luthertum spielt ja nur eine bescheidene'Rolle in den
Niederlanden; immerhin zeigt Pont seine Verbreitung über die meisten
Provinzen. Den örtlichen Mittelpunkt bildet zuerst Antwerpen, später
Amsterdam. Deutscher Einfluß macht sich nicht nur bei der Begrün¬
dung luth. Gemeinden in den Ndl., sondern auch später fortdauernd
geltend. In die angrenzenden deutschen Gebiete flüchten die Lutheraner
Antwerpens beim Kommen Albas und organisieren sich dort in „Haus¬
kirchen“, die sie später in ihre Heimat zurückzubringen sich bestreben.
Zu Anfang des 17. Jh. findet eine festere Verbindung der einzelnen
Gemeinden zu einer „Synode“ statt. Sehr instruktiv ist der Abschnitt
über die — durchweg aus Deutschland bezogenen — lutherischen
Schriften und Lieder (S. 257ff.; vgl. den Exkurs S. 589ff. über die
luth. Gesangbücher). Die Schrift bildet den 17. Teil der Neuen Serie
der „Verhandelingen rakende den Natuurlijken en geopenbaarden
godsdienst“, uitg. door Teylers Godgeleerd Genootschap“. Haarlem,
Erven F. Bohn 1911. XVI, 632 S.
Unter dem Titel Protestantismus und Toleranz im
16. Jahrh. (Freib. Herder 1911; VI, 374 S., M. 5.40) stellt N. Paulus
25 von ihm an verschiedenen Orten veröffentlichte Einzelunter¬
suchungen zusammen, die alle das Gemeinsame haben, daß sie die
Reformatoren möglichst intolerant zeigen. Die Art Paulus', seinen
Stoff mit großem Spürsinn zusammenzutragen, ebenso aber auch dessen
tendenziöse Gruppierung und einseitige Verwertung, ist bekannt. Wie
wenig sich diese Eigenschaften hier verleugnen, hat eingehend und
schlagend G. Bossert (in ThLZ. 1912 m. 5) erwiesen. Um so weniger
wird man die Schlußfolgerungen des Vf., der bewiesen zu haben glaubt,
daß der Protestantismus nicht der Vater der Toleranz sein könne, un¬
besehen hinnehmen wollen. Und wer sähe.nicht, daß für das Auf¬
kommen religiöser Toleranz die Wegräumung des ungeheuren Geistes¬
drucks der allbeherrschenden Papstkirche, dem das ganze Mittelalter
unterlag, die unerläßlichste, entscheidendste Vorbedingung war!
Diese befreiende Tat aber haben Luther und seine Mitstreiter vollbracht,
und wenn die Toleranz im heutigen Sinne noch nicht ihre Sache sein
konnte (wo wäre übrigens je ein großer Neuerer tolerant gewesen?), so
haben doch schon die Zeitgenossen der Reformation die Früchte einer
bis dahin ganz unerhörten Freiheit — der Freiheit, in kirchlich-religiösen
Dingen der Stimme ihres Gewissens weithin zu folgen — genossen.
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Bibliographie 1 )*
(Bei der Redaktion eingegangene Bücher.)
Barge, H, Aktenstücke zur Wittenberger Bewegung. Leipzig, Hin-
richs 1912. VI, 52 S. M 1,50.
Braunsberger, 0., 8. J., Pius V. und die deutschen Katholiken, teil¬
weise nach ungedruckten Quellen. Freiburg, Herder 1912. VIII,
122 8. M 2,40.
Dürrwächter, A., Jakob Gretzer und seine Dramen. Ein Beitrag
zur Gesch*. des Jesuitendramas in Deutschland. VIII, 216 8. M 5,40.
Eder, G., Die Reform Vorschläge Kaiser Ferdinands I. auf dem Konzil
von Trient I. Münster, Aschendorff 1911. XII, 259 S. M 6,80.
Hecker, 0. A., Religion und Politik in den letzten Lebensjahren
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Keller, A., Die Wiedereinsetzung des Hzs. Ulrich von Württemberg
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Lang, A., Die Domkirche und die Domgemeinde zu Halle a. S. Mit
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Lauchert, F., Die italienischen literarischen Gegner Luthers. Freib.,
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Luthers Werke in Auswahl. Unter Mitwirk, von A. Leitzmann,
hrsg. von 0. Clemen. Erster Band. Bonn, Marcus & Meyer 1912
IV, 512 8. geh. M 5,-.
Mentz, G., Handschriften der Reformationszeit. Bonn, Marcus &
Meyer 1912. VIII, 50 Tafeln u. 38 S. Text. fol.
Müller, A. V., Luthers theologische Quellen. Seine Verteidigung
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M 5,—.
Schieß, Tr., Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer
1509—1567, in Verb, mit dem Zwingliverein in Zürich, hrsg. von
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1912. XX, 936 8. M 30,—.
Schriften der V. f. Ref.-Gesch. Jahrg. 29, St 2/3 (Nr. 106/07):
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von Schwendi. Leipzig, Haupt 1912. 166 S. M 2,40.
v. Schubert, H., Die Vorgeschichte der Berufung Luthers auf den
Reichstag zu Worms (SB. d. Heidelb. Ak. W. Phil.-hist. Kl.
1912, VI). Heidelb., Winter 1912. 29 S.
Staub, P. Ignaz, Dr. Johann Fabri. Generalvikar von Konstanz
(1518—1523) bis zum offenen Kampf gegen M. Luther (Beil, zum
Jahresb. der Stiftsschule Einsiedeln 1910/11.) Benziger, Einsiedeln
1911. 187 S.
*) Vgl. Jahrg. VIII S. 339 f. (nebst Anmerkung).
Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Gräfenhainichen.
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ARCHIV-
FÜR
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.
In Verbindung
mit dem Verein für Reformationsgeschichte
herausgegeben von
D. Walter Friedensburg.
Nr. 36.
9. Jahrgang. Heft 4.
OQO
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1912 .
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Wilhelm Posteil.
Seine Geistesart und seine Reform-
gedanken 1
J. Kvacala.
Beiträge zur Reformationsgeschichte aus
Drucken und Handschriften der Universi¬
tätsbibliothek in Jena 11
B. Willkomm.
Der Reformationsversuch des
Gabriel Didymus in Eilenburg und seine
Folgen 1522-1525 I
von
K. Pallas.
Mitteilungen
(Zeitschriftenschau. — Neuerscheinungen).
oQo
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1912 .
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Wilhelm Postell.
Seine Geistesart und seine Reformgedanken.
Von J. Kvaöala.
I.
Schon bevor Bossert aal Postell die Aalmerksamkeit der
Theologen gelenkt 1 ), hatte ich, älteren Winken folgend, dessen
bedeutsame Stellung in der Geschichte der Wandlung des
religiösen Denkens seit der Reformationszeit zu beleuchten
versucht 8 ). Weitere Studien, gerichtet auf die Erforschung
der persönlichen und sachlichen Bedingungen dieser Stellung¬
nahme P.s, ergaben, wenn anch nicht mit voller Deutlichkeit,
einen Zusammenhang zwischen seinen naturalistischen und
seinen apokalyptisch-chiliastischen Neigungen, was nicht über¬
rascht. Mystik und Naturalismus schließen ja auch sonst in
der Geistesgeschichte häufig einen Bund. Außer dem, was sie
einzeln bedeuten und bewirken, beansprucht zuweilen auch
die Art der Verbindung der Beiden im persönlichen oder im
gemeinschaftlichen Leben die Aufmerksamkeit des Forschers.
Eine Geisteskraft, die scharfe Gegensätze zu einer Einheit
ausgliche und so zu dauernden Schöpfungen befähigte, finden
wir bei Postell nicht vor. Obwohl er auch in der Philo¬
sophie bewandert war und mehrere Werke systematischen
Charakters abgefaßt hat, zeigen sich Zerrissenheit und Wider-
*) Theol. Literaturzeitung' 1907, S. 209.
*) Vgl. mein Buch: Th. Campanella, ein Reformer der ansgehenden
Renaissance, Berlin 1908, S. 78—87. Da mir eine deutsche Re¬
zension, die wenigstens über den Inhalt des Baches orientierte, nicht
bekannt geworden ist, so verweise ich auf F. Toccos Abhandlung:
„Le pnbblicazioni del professor Kvaöala sul Campanella“ (in der Rendi-
condi der Akademie der Lyncei in Rom XVIII, 12, anch als besonderes
Heft) Roma 1910.
Archiv für Reformationageachichte. IX. 4. 19
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Sprüche sogar in seinen fließend geschriebenen Schriften. Darum
hat ihn auch sein Anhang nicht überlebt.
Wodurch er auf dem Höhepunkt seines Lebens gefesselt
hat, das war die Fülle neuer und edler Gedanken, die, gegen
die Scholastik gerichtet, zuweilen, wenn sie aus orientalischen
Quellen stammen, allzu bizarr anmuten, die aber von ihm mit
reichem Wissen begründet, ohne Scheu vor Gefahr und Mühe,
dabei mit einem Enthusiasmus, der vermutlich in einer krank¬
haften Veranlagung seine tiefste Quelle hatte, unentwegt ver¬
bündet wurden. Indem er mit den meisten bedeutenden Per¬
sonen einer großen bewegten Zeit in Berührung kommt, zeigt er
uns ein Doppelbild: einerseits prophetische Weihe in Ver¬
kündigung erhabener Ideen, andererseits erscheint er infolge
Mangels an Konzentration und infolge der Nichtbeachtung
der Welt wie ein törichter Sonderling. Aber dies Doppel¬
bild zeigt sich als einer kühnen, von Freiheitsdrang¬
erfüllten Individualität gehörend, die prinzipiell nicht gegen
die Autorität gerichtet, sich dieser auf die Dauer doch nicht
zu fügen weiß. Während sich so in seinen Schriften und
in seinem Benehmen eine Lösung des inneren Widerspruchs
nicht bietet, tritt er beständig als Prediger des Friedens und
der Toleranz auf.
Die folgenden Zeilen sollen, dieser Sachlage entsprechend,
zunächst ein Verständnis der Person P.s anstreben, dann aber
diejenigen seiner Schriften und Lehren besprechen, die auf
den mannigfaltigsten Gebieten des menschlichen Lebens und
Wissens (die Sprachwissenschaft muß leider unberücksichtigt
bleiben) für Reformen eintreten. Von einem System kann
dabei, auch wenn wir die abenteuerlichsten Gedanken nur
flüchtig streifen, nicht die Rede sein. Auf eine minuziöse
Verzeichnung, geschweige denn Ausmalung der biographi¬
schen Details, und auf literärhistorische Vollständigkeit und
Genauigkeit hat es diese Arbeit, wie schon die Aufschrift
zeigt, nicht abgesehen. Eine solche ist einstweilen bei der
Beschaffenheit seines Nachlasses nicht zu erreichen. Es ist
fraglich, ob und wo das Bedürfnis nach einer erschöpfenden
Biographie Postells entsteht, auch wenn eine eingehende
Kritik der bisherigen Bibliographien seiner Werke dazu die
Grundlage geschaffen haben wird. Für unsere Zwecke gibt
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es an verläßlichem Material genug und zu dem bisher be¬
kannten habe ich manches Nene hinzugeführt.
Als erste Quelle sind Postells Werke zn betrachten, von
denen aber auch die gedruckten größten Teils sehr selten sind;
von den zahlreichen, früher handschriftlich vorhandenen Ar¬
beiten ist heute kanm mehr als die Hälfte nachweisbar. —
Außer den Aufzeichnungen und Berichten zu
unserem Thema aus dem XVI. und XVII. Jahrhundert, besitzen
wir eingehendere theologische, bzw. kirchenge¬
schichtliche Würdigungen aus dem XVIII. Jahr¬
hundert von Ittig 1 ), Buddeus 2 ), Gottfried Arnold.
^-ChaufepiA 8 ) hat durch die Publikation der Briefe Postells
an Masius, Mosheim durch die Herausgabe der Apologie
für Servet, Des-Billons durch den Versuch einer wissen¬
schaftlichen Bibliographie wenigstens der gedruckten Werke
Postells die Forschung vorwärts gebracht (1773) 4 ). Wo diese
Bibliographie ausreicht, verweise ich hiermit, um Kaum zu
sparen, auf ihre größtenteils genauen Angaben, wie wohl auch
Des-Billons Buch heute schon zu den selteneren gehört.
Adelung hat in seiner „Gesch. d. menschl. Narrheit“
aueh Posteil nicht vergessen. Wie schief auch sein Stand¬
punkt ist, so ist seine Skizze, vielfach auf Des-Billon ruhend,
im ganzen verläßlich, und er hat uns aus den von ihm per¬
sönlich durchgemusterten seltenen Schriften Postells auch
manche Einzelheit von Wert aufbewahrt (1787). Während
dieser im Laufe des XIX. Jahrhunderts weniger beachtet wurde,
hat an dessen Neige in Frankreich G. W e i 11 sowohl den
Lebensumständen als auch den Meinungen Postells umfang¬
reiche und eingehende Studien gewidmet, das Althergebrachte
*) Eigentlich ist es eine Dissertation von Petzsch, die den Titel
trägt: Exercitatio ... de G. Postello. Lipsiae 1704, aber Ittig hat sie
auch in seine Opuscula, Lipsiae 1714 aufgenommen.
®) Ihm sind zuzuschreiben die Observationes selectae, Halae 1700,
u. ff. Für uns kommt besonders T. I in Betracht.
*) Nouveau dictionnaire historique et critique (Ergänzung, zu
Bayle) Bd. III. Artik. Postell. Amsterdam und La Haye 1758.
4 ) Nouveaux 6claircissements sur la vie et les ouvrages de
Gnillaume Postell. LiSge 1771.
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mit Scharfsinn kritisch geprüft und manches nene festgestellt 1 ).
Leider befriedigt das, was er von seinen Ergebnissen bietet
and wie er es tat, das wahrhaft historische Interesse nicht
in dem Maaße, wie es von Seiten des so gat orientierten
Verfassers hätte geschehen können, and wie es der Leser
wünschte. Nach ihm hat Picot in seinem Werke: „Les
frangais italianisants“ Paris 1905, Bd. 1 eine kurze, aber
im Ganzen verläßliche, besonders Weills Forschungen aas¬
beatende, Skizze geboten, die aber leider eben die für sein
Thema interessanten Beziehungen Postells za der venezia¬
nischen Jangfraa sehr flüchtig erledigt. Für diesen Mangel
entschädigt das Verzeichnis der Kapitel aas dem für des
Verfassers Aufgabe hauptsächlich in Betracht kommenden
Bache Postells nar in sehr bescheidenem Maße. — Za dem
von Weill verwerteten Material ist seitdem neues hinzuge¬
kommen. Über P.s Beziehungen za dem nea entstehenden
Jesuitenorden brachten die Monumenta Societatis
Jesu, und der Briefwechsel des Canisias and
Uber seine Anknüpfungen an das Tridentinam — die Mit¬
teilungen JosefSchweizers 9 ) neae dankenswerte Einzel¬
heiten. Erstere sind bereits, allerdings etwas knapp, letztere
noch nicht aasgebeutet in Fouquerays Buch: „Histoire
-de la Compagnie de Jösus en France, I. Paris 1910.
Ich habe zu dem schon so oft gewürdigten and heraas¬
gegebenen Brief Postells an Schwenkfeld einen zweiten ge¬
funden, die Mosheimsche Datierung der Apologie für Servet
korrigiert, eine irenische Schrift Postells an Melanchthon (schon
früher) in Wien and eine bisher anbekannte, bedeutsame
Handschrift in Berlin vorgefanden and habe so besonders
den dramatischen Abschluß der Pariser messianischen Ver¬
kündigung als aach den der Wiener Professur eingehender
schildern können. Natürlich habe ich auch die schon von
anderen, so auch von Weill ausgebeateten Pariser Hand¬
schriften and die venezianischen Inqaisitionsakten berücksichtigt
*) De G. Postelli vita et indole (Thäse an die facultas literaram)
Paris 1892. Bei Weill sind die genauen Titel der hier nnr kurz ge¬
nannten Schriften (S. 5—11) zusammengestellt. — Diejenigen, deren
Titel ich hier ausführlich wiedergegeben habe, zitiere ich einfach mit
dem Namen des Verfassers. P. bedeutet stets Posteil selbst.
*) Röm. Quartalschrift 1910, Heft 4.
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Ich hoffe im folgenden zn zeigen, daß der neben bahn¬
brechenden neuen anch recht sonderbare Lehren verkündende
Mann, den die neueste allgemein bekannte Geschichte Frank¬
reichs *) als Denker und Unabhängigen in der Reihe der
hervorragendsten Franzosen des XVI. Jahrhunderts nennt und
bespricht, auch außerhalb der Grenzen seines Vaterlandes
Aufmerksamkeit und Würdigung verdient, schon deshalb, weil
er und sein Werk das Gesamtbild der Reformationszeit durch
manches interessante, ja überraschende, Detail bereichert
I.
Humanistisch-naturalitische Anfänge nnd Beschäftigung
mit Kabbala. Ironische Apologetik im Interesse der
Mission.
Über Postells Bildungsgang haben wir fast gar keine
Nachrichten; wir erfahren nur, daß er äußerlich in Not lebend
großen Wissenseifer und Raschheit im Auffassen nnd Be¬
halten des Lehrstoffes, besonders fremder Sprachen bekundet
hat 2 ). Die fruchtbare Zeit, wo Frankreich, von allen Seiten
neuen Anregungen ausgesetzt, allmählich zur selbständigen
Mitarbeit an den so gewaltigen Aufgaben der Erneuerung der
menschlichen Bildung überzugehen begann, mußte auch den
Geist des so begabten und eifrigen Zöglings vielfach anregen.
Wir wissen darüber nur dürftige Einzelheiten.
Von Italien aus hatte der Humanismus auch direkt Ein¬
gang nach Frankreich gefunden, er fand im Ferneren Stütze
an den Verbindungen, die seine bedeutenden französischen
Vertreter, Bude und Lefövre, mit dem zwischen Italien und
England herumziehenden Erasmus eingegangen waren. Be¬
deutende Spanier brachten, teils vor, teils mit der Renais¬
sance, neue Motive in die Erörterung der alle erfüllenden
Wissens- und Lebensfragen. Dazu kam bald die Nachricht
von Luthers Taten, dann seine Schriften selbst.
J ) Vgl. den von Lemonnier verfaßten Band über die I. Hälfte
des XVL Jahrhunderts in E. Lavisses bekanntem Sammelwerke.
*) Nach de Thou’s Mannskript Marier S. 559. — Ausführlicher
schildert die Jugendjahre Weill a. a. 0. S. 12—15.
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Bekanntlich hatten diese in den offiziell leitenden theo¬
logischen Kreisen Frankreichs, in der Sorbonne, ebenso
erbitterte Gegner gefunden, wie etwas früher Reuchlins
Intervention zugunsten der jüdischen literarischen Tradition.
Aber der neue Geist regte sich allenthalben, und die Freunde
der Reform fanden, wie allgemein bekannt, zeitweise Anklang
auch in den vornehmsten Kreisen.
Das Meiste hing ja aueh hier vom Herrscher ab, der
seine Stellung zu der im Nachbarreiche immer mächtiger
werdenden Reformation nach seinen Bedürfnissen änderte,
anfänglich aber, in Gemeinschaft mit seiner Schwester, die
freier sich bewegenden Geister bevorzugte und schützte; ja
gar daran dachte, für sie auch eine von der Sorbonne ab¬
weichend organisierte Arbeitsstätte in einem neuen Kolleg
zu schaffen. Es scheint, daß Posteil, obwohl mit der Haltung
der Sorbonne, im Ganzen nicht einverstanden, schon am
Ende seiner Studienzeit eine Schrift gegen die Reformation
veröffentlichen wollte. Schon war es in Deutschland zwischen
den beiden reformatorischen Richtungen zu einem Kampf
Uber das Abendmahl gekommen, und von Wittenberg aus
hat Luther außer anderen auch gegen Bucer geschrieben 1 ).
Posteil war auf Luthers Seite, aber dessen Schrift genügte
dem jungen Franzosen nicht. Sie schien wohl „ex animo“
gekommen zu sein, aber so kühl, daß man meinte, Luther
spiele eher, als daß er kämpfte 2 ). Da machte sich Postell
selbst ans Werk, und sammelte aus den ältesten Doktoren
der Kirche Zeugnisse gegen die in der Abendsmahlslehre
zum Vorschein kommende Gottlosigkeit, die infolge der
Wirksamkeit von Bucer, Oecolampadius und Zwingli in
Deutschland bereits weit verbreitet war. — Doch hatte schon
seine erste Arbeit kein Glück.
Einige Jahre früher hatte die theologische Fakultät in
Paris von dem König die Befugnis erlangt, die theologischen
*) Vermutlich handelte es sich bei dem uns nicht genau be¬
schriebenen Anlaß um Luthers Brief an den Verleger der Bucerschen
Übersetzung seiner Postille, der Brief ist Anfangs 1527 aus einer
Hagenaner Presse aus Licht getreten. Vgl. Köstlin-Kawerau, M. Luther,
V. Aufl. S. 82.
2 ) Vgl. Postell, Alcorani et Evangelistarum concordia, Vorrede:
S. 10: „ita frigide ut ludere quam refutare potius diceres“.
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Schriften auf ihre Druekfähigkeit hin za prüfen. Eingedenk
dessen, hatte sich. Posteli an ein angesehenes Glied der
Fakultät am Unterstützung beim Draek seiner Arbeit ge¬
wandt. Aber infolge verschiedener Umstände gewann sein
Gegner Vinet Oberhand. Die Gegnerschaft stammte von
einer theologischen Auseinandersetzung her, bei der Vinet
behauptete, niemand sei ein gelehrter Theologe, der nicht in
den Scholastikern tüchtig bewandert sei; in deren Reihe
zählte er aber zu Postells größtem Arger auch Ambrosius,
Bilarius, Hieronymus, Augustinus auf. Nie hatte Posteli ge¬
kört, daß man diese zu den Scholastikern zähle, er fand
vielmehr, daß diese den „sinuosis sophismatibus“ „alienissimi“
seien. Darauf suchte Vinet seinen Gegner zu überschreien;
Posteli bemerkte, es sei Gewohnheit der Sophisten zu glauben,
daß ihnen alles erlaubt sei, und statt der Gründe Lärm,
statt des Urteils Autorität anzuwenden. Auf Vinets Eintreten
hin hat die Fakultät Posteli nicht nur die „venia“ ver¬
weigert 1 ), sondern ihm auch das Werk konfisziert. Später
hat sich — so berichtet Posteli — das Werk ein anderer
angeeignet.
Aus dieser Darstellung läßt sich folgern, daß P. in
seinen ersten Jahren für eine humanistische Reform einge¬
treten ist. Wie im Kampf mit Vinet, ßo zeigt er sich auch
in den folgenden Schriften, die wir zu betrachten haben
werden, zunächst als einen Gegner der scholastischen Methode.
Aber auch das Thema der von der Sorbonne abgewiesenen
Schrift ist nicht aus den Augen zu verlieren. Es war eben
die katholische Abendmahlslehre, deren Sache er kaum
zwanzig Jahre alt gegen Bucer und wohl auch gegen die
Schweizer 2 ) geführt hat. Wir werden sehen, daß er das
eucharistische Geheimnis bis zu seinem Lebensende besonders
verehrte.
An der Pariser Universität studierte und gelangte ein
anderer Jüngling, mit Posteli von gleichem Alter, bald zu
Einfluß, der später für Bucers Theologie und die von ihm
l ) „non tantum som exclnsus“ S. 11.
*) Wenn er schreibt, Luther sei in seiner Schrift gegen seine
■Gegner nicht scharf genug gewesen, so läßt er uns vermuten, daß er
nicht alle Streitschriften Luthers in dieser Frage gelesen hat.
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vertretene Sache große Taten vollftthren sollte. Wir meinen
Postells nachmaligen Gegner, Calvin. Wie sich in den durch
Cops Rektoratsrede geweckten Kampfe Posteil verhalten hat,
darüber erfahren wir nichts. Aber für theologische Fragen
bewahrte er ein reges Interesse. Schon früh hat er sich
die Aufgabe gestellt, den christlichen Glauben zu rechtfertigen,
ja verständlich za machen 1 ). Gaben hiefür Apologien des
Christentums seit jeher Stoff genug, so ist es wohl zu merken,
daß es nachPostells noch später festgehaltener Ansicht besonders
Raymund von Sabieude ist, „ce grand et admirable Medecin de
l’ame“, der in seiner „Theologie naturelle“ dem christlichen
Glauben zum Siege verholten, besonders in deren erstem Buch
„über die Eintracht der Welt“ 8 ). — Raymund erreichte das Ziel
in dem genannten Werke durch eine Beobachtung der äußeren
Welt und deren Vergleich mit dem Menschen: er gelangte
so zu der Gewißheit von Gott, der uns die Herrschaft über
die Welt verliehen. Deshalb unsere Pflicht dem einzig Höheren
ans in Anschauung und Liebe zu ergeben. Diese Liebe
schafft eine fraternitas mit der ganzen Welt, (man denke an
Franciscus!), insbesondere aber auch unter den Menschen
(CXXV). Denn jeder Mensch ist verpflichtet einen jeden
Menschen zu lieben — eine Folge davon der Spruch, der
die von Postell angewandte Benennung des ersten Buches 8 )
*) Vgl. P.s Widmung seiner Kosmographie an Ferdinand I. (neu
abgedruckt von mir in den Dokumenten zu dieser Abhandlung).
*) Vgl. P.s Retractations (Ms. fran<j. der Bibi. Nationale 3400,
enthaltend in 6 Kapiteln Abwehr mannigfaltiger gegen den Verfasser
gerichteten Verleumdungen und Erörterungen über die baldige 1585
zu erwartende Widerkehr Christi:), Chap. I.: „— et pour dire en-un-
mot toutes les scolastiques sans y penser ont rendu la dicte Raison,
et dernierement ce grand et admirable Medecin de l’ame Raymond de
Sebunde en sa Theologie naturelle la rendue apres touts les quelles
ie me suis eforc6 dedans des quatre Liures et principellement au Pre¬
mier de la Concorde du monde.“
*) In den mir bekannten Exemplaren des Liber creaturaram o.
Theologia naturalis fehlt eine Einteilung in Bücher; Zöckler gibt in
seiner Geschichte der christl. Apologetik (Gütersloh 1907, S. 228) als
zum I. Buch gehörend die Abschnitte 1—205 an. Ob dies den im
Postellschen Satz gemeinten I. Buch entspricht, kann ich nicht
beurteilen, da Zöckler über die Grundlage jener seiner Einteilung
nichts sagt.
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der „Theologie naturelle“ rechtfertigt: „unitas jure natnrae
inter homines esse debet“ (Cap. CXXVII1), wobei die Be¬
grün dang der Einheit Jure natnrae“ besondere Beachtung
verdient, wie ja P. auch an einer anderen späteren Stelle
Haß und Zwiespalt als unnatürlich, „contra totum natnrae
ordinem“ bezeichnet (CXXIX).
Wahrscheinlich soweit die Grundgedanken Raymunds,
die auf Postell, nach seinen eigenen Worten zu urteilen, solchen
Eindruck geübt haben. Über die übrigen Teile der „natür¬
lichen Theologie“ mögen hier einige Worte genügen. Die
Verehrung Gottes fordert nach Raymond, daß man seinen*
Sohn, den Einzigen, der sich als Gott bekannt hat, verehre,
— daraus folgt auch die Autorität der Heiligen Schrift, die
die Natur zur Voraussetzung hat und dem Menschen eben¬
so übergeordnet ist, wie sie selbst unter der Natur steht.-
Fügt sich die tatsächliche Natur des Menschen in diese
Harmonie nicht leicht ein, so zeigt dies nur, daß sie nicht
mehr rein und unversehrt ist. — Wie gekünstelt aber manche
Sätze und Folgerungen auch sind, so bleibt doch das Schlu߬
resultat Raymunds: die Theologie hat an der Hand der Natur
zu gehen und auch die christliche Theologie siegt nur unter
ihrer Führung.
Schon vor Postell und noch mehr in der Folgezeit haben
Sabieudes Deduktionen manche, u. zw. den mannigfaltigsten-
Richtungen angehörende Denker ergriffen und er hat sowohl
im Ganzen als auch in Einzelheiten zur Quelle oder wenigstens
als Stütze vielen gedient.
Ein anderer früherer Raymundus (Lullus) hatte gerade
im Interesse der Mohammedanermission seine, lange Zeit hin¬
durch so einflußreichen, mannigfaltigen, auch philosophischen
Schriften abgefaßt. Ein für diesen Gedanken nicht weniger
interessierter Spanier, der bald im Norden zu Ansehen und
Berufstätigkeit gelangte, hat mit den gut christlichen Huma¬
nisten des Nordens Freundschaft geschlossen und hatte ge¬
rade auch in Paris Beziehungen und Einfluß. Ist Vives
und sein vielseitiges, edles Streben, seine neuen Geist atmende
Gelehrsamkeit nebst seinen hohe Begabung bekundenden-
Büchern dem jungen Postell bekannt geworden? Etwa schon in.
der ersten Hälfte der dreißiger Jahre? Dies ist als sehr mög-
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lieh, ja wahrscheinlich za bezeichnen, und vielleicht haben
Vives’ in den Jahren 1532—33 erschienenen Schriften „de
concordia et discordia“ und „de pacifieatione“ Postells ver¬
wandte Gesinnung genährt und gestärkt. Ebenso selbst¬
verständlich ist anzunehmen, daß Vives die theologie naturelle
Kaymunds gekannt hat 1 ). Jedenfalls reizt die geistige Ver¬
wandtschaft beider zu einem Vergleich. — Auch Vives
hatte gegen die Türken den christlichen Westen zur Eintracht
aufgefordert und den Versuch gemacht, des Christentums
Wahrheit im Gegensatz zu anderen Religionen zu erweisen.
Auch ihm galt als Quelle die gesamte Natur, dann besonders
die menschliche und dann Jesus Christus. Zur Natur gehört
auch die Vernunft als Geschenk Gottes, sie kann also der
Wahrheit nicht widersprechen, somit ist auch die Ratio¬
nalität des Christentums gegeben. Äußere Bürgschaft der
Wahrheit ist der consensus gentium. Freilich gegenüber
<lem Judentum ist Vives wenig anerkennend, es bleibt nur
in spiritualem Sinne in Geltung. Und auch die mohamme¬
danische Glückseligkeit erscheint ihm des Menschen nicht
würdig. Aber für die christliche Wahrheit fordert er den
Ternünftigen Nachweis, der auf Experimente gegründet und
praktisch gerichtet sein soll.
Außer durch das Beispiel und Material, das ihm Werke
anderer Denker boten, fühlte sichPostell zum christlichen Apostel
der Welteintfacht durch sein Sprachtalent berufen 2 ).. Durch
Selbststudium, ohne Lehrer, hat er sich das Hebräische
und bald nachher auch andere semitische Sprachen an¬
geeignet, und in dem so Erworbenen nicht nur eine Legiti¬
mation, sondern auch eine Verpflichtung erblickt, das Talent
— besonders zur Erforschung und dann zum Gewinnen des
Orients für das Christentum — fleißig zu verwenden. In¬
folge glücklicher Umstände haben ihm gerade diese Sprach¬
studien den Weg apch zu äußerem Emporkommen eröffnet.
*) Unter den von Vives benutzten Autoren, wie sie Majans in
seiner großen Vivesausgabe (I, S. XXI ff.) aufzählt, finden wir aller¬
dings Eaymund v. S. nicht vor.
2 ) Vgl. die Widmung der Schrift Orb. Terr. Concord. (abgekürzt
OTC), mein Buch, Th. Camp, ein Reformer etc. 'S. 79.
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Nachdem er nämlich mit seinen orientalistischen Stadien
die Aufmerksamkeit einflußreicher Kreise auf sich gezogen’ 1 ),
wurde ihm der Auftrag erteilt, fttr die Bibliothek des Königs
Bücherschätze zu sammeln. Über Ägypten kam er auf det
Rundreise nach Konstantinopel. Hier traf er mit dem fran¬
zösischen Gesandten La Forest zusammen, der es ihm ermög¬
lichte, das vornehme Leben im Morgenlande aus eigener
Anschauung kennen zu lernen. Wichtiger ist aber ein anderes
Ereignis. Sein nach Erkenntnis gieriger Geist erhielt hier
eine bedenkliche Nahrung. Von seinen jüdischen Bekannten
wurde P. in die Geheimnisse der Kabbala eingeweiht 2 ).
Angesichts der Dürftigkeit der Nachrichten über P.s
bisherige Entwicklung können wir die Tragweite dieses
Ereignisses nicht genau ermessen. Aber aus dem Späteren
steht nns so viel fest, daß durch die ihm nunmehr bekannt
gewordene Geheimlehre in P.s Seele Neigungen genährt
wurden, die bald seine gesamte Geistesarbeit beherrschen
und in bedenkliche Bahnen lenken sollten. Der den Orient
gedanklich erobern wollte, wurde fast dessen Beute.
Die Kabbala hatte auch auf andere christliche Theologen
einen Reiz ausgeübt, schon infolge der historischen Be*
gründung der in ihr entfalteten Doktrin. Diese sollte eine
Überlieferung sein, die auf die Ursprünge des Menschen
und überhaupt der Welt zurß^kgeht. Aber auch ihr Inhalt
vermochte zu fesseln. Es war — ich muß hier kurz an all¬
gemein Bekanntes erinnern — ein Versuch, die spätjüdischen
Spekulationen von den Engeln mit der platonischen Ideen*
lehre zu vereinigen. Etwas Ähnliches hatte ja schon Philo
gelehrt: im Logos ist eben die Fülle und die Summe der
Engel- oder der Ideenwelt verkörpert. Er ist berufen, den
Abstand zwischen dem unnahbaren, unbeschreibbaren Gott
und der materiellen Welt auszufüllen. Allein was bei ihm
inhaltlich doch mehr platonisch aasklingt, genügt den
späteren nationalistischer gesinnten jüdischen Grüblern nicht
mehr, und so kommt es zu einer phantastischeren Kon-
*) Vgl. über die für uns wenig geklärten Jahre 1531—37 Adelung
a. a. O. S. 112 und Weill a. a. 0. S. 15.
*) Vgl. Ps. Linguarum duodecim Alphabetum. Vorrede zu
„de lingua chaldaica“.
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struktion, bei der anscheinend pythagoreische Einflüsse die
jüdischen Legenden und Phantasmen in der abenteuerlichsten
Weise färben, doch, so, daß, während der Grundeharakter
des Systems platonisch bleibt, die Spekulation doch schlie߬
lich zum Messias, nnd was damit verbunden ist, zur Apo-
kalyptik gelangt 1 ).
Die Lehre ist in mehreren Büchern niedergelegt, die
keineswegs den Schöpfungsbericht bestreiten oder berichtigen,
vielmehr nur ergänzen wollen. Auch ist man nicht einig
darüber, inwiefern die Darlegungen metaphysischer Art
sind, d. h. ob die geschilderte vermittelnde Welt eine
selbständige Welt gegenüber Gott ist, oder ob die ganze
Lehre nur eine Deutung der göttlichen Allmacht in ihren
Beziehungen zu der Welt sei und fast nur menschliche
Vorstellungen ohne realen Hintergrund wiedergebe. Jeden¬
falls ist es eine Emanation, die in der Kabbala gelehrt
wird; das eschatologische Ziel ist auch in dem Prozeß der
daran teilnehmenden menschlichen Seele inbegriffen: die
letzte Seele ist nämlich die des Messias. Selbstverständlich
hängt damit eine Lösung des Weltganges zusammen, durch
die alles Böse überwunden und den Kindern Gottes Be¬
freiung und Seligkeit gewährt werden wird.
Der erste, der — nach Frank — dem christlichen
Europa den Namen und die Existenz der Kabbala enthüllt
hat, war der von Postell häufig genannte, auch von uns be¬
reits erwähnte Raymund Lullns. Er hat über sie sehr
hoch gedacht, sie wie eine Offenbarung betrachtet, die sich
an die „äme rationelle“ wendet Ansprechend ist auch die
Vermutung Franks, daß das Operieren der Kabbalisten mit
Buchstaben dem Raymundus Lullns Anstoß zur Entdeckung
seiner Ars Magna gegeben hat. Lullns unterscheidet auch
schon zwischen alten und modernen Kabbalisten.
P i c u s Mirandola hat in wenigen Thesen, deren Quelle
er gar nicht angegeben, das umfangreiche System der
Kabbala zusammenfassen wollen: doch ist das, was er bietet,
*) Vgl. über die Kabbala die bekannte Schrift A. Franks, mir zu-
g&ngl. die 2. Aufl. Paris 1886. Auch in der folgenden historischen-
Übersieht habe ich sie benutzt Kürzere Orientierung in Herzogs-
Realenzykl. HI. Aufl. Bd. IX.
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fragmentarisch. Eingehender nnd für den Westen einflu߬
reicher war der Bahnbrecher der semitischen Stadien in
Europa, J. R e n c h 1 i n. Aber auch dieser hat seine Kennt¬
nisse der Kabbala nicht ans den reichsten nnd verläßlichsten
Quellen geschöpft, er zitiert keine Autoritäten, auf die er
sich stützt; was man noch als solche erkennen könnte,
scheinen aristotelisch gerichtete Kommentatoren des XV. Jahr¬
hunderts gewesen zn sein; auch die dialogische Form ent¬
spricht nicht gnt dem Thema nnd man ärgert sich — meint
Frank — Uber die „imaginäre Filiation“, die er zwischen der
Kabbala nnd dem Pythagoreismus auf stellt Die Schrift „De
arte Cabbalistica“ gibt eine regelrechte Darstellung der
esoterischen Doktrin der Juden; die andere „De verbo
mirifico“ ist nur wie eine Einleitung dazu, mehr persönlich
als sachlich, des Verfassers mystischer nnd abenteuerlicher
Geist will hier nachweisen, daß alle religiöse Philosophie,
die griechische wie auch die orientalische, ihren Ursprung
in den jüdischen Büchern habe, nnd so legt er den Grund
zn der später sogenannten christlichen Kabbala. 9
Von hier geben ans die beiden Arbeiten des Agrippa.
Aber nicht die enthusiastische (de occulta philosophia), viel¬
mehr die skeptische (de incertitudine scientiarnm) hat der
Kabbala Dienste geleistet, sowohl dadurch, daß A. ihre Be¬
ziehungen zn der Genesis gezeigt hat, als auch dadurch, daß
er die Verwandtschaft der Zephiroth mit den zehn mystischen
Namen bemerkt, Uber die Hieronymus in seinen Briefen an
Marcella spricht 1 ).
Diese Sympathie zur Kabbala wird in nenerer Zeit
häufig mit einer Abneignng weiter christlicher Kreise gegen
die Scholastik in Zusammenhang gebracht. Nicht mit Un¬
recht. Hatten die freieren Geister die schematisierenden
Zwangsformeln der Scholastik satt bekommen, so konnte
nun die wissensdnrstige Seele alle Fesseln der lästig ge¬
wordenen Form in Anschluß an heilige Überlieferungen,
ablegen. Und hatte man den Stoff der Sentenzen nach allen
Seiten bereits zum Überdruß kommentiert, so ergab die
jüdische Lehre vieles Nene, dabei war es, was man hier
*) De v&nitate scient. Lib. III. Cap. II.
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hörte, ursprünglicher, führte tiefer in die überweltlichen Ge¬
heimnisse und klang namentlich in der Eschatologie tröst¬
licher aus als die obligaten „Summae“ der christlichen
Lehre.
Möglicherweise ist bei Postell erst damals eine Neigung
zur Apokalyptik erwacht, vielleicht ist sie aber- schon seit
langem lebhaft gewesen. Jedenfalls konnte solche Neigung
das Interesse für die Geheimlehre nur steigern, ebenso wie
die Kabbala geeignet war, eine religiös krankhafte Ver¬
anlagung zu stärken. Doch können wir darüber nichts Be¬
stimmtes sagen. Soviel scheint festzustehen, daß Postell die
neugewonnenen Eindrücke einstweilen nur im stillen für
sich verarbeitete, da er anderweitige praktische Aufgaben
zu lösen hatte, die vielleicht durch eine äußere Verpflich¬
tung seiner Erledigung harrten. Wir wissen aber bereits,
daß diese Aufgaben mit dem bereits früher gefaßten großen
Vorsatz — für eine concordia orbis zu arbeiten —, im engen
Zusammenhänge standen. Wir können sie hier nicht ganz
umgehen.
Mit seinem Typographen Bromberg besprach er auf
seiner Rückreise in Venedig die bald vorzunehmende Pu¬
blikation seiner Studien. Eine Bekanntschaft mit dem
Orientalisten Theseus Ambrosinus führte zu einem Meinungs¬
austausch, der für Postell später mißliche Nachklänge
brachte 1 ). Über diese linguistischen Publikationen, die
nach seiner Ankunft in Paris beginnen, mögen einige Worte
ausreichen.
Die erste, schon erwähnte Schrift 2 ) gibt einige Proben
aus folgenden Sprachen: „Hebräisch, Chaldäisch,Samaritanisch,
Punisch oder Arabisch, Indisch (eigentlich Äthiopisch),
Griechisch, Georgisch, Tzervianisch, Illyrisch, Armenisch und
Lateinisch.“ In der Widmung an den EB von Vienne, Pal-
merius, sagt Postell, er wollte mit der gegenwärtigen Schrift
prospicere: „ne quicquam haberem quod statim non omnibus
communicatum cuperem“, er verrät ferner, daß er sich
mit Kosmographie, besonders mit Sittenbeschreibung der
*) Vgl. Picot a. a. 0. S. 814.
*) Linguarum duodecim characteribus differentium alphabetum,
introductio, ac legendi modus longe facilimus. Paris 1538.
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orientalischen Völker befasse. — ln der korzen Einleitung za
der ohaldäischen Schrift lesen wir Uber die bereit? oben
angeführte Tatsache folgende Mitteilang: „Nihil tarnen nsqnam
quicquara scriptum in his reperi, praeter qnandam Cabalam,
cuius mihi copiam fecit Mose Almali medicus Begius Jndaeus
apad Constantinopolim.“
Die folgende Schrift: „de originibus“ verwendet die er¬
worbenen linguistischen Kenntnisse zum Nachweise dessen,
daß die vorhandenen Sprachen aus der hebräischen stammen.
Proben aus der Grammatik und dem Wortschätze der in
voriger Schrift vorgefUhrten Sprachen sollten das mit be¬
weisen. Eines von diesen grammatischen Spezimen ist gleich¬
zeitig auch besonders erschienen: „Grammatica arabica“ 1 ).
Diese Schriften haben in der Geschichte ihrer Disziplin
dadurch einen festen Platz, daß sie die Sprachen Vergleichung
nicht nur fordern, sondern auch beginnen 3 ). Daß dabei
der Ausgangspunkt wie die Ergebnisse nicht stichhaltig
waren, wer wird sich darüber aufhalten? Tatsächlich findet P.
für den Sprachen unterricht die Verwendung der bereits be¬
kannten verwandten Sprachen, und berichtet mit Vergnügen
über den Erfolg, den ihm die Kenntnis des Hebräischen bei
der Aneignung des Arabischen erbracht: die ihn lehrenden
Türken in Konstantinopel nannten ihn einen Dämon, weil
er alles so schnell erfaßte 8 ).
Aber damit war nicht alles, was der Orient an wissen¬
schaftlichem Material und Anregung geboten hatte 4 ), erschöpft.
Es galt ältere apologetische Vorsätze weiterzuführen, wenn
er in einem Buche den Nachweis führen wollte,' daß die
Kenntnis Christi seit 1200 auch bei allen Katholischen da¬
hingeschwunden sei, und zwar sollte dies Werk nicht in
erster Linie auf die göttliche Autorität, sondern auf mensch-
*) Die Klarlegung des Verhältnisses zwischen diesen drei ersten
Schriftlein Postells findet der g. Leser bei Des Billons und Adelung.
*) Vgl. Benfey: Gesch. d. Sprachwissenschaft usw. 8. 225.
„Den ersten Versuch einer umfassenderen Sprachvergleichung scheint
G. P. aus der Normandie gemacht zu haben.“
*) Gramm, arabica, mir nur in den Origenes bekannt. Praefatio Dm.
4 ) Eine kurze Beschreibung Syriens gab er auf Wunsch seiner
Hörer heraus; vgl. die Widmung der Schrift.
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vliche Vernunft gegründet sein 1 ). Wenn vielleicht auch die
Nachricht von der Entstehung des Jesuitenordens auf den
Verfasser mitgewirkt hat, so kann der Einfluß jener Nachricht
nur ein beschränkter gewesen sein.
Erleichtert war jene Arbeit durch die königliche Huld
<und Anerkennung. Gleich nach seiner Rückkehr aus dem
Orient wurde er nämlich mit gutem Gehalt zum Professor
an dem von vielen mit großen Erwartungen begrüßten neuen
Kolleg ernannt. Damit war auch für seine fernere Tätig¬
keit die Richtung vorgezeichnet, — denn nach manchem
Schwanken ist allmählich der Charakter des Kollegs ein be¬
stimmter geworden.
Man kann drei Phasen in der Gründung des Kollegs
unterscheiden 9 ). Die erste (1517—1518) bestand in Verhand¬
lungen mit Erasmus behufs Übernahme der Leitung eines
solchen. Man war noch nicht im klaren, was man wollte,
-eine Stiftung allgemeinen Charakters oder ein Institut analog
dem, das Leo X. für junge Griechen errichtet bat; Erasmus
zieht die Verhandlungen in die Länge, ohne daß ein Erfolg
zu verzeichnen wäre. In der zweiten Phase nahm der Ge¬
danke eines junggriechischen Kollegs Oberhand, aber wegen
der Kriege kam es zu nichts (1519—1522). In der dritten
Phase (1522—1529) erfolgte fast eine Übersiedlung des
Erasmus nach Paris; aber nach der Schlacht bei Pavia zer¬
schlugen sich die Hoffnungen. Erst als mit dem Friedensschluß
von Cambray die Ruhe im Reich wiederkehrt, kommt der König
•dazu, seinen Plan auszufübren, wobei das Hauptverdienst
dem Budaeus zufällt. Damit zog gegenüber der Sorbonne ein
.neuer Geist in den höheren Unterricht Frankreichs ein 8 ).
Das wenige, was wir Uber Postells Stellung zu den
‘) Postells Widmung der Kosmographie an Ferdinand IL
*) Vgl. Lefranc: „Histoire du College de France“. Paris 1899.
S. 99 ff.
*) Lefranc sagt (a. a. 0. S. 107): „Plus de grades obligatoires,
plus de licence pour enseigner, plus des frais d’dtudes arbitraires et
monstrueux: des cours independants, gratuits, ouverts ä tous, le grec
et l’hebreu envabissant l’Ecole.“ ... „Quell’ immense changement quand
on songe ä cette 6cole du vide, & cette gymnastique du nöant qu’dtait
alors l’Universitd.“
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Fragen seiner Zeit gesagt haben, läßt diese Berufung 1 ) er¬
klärlich erscheinen, zumal ja den maßgebenden Personen
jene Stellung noch deutlicher gewesen sein mag. Zu seinen
besonderen Gönnern zählte er den bald zur höchsten Stelle
■emporkommenden Minister Poyet. ln einem diesem ge¬
widmeten Sohriftlein, „De magistratibus Atheniensium“, zählt
*er ihn zu den hervorragendsten Staatsmännern. Die Schrift,
•die die damals als verloren geltende Schrift des Aristoteles
ersetzen will, hat eine mehr als antiquarische Tendenz, indem
sie mit der alten die neueren (besonders die venezianische)
Begiernngsformen vergleicht. Budös Autorität gelangt sehr
oft zur rühmenden Anerkennung. — Die französische Ver¬
fassung wird auoh herangezogen, aber als monarchische von
der alten demokratischen, über die die Schrift handelt, ausdrück¬
lich unterschieden. Trotz der praktischen Nutzbarkeit blieb
•das auoh später noch beliebte Werk doch ein wissenschaft¬
liches und wurde lange Zeit an verschiedenen Orten nach¬
gedruckt 2 ).
Aber gewiß hat ihn beständig schon seit langem die
Arbeit beschäftigt, in der er, wie wir oben gesehen, seine
.Lebensaufgabe erblickte. Nach fleißigen? Sammeln und Vor¬
arbeiten wurde sie in verhältnismäßig kurzer Zeit abgefaßt
und der theologischen Fakultät zu Paris vorgelegt. Aber
sechs Monate lang erhielt er von dieser keine Antwort. Um
flie Buchhändler schadlos zu halten, gab er das erste Buch
Auf eigene Kosten heraus. Dann erfolgte die Antwort der
Fakultät; sie lehnte dem Buch die venia ab, weil P. ihre
'Glieder Sophisten genannt 8 ). In der Not gelang es ihm aus¬
wärts, in Basel, mit dem er bereits in buchhändlerischen Be¬
ziehungen stand 4 ), einen Verleger zu finden. Begreiflicherweise
*) Posteil blieb in der Stellung von 1539—43. Vgl. Lefranc
n. a. 0. S. 381.
*) Gar Adelung findet es noch des Lobes wert a. a. 0. S. 115.
*) Vgl. Postells Sobrift: Alcorani etc. concordia S. 8, 9.
*) Soviel scheint festzustehen, daß es Postells orientalische Schriften
waren, die ihm in den Schweizer evangelischen gelehrten Kreisen
Sympathien erwarben. Ferner war ein Schulfreund von ihm, Johannes
ÜRibit, als Professor des Griechischen nach Lausanne gekommen. Einem
..Briefe Eibits an Pellicen in Zürich (bei Herminjard Correspondance des
Tgformateurs etc. VIII. 331), dat. 22. April 1543, entnehmen wir, daß
Archiv für Beformationsgeschichte. IX. 4. 20
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hat aber dieser an der Handschrift auch eine Zensur geübt. Sa
liegt uns das erste Buch in zwei Ausgaben vor, die übrigen
Bücher bloß in dem den Schweizern zulieb mannigfach ge¬
änderten Wortlaut: der Buchhändler — es handelt sich um
' den berühmten Verleger Oporin — hat offenbar in seiner
evangelisch gesinnten Kundschaft einen geeigneten Mann
behufs Neutralisierung der Postellschen Arbeit gesucht und
gefunden.
Die Vorreden der beiden Ausgaben sind fast
identisch; ausgelassen sind in der schweizerischen Ausgabe
nur die zahlreichen Gönner, die er in der Pariser Ausgabe
auf zweieinhalb Seiten aufgezählt hatte. Es waren, be¬
ginnend mit dem König Franz und seiner Schwester Marga¬
rete, Kardinäle, hohe kirchliche Würdenträger, Erzbischöfe
und Bischöfe, auf deren Huld er auch im ferneren zu bauen
gedachte. — Als sie ihm alle bei der Sorbonne nicht halfen,,
ließ er in der Basler Ausgabe die irdischen Gönner weg und
schrieb, er baue auf Jesu Gunst.
Im ferneren wollen wir die nicht übermäßigen Unter¬
schiede nicht berücksichtigen J ), denn der Standpunkt des
Buches ist ein religionsphilosophischer, überkonfessioneller,
der uns auch die Antwort gibt, warum die Schrift in der*
beiden Lagern der Reformationszeit einen partiellen Erfolg
haben konnte.
Die Schrift „de OTC“ war von einem jungen Mann,
wie es Postell bei ihrer Abfassung noch gewesen, ein auf¬
sehenerregendes Zeugnis der Gelehrsamkeit und des christ¬
lichen Eifers. Auch konnte das Ziel als höchst lobenswert
in den beiden christlichen Lagern, erscheinen; stand doch
der Verfasser für sein Werk mit einem praktischen Gedanken
Ribit auf Pellicans Zureden an Postell unlängst geschrieben, er möge
endlich seine arabische Grammatik herausgeben, wobei er sich sowohl
auf Biblianders Autorität, als auf die mit Postell gemeinsame Studien¬
zeit und die dort begründete Freundschaft berief. — Ribit berichtet
weiter, daß wegen der großen Entfernung eine bestimmte Verbindung
nicht gut möglich sei, daß er jedoch Aussichten habe, bald einen Ver¬
mittler der gelegentlichen Korrespondenz bei sich zu sehen.
*) Einen ansführlichen Bericht über das Buch findet der Leser
im Diction. des scienc. philos. Paris 1851. IV, S. 182—187; von dem
'dritten Buch in meinem Thom. Camp, ein Reformer etc. S. 80 ff.-
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ein: er erstrebte die Einheit der Menschen in Zeiten der aus¬
gedehntesten und erbittertsten Kämpfe und Kriege dadurch,
daß er das Christentum als gedankliche Grundlage der Ein¬
tracht darzulegen unternahm.
Dabei ist unschwer zu merken, daß der Verfasser sein
Material mit ungenügender Kritik gesichtet, in der Anlage
des Werkes nicht genug selbständig 1 ), und keineswegs
befähigt ist, ein fest zusammenhängendes, in der Überfülle
der Einzelheiten klares und übersichtliches Ganze zu schaffen.
Darum kann ein Bericht über das Werk dessen inhaltlichen
Reichtum nicht erschöpfen, und er darf nicht den fragmen¬
tarischen Charakter der Einzelheiten verschleiern. Das Werk
ist der ganzen Kirche gewidmet.
Der erste Teil will „die wahre, d. i. die christ¬
liche Religion mit der Philosophie (,ex philosophis*)“ be¬
weisen, und nimmt den Ausgang von Gott und der Welt.
Gott ist wie das sechste Element, die Einheit der fünf
ersteren, die er in sich einschließt. Recht ausführlich sind
die Beweise (im ganzen 15 Argumente) der Trinität, außer
den Philosophen (Kap. IV) zeugen gar das Alte Testament,
die Kabbala und Talmud (V), ja gar Mohammed dafür (VI),
dessen Anhänger als demnach abgefallene Christen zur Be¬
sinnung aufgefordert werden. — Von der Welt lehrt Postell,
daß sie nicht ewig, sondern geschaffen sei, und zwar aus
nichts, und daß der Schöpfer auch über die particularia
darin waltet. Zwei Kapitel sind der Lehre von den Geistern,
den Magiern und den Propheten gewidmet. Von dieser natür¬
lichen Theologie werden wir zum Christentum durch ein
Kapitel über die Natur des Menschen hinübergeführt, das
doch nicht in einem materialistischen Naturalismus stecken
bleibt.
J) Vergleichshalber möge hier die Einteilung der Vivesschen Apo¬
logie ganz kurz mitgeteilt werden.
B. 1. Betrachtung, die „die in der ganzen sichtbaren Schöpfung
sich kundgebenden Wege und Ziele der Weisheit und Qüte Gottes“
aufzeigen will. Beweisführung aus den Klassikern.
B. II. Verteidigt die Heilsoffenbarung des A. u. N. Testaments.
B, HI, IV. (Dialoge: Widerlegung der Juden und Mohammedaner.)
B. V. De praestantia doctrinae christianae.
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Die Menschen stammen — so lesen wir in diesem
'Kapitel — de hominis natura — von einem, sind also ein
^einheitliches Geschlecht, wie dies Aben Reis bezeugt hat:
„Nam nna forma est, ipsa scilioet hnmanitas, qua omnes
dotantor, nee plures sunt visae.“ Gott hat sie ihrer Natur
überlassen: „quod natura potuit (Deus), nunquam extra ejus
limites traducere voluit“ 1 ). Freilich kanu die Ars die Natur
ändern (die langen Köpfe des Hippokrates!.). Aber das bezieht
sich nur auf die Form. — Über alle anderen Geschöpfe er¬
haben, fiel der Mensch um so tiefer, und sinkt noch immer weiter.
Wie ist dies möglich, wo doch stets der Geist neu geschaffen
wird? Dreierlei ist dabei ja zu beachten: der agens, das
instrumentum und der patiens. Am Instrumente der Seele
liegt es, wenn sie ihrer Aufgabe nicht entsprechen kann.
Deshalb darf man doch nicht gleich mit Galen von des
corporis temperamentum die animi mores abhängig machen.
Gerade, daß wir über die Bewegungen der Natur in uns
abfällig urteilen, beweist, daß wir nicht bloß aus ihr sind.
Damit ist die himmlische Gabe, der Geist, gerettet: „Esse
itaque hominum genus depravatum omnino constat, nec ullum
propterea esse in animo hebetudinis aut tarditatis imper-
fectionisque vitium.“
Diese himmlische Gabe deutet zugleich auf des Menschen
himmlische Bestimmung, die zu der Notwendigkeit einer
Menschwerdung Gottes führt. Die Richtigkeit dieser Deduk¬
tion zeigt die Geschichte Christi und des Christentums, die
Postell langwierig beweist Die christliche Lehre nimmt nun
Posteil nach einzelnen Teilen durch und legt großen Nach¬
druck auf die „Excellentia“ der von Christo gestifteten Sakra¬
mente, die zugleich ein Beweis seiner Göttlichkeit sind.
Die_ Bewahrung des Evangeliums ist eine Bedingung,
um das Heil zu erreichen. Nicht weniger als 18 Beweise
sprechen für die Unsterblichkeit, sie sind geschöpft aus
der Forderung der göttlichen Gerechtigkeit aus der Konsti¬
tution des Weltalls, und dann aus der Seele selbst. —
*) „. . . omnes eisdem legibus naturae tenentur, eos agit eadem
rationis vis, idem appetitus invitat, idem ecopos urget, quo maxime
patet eadem et animi et corporis natora et compesitione teneri, matenaque
«t forma semper connecti.“
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Unter diesen Beweisen finden wir auch den, daß der Mensch
die Unsterblichkeit wünscht — Bei der Auferstehung wird
eine allgemeine große Wandlung ein treten.
Das zweite Buch befaßt sich mit Mohammed und
dem Alkoran. Da sich der Verfasser die Daten, zu diesem
Zwecke aus der Autopsie gesammelt, so ist begreiflieh, daß
er hier seinen Lesern viel Neues mitteilen konnte, auch für
uns ist dieser Teil von zeitgeschichtlichem Wert. Zuerst
wird uns Mohammeds Leben geschildert, dann folgt Schritt
für Schritt Darlegung der mohammedanischen Lehre
und deren Widerlegung, so daß fast nichts davon zurück¬
bleibt
Das dritte Buch befaßt sich mit dem Rechte und
der Religion. Angesichts der Verderbnis der Rechtswissen¬
schaft, die sich in Sophismen und Spitzfindigkeiten zu verlieren
schien, will Posteil auf ihren Grund zurückgehen. — Charakte¬
ristisch ist seine Auffassung von der Verbindung der Religion
und Politik. Gr erkennt zwei Quellen des Rechts an: die natur¬
gegebene Notwendigkeit, sich zusammenzuschließen, und den
Gottesglauben. Aus der Verbindung der beiden entstand nach¬
einander das Natur-, das Völker- und das Zivilrecht, und so
klingt denn dieser Teil in Erörterungen über Behörden und
Gerichte aus.
Wichtiger, als die angeführten Details,' erscheint uns
der Versuch Postells, die Gedanken zusammenzustellen, in
denen alle Religionen Ubereinstimmen. Zwar ist der Versuch
selbst nicht ganz neu, unter seinen Zeitgenossen war es be¬
sonders Augustinus Steuchus, der die natürliche Ein¬
heit des menschlichen Geschlechts in Glaubenssachen ver¬
kündigte 1 ). Diese Einheit geht auf göttliche Überlieferung
zurück, darum haben alle Völker etwas von Gott, Schöpfung,
Engeln usw. Das so natürlich Gewonnene will Steuchus auf¬
zeigen, auf daß erhelle, daß es dem menschlichen Geschlecht
notwendig sei, eine Religion zu haben 2 ). Nach einem nicht
ganz gerade vorwärtsschreitenden, teils historische, teils
*) Das bekannte Bach des A. Steachus „de perenni philosophia“
ist 1540 in Lyon erschienen und wird dem Posteil bekannt gewesen
sein. Zweite Ausgabe Basel 1542.
*) Vorrede.
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philosophische Partien anfweisenden Gedankengange gelangt
er im Kapitel X zu dem Resultate, daß die christliche
Religion alle „ambages“ löst: ihre Summe ist contemplatio et
cnltus Dei. Die Schilderung zeigt im einzelnen eine deut¬
liche Anlehnung an Plato nnd an die Stoa.
Vor der Siindflnt war diese Einheit vorhanden, nnd
wenn die Menschen jene beiden Grunderfordernisse erfassen
and begreifen werden, wird in bezug auf die übrigen Fragen
der Religion keine Differenz mehr nachbleiben. — Da diese
verlorene Einheit in dem Christentum da ist, so hat
der in den übrigen Religionen vorhandene Xoyog OTteqpiariy.bg
gegenüber der allein wahren christlichen Offenbarung nur
einen untergeordneten Wert.
Nicht so Posteil. Er will tiefer graben und eine psycho¬
logisch faßbare Religionsgeschichte entwerfen, deren Anfänge,
wie wir sehen, mit denen des Rechts verbunden sind: auch
die religiösen Kämpfe sind immer mit politischen Motiven
verwoben. Sollte man da nicht hinter und unter den
fremden Motiven die Keime der ursprünglichen Einheit
suchen und finden? Die Antwort darauf erteilt der Ver¬
fasser in einem Abschnitt: Persuasionum omnium communes
canones, wo er die Hauptzüge der natürlichen Religion,
die sich auf Vernunft und Natur gründet, entwerfen will,
und von welcher Religion die Folgezeit zu ihrem Schaden
abgewichen sei.
In diesen „Canones communes“ gehen theologische und
juridisch-politische Sätze durcheinander. — Die Religion sei
staatlich festzustellen und niemand dürfe private Götter ver¬
ehren, an die Spitze der staatlich-religiösen Organisation sei
ein Pontifex zu stellen, die Kirchen sind als Asyle offen zu
halten, die Mysterien müssen in Geheimnis gehüllt bleiben,
die Sünden sind zu sühnen. Die staatlich-creierten Pontifices
haben im Bereich des Glaubens selbständige Antorität.
Ein Blick auf die bestehenden Religionen zeigt, daß sie alle
die gleichen Institutionen aufweisen: Priester, Mysterien,
Pontifices und zwar die letztgenannten mit ethischen und
politischen Befugnissen ausgestattet. Aber auch die Glaubens¬
sätze lassen sich auf natürliche Erkenntnisse zurückfuhren.
Von den späteren Thesen einer Naturreligion fehlt hier —
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.auffallenderweise — nur die im ersten Buch freilich bereits
so klar bewiesene Unsterblichkeit, dafür finden wir eine
Nebeneinanderordnung Gottes und der Natur: „Si in Deum
aut naturam gratius peccaverint, duplex poena esto.“
Man mag dies Resultat einer unausgesetzten Religions¬
vergleichung gering einschätzen, prinzipiell ist es ein bahn¬
brechender Vorgang gewesen, von dem sich die Linien zu
hervorragenden Religionsphilosophen des XVII. Jahrhunderts
ohne Schwierigkeit ziehen lassen. Der Zweck des ganzen
Werkes, wie er im,Titel zum Ausdruck gelangt, kulminiert
gerade in diesen zwei Folioseiten 1 ).
Das letzte Buch gibt Anweisungen, wie man die Moham¬
medaner, Heiden und Juden zum Christentum führen soll.
Wie auch in anderen finden wir hier eine Fülle von guten
Gedanken. — Es ist beachtenswert sowohl die Betonung der
Notwendigkeit eines langsamen, stufenmäßigen Vorgehens der
Missionare und des Sich-Accomodierens an die zu belehrenden.
Er zeichnet also den erfolgreichsten fachgenössischen Arbeiten
an dem Werke ihren Weg voraus. Dabei sehen wir frei¬
lich auch in diesem Teile geringe Sorgfalt bei Auswahl der
Argumente, man könnte auch sagen, Mangel an Kritik, was
namentlich bei einer Missionspredigt sehr bedenklich er¬
scheint. Was er so z. B. über die Trinität, die er fast als
«in Postulat des Intellects erweist, über die Satisfaktion
Christi, über dessen Auferstehung, anführt, verlor durch
das „multum demonstrare“ schon damals den praktischen Wert.
Das ganze Werk trägt die Merkmale auch der späteren
Schriftstellerei seines Autors an sich: Mangel an innerer Ord¬
nung, gar auch am Zusammenhang zwischen den einzelnen
Teilen, deshalb auch Mangel an Klarheit und an überzeugender
Kraft. Neben den Arbeiten anderer mußte dies seiner Wirkung
Abbruch tun. Es ist nicht so durchsichtig wie die Schrift
•des Raymundus und Vives, zum Teil, weil der Verfasser
weniger streng logisch vorgeht. Aber nicht nur deshalb.
Ein Vergleich mit den Genannten zeigt es leicht, daß er
nach etwas größerem strebt oder wenigstens über die Vor¬
gänger weit hinaus will. Dies zeigt sich schon in der
*) Es siDd S. 290-292.
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reichen Verwendung der außerchristlichen Gedanken, be¬
sonders der nen mitgebraohten, orientalischen, die mehr oder
weniger geschickt zugunsten des Christentums verwendet
werden. Dies zeigt sich aber besonders in dem Versuch,
auf der christlichen wenn auch dürftigen Basis eine all¬
gemeine religiös gedankliche Einheit für das menschliche-
Geschlecht zu schaffen. Wir werden sehen, wie ernst er es
damit meinte. Eine kraftvolle Zusammenfassung des so aus¬
gedehnten, vielfach neuen oder neuangewandten Materials,,
eine folgerichtige Ableitung der erstrebten bedeutungsvollen
gedanklichen Resultate wäre auch für einen mehr systematisch-
begabten Forscher eine große Aufgabe gewesen.
Man nehme ferner, daß gerade die Ableitung der besagten
Kanones an sich schon ein bedenkliches Unternehmen war,
und so wird man es verstehen, daß das Werk aus vielen
Gründen die erhoffte Wirkung nicht ausüben konnte. Einige»
konnte doch wenigstens der IV. Teil retten. Er versuchte hier,,
wir sahen es, für die Mission die Waffen zusammenzutragen
und ihren Gebrauch in, vielen auch treffenden Einzelheiten,
zu lehren. Auf letzteres kam es schließlich für das Leben
hauptsächlich an, und deshalb konnte der vielleicht bei vielen.
Lesern schlechte Eindruck des III. Teiles schwinden oder ge¬
mildert werden, und so ist es zu erklären, daß gar ein^
Canisius das Werk herrlich genannt hat 1 ).
*) 10. Juni 1546 schreibt er darüber: „illud admirandum ac
plane divinum opus De totius Christiani Orbis concordia.“ Er be¬
dauert nur, daß man es „scholiis foede additis“ befleckt habe. (Vgl.
die bereits zitierte Corr. des Ganis. I. S. 204). Aus den Anmerkungen
des Herausgebers der Korrespondenz ersehen wir, daß die in der-
Basler Ausgabe befindlichen „Annotationes“ zu Posteis OT Concordia
in den Katalog der Löwener Theologen aus den Jahren 1546, 1550, 1558
verboten worden waren. — Am Titelblatt der OTC steht folgende, bei
Des Billon und Adelung fehlende Bemerkung: „Adiectae sunt quoque
Annotationes in margine a pio atque erudito quodam viro, ne deli-
catioris palati, aut iniquioris etiam iudicii aliquis, ut sunt fere hodie
quam plurimi, offenderetur.“ Diese Anmerkungen selbst sind übrigens
ohne größere Bedeutung. Sie korrigieren manche Versehen, geben
bei einigen Materien die Dispositionsgründe, eine verteidigt schüchtern
die Evangelischen. „Pii, qui hodie credunt Evangelio in Germania-
et in aliis regionibus, non contemnnnt vera miracula“ usw. S. 96.
Auch ist am Anfang des Werkes eine recht detaillierte Inhaltsangabe
der vier Bücher enthalten, die die vorliegende vielfach ergänzen kann.
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Posteis Tätigkeit nach dem Erscheinen des großen«
Werkes konnte in den gut katholischen Kreisen den Eindruck
stärken. Mit wachsendem Eifer verficht er non Borns
Interessen, so auch gegen die Häretiker. Als Ergänzung
zu der OTC faßte er ein Werk ab, darin er die Gleichheit
der Evangelisten mit den Mohammedanern nachweist, in all
dem, worin sie von der katholisohen Kirche abweichen. Er
nennt sie Cenevangelisten, and gibt in der Widmung das
zweifache Etymon diesen von ihm geschaffenen terminus tech-
nieus an 1 ). Nach einer Entschuldigung der Mängel seiner
großen Schrift(OTC), als welche in übermäßiger Eile abgefaßt
werden mußte, gibt er kurz deren Inhalt wieder, wobei er
von der Verwendung der talmudischen Literator über¬
mäßige Erwartungen betreffs der Christianisierung der Juden
hegt. Die Devise jener wie auch der vorliegenden Schrift
sei natura und ratio.
Weil das große Werk in Basel gedruckt wurde, konnte
darin über die Häretiker nicht alles frei gesagt werden.
Deshalb mußte es ergänzt werden .durch die gegenwärtige
Schrift Der Grundgedanke des Schriftleins ist ein theore¬
tischer und praktischer; (1.) zu zeigen: Mohammedem plane
eadem via incipisse atque Lutheranos et (2.) easdem pro-
positiones contra Christi ecclesiam introduxisse. Daraus er¬
hellt schon die gemeinsame Gefahr, die Deutschland, ja der
Welt, von den beiden drohe. — In 28 Punkten gibt dann P.
die Verwandtschaft zwischen den beiden Gegnern der katho¬
lischen Kirche; die Zusammenstellung ist Posteis anderen
Arbeiten ähnlich, sowohl wegen des Mangels einer Ord¬
nung und Symmetrie, als auch wegen der Fülle der Wahr¬
nehmungen, die freilich nur zu häufig äußerst gekünstelte
sind. Interessanter als diese erzwungenen Analogien ist ein
Nachwort 2 ), das den Titel trägt: „de iudicio Dei iamiam
imminente“ 8 ), das aus der Lage der Dinge der Welt, wie
aus der Kombinierung von mancherlei Berechnungen die nahe
*) Der geschichtliche Wert der Schrift (vgl. den Titel oben S. 290
Anm. 2) erhellt ans der Widmung, die an die OTC anknüpft.
*) Widmung S. 87.
s ) Beginnt S. 88.
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Wiederkunft Christi verkündet und zu deren würdigen Er¬
wartung mahnt.
Eine weitere Ergänzung der OTC bietet die in dem¬
selben Jahre erschienene Schrift: Sacrarum Apodixeon etc.,
die im I. Buch die christlichen Hauptwahrheiten von Gott, der
Welt, dem Menschen zusammenstellt; im 2. Teile will der
Verfasser die Notwendigkeit der Menschwerdung beweisen.
Ein „impetus Spiritus" habe ihn zu dieser Materie getrieben,
Uber die er (er ruft dafür Gott zum Zeugen an) früher nicht
nachgedacht habe. Dabei denkt er von der Macht seiner
Gründe wiederum das Höchste x ).
Eine dritte Schrift: „de rationibus spiritus sancti“ zeigt
schon in der Widmung (an alle Menschen) einen Fortschritt.
Die natürliche Weise der Mission wird zwar auch hier be¬
tont, aber ebenso der göttliche Charakter des Christentums,
das ein Produkt des heiligen Geistes sei. Über das erstere
lesen wir:
„ ... in quo a natura et secundum naturam esse de-
ducta omnia ostendo, quae in refutatione haereticorum ad
hanc diem tradidit ecclesia: ut constanti rationis tenore
videatur et vetus et novum testamentum, et sanctae ecclesiae
statuta, licet siraplici authoritate nitantur (. . .) tarnen ex
eodem spiritu naturae parente orta esse duceque natura
eius filia traditis demonstrationibus ex intima philosophia
petitis confirmabo.“
Wie die vorhin besprochene Schrift, will auch diese
höheren Ursprungs sein: „. . . in quo nil plane menm
agnoscere debet lector, uisi mihi simile id est instabile male-
que firmum. Hoc enim solum meum est, quod est imper-
fectum. Coetera omnipotentis dei sua ut vult distribuentis
munus sunt 2 ).“
Wohl schon seit längerer Zeit beseelten den eifrigen
Forscher und vielseitigen Gelehrten auch überschwängliche
’) Widmung an die Vorsteher der Kirche S. 2. „vis argumen-
torum . . . docebit a ratione sublimi haec profecta,
meipsum vel ingenue fatear in hac re ignoro“, woraus man
schon betreffs seiner Geistesverfassung betrübende Schlüsse ziehen muß
(die Sperrung der beiden Sätze ist von mir).
*) Die Einteilung des Buches ist etwa die: I. Über die Gegen¬
stände des Glaubens; II. Über das Handeln des Frommen. Doch ist
■diese Einteilung nicht streng durchgeführt worden.
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patriotische Gefühle. Aach hier konnte er an namhafte
Vorgänger, anknüpfen.
Schon am Anfang des Jahrhunderts, noch unter Lud¬
wig XII. hat Claude Seyssel der französischen Nation die
Rolle, die Welt zu erobern, vindiziert. Nachzuahmen seien
dabei die Römer. Deren Sprache war auch einst arm, da¬
durch, daß man ihr die ganze griechische Literatur zugeführt,
hat man sie vervollkommnet, und sie wurde ein ausgezeich¬
netes Mittel der Wissenschaft 1 ). Unter den Zeitgenossen
Postells war es aber geläufig Frankreichs Emporkommen
als Zeiehen besonders hoher Bestimmung zu betrachten.
Juristen und Politiker treten für den Vorrang ihres Landes
ein, aber nicht nur sie 2 ). So wird uns verständlich, daß
auch der junge Gelehrte für diesen Gedanken Sinn und Eifer
gefaßt, und daß der Theologe in der prinzipiellen Eigenart
der französischen kirchlichen Einrichtungen auch eine Stütze
für Verkündigung von Lehrsätzen fand, die eine große
Wandlung der bestehenden Verhältnisse bedeuteten.
Während des rastlosen Arbeitens, das freilich bereits
hie und da Zeichen eines krankhaften Selbstbewußtseins
zeigt, ereilte seinen Gönner, den unterdessen zum Kanzler
ernannten Poyet, die Katastrophe, der nicht nur seine
Stellung, sondern auch seine Freiheit zum Opfer fiel. Man
nehme hinzu, daß während einer kurzen Zeit in Frankreich
vier ähnliche Fälle zu verzeichnen waren. Wir wissen, daß
Postell es versuchte, den König zugunsten Poyets umzu¬
stimmen. Wir wissen es ferner, daß Postell vor dem Könige
im Sinne des oben charakterisierten französischen Patriotis¬
mus ernste Klagen betreffs der öffentlichen Zustände des
Landes erhob. Und zwar tat er es mehrere Male. Es mag
sein, daß eine solche Auseinandersetzung mit dem König in¬
folge Poyets Sturz stattgefunden hat, und daß sie auch für
Postells Schicksal entschied.
Jedenfalls führte er es einmal dem Könige vor die Augen,
wie in seiner Umgebung alles verdorben sei, darunter auch
die Kirche, die Universitäten, besonders aber die Justiz.
J ) Vgl. A. Jaquets Artikel über S. in Revue des Quest. hist. LV1I
(1895).
2 ) Weill a. a. 0. S. 89 ff.
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Dabei versprach er dem König, wenn er angehört wird, die
Weltmonarchie, den Besitz des heiligen Landes, die Eintracht
der Welt, ohne von den ähnlichen Versprechungen des
Vinzenz zu Paula vernommen zu haben 1 ). Der König war
nach Postells Erzählung zu Tränen ergriffen, aber bald wurde
er von einer Frau davon abgelenkt 2 ).
Eine Folge seines Eintretens für Poyet war, daß P.
seine Professur aufgab. Aber langes Bleiben war ihm in
Frankreich auch in seiner Zurückgezogenheit nicht mehr
beschieden. Am Ende 1543 verließ er sein Vaterland, ohne
daß wir die Motive dieses Schrittes ganz klar sähen.
II.
Postells innere Kämpfe bei den Jesuiten und seine
apokalyptisch gefärbte, national-synkretistische Eingaben
an das Konzil zn Trient.
Sein Vaterland verlassend, ging Posteil (zu Fuß) nach
Rom und schloß sich dort der neugegründeten Gesellschaft
Jesu an 8 ). Es ist anzunehmen, daß er seiner Zeit von Loyolas
berühmtem Gelübde am Montmartre mit Interesse vernommen,
zumal ja sein Streben mit dem des Ignatius, der ja eben¬
falls in Paris, gar auf dem neuen Colleg studiert hatte, in
vielen Punkten verwandt war. Es blieb aber nicht bei einer
theoretischen Verwandtschaft. Beide hatten bereits zu Missions¬
zwecken eine Reise nach dem Orient Uber Venedig unter¬
nommen. Während nachher Postell an dem College des Lom-
*) Adelung sagt (a. a. 0. 118) nach seiner Art: Postell wäre
schon jetzt ein halber Narr gewesen, sei deshalb auf seine Ideen ver¬
fallen und habe deshalb Frankreich verlassen.
2 ) Dies alles erzählt nach Postells in der Nat. Bibi, zu Paris be¬
findlichen Apologie schon Sallier in Memoires de l’Acad. des Inscript.
Bd. XV. S. 814.
*) Schon nach Adelung (a. a. 0. S. 125) ist Postell zu Ignatius
gegangen, damit dieser seine Universalmonarchie durch Mission fördere,
danach hätte also Postell für seine Zwecke Ignatius gewinnen wollen.
Die Zeitbestimmung der Romreise schwankt zwischen 1543 und 44.
Bei Weills Annahme, Postell sei Ende 1543 oder anfangs 1544 von
Paris aufgebrochen, erscheint Fouquerais Entscheidung für 1544 über¬
flüssig. Übrigens ist das Datum für das folgende nicht von Belang.
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bards das Hebräische vortrug, hatte er Gelegenheit, die seit
1540 in Paris erscheinenden Sendlinge des Ignatins kennen
zu lernen. Ihre Bescheidenheit und ihr Arbeitseifer ergriff
den Lehrer so sehr, daß er öfter an ihren Übungen und Er¬
holungen teilnahm; und den beiden Brüdern, J. Domeneoh
und P. d’Aohille, das Glück unter ihrer Begel zu leben
pries. Doch hüteten sieb die beiden, ihn zum Mitleben ein-
^uladen: „& cause de certaines exag£rations“ 1 ).
Es waren den beiden Brüdern offenbar auch die großen
Differenzen zwischen Postell und Ignatius nicht unbekannt
geblieben. Postell ging von dem alttestamentlichen Gedanken
eines erwählten Volkes aus, und fand es — wie wir bereits
erwähnt — in seinem eigenen. Dessen Herrscher er¬
schien demnach selbstverständlich als ein Werkzeug Gottes,
■deshalb auch als der ideelle Herr der Welt. Er war ferner
überzeugt, wir sahen es, daß die letzten Zeiten sich nähern
und ihm die Aufgabe ohne sein Zutun zugefallen sei, dies
-zu verkündigen und die Menschheit zur Erwartung des bald
erscheinenden Herren zu sammeln 3 ). — Angesichts dieser
Tatsachen werden wir uns nicht wundern, wenn wir lesen,
daß Postell in den Orden nicht gut paßte 8 ). Trotzdem hat
es Postell an Versuchen und an Mühe nicht fehlen lassen,
sich zu fügen und bei dem Orden zu bleiben. Wir wissen
darüber folgendes.
Nachdem sich Postell in Rom bei dem Leiter der Ge¬
sellschaft gemeldet, legte er am 2. Juli 4 ) 1544 das Gelttdde
schriftlich ab, den Ignatius für seinen Praepositus an-
*) Fouquerai, a. a. 0. S. 143.
*) Vgl. o. S. 810ff.
*) Polancos Chronik (Uonnm. Soc. Jesu, Madrid 1894.
1. S.' 148/49) sagt darüber nur, daß P. sich als Noviz gemeldet hat
and zur „probatio“ augelassen wurde. „Sed cum spiritu, ut ipsi vide-
batur, prophetiae, ut autem Ignatius et alii de Societate jndicabant,
erroris multa sentiret, dieeret ac scriberet, quae nec vera, nec ad aedi-
ücationem et unionem cum Societate fovendam, facere viderentur,
fruetra remediis multis tentatis, dimissns est.“ Das Zeugnis, das ihm
Polanco ausstellt, ist sonst günstig: „Vir alioqui pins et moribus
bonis praeditus, si humilius et ad sobrietatem sapere, et suum judi-
«ium in obsequium fidei ac obedientiae captivare didicisset:“
4 ) Octavo Nonis Juliis. Mon. Ign. 4 S. 708.
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erkennend, und bestätigte es nachher in den Hauptkircheu
Roms 1 ). Schon am 10. Mai 1545 haben Salrneron, Lhoost
und Ugoletto, offenbar von dem Orden damit betraut, über
ihn ein Gericht gehalten und die Sentenz gefällt: „il suo
spirito et prophetie ci pareno illusioni manifeste del demonio“,
und sprechen dabei den Wunsch aus: „che lui fossi rimuosso
et separato de simil[i]cose“. Am 1. Oktober desselben Jahres
widerruft Postell und verspricht Gehorsam 9 ). Im Dezember
versprach er auf zwei Jahre, mit Ignatius „d’uno medesimo
giudizio“ zu sein. Schon nach einem Vierteljahr, Februar 1546,
verdammte er ausdrücklich „illas inspirationes, quae mihi jam
ab anno uno maxime, et supra, tarn in interpretatione scrip-
turae, quam in privatis revelationibus, sunt suggestae, als
tentationes“ in einer eigenhändigen Erklärung 8 ).
Darauf hat ihn der Vikar der Stadt, Philippus Archintus
vorgenommen 4 ). Ihm hat Postell seine Ergebenheit an die
katholische Kirche beschworen: den Gedanken an eine be¬
sondere persönliche Mission wolle er lassen und auch in
der Zukunft sich bemühen, ähnliche Gedanken aus seinem
Gemüt zu bannen und werde niemandem solches mitteilen;.
er sei bereit, auf Wunsch öffentlich Abbitte zu leisten. Darauf¬
hin beschließt der Vikar „ne abscedat ex domo vestra, atque
illum restituo ad omne altaris mynisterium, ut prius, et
quanto minus de iis verba fiunt, laudo“ 5 ).
Aus diesen Schriftstücken ist deutlich, welch großen
Kampf Postell mit sich geführt. Er hatte inspirationes (Ein¬
gebungen), die den Ordensgenossen ebenso verwerflich
x ) In diese Zeit versetzt Fouqueray (S. 144, 145) Postells Emp¬
fehlung der Jesuiten an Nicol. Fsaame in Frankreich vgl. MS. lat. Bibi.
Nat. Paris. 8585, 36, bei Weill App. I. S. 112—114.
*) Mon. Ign. 4 S. 710.
*) Daselbst S. 711.
4 ) 2. Juli 1546 meldet Faber an Canisins (von Born nach Köln), daß
Postell der „vix quemquam sibi parem habere hoc saecnlo existi-
matur“ sich der Gesellschaft als Koch znr Verfügung gestellt hat,
und als künftiger Prediger des Herrn es als Vergnügen empfindet, in
den niedrigsten Geschäften verwendet zu werden. Vgl. 0. Brauns¬
berger, Korrespdz. des Canisins. Freiburg 1896 I. S. 192.
6 ) Diese Sentenz des Vikars trägt leider kein Datum. Nach
dessen Unterschrift liest man: Ita volo. G. Postell. Vgl. Mon. Soc.
Jes. IV S. 711.
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schienen, als seine Schrifterklärung und der Gedanke von
einer höheren Mission, and zwar besonders seit dem Jahre
1544. Nähere Details fehlen wohl in den amtlichen Schriften
des Ordens, aber wir wissen es anderwärts, welche Fragen-
es sonst noch waren, die er gegen den Willen des Ordens
behaupten wollte. Wir wissen es aus mehreren authentischen
Quellen, daß Postell in dem Kampfe unterlegen ist. Nachdem
er etwa 20 Monate im Orden gelebt, mußte er aus ihm
scheiden.
Hatte er schon in seinen Apodixeon behauptet, daß
er vom Heiligen Geist getrieben spreche, so war ihm
die von Ignatius geforderte Unterordnung und Gehorsam
gegen die Leitung der Gesellschaft an sich nicht leicht.
Das, was man ihm als Irrtum vorhielt, war vor allem
die Auffassung vom Verhältnis der weltlichen und der geist¬
lichen Macht im allgemeinen, dann die Betonung der Supre¬
matie des Konzils über den Papst, namentlich aber die
Forderung, der König von Frankreich müsse, um Roms Ver¬
derbnis zu beseitigen, in Frankreich ein neues Konzil ein¬
berufen und einen neuen Papst wählen lassen. Es blieb
dann nichts übrig, als daß Postell, der, wie wir vernehmen,
unterdessen zum Priester ordiniert worden war, sich füge
und die bereits erwähnte Konsequenz ziehe.
Über die Feindseligkeit des Ordens gegen Postell erfahren
wir nach der Lösung des Verhältnisses häufig, ebenso, daß
dieser, obwohl von den Jesuiten angefeindet, seine Sympathie
zu ihnen auch später nicht verleugnet hat. Übrigens hatten
die Jesuiten Verständnis für seine Person, und es waren
seine Lehren, mit denen er nicht mehr zurückhielt, weshalb
sie ihn auch später verfolgten, und zwar, wie wir sehen
werden, ohne persönliche Verbitterung.
Denn die meisten rein kirchlichen Fragen, in denen er
von Ignatius ab wich, harrten ja erst der Entscheidung. Daß
die Kirche einer Reform bedürfe, war ja den Besseren auch
früher, und auch dem eben herrschenden Papste klar, und
nicht nur ihm. Hervorragende kirchliche Würdenträger hatten
schon vor Jahren Pläne einer Verbesserung der kirchlichen
Zustände ausgearbeitet, der Papst bemühte sich unentwegt
um ein Konzil, das die religiöse Frage Deutschlands, die
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allmählich za einer europäischen geworden war, löse, und
die von allen Seiten ertönenden Klagen verstummen lasse.
Basch wechselten die Zustände und die Stimmungen in
den fahrenden Kreisen der Christenheit. Zur Zeit, wo Fosteill
aus dem Orden schied, haben die beiden sich bekämpfenden
Herrscher Westeuropas sich versöhnt, um ih^e Waffen gegen
«die Häresie zu wenden. Der Papst und der Kaiser schlossen
ein Bündnis zu dem Kampfe gegen die Gegner des Reiches
und der Kirche. Als eine Krönung des Werkes sollte das
so oft anberaumte Konzil nunmehr auch einberufen werden
und zustande kommen.
Bald zeigten sich freilich auch die Differenzen inner¬
halb des Katholizismus, so besonders auch in den Interessen
der Machthaber. Der Kaiser will die Einheit des Reiches
und fordert Zugeständnisse von Rom fttr die Evangelischen,
•die Kurie will die Überlieferung, auf der sie selbst ruhte,
vor dem Ungestüm der Reformer retten. — Während dieses
Umschwunges hielt sich Postell eine Zeit lang außerhalb des
-Ordens noch in Rom auf, war aber schon anfangs 1547 in
Venedig.
Trotz der Anfeindungen des Ordens, die vielleicht auch
zu kürzeren Verhaftungen geführt haben 1 ), hat er sich aber
auch in den höheren kirchlichen Kreisen ein Ansehen er¬
worben und es fehlte ihm auch an Verbindungen nicht.
War auch vieles von dem, was er schrieb und predigte, be¬
denklich, so ist es ja auch bei zahlreichen andern Propheten
•der Kirche nicht anders gewesen: seine Opferwilligkeit, sein
Eifer fttr die Kirche, seine Gelehrsamkeit und sein asketischer
Wandel forderte auch von seiten der Gegner Respekt für ihn.
So wird es uns erklärlich, daß er, als das Konzil seine Be¬
ratungen begonnen, im Geiste mitarbeitete. Hatte er ja gegen
die Gesellschaft Jesu den Vorrang des Konzils verfochten!
Freilich interessierten ihn nicht so sehr die Lehrfragen, durch
«deren Entscheidungen das Konzil in seinen ersten Sitzungen
•die Reformation verurteilt hat. Er schaute viel weiter hinans!
Von Venedig aus, wohin er von Rom schon um 1546 ge¬
zogen war, hat er dem Konzil die Naohrioht über eine
*) Vgl. Postells Brief an Masins v. 22. Jan. 1547 bei Chaufepiö III
8. 219 Anm.
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bereits dem Drnck übergebene Schrift „de restitutione
humanae naturae“ unterbreitet „impnlsns lnmine, qnod nnlla
•creatura refngere potest“, damit es diejenigen, die im Kon¬
zil das Wort haben, kennen lernen. Und zwar habe er dies
der Sicherheit halber unterbreitet, weil er die Ansicht der
Kirche auch in einer Frage hochhalte, die „simpliciter pro-
poni, ut coelitus advenit, poterat“ 1 ).
Die Schrift, die noch von Born nach Basel an den Buch¬
drucker geschickt worden war, war noch mehrere Jahre
nachher vorhanden, ob sie noch irgendwo zu finden ist, kann
ich nicht sicher sagen. Über ihren Inhalt sagt Postell selbst
folgendes.
Fs war „opus iustae magnitudinis, quod inscribitur,
Abscoudita a constitutione mnndi, De naturae humanae
restitutione, in eam conditionem quam ante peccatum habebat,
nunc adfutura in inferioribus cum magno foenore: in quo
haec continentur, Clavis scripturarum, qua ad interiora itur
velaminis: Ostiam apertum aeterni mysterii: Septem Sigillorum
.libri ab agno aperti reseratio: Evangelion aeternum, seu
naturae et gratiae conjugium: ad Consilium divinitus coactum
ubivi8“ 2 ).
Es ist nicht ganz klar, ob Postell dies Werk auch in
Handschrift an das Konzil eingereicht hat, oder ob er den
Druck abwarten wollte, um es dann erst der heiligen Ver¬
sammlung zu widmen. Jedenfalls ging der Druck nicht so
vor sich, wie Postell es sich gedacht. — Unterdessen war es
mit dem Konzil selbst zur Krise gekommen, es wurde durch
den Papst nach Bologna verlegt. Da fand sich unser Autor
irgendwie veranlaßt, Uber seine mit der Schrift verbundenen
Absichten die in Bologna beratenden Väter aufzuklären.
ln einer Satisfactio und Retractatio für die Schriften
„de Naturae humanae instauratione tarn in magno opere quam
*) Vgl. Schweizers Artikel a. o. a. 0.
*) Diese Angabe verdanken wir dem für ans sehr wertvollen
Verzeichnis Postellscher Schriften, das er selbst für die von J. Simler
besorgte Ansgabe der Epitome Bibliothecae Conradi Oesneri vor 1555 ab¬
gefaßt hat (vgl. C. Gesners Vorrede zu den Bach). Das oben angeführte
Exemplar schließt mit den Worten: „über nondnm editns, extat apnd
Jo. Oporinnm, Basileae: aliquando in lucem edendus, cnm Deus voluerit.“
Archiv für Beformationsgeschichte IX. 4. 21
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ia appendicibus ejus“*) versichert der vermutlich unterdessen
von neuem angegriffene Verfasser das Konzil, daß er, obwohl
seiner Sache völlig sicher, für seine Ansichten die Appro¬
bation der Kirche anstrebe, denn in einer Häresie möchte er
nicht bleiben. Der Buchdrucker habe in der Sache nicht
ganz im Sinne seiner Intentionen gehandelt. Alles unter¬
werfe Cr dem Urteil der Kirche, beanspruche aber für sich
die Freiheit, in theologischen Fragen außerscholastische
Bahnen wandeln zu dürfen. Die Autorität habe nur Wert,
wenn sie von der Kirche erläutert wird. Er habe seine
Wahrheiten „contemplatione veri magis“ erreicht und halte
sie für so evident, wie 2X2 = 4. Er beziehe sich auf das
früheste Christentum zurück, denn dem Adam hat sich der¬
selbe Gott, wie später, geoffenbart. — Also ein Übertrumpfen
der zu den Ursprüngen des Christentums zurückrufenden
Reformation!
Zunächst verteidigt Postell seine Lehre von der anima
Christi mit der Ansicht der Juden, Ismaeliter, als eine natur¬
gemäße. Dann, daß die in Adam genossene Frucht ein Typus
des Sakraments gewesen sei: eine ihm geoflfenbarte Wahrheit,
wie er dies im aeternum evangelium 2 ) mit Hilfe der Natur
nachweist. Ebenso verteidigt er andere noch abenteuerlichere
Anschauungen: aber alles empfiehlt er als bereits alt herge¬
brachtes und ist bereit, das, was sein persönliches wäre, zurück¬
zunehmen 8 ). — Die Unredlichkeit des Druckers Oporinus,
über die Postell in dieser Eingabe klagt, erklärt sich einfach.
Oporinus erschien das ihm an vertraute große Werk zu umfang¬
reich, und wohl als Probe hat er zwei kleinere Schriften, die als
Anhänge des Werkes gedacht waren, veröffentlicht, und da¬
durch Uber die Vorschläge des Verfassers auch die große
Öffentlichkeit aufgeklärt, obwohl dessen Name dabei über¬
haupt nicht 4 ), oder nicht in wahrer Form genannt wurde 6 ).
— Diese beiden Schriften erfordern von uns eine aus-
’) Veröffentlicht von Schweitzer a. o. a. 0.
*) Zwei Kapitel dieser sonst unbekannt gebliebenen Schrift ab'
gedruckt bei der Pantbenosia S. 133 ff.
*) Vgl. Schweitzer a. a. 0.
4 ) So auf dem Titelblatt der abscond. clavis.
5 ) So in der Panthenosia.
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führlichere Würdigung, und zwar nicht bloß deshalb, weil
Postells Eingabe von ihnen spricht.
Die erste enthält einen Hinweis auf den Zweck schon in
ihrem Namen: Panthenosia, und tritt demnach als Seiten¬
stück zu seinem von uns ausführlich besprochenen großen Werke
OTConcordia vor den Leser. Es handelt sich um eine Ein¬
heit in den ewigen Wahrheiten (oder Wahrscheinlichkeiten —
heißt es im Titel selbst), die er nicht nur zwischen den ver¬
schiedenen Religionen der Gegenwart, sondern auch in der Ver¬
gangenheit schaffen will. Er trägt hier den Namen Elias
Pandocheüs, nennt sein Wort „tubae penultimae stridor“, und
fügt hinzu: „Solus erit Iudex, qui meliora dabit.“ In den
ersten Kapiteln zeigt er seine uns schon aus den letzten
Pariser Arbeiten bekannte Legitimation zu solchem Plan:
es rede nicht er selbst, es rede Christus aus ihm. Er weist
auf ähnliche Beispiele der Geschichte hin, besonders auf den
Apostel Johannes. Sein Ziel ist, Jesum zu restituieren, bzw.
seine Glieder zu sammeln, und zwar bei Beobachtung der
Vorgänge in der Natur, feststehend in der unabänderlichen
Wahrheit. Gab es schon im alten Bunde abweichende An¬
sichten, so wurden sie geduldet, niemals wurde gegen sie mit
Excommunication gekämpft.
Die Restitution vollzieht er ideell gleich, indem er a 11 -
gemeingültige Wahrheiten zusammenstellt*). So
zunächst über Gott. Gott ist Ursache des Alls, an sich un¬
begreiflich, unendlich, unbeweglich, unveränderlich, obwohl
allmächtig handle er nicht nach seiner absoluten Macht,
sondern nach der von ihm festgestellten Ordnung, zum Ziele
aber hat er seiner Schöpfung das erhabenste, sich selbst,
gestellt. Über die Natur lehrt der Verfasser: nichts kann
von sich selbst entstehen, alles Geschaffene ist endlich und
faßbar, das Materielle wird von außen bewegt, aber seiner
Natur nach, scheinbare Unordnungen finden sich nicht in der
„primigenia rerum compositio“, ein gewisser Geist be¬
herrscht alle Dinge ihrer Natur nach durch Zeit, Ort und
Bewegung. Nach diesen kosmologisch-ontologischen Thesen
kommen einige Wahrheiten über das Heil oder das höchste
Gut. Das vornehmste ist, was von Natur alle anstreben;
*) Von mir abgedrackt im Th. Camp. usw. S. 84 Anm. 4.
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da aber die Natur keine Vollkommenheit in sieh bat, so
teilt sich dies Heil als Strebens- oder Sehnsuchtsziel allen
Wesen mit, den Engeln ebenso wie den Menschen. Für den
Menschen muß dies Heil Anfang und Ende sein, anwendbar
dem Körper und dem Geist in gewisser Übereinstimmung
mit anderen Dingen und es muß durch unsichtbare Art der
Liebe mit uns vereinigt werden.
Dies die Grundaxiomen Postells. Man kann ihre Zu¬
sammenstellung keine hervorragende Leistung und keine
fruchtbare Errungenschaft nennen: eine Überwindung der
Differenzen bedeutet die neue Wahrheit nicht, und zwar
weder in der rationalen Theologie noch auch in der Ethik.
Die Atomisten werden die Kosmologie wie auch die Sätze
von der Natur zurückweisen, und die mystische Erfüllung
der Geschöpfe mit dem Heilsgedanken, vermittelt durch die
Liebe, ist eine nicht ganz neue Mythe. Es gehörte ein Ver¬
kennen der Geschichte mit ihren Kämpfen und abenteuerlichen
Phantasien Uber die Zukunft dazu, wenn man solche Theorien
als eine Grundlage für die geistige Einheit der Menschheit
aufstellen konnte. Und doch bezeichnen die Sätze einen
wichtigen Fortschritt auf der von Postell betretenen irenischen
Bahn. Was in der OTC ein vage Erörterung war, ist hier
in einer Anzahl von Sentenzen klarer formuliert, zu der
ratio, auf der der intellektuelle Teil der Religion ruht, tritt
nun die Liebe als die eigentliche Trägerin des Heils, freilich
auf eine Weise, die eine Beschränkung der Vernunft be¬
deutet. — Die Metaphysik der beiden ersten Kapitel erhält
so eine Ergänzung, die den Bedürfnissen der Religion ent-
gegenkommen kann. Freilich ist all das, was er hier zu¬
sammengebracht, allzu abstrakt, und es ist fraglich, ob des¬
halb, weil es eine Konstruktion ist, oder ob deshalb, weil
das eigentlich, wahrhaft Religiöse an Geschichte anknüpft,
aus der Geschichte lebt, die in abstrakte Schemen nicht
leicht zu unterbringen ist. Trotzdem ist es als praktische
Irenik ebensowenig wertvoll, wie es außer Zweifel die, aller¬
dings tiefer begründeten, späteren Versuche antizipiert, die die
Religion vereinfachen, bzw. in ihrer ursprünglichen allgemeinen
Form auffinden wollten. Dies sollte die Geschichte nicht mehr
vergessen1
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Seine eigentlichen Mittel kramt freilich der Verfasser
erst im folgenden ans. Anf die immerhin einigermaßen feste
Grundlage der allgemeinen Wahrheiten richtet er eine noch
weniger einleuchtende Theorie von der Weltseele, oder der
Seele des Messias anf. Gott — so meint Posteil — als
vollkommenes Wesen konnte die Welt, wie sie ist, nicht un¬
mittelbar erschaffen haben. Vor allem schuf er die Seele
des Messias, von dieser Seele stammt alles, wie das Postell
im folgenden einzeln nachweist Es ist nun die Pflicht dieses
selben Messias, alle Geschöpfe zu Gott und Seligkeit zurück-
zuftthren, indem sie vom Satan und der Sünde befreit werden.
Zu der Seligkeit gehört auch die Wiederherstellung der Ein¬
heit der Anschauungen in den Fragen, die durch die allgemein-
gültigen Sätze nicht berührt wurden. Die Versuche, die da¬
mit Postell anstellt, zeigen, daß er sich diese Aufgabe recht
harmlos vorgestellt hat Auch die positive Darstellung seiner
Ansichten kann auf keine besondere Wertschätzung Anspruch
erheben, interessant sind vielmehr nur einige praktisch¬
kritische Bemerkungen: so „de censurae virtute“ (Kap. XXVI);
„de primatu concilio et clave“ (Kap. XXXI), hier tritt er für
eine ökumenische Kirche in Jerusalem unter Christo ein;
da der Papst sich dagegen ausgesprochen, so sei er der
Antichrist. — Besonders auffallend ist die hohe Wertschätzung
des Mohammed, den er als einen Propheten im Sinne des
Paulus bezeichnet, wie solche etwa bei den Christen Methodius,
Merlin, Joachim, Birgitta, Catharina waren. Bald darauf wird
auch die Kabbala zum Beweise dessen, daß es im Alcoran
viele Mysterien gebe, erwähnt und das Verhältnis zwischen
Abraham, Isaak und Israel gekennzeichnet 1 ). — Es naht
aber ein Ende aller Streitigkeiten, und es wird mit Taten
gekämpft werden; — deren Ausgang ist das letzte Kapitel ge¬
widmet. Rom mit seinen Anathemen hat abgewirtschaftet,
jeder wird ohne Rücksicht auf seine Konfession von Gott
angenommen werden, Christus blickt nicht auf den Irrtum,
sondern auf die Intention.
>) S. 112. Hier begegnen wir anch die von Postell öfters an¬
geführten Stadien: lex natnrae, lex scripta, lex gratiae, die später
die Grundlage der Föderaltheologie (des Coccejus) bilden. Auf diese Ver¬
wandtschaft mit Coccejus, die auch später noch erwähnt werden wird,
hat schon Ittig verwiesen.
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Die Schlußaufforderung knüpft jedoch nicht an Christum,
vielmehr an die eingangs besprochene Weltseele an,
wenn er sagt: „Seien wir alle Jesuaner, wir wünschen und
nennen als Genossen die Juden und die Ismaeliten ... die
ganze menschliche Natur.“ Wie in den oben skizzierten
allgemeinen Wahrheiten, so fehlt auch in den Schlußworten
der Schrift das spezifisch christliche, und das Christentum
erscheint den übrigen Religionen, besonders der jüdischen
und mohammedanischen, höchstens koordiniert. Besonders
scharf wird Rom mitgenommen, an dessen Stelle ein orienta¬
lisches Zentrum der Menschenverbrüderung verkündet wird.
Das Einheitliche, an das sich all das Bunte reiht — ist die
Natur, noch näher, die restituierte Menschennatur, sie wird
bald die von so vielen sehnsüchtig ersehnte Einheit des
menschlichen Geschlechtes erbringen.
Man muß staunen, daß der Verfasser so eine Schrift an
das Konzil gerichtet, auf dem Roms Legaten präsidierten und
daß er in einem der Legaten gar einen Protektor gefunden.
Noch mehr bezeichnend sind die letzten Seiten des Büchleins,
die, weil sie frei geblieben waren, der Typograph dazu be¬
nutzt hat, um aus Postells sonst unbekannt gebliebenem Werk
„Evangelium aeternum“ zwei Kapitel mitzuteilen, die direkt
Rom als Hindernis einer Reform bezeichnen, das, als Babylon,
fallen müsse und mit dem man keinen Frieden eingehen könne
— solange Birgittas Prognosticum nicht erfüllt wird 1 ).
Das zweite Programmwerk „Absconditorum Clavis“
enthüllt die verborgenste Zukunft. Hier spricht der Verfasser
nicht unter seinem Namen, die spätere Ausgabe sagt von
ihm: „ex divinis decretis exscriptor.“ In den einleitenden
Kapiteln belehrt er den Leser, daß die restitutio Christi ihr
Ziel noch nicht erreicht hat, weshalb sie jetzt pro extremo naturae
remedio zu erwarten ist. Dies ist die Einverleibung Christo
im Sinne des Jesuanismus der Panthenosia. Indem die
restitutio die Vernunft zur Wahrheit anleiten wird, werden
alle in den Besitz des rechten Glaubens gelangen. Grund¬
lage für diesen rationalen Glauben ist die bekannte Deu¬
tung der Trinität, und namentlich die Lehre von der Seele
Christi. Nachdem dann die folgenden vier Kapitel die
J ) S. 142—143.
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Hauptfragen der Christologie nnd Anthropologie erörtert
haben, gelangt P. zu dem Hauptthema der Schrift: zum Ge¬
richt, zur Betrachtung der höchsten Vollkommenheit nnd zn
deren Bedingnng, der commnnio perfecta, zur Notwendig¬
keit eines Mittlers nnd zn der Anferstehnng. Ein letztes
Kapitel enthüllt uns den Sinn der ewigen Disposition, indem
der Verfasser entsprechend den Bestandteilen in Christo
vier Zeitalter der Kirche unterscheidet, und dafür ans dem
Alten und Neuen Testament zahlreiche Beweise erbringt.
Die vier „considerationes“ Christi entsprechen den vier
Zeitaltern der Kirche auf folgende Weise. In der ersten
wird er als die ewige Weisheit Gottes gedacht. Die zweite
gilt von seiner Seele, als von einer Weisheit, die vor allen
Dingen geschaffen nnd mit der göttlichen vereint worden
ist; die dritte als von dem menschgewordenen Gottessohn.
Die vierte denke ich wörtlich wiedergeben zu müssen 1 ): „At
in qnarta omnia cnmnlantnr, in qna est snb sancto sacra-
mento ecclesiae Mariae et dei filius, eo modo, quo se ipsnm
«ommnnicare suis creaturis potest, modo et sibi et illis conve-
nientiori. Sicut enim est ipse Panis vitae, verbumqne Dei,
omnia spiritnaliter alens, et conservans in Hominnm gratiam:
ita non potnit majns de se specimen edere, qnam snb specie
Panis et Vini realiter et vere seipsum membris sibi incorpo-
randis inserere: nt qni illum in se fide, fame, ardore, sni
nndi, illo vestiti, recipiunt, omnino in enm mutentnr, et illi
adnectantnr, sine qna insitione nulli est perfecta salus. Hoc
«st quartae aetatis ecclesiae foelicitas, et Convivium
omnia uniturum.“ Es erfolgt also eine Verchristung
der Menschheit, die Postell an dem von ihm so oft besprochenen
Geheimnis des Abendmahls beleuchtet.
Zum Schluß folgen einige Nachweise aus dem Alten
Testament über die Art und die Zeit dieser Vollendung des
vierten Zeitalters, die, wie schon eine Pariser Schrift ver¬
kündet hatte, nahe bevorsteht 2 ).
Die Väter des Konzils, die gerade eine Spaltung ihrer
von Postell prinzipiell so hochgehaltenen Versammlung hinter
sich hatten, konnten diese henotischen Träume ebensowenig
l ) Absc. clav. hgeb. von Abr. Frankenberg. Amsterdam 1646. S. 48.
*) Das. S. 47-73.
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für höhere Botschaft erkennen, als die. abenteuerlichen
Spekulationen, die in den beiden von Oporin heraus¬
gegebenen Schriftlein enthalten waren. Es ist freilich frag¬
lich, ob ihnen jene Schriftlein schon damals bekannt ge¬
worden sind. Aber den Jesuiten, die bereits in Trient, be¬
sonders bei der Verhandlung des Justifikationsdekrets eine
Rolle gespielt haben, waren die eben erwähnten Phantas¬
men schon aus Postells Zugehörigkeit zum Orden gut be¬
kannt geworden. Es bedurfte jedoch nicht einmal des An¬
sehens eines Lainez, damit die Postellsche Satisfactio und
Retractatio ihren Zweck verfehlte.
Nicht entmutigt oder wankend gemacht, beschließt
Posteil, die im großen Opus enthaltene Botschaft in einer
neuen Schrift zu wiederholen. Er will den Vätern von
neuem das Herannahen der letzten Zeit verkündigen und
die Kirche an die Notwendigkeit der renascentia erinnern.
Er habe diese Verkündigung als seinen Beruf von Christo
erhalten, und faßte den Gedanken, das, was er schon vor¬
hin geschrieben hatte, dem Konzil etwas kürzer vorzulegen.
Er versieht die so entstandene Schrift „de nativitate
mediatoris ultima“ mit einer Widmung an die Väter,
in der er sie von neuem zum Aufrichten jener Ein¬
heit mahnt. Wie wenig Beifall auch die Schrift unter de»
Konzilvätern gefunden haben mag, so hat man die Widmung
als ein Zeugnis hohen Sinnes schon früher erkannt und an¬
erkannt. Nach diesem Schriftstück ist die Grundlage, auf
der eine, jene renascentia aufnehmende Einheit unter den
Menschen geschaffen werden könne, die Herrschaft der Ver¬
nunft ohne Autorität, — bei der dadurch herbeigeführten Frei¬
heit ist Bann und Fluch antiquiert, was die Väter selbst durch
Tat beweisen mögen x ). Freilich sei das Konzil selbst weit da¬
von entfernt, ein ökumenisches zu sein, es fehlen viele Nationen
daran. Er empfiehlt nochmals die durch das Heilige Abend¬
mahl genährte natürliche Vernunft als Leiterin der Natur
und wiederholt zum Schluß: „. . . haec scripta . . . nostra
non sunt, sed Christi, sensibiliter in nobis Evangelium suum
exponentis“ ... Er unterzeichnet sich aber „Inutile ser-
J ) Buddeus sagt hierüber (Obs. Halens. I 357): „Usus profecto
hic est Postellus tanta libertate, quae in animum mediocrem non cadit“.
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vorum Dei mancipium“, ferner mit dem Pseudonym der
Panthenosia Elias Pandochaens.
Auch die übrigens ziemlich umfangreiche Schrift „de
nativitate Mediatoris ultima“ tritt zunächst für den Rationalis¬
mus in den Glaubenssachen ein. Besonders in den Bekennt¬
nissen müsse es „ratio“ geben, die allen mit Vernunft Aus¬
gestatteten genüge. Aber noch mehr als sonst wird hier
zur Stärkung unserer rationellen Tätigkeit das Heilige Abend¬
mahl empfohlen, dessen Genuß uns unglaubliches Licht bietet*).
Die Darstellung dieser vernunftmäßigen Erkenntnis beginnt
wiederum mit Christo, als substantia substantiarum. Christi
eigenen vier Naturen entspricht in dieser Welt: terra, caelum,
aqua, aer. Das Feuer aber ist der Geist, der in ihn von den
Personen der Gottheit geflossen ist. Indem Postell diesen
Christum in dem Lauf des Werdens und der Geschichte
nachweist, unterscheidet er dessen mehrere Nativitäten; die
letzte steht bevor. Durch sie wird er in die ganze Natur
eindringen, so wie die Speise nur in ihren wertvollen Teilen,
in den Körper dringt, um ihn zu beleben. Ist Jesus der
Körper und die Materie des Universums, so ist Christus wie
dessen Form die Seele. Nachdem in der letzten Nativität
des Mittlers die früheren vereinigt werden, werden wir selbst
vergottet: Alles wird in ihm und er überall. Da unsere
Seele ein Teil der universellen Seele der Welt ist, so er¬
reicht sie die Unsterblichkeit in der eigenartigen, wenn auch
nicht neuen Form einer Apokatastasis 2 ).
Beurteilt nach dem so energisch betonten Prinzip
der Vernünftigkeit und Natürlichkeit, waren die von Postell
] ) S. 12. De vero cognoscendi modo, quo certissime ad summi
cognoscibilis veritatem veniatur.
S. 18. „Necesse est — ut in sacrosanctis axiomatibus, sed prae-
cipne in fidei articulis subsit talis ratio, quae Omnibus ratione praeditis
faciat satis.
„Certissimo modo per synceras notiones arte epagoges et syllo-
gismi in viam solius rationis deductas, et ab autoritatia ergaatulis
deductas, tandem eo unde decidimus in Adamo, repedabimus“, — indem
wir zugleich aus dem Abendmahl ein unglaubliches Licht erhalten.
*) Vgl. hierüber das Kapitel: „De Christi dilatatione in Universo
futura per hanc sancrosanctam Nativitatem, sicut est ab Initio' 1
S. 159 ff. — Die abschließenden Worte S. 168.
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vertretenen Doktrinen freilich ein wenig einleuchtendes Zeugnis
seiner von ihm behaupteten höheren Sendung, die letzte Zeit,
die Widerherstellung des Menschen zu verkündigen. Die
orientalistische Messiasidee, als Abschluß der chiliastischen Er¬
wartungen konnte schließlich gegen die Reformation als älterer
Zeuge angerufen werden, für die Konzilväter hatte sie wenig
praktischen Wert. Die Predigt der Toleranz war nach der
Neuaufrichtung der Inquisition ein Anachronismus. Und auch
zu der politischen Lage paßte sie nicht. Gewiß hat Fr. Buddeus
mit seiner von uns zitierten Sentenz Uber Postells Großmut recht,
und wir geben gerne zu, daß dieser in der Abmahnung von
Anathem und Index als kühner Vorbote neuer Zeiten und Ideen
erscheint, zumal wir sehen werden, daß dies bei ihm nicht
ein vereinzelter Einfall gewesen. — Aber sollte etwa der
Kaiser seine Beute freigeben, auf daß die Kämpfe von neuem
beginnen *)?
So haben die Schriften nur die Feindseligkeiten gegen
ihren Autor vergrößert. Die Jesuiten hörten nicht auf, ihre
Anklagen gegen ihn zu wiederholen, andere gesellten sich
ihnen bei 2 ). Man verbot ihm gar die Predigt in Venedig.
Da erschien es dem Verfolgten von neuem angezeigt, sich
zu rechtfertigen und er richtet jetzt an den Kardinal Cervino
und an „totius consistorii patres“ eine Apologia und
Postulatio. Er bittet aus drei Gründen gerade ihn um
seinen Schutz und seine Gunst. Er verweist hier auf die beiden
Punkte, wegen welcher er von den Jesuiten am ärgsten an-
.gefeindet würde, daß der König von Frankreich universi
imperator werden solle, und daß die „sedes ipsi Petro
Romae concessa“ nach Jerusalem zum Grabe Christi zurück¬
zuverlegen sei. — Nachdem er diese Punkte von neuem er¬
örtert, erklärt er, daß er sich dem Konzil, wenn es diese
Ansichten verurteilt, fügen werde, wie er sich auch dem Ver¬
bot des Predigens in Venedig gefügt habe, und bittet um
x ) Es ist bemerkenswert, daß diese bald so selten gewordene
Arbeit auch in Handschriften kursierte. Die E. öffentliche Bibliothek
zu Petersburg hat nicht nur eine Abschrift des Werkes, Lat. Ms.
Q. 1144, sondern auch einen Folioband, der Exzerpte aus dem vielfach
so eigenartigen Werke enthält, Ms. Lat. I 538.
2 ) Zu ihnen gehörte auch der Postell sonst wohlgesinnte Ambrosius
•Catharinus. Vgl. Schweitzer a. a. 0. S. 96.
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eine Stelle als Lehrer der Sprachen in Rom. Auch als
Bibliothekar wäre er gerne tätig, sich begntlgend mit einem
Solde, der nur für die Naturnotwendigkeiten ausreiche 1 ).
Diese Apologia hat auf den Legaten des Papstes, und
wenn er sie überhaupt weiter vorgelegt, auch auf die Väter
in Bologna, kaum einen Eindruck geübt und vermutlich,
ja höchst wahrscheinlich, hatten sich, seitdem P. sich in
Venedig aufhielt, die Anklagepunkte gegen ihn gehäuft.
Offenbar hatte er sich in Venedig ebenso wenig beherrschen
können, wie in der Gesellschaft zu Rom. R. Etienne erzählt
uns, daß Posteil auf dem Platze Rialto in Venedig an mehrere
eine Rede gehalten in dem Sinne, daß, wenn man eine gute
Religion haben wolle, man eine solche aus den drei vor¬
handenen, der christlichen, der jüdischen und der türkischen
zusammenstellen müsse, und daß besonders die türkische,
wenn man sie näher betrachte, viele Vorzüge habe 2 ).
Diese Rede, verglichen mit der eben besprochenen Apo¬
logie zeigt uns die Disziplinlosigkeit in Postells Geiste.
Hatten wir sie bereits früher gesehen, so haben wir aus
seinem Aufenthalt in Venedig einen neuen Grund zu ver¬
zeichnen, der sie wesentlich mehren und steigern mußte.
Es wurde allgemein bekannt, daß Posteil in Venedig
eine Frau kennen gelernt, in der er eine Art Mutter Gottes, jeden¬
falls ein höheres Wesen, erkannte und die er, mit einer be¬
sonderen Aufgabe in der eintretenden letzten Zeit ausstattend,
bald auch in den Gedankenkreis seiner Botschaft aufnahm,
ja ihr bald darin eine zentrale Stelle zuwies. Daß dies sein
Ansehen in Bologna nicht heben konnte, braucht nicht näher
bewiesen zu werden. Diese Tatsache ist aber auch sonst
von großem Interesse für unsere Untersuchung. Es tauchen
zwei Fragen auf und die beschäftigen die Forscher seit
*) Schweitzer a. a. 0. S. 104—106.
*) Vgl. H. Etienne, Apologie pourHerodot. A la Haye 1735
I S. 184: „Toutesfois ie ne sqay pas si entre les livres qu’il a voulu
estre imprimez, se trouvent des propos lesquels il a tenus une fois
ä VeniBe ä plusieurs, et ä moy entr’autres, en la place de Realte, a
sgavoir que pour faire une bonne religion il faudroit qu’elle fust com-
posee des trois religions, de la Chrestienne, de la Judaiqae, et de la
Turquesque: et que nommeement la religion des Turcs auoit de bon
points, si on la consideroit de pres.“
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langem: 1. seit wann datiert die Bekanntschaft mit diesem
Weib?, and 2., hat sie in Postells Geisteswelt and in seine
Predigt Neues gebracht und worin besteht dieses Nene?
Einstweilen wollen wir ans mit der ersten beschäftigen
and dabei die Frage mit berücksichtigen, ob denn nicht
schon die bisher genannten Schriften eine Spor oder Zeugnis
der neuen Bekanntschaft aufweisen.
Des Billon will die Bekanntschaft mit der Jeanne, so
(auch Johanna) hieß die Jungfrau von Venedig, ins Jahr 1546
setzen; so infolge der Angabe: die virgo sei, als sie Posteil
kennen gelernt, 50 alt gewesen; sie sei aber 1496 ge¬
boren. Ferner könne die in einem Brief P.s (22. Jan. 1547)
genannte Schrift de restitutione humanae naturae, die be¬
reits als zehn Monate vorher nach Basel geschickt erwähnt
wird, nur seit der Bekanntschaft mit der Johanna entstanden
sein. Daß Postell selbst für das Jahr 1547 zeugt, sei
nicht ein autobiographisch-historisches, sondern ein rabbini-
sches Datum. — Darum nimmt Des Billon (a. a. 0. S. 12) an r
daß die von uns bereits kurz charakterisierten Schriften
unter dem Einfluß der Johanna geschrieben worden sind.
Dagegen meint Adelung. (S. 128 Anm.), das Ms. De resti¬
tutione etc., das schon im März 1546 nach Basel geschickt
wurde, konnte nicht unter Johannas Einfluß stehen, aber
wohl die Absconditorum Clavis und die Panthenosia (das.
S. 137), ohne daß sie jenen Einfluß verrieten. Diesen habe
Postell erst 1547 der Welt kundgetan, indem er Johannas
Offenbarungen an Oporin geschickt hat.
Mit voller Sicherheit läßt sich das Datum der Bekannt¬
schaft nicht feststellen, da wir nicht wissen, wann Postell
Rom verließ. Sein Brief an Masius, Jan. 1547, ist schon
aus dem Krankenhause datiert, wo die Jungfrau die Kranken
pflegte: es ist nicht unmöglich, daß er sie schon 1546 dort
gesehen hat. Aber die von Adelung genannten Schriften
sind alle noch aus Rom, und zwar aus der Zeit seiner Zu¬
gehörigkeit zum Orden nach Basel geschickt worden, sind
also von der Jungfrau unabhängig. Auch die Schrift „de nati-
vitate“ verrät noch nicht unzweifelhaft die neue Wendung
in Postells Anschauungsweise, weshalb wir sie noch im Zu¬
sammenhänge mit der Restitutio erörtert haben.
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Von diesem ersten römischen venezianischen Aufenthalt
ist anhangsweise noch zu verzeichnen, daß er Posteil zwei
Freunde, zugleich Schüler in den semitischen Sprachen, be¬
scherte, die ihm, obwohl gut katholisch, ungeachtet aller seiner
Extravaganzen, treue Freundschaft bewahrten. Der eine ist
Masius 1 ), ein herzoglich clevescher Rat, dessen Briefwechsel
uns, wie fragmentarisch er nns auch erhalten, zahlreiche wert¬
volle Nachrichten über Postells Leben und Wirken erschließt.
Der andere, Widmannstetter 9 ), hat mit Postell kabbalistische
Studien getrieben, denen auch Masins nicht fern stand. —
Dieser letztere findet in diesen Studien 8 ) den Ursprung
der absonderlichen Lehre seines Freundes. „In Hebraeornm
penetralibus“ habe auch Masius mit Postell von der zweiten
Wiederkehr des Messias, von der Wiederherstellung der Seelen
gelesen, habe aber der Botschaft keinen Glauben geschenkt.
Im ferneren widerlegt Masius auch die sonstigen eigenartigen
Gedanken Postells mit Anlehnung an die Autorität der Kirche.
Masius sagt dabei nicht, ob Postell auch die Gedanken von
der zweiten Eva und von der Heilsbedeutung des weiblichen
Geschlechts aus der Kabbala geschöpft bat. Eine solche
Deutung der Masiusschen Sätze ist nicht ausgeschlossen, aber
auch nicht gefordert. Ein flüchtiger Blick in die Kabbala,
besonders das Buch Zohar, zeigt uns, — worauf wir noch ver¬
weisen werden — daß der jüdische Einfluß auch in diesen
Anschauungen anzunehmen ist.
Haben wir diesen Judaismus schon bisher vielfach ge¬
merkt, so werden wir ihn bei unserem Autor in der Folge
noch konkreter, noch anspruchsvoller auftreten sehen. Freilich
ist er nicht konsequent genug, und man erkennt gleich, daß
Postell nicht eigentlich das Judentum wollte, wie er es auch
seinen Freunden in Venedig gesagt hat. Aber jüdische Ge¬
danken und Reminiszenzen und Bräuche herrschen in seiner
Gedankenwelt immer mehr, in oft verblüffender Weise, vor!
*) Vgl. über ihn seinen Briefwechsel, hgeb. von Max Lossen.
Leipzig 1886.
*) Vgl. über ihn die Allg. D. Biographie.
8 ) Vgl. Lossen, Briefwechsel des Masius S. 162, Brief des Masius
vom 13. April 1555.
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Es möge noch erwähnt werden, daßPostells orientalistische
Gelehrsamkeit anch an der Knrie bekannt and gewürdigt
wurde. Darüber zeugt uns ein auch zeitgeschichtlich inter¬
essantes Ereignis. Im Jahre 1548 erhielt der Papst von einer
lusitanischen Matrone in verschiedenen Sprachen geschriebene
Briefe, und er betraute Postell, darauf chaldäisch und arabisch
zu antworten 1 ). Doch wäre es zuviel, daraus zu schließen,
daß der Papst sich mit ihm wirklich versöhnt hätte. Das
wäre angesichts der Panthenosia und der wiederholten Äuße¬
rung, der Papst sei Antichrist, auch beim besten Willen nicht
möglich gewesen. — Jedenfalls war die Bitte, die Postell
an Cervino gerichtet, man möge ihm eine Bibliothekar- oder
Lehrerstelle unter den bescheidensten Bedingungen verschaffen,
nicht erfüllt worden.
*) Postell: Les merveill. hist, des femmes Cap. VI. Auch bei
Weill S. 23.
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Beiträge zur Reformationsgeschichte
aus Drucken und Handschriften der
Universitätsbibliothek in Jena.
Mitgeteilt von Bernhard Willkomm.
II.
4. Eine bisher unbekannte Redaktion von Melanchthon»
Einleitung und Schluß zur Augustana.
(Schluß.)
Au! Grund dieser Vergleichung von Ja mit Na, die
eine weitgehende Übereinstimmung beider Stücke in Inhalt,.
Anordnung und Form ergeben hat, halte ich es für sicher,
daß Ja und Na von ein und demselben zum gleichen Zwecke
verfaßt sind, daß also Ja ebenfalls eine Einleitung Melanchthons
zur Augustana oder wenigstens der Entwurf einer solchen ist.
Da wir wissen, daß Melanchthon vielfach an der Augustana
geändert und daß er auch die Einleitung umgestaltet hat,
so ist es nicht auffällig, wenn sich mehrere Bearbeitungen
der Einleitung von ihm finden. Es fragt sich nur noch, in
welchem Verhältnisse die beiden Rezensionen zueinander
stehen. Ja ist etwas kürzer als Na; es verhält sich zu
letzterem etwa wie 3:4. Ja könnte also ein Auszug aus
Na oder Na eine weitere Ausführung von Ja sein. Die
erstere Annahme, Ja eine verkürzte Bearbeitung von Na,
stößt aber auf Schwierigkeiten, weil, wie wir zum Teil schon oben
sahen, Ja tatsächlich kein bloßer Auszug aus Na ist, sondern
trotz seines geringeren Umfanges doch manches bietet, was
in Na fehlt, z. B. bei den römischen Kaisern den Namen
Konstantinus, ferner die Zitate aus Augustinus, Gregorius
und St. Bernhard, ferner den Erlaß Papst Innocenz’ III, sowie
die Erwähnung der Reichstage zu Worms und Nürnberg,
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überhaupt die ganze Darstellung der Entstehung der Mi߬
bräuche in der Kirche. Dagegen wird die andere Annahme,
daß Na eine ausführlichere Bearbeitung von Ja ist, gestützt,
ja geradezu gefordert durch Melanchthons Notiz in dem
Briefe, den er ron Augsburg am 4. Mai 1530 an Luther
nach Koburg schrieb: „Ego exordium nostrae apologiae feci
aliquanto QYjToguwTegov quam Coburgi scripseram 1 ).“ Hier¬
nach batte Melanchthon also schon in Koburg mit der Um¬
arbeitung der Torgauer Artikel zur „ Apologie“ begonnen,
mindestens bereits eine Einleitung dazu geschrieben, die er
-dann nach seiner Ankunft in Augsburg rhetorischer ans¬
gestaltet hat Wenn nun Na diese rhetorischer ausgeführte
Einleitung bietet, so haben wir in Ja höchstwahrscheinlich
die in Koburg geschriebene Einleitung Me-
lancbthons zur Augustana zu sehen. Schon die aus¬
führlichere captatio benevolentiae zeigt, daß Na tatsächlich
die rhetorischere Einleitung hat, desgleichen der Abschnitt,
-der die Verteidigung Friedrichs (des Weisen) und Johanns
(des Beständigen) enthält, sowie die ausführliche Besprechung
der vorzüglichen religiösen Verhältnisse in Kirche und Volk
Kursachsens. Daß Melanchthon in dieser späteren Fassung
(Na) den Abschnitt Uber die Entstehung der Mißbräuche in
4er katholischen Kirche wegließ, erklärt sich wohl leicht
aus der Besorgnis, die zu starke Betonung der Mißbräuche
könnte bei den Gegnern Anstoß erregen. Ängstlichkeit und
Vorsicht haben ja Melanchthon überhaupt bei Abfassung der
Augustana die Feder geführt. Er war durchaus bestrebt,
die Abweichungen Luthers und seiner Anhänger von der
katholischen Kirche als möglichst geringfügig, dagegen ihre
Verschiedenheit von den Schweizern u. a», wie den Wieder¬
täufern, als möglichst groß darzustellen. Bekannt ist Luthers
Urteil vom 15. Mai über die Augustana, soweit sie damals
fertig und ihm zur Begutachtung zugeschickt worden war:
„Ich hab M. Philippsen Apologie uberlesen: Die gefället mir
fast wohl, und weiß nichts dran zu bessern, würde sich auch
*) C. Ref. II, 39. Näheres über die Entstehungsgeschichte der
Augustana s. bei Eolde, Historische Einleitung in die symbolischen
Bücher der evang.-lnth. Kirche. Gütersloh 1907 S. IV ff., zur Stelle
besonders S. VI.
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nicht schicken; denn ich so sanft und leise nicht treten
kann. Christus, nnser Herr, helfe, daß sie viel und große
Frucht schaffe, wie wir hoffen und bitten, Amen.“
In Ja war Melanchthon nun allerdings noch weit sanfter
und leiser getreten als in der Fassung der Einleitung, die
er Luther von Augsburg aus zuschickte: Da hat er ja, wie
wir bereits sahen, nicht einmal gewagt, bei Darstellung der
Entstehung der neuen Lehre Luther mit Namen zu nennen!
■Oder sollte dies wirklich zufällig, ganz ohne Absicht unter¬
blieben sein? Nun, wie dem auch sei, jedenfalls hat sich
Melanchthon selbst bald besonnen und es geändert, wie es
scheint, noch vor der rhetorischen Bearbeitung, die er in
Augsburg vornahm: denn wenn nicht alles täuscht, reiht
sich jetzt hier ein Blatt von Melanchthons Hand ein, das im
Weimarer Archiv auf bewahrt wird, in dem schon Eolde
(Die älteste Redaktion etc. S. 34) ein Bruchstück der Einleitung
vermutet hat, die Melanchthon „auf der Reise nach Augsburg
während des Aufenthalts in Koburg ausarbeitete“ 2 ) und das
seinem Inhalt und seiner Form nach zwischen Ja und Na
zu gehören scheint, da es sich sowohl mit Ja als mit Na
berührt, besonders mit Ja, mit dem es an vielen Stellen
wörtlich übereinstimmt.
Auch von diesem Stück, das ich mit Wa bezeichnen
will, findet sich in dem Jenaer Sammelbande Cod. msc. Bud.
fol. 2 eine Abschrift, die aber von anderer Hand als Ja aus
späterer Zeit stammt und einen modernisierten Text bietet.
Ich gebe im folgenden einen Abdruck von Wa nach Förste¬
mann, Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu
Augsburg im Jahre 1530 Bd. 1 S. 109—112:
Melanchthons Bedenken über Mißbräuche in der
katholischen Kirche.
(Eigene Handschrift des Verf., im Archiv zu Weimar Reg. E. Fol. 37 Nr. 2.)
f meniglich weyß, das viel grosser vnd schedlicher mis-
breuch In der Kirchen, christliche lahr vnd ander geistliche
Sachen belangend, lange zeytt gewesen. Darüber viel hoher
vnd treffenlicher leut vor diser Zeit seer geklaget haben,
wie sich K. M. gnediglich wirt wissen zu er-
*) Vgl. jetzt auch Gaßmann, a. a. 0.1, 1, S. 439 Anm. 24.
Archiv für Bcformationsgeschichte. IX. 4. 22
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inneru, das zu Worms auff ybr M. gehaltem,
reychstag solcher mißbreuch viel zusamen ge¬
tragen vnd yhr M. von stenden zugestaltt sind, So hatt
nachmals Bast [sic!] Adrianus durch eyn legate»
für des reychs stenden zu Noriberg meldung da von
thon lassen, vnd vertröst, gedachte mißbreuch, so vieL
möglich, zu endern vnd zu bessern.
vnd ist vnter andern mißbreuchen 1 ) der fnrnemst ge¬
wesen, das man fast In allen schulen, döstern vnd
kirchen wenig von haubtstuken christlichem
glawbens geprediget vnd gelart hatt, sonder
dem volk viel schedlicher lahr für tragen von
falschen gotsdienst, da durch die gewissen hoch vnd
seer beswert worden, vnd wurden menschliche Satzungen,
orden, heyligen dienst, walfarten, Indulgentien vnd
ander vnnötige vnd vntuchtige ding mehr vnd hefftiger ge¬
trieben zu verderbung der seelen, denn was das Euangelium<
leret 2 ), die gewissen zu trösten, dazu wurden teglich
newe misbreuch vmbs geniess willen, newe stiff-
tungen, newe misbreuch der messe, newe heylgen
vnd andere erdacht 8 ), undvbeten die mönch solchTyranney,
das nicht alleyn geringe leut, sonder auch
Bischöne [so bei Förstemann!] vnd andere prelaten dazu
mußten stiller sweygen, da durch-der gross vnwill erstlich
wider die mönch jn viel leuten erwachsen. Denn mann,
weyß, wie sich die Sachen von den Indulgentien erstlich
zu getragen haben, welche vrsach geben von allerley
mißbreuchen Zureden, denn da man solch vnchristlich
ding leret, wenn das geltt Ins becken fiel, so
füre die seel gehn himel vnd ander vnschickliche
rede viel, nicht alleyn zu wider göttlichem wort, sonder
auchBebstlichem rechten, hatt sich geburet, das pfarner
vnd prediger die leut von solchen Sachen vnter-
richten, denn ob schon 4 ) davon kheyn christ¬
licher vnterrichtwe yt er geschehen were, hetten
solch öffentliche lugen doch müssen vallen, vnd
were christlich religion In Verachtung khomen,.
*) vnter andern mißbreuchen] M. schrieb dafür zuerst: „vnter
andern bösen Ergerniß“, durchstrich aber diese Worte und machte
die obige Abänderung.
2 ) Nach „leret“ schrieb M. zuerst: „zu trost“, durchstrich es
aber dann.
8 ) An den Rand schrieb M. bei dieser Stelle: „das christliche
religion nicht viel andere gestaltt hatte, denn heydnische religion mitt
soviel heylgen vnd gottern vnd bauch gott“. Auch diese Bemerkung
hat M. wieder gestrichen.
4 ) ob schon] zuerst schrieb M. dafür: „so“.
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so gott Dicht rechte vnd bestendige lahr dagegen geben
hette 1 ). Als nuLnther dises vngeschickt predigen
vnd außschreyben von Indulgentien, wie ehr
schuldig gewesen, mitt eyner knrtzen lateinischen
predigt gestrafft hatt, vnd doch Bebstlieher gewaltt
allenthalb mitt allem vleys verschonet, haben
die Widersacher so hart vff yhn gedrängen mitt
lateinischen vnd tentschen schmeschrifften,
das ehr seiner meynnng grnndvnd vrsach hatt
müssen anzeygen. Darinn ehr von vielen grossen vnd
wichtigen Sachen solchen bericht gethan, wie man die
gewissen durch glawben an Christum trösten
solle, das viel gelarter vnd redlicher leut
seyn lahr für christlich®) vnd nöttige gehalden vnd
befunden, das man zu uor viel falscher vnd vnrechter lahr
von diesem stuk, wie man gnad vnd Vergebung der
sund erlangen soll, geprediget vnd geschriben hatt,
so doch dises stuk In der Christenheit die furuemist predig
vnd lahr seyn soll von der gnade Christj 3 ). So hatt auch
Luther erstlich 4 ) kheyne andere mißbreuch anruret 6 ), sonder
alleyn dieses haubtstnk getrieben, welchs furnemlich nott ist
zu wissen allen Christen. 6 )Aber die Widersacher haben
nicht abgelassen, sonder für vnd für widern Luther mitt
citira 7 ), Bannen vnd vnschicklichen schrillten gefochten, vnd
viel mehr 8 ) mißbreuch erregt, vnd durch yhr eygne vnschick-
licheyt 9 ) ynen selbs eynen solchen abfall gemacht, das enderung
ann viel orten gevolget, darinnen sich doch Luther also ge¬
halden, das ehr vntilchtige lahr vnd vnnötige Enderung vff
das heflftigest geweret hatt. Denn es haben auch vor
Luthern etliche andere nicht alleyn der geistlichen
leben, sonder viel dogmata angefochten, daraus viel
grosser vnlust gevolget wehre, so Luther
nicht geweret hette.
J ) so gott nicht — geben hette] dafür schrieb M. zuerst: „so
nicht — aussgereicht were“.
*) christlich] zuerst hatte M. „christlicher“ geschrieben.
*) von der gnade Christ]] zuerst hieß es: „von vordienst Christi
vnd der gnade“.
4 ) Nach „erstlich“ schrieb M. ursprünglich: „nicht gehandelt
oder geschrieben“.
s ) anruret] zuerst hieß es: „wollen anruren“.
*) Aber] diesen Satz fing M. zuerst also an: „vnd nicht“. Beide
Wörter hat er aber wieder gestrichen.
7 ) citirn] zuerst schrieb M. dafür „bullen“.
®) mehr] zuerst hieß es: „andere“.
•) Nach dem Worte: „vnschicklicheyt“ fuhr M. zuerst also fort:
„mit gemeynem“. Dieß ist aber gestrichen.
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1 Mit Na berührt sich Wa an folgenden Stellen, z. T.
wörtlich:
Wa. Na.
Dadurch die gewissen 7,5f.: die gewißen der
hoch und seer b es wert einfeltigen wurden teglich
worden. mit neuen aufsetzen be¬
schwert.
Dazu wurden teglich
newe milbreuch vmbs geniess
willen, newe Stiftungen, newe
misbreuch der messe, newe
heylgenvnd andere erdacht.
Vnd vbeten die mönch
solch Tyranney, das nicht
alleyn geringe leut, sonder
auch Bischöne[!] vnd andere
prelaten dazu mußten stiller
sweygen.
Als nu Luther . . . mit
e.yner kurtzen lateinischen
predigt gestrafft hatt, vnd doch
Bebstlicher gewaitt allenthalb
mitt allem vleis verschonet,
haben die Widersacher ...
mitt lateinischen vnd teutschen
schmeschrifften ...
. . . viel gelarter vnd
redlicher leut seyn lahr für
christlich ... gehalden.
Denn es haben auch vor
Luthern etliche andere nicht
alleyn der geistlichen leben,
sonder viel dogmata ange-
foehten, daraus viel grosser
vnlust gevolget wehre, so
Luther nicht geweret hette.
7,4 ff.: in den kirchen
erdacht man alle tag neue
gottsdinst, die gelt trugen,
neue weis die meß zu ver¬
kaufen, neue heiligen, neu
ceremonias, ablas on zal, neu
müncherey.
7,9ff.: sollchs klagt nit
allein der gemein man,
sonder aueh die bischofe
wie wol in geheim, dan
öffentlich dorft niemand da¬
wider reden, die weil die
munch also gewalticfclich in
der cristenheit auch über die
bischove regirten.
... widersprach Martinus
Luther ... in der schul und
nit vor dem volck auch on
alle schmäh und Verletzung
desbabsts. aber seine Wider¬
sacher ... ließen viel lester-
licher buchlein in beiderley
sprachen ausgeen ...
7,23: . . . und hetten vil
fromer und gelerter leut
ob seiner antwort ein ge¬
fallen.
7,34—8,2: Dan er dan
luther ichts geschriben, bett
sich schon allgereit allerlei
irriger und ergerlicher leer
angespunnen, welche vil be¬
schwerlicher neuerung und
eroberung in der Christenheit
verursacht hat, wo das durch
Luther nit Unterkonten wer.
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Mit Ja stimmt Wa an folgenden Steilen wörtlich ttberein:
Wa. Ja.
... wie sich K. M. gnedig-
lich wirt wissen zu er¬
innern, das znWorma anff
yhrM.gehaltem rey chstag
solcher mißbreuch viel zu-
samen getragen —
Daran wissenn die kay.
Mat sich genedigklich
zu erinnern wie vnnd was.._.
mißbrench auf Irer Mat
Erst gehaltenem Reichs-
tagk zu wormbs . . . zu¬
samengetragen. —
... So hatt nachmalsBast[!]
Adrianus durch eyn le-
gaten ... zu Noriberg
meldnng da von thon
lassen ... zu endern vnd
zu bessern.
... das man fast jn allen
schulen . . . wenig von
haubtstuken christliches
glawbens geprediget vnd
gelart hatt, sonder dem
volck viel schedlicher
lahr furtragen ...
. . . Indulgentien . . .,
welche vrsach geben von
allerley mißbreuchen z u
reden ... wenn das geltt
Ins becken fiel, so füre
die seel gehn himei . . .
hatt sich geburet, das...
die leut von solchen
Sachen vnterrichten, . . .
hetten solch öffentliche
lugen doch müssen vallen,
vnd were christlich re-
ligion In Verachtung
khomen, so gott nicht
rechte vnd bestendige
lahr dagegen geben hette.
Auch hat BabstAdrianus
der nechst durch aynen
legaten ... zu Nurmberg
vonn . . . meldung thun
lassenn ... zu anderenn
vnnd bessernn.
Das man fast an allenn
orten wenig von denn
hauptstuckenn Christ-
lichs glawbens gepredigt
vnnd gelert, sondern dem
volck vill schedlicher...
lehrenn ... furgetragenn
hat.
... Indulgentien ... das
domit vrsach gegebenn ist
wordenn vonn denselbigenn
vnnd dergleichen falschenn
lehrenn . . . zuredenn . . .
wann dasgeltlnsbeckenn
fielh, fihr die seelh . . .
alsbald gein hyme 1. Darumb
hat sich gebürt die leute
vonn solchenn Sachen
christlich zu vnterrichten...,
hetenn doch solche öffent¬
liche gotslesterung *) vnnd
darneben auch dye wahre
christliche Religion jnn
Verachtung kommenn
mussenn, So got aus ge-
nadenn ... darwider nicht
bestendige vnnd rechte
warhafftige lehre gebenn
hete.
*) Hier scheinen einige Worte vom Abschreiber ansgelassen
worden za sein, wohl etwas Ähnliches wie: „müssen fallen“, das Wa
bietet. Vgl. diese Zeitschr. 1912 S. 255.
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Als na Lather dises vn-
geschickt predigen vnd
außschreyben von Indul-
gentien . . haben die
Widersacher... gedrän¬
gen.
. . . wie man die ge¬
wissen durch glawben
an Christum trösten solle,
das viel gelarter vnd
redlicher leut seyn lahr
für christlich . .. gehalden
. . . wie man gnad vnd
Vergebung der sund er¬
langen soll ...
Als sich aber nhun et¬
liche . . . wider solch vn-
geschickt predigen vnd
auschreyen von Indul-
gentien . . ., habenn die
Widersacher . . . ge-
drungenn.
... wie man . . . dye
gewissen durch glauben
an Christum tröstenn
sold ...
Dasvill redlicher vnnd
gelerter leute . . . Irer
lahr habenn zufalh gebenn
vnnd dieselb vor christlich
. .. achtenn ...
wie man genad vnnd
vorgebung der sunde
erlangenn soll.
Wie diese Zusammenstellung deutlich zeigt, sind die
Übereinstimmungen zwischen Wa und Ja zahlreicher als die
zwischen Wa und Na. Besonders im Anfang schließt sich
Wa auffallend eng an Ja, weniger an Na an. Dagegen hat
es mit letzterem die Erwähnung des Namens Luthers gemein,
der in Ja vermieden wird. Ist unsere Datierung von Ja
vor Na richtig, so scheint Wa hiernach zeitlich zwischen Ja
und Na zu gehören: es bringt nachträglich eine neue Be¬
arbeitung der Abschnitte über die kirchlichen Mißbräuche
und die Entstehung der neuen Lehre. Und diese Vermutung
wird dadurch bestätigt, daß sich das Blatt schon äußerlich
tatsächlich als einen Nachtrag zu erkennen gibt: es trägt
nämlich am Anfang ein Kreuz (f), das doch sicher auf ein
gleiches Kreuz hinweist, das im Original an der Stelle stand,
an der Wa als Nachtrag oder Korrektur eingeschoben werden
sollte. Da sich Wa nun besonders im Anfang sachlich wie
formell ganz auffällig an Ja anlehnt, so möchte man fast
vermuten, daß es eine nachträgliche Korrektur zu Ja sein
soll: Wa faßt im Anfang kurz zusammen, was in Ja über
die Entstehung und das Zunehmen der Mißbräuche in der
Kirche ausführlicher behandelt worden war, es soll also
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•wohl diesen ausführlicheren Abschnitt ersetzen, und geht
dann nach dem Hinweis anf die Verhandlungen über die
Mißbräuche auf dem Wormser und dem Nürnberger Reichs¬
tage dazu über, zn zeigen, wodurch Luthers Auftreten ver¬
anlaßt und gerechtfertigt ist. Vielleicht findet sich zu Wa
auch noch das Original von Ja und bringt Sicherheit Uber
unsere Vermutung.
Ist sie richtig, so würde die Bedeutung unseres Fundes
darin liegen, daß er einen tieferen Einblick in die Vor¬
geschichte der Angnstana, speziell ihrer Einleitung, gewährt:
Wir könnten jetzt ihre allmähliche Entstehung vom ersten
Entwürfe in den Torgauer Artikeln, wo Melanchthon durch
die Bemerkung: „Inn hanc sententiam prodest preponere
prefacionem longam et Rethoricam“ auf die beabsichtigte
weitere Ausarbeitung hinweist 1 ), Uber Ja nebst der Korrektur
Wa hinweg bis zu Na verfolgen. Es ist zwar nur eine
kurze Spanne Zeit von 2 1 / 2 Monaten, um die es sich hier
handelt: die einleitende Bemerkung zu den Torgauer Artikeln
stammt aus der zweiten Hälfte des März 1530, Ja ist, wie
wir sahen, wahrscheinlich in Koburg, also zwischen dem
15. und 22. April, und Na nicht nach dem 3. Juni 1530
verfaßt, denn an diesem Tage schickten die Nürnberger Ge¬
sandten die lateinische Augustana, soweit sie damals fertig
war, an den Rat ihrer Heimatstadt Aber in diese Zeit
fällt ein Ereignis, das auf die Gestaltung der Augustana von
größtem Einfluß war: Kurz nach ihrer Ankunft in Augsburg
{2. Mai) erfuhren die Wittenberger von der Schrift, die Eck
auf Grund eines Auftrages der bayerischen Herzöge an die
theologische Fakultät zu Ingolstadt verfaßt und dem Kaiser
übersandt hatte, die eine Zusammenstellung von 404 Artikeln
■derer, „die den Frieden der Kirche stören“, enthielt. Hier
hatte er Sätze aus Schriften Luthers, Melanchthons, Zwinglis,
Karlstadts aus dem Zusammenhänge gerissen und mit
Äußerungen von Wiedertäufern und anderen Ketzern zu¬
sammengebracht. Konnten die Wittenberger sich vorher, in
-der Meinung, hinsichtlich der Lehre noch völlig auf dem
Boden der offiziellen Kirche zu stehen, auf die Darstellung
J ) Förstemann, Urkundenbuch I S. 68. — Th. Kolde, Die Augs-
burgische Konfession lateinisch und deutsch, Gotha 1896 S. 128.
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ihrer Neuerungen in den Zeremonien beschränken, so sahen
sie sich jetzt in ihrem Glauben verdächtigt and angegriffen-
und maßten nan natürlich auch die Lehre in ihrer Ver¬
teidigungsschrift mit berücksichtigen. Melanchthon erweiterte
daher seine Umarbeitung der Torgauer Artikel, die die
Zeremonien betraf, durch eine Darstellung der Lehre, der
er die Scbwabacher Artikel zugrunde legte. Und auch
auf die Einleitung scheint das Bekanntwerden von Ecks
Schrift nicht ohne Einfluß geblieben zu sein. So können
wir Melanchthon durch Vergleichung von Ja, Wa und Na
gleichsam bei der Arbeit beobachten. Wir sehen, wie er
nicht nach Luthers Art frisch darauf los die Einleitung gleich
in ihrer endgültigen Form niederschreibt, sondern immer
wieder daran zu ändern findet, um ja nicht durch einen zu
starken Ausdruck anzustoßen. Vorsichtig und ängstlich wagt
er zunächst gar nicht den Namen dessen zu nennen, dessen
Werk die neue Lehre, das neue kirchliche Leben im sächsi¬
schen Lande ist: der ist ja noch geächtet und gebannt und
wird deshalb heimlich auf die Veste Koburg in Sicherheit
gebracht und gar nicht auf den Reichstag mitgenommen.
Wie leicht könnte da schon die bloße Nennung seines Namens
vor Kaiser und Reich Anstoß erregen! Aber dann (in Wa)
faßt Melanchthon doch Mut, Luther zu nennen, doch vor¬
sichtig geht er dabei zu Werke, indem er nicht unterläßt,
ganz besonders zu betonen, daß es Luthers Pflicht und
Schuldigkeit war, gegen den Ablaßunfug aufzutreten, und
daß er es zunächst auch nur „in einer lateinischen Predigt“,
also nicht öffentlich vor allem Volke getan, und auch ohne
jeden Angriff auf den Papst; die eigentliche Schuld an den
Änderungen schiebt er dem ungeschickten und unschicklichen
Auftreten der Ablaßprediger und der Gegner Luthers zu;
auch darauf verfehlt er nicht hinzuweisen, daß Luther nicht
der erste ist, der gegen kirchliche Mißbräuche aufgetreten ist,
daß er aber gerade durch sein Auftreten das Umsichgreifen
anderer, antikirchlicher Lehren verhütet hat. Besonders in
Na wird der letzte Punkt noch weiter ausgeführt durch den
Hinweis auf die Schweizer (?, vgl.Kolde, Die älteste Redaktion
S. 8 Zeile 13—15) und die Wiedertäufer (Kolde S.8 Zeile 15ff.)
und dadurch der Abstand Luthers und seiner Anhänger voh
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den Genannten besonders deutlich gemacht (Kolde S. 8
Zeile 26 ff.), was vielleicht durch Ecks oben erwähnte Schrift
veranlaßt ist. — Doch beinahe als wollte Melanchthon den
Vorstoß, den er durch die Nennung Luthers getan hat, den
Gegnern gegenüber wieder ausgleichen, mildert und ktlrzt
er gegen Ja in Na nun die Darstellung von der Entstehung
der Mißbräuche io der Kirche; auch wird nun die besondere
Verteidigung des Kurfürsten Johann und seines Bruders ein¬
geschoben und die Darstellung der guten Folgen der neuen
Lehre im Kurfürstentum Sachsen, wie sie sich in den er¬
freulichen, echt christlichen Zuständen in Kirche, Schule und
Leben zeigen, angefügt. Und auch hier wird die Über¬
einstimmung mit der römischen Kirche oder wenigstens die
Geringfügigkeit der Abweichungen von ihr und der gute
Wille, soweit irgend möglich, auf dem Boden der offiziellen
Kirche zu bleiben, nachdrücklichst betont. „Dis ist die
Ordnung der kirchen in dem churfurstentum Sachsen, des
meisten teyls nach altem gebrauch und gewonheit der römi¬
schen kirchen nach ausweisung der heiligen leerer, und
wollten nit Hebers, dan das solche den bischofen auch gefellig
wer“ ... (Kolde, Die älteste Redaktion S. 10 Zeile 6 ff.).
Man vergleiche besonders auch, was Melanchthon in Na über
die Gestaltung der Messe in Kursachsen sagt (Kolde S. 9
Zeile 3 ff.) und über die geistliche Gewalt (ibid. S. 10 Zeile 15 f.)
und dazu die starke Verwahrung gegen die Böhmen und die
Schwärmer (ibid. S. 10 Zeile 20 ff, 30 ff.). Man merkt hier
gegen Ja deutlich Melanchthons verstärkte Absicht, die
Lutherischen der offiziellen Kirche möglichst zu nähern und
von den Sektierern nach Kräften abzurücken, doch wohl
wieder eine Folge von Ecks erwähnter Schrift.
Natürlich ist es durchaus richtig, wenn Melanchthon die
religiösen Motive in Luthers Auftreten besonders betont, und
auch alles andere, was er anführt, entspricht ganz den Tat¬
sachen, aber wie er es tut, wie er in der späteren Re¬
zension (Na) hier streicht und dort hinzufügt, ist so charak¬
teristisch für ihn und zeigt so recht seine vorsichtige, ängst¬
liche Art. Doch wir wollen auch nicht ungerecht sein. Es
ist ja leicht gesagt: er hätte beherzter und energischer auf-
treten sollen, aber das ultra posse gilt doch auch ihm. Das
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beherzte Auftreten und mutige Dreinschlagen war nun einmal
so gar nicht seine Sache. Und leicht war seine Situation
damals doch auch keineswegs: der stille, vorsichtige, zaghafte
Gelehrte mit der schwächlichen, leicht zu Indispositionen
geneigten Konstitution sah sich jetzt plötzlich in exponier¬
tester Stellung! Luther, der Starke, an dem er bisher Halt
gefunden und der bisher immer auf dem Plane gewesen
war, wenn es galt, die Sache des Evangeliums zu vertreten,
war zu unfreiwilliger Muße verurteilt, fern vom Schauplatze,
und au seiner Stelle sollte Melanchthon nun plötzlich die
Führung übernehmen! Wie sollte er jetzt auf einmal dieser
schweren und verantwortungsvollen 1 ) Aufgabe völlig gewachsen
fl ein? Doch mag auch immerhin sein weitgehendes Ent¬
gegenkommen im weiteren Verlaufe des Reichstages den
Römischen gegenüber recht bedenklich sein, er ist doch mit
Emst und Hingebung an seine schwere Aufgabe gegangen und
hat der Sache der Evangelischen zu dienen und zu nützen
gesucht, wie er es für geboten und richtig hielt. Das zeigt
im kleinen auch die gewissenhafte Sorgfalt, die er seiner Ein¬
leitung zur Augustana widmete.
Aber alle Mühe, die er auf sie verwendete, sollte schließlich
doch vergeblich gewesen sein. Die Augustana war ursprünglich
nur als Rechtfertigung und Bekenntnis des sächsischen Kur¬
fürsten gedacht. Aber im weiteren Verlaufe schlossen sich ihr
Markgraf Georg zu Brandenburg-Ansbach, Herzog Ernst zu
Lüneburg, Landgraf Philipp von Hessen, Fürst Wolfgang zu
Anhalt, sowie die Städte Nürnberg und Reutlingen an. Da
sie nun das gemeinsame Bekenntnis der unterzeichnenden evan¬
gelischen Stände wurde, mußte das speziell auf Kursachsen
Bezügliche fallen. So wurde denn auch Melanchthons Ein¬
leitung gestrichen und durch ein allgemein gehaltenes, vom
Kanzler Brück verfaßtes Vorwort ersetzt. Hieraus erklärt
sich zugleich, wie sie abhanden kommen konnte; sie hatte
eben keinerlei offizielle Bedeutung mehr.
x ) Trotz der Beteiligung der kurfürstlichen Räte an der Ab¬
fassung der Augustana bleibt Melanchthon doch der gegebene Führer
und fühlt sich selbst verantwortlich. Zu der Frage, ob ihm wirklich
alle Verantwortung aufgebürdet werden kann, vgl. Gußmann, a. a. 0.1,1
S. 447 Anm. 30 und 81.
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öy
Unmittelbar an die Einleitung (Ja) schließt sich in dem
Jenaer Cod. mscr. Bud. foL 2 folgendes Stück von derselben
Schreiberhand an:
Yngeferlicher beschloss.
*) Diweil dann die kay. Mat als ein hochlöblichster christ¬
lichster kaiser hiraus genedigklichenn zuuornemen babenn,
waranf die lehre Ruhet, so jnn obgemeltes Churfirsten zu
Sachssen fürstentumb landenn vnnd gebieten gelert vnnd
gepredigt wirdet, vnnd nemlicb warjnn die rechtfertigung
des menschenn stehet, auch wo der mensch Vergebung seiner
sunde vnnd erlangung der genaden gotes suchenn ader nicht
suchen soll. Item welche christliche vnd gotselige Cerimonien
vnnd warzu dye dinstlich vnnd nutz vnnd wie dieselbigenn
zuhaltenn, Auch welche 2 ) Cerimonien ergerlich sein, vnnd 8 )
zu dem wie das volck gelert vnd vnterrichtet wirdet, das
es sich gegen den obrigkaitenn (:do es nicht wider got
vnnd zu sundenn gedrungen wirdet:) mit vntertenigster erher-
bietung, forcht vnd gehorsam, jnn aller vntertenigkait zu
haltenn schuldig sey, So geruch 4 ) der almechtig Barmherzige
Uoth Irer Mat genade vnnd kayserlichen muhet zuuerleihen,
Irer Mat aulschreibenn genedigem vnnd christlichem erbietenn
nach, jnn diesen aller grostenn vnnd wichtigstenn sachenn,
dermassen zuhandelnn, domit nach erhörten jn liebe vnnd
gutigkait eins jeden opinion vnnd maynung Alles das so
wider die clare vnnd helle gotliche scbrifft befundenn, vnnd
derhalbenn auf diesem ader jhenem taill vnrecbt gehalten
vnd furgenomen zu ayoer aynichen christlichen warhait dye
got selber vnnd durch nichts dann sein ayniges wort, vnnd
Christum der weld kundt werdenn 6 ) was sein gotlicher wille
ist, vnnd ehr von den menschenn erfordert, Auch wan er
den für jme will rechtfertig vnnd selig werdenn lassenn,
zuuorpringen vnd zuuorgleichen Alle Spaltung vnnd miß-
verstant der schrifft, jnn welcher aynigkait vnnd vnitas der
christenhait als auf die Recht grundtfestenn allain ruhet vnnd
stehenn soll, abgetann vnnd also zwuschenn allen stenden
ein aynige wäre christliche Religion angenomen vnnd ge-
haltenn, vnnd so geferlicher vnnd sörglicher zwaispalt, Als
itzt jnn kirchenn vnnd gemainden vorhandn, gentzlich hin¬
gelegt vnnd abgestellet werde. Dann wo solchs dermassen
vnnd wie kay Mat jnn obberurtem jrem kaiserlichen aus-
J ) Von anderer (Brticks?) Hand hinzngefügt: Vnd.
*) korrigiert aus: welcher.
*) gestrichen: darzu.
4 ) gestrichen: vnd wolle got.
5 ) Von anderer (Briicks?) Hand hinzugefügt: ist.
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schreibenn aynen genedigen vnnd ohristlicbenn wege ange-
zaigt nicht furgenomen sold werden, wold znbesorgen stehen,
das es 7 ) nhur teglich zu weiter ferlichen zwaispalt, trennung
vnainigkait vnnd zurnttung der kirchen geraichen wurde.
Nachdem [.wie man 2 ) für äugen sicht.] leider 8 ) jn deutzscher
Nation, vill furwitziger leut sein, die sieh nhur vmb aigens
Rumbs willen vill disputirens vnnd darneben allerlay sched-
liche vnnd geferliche lehrenn wider die christlichen vnnd
von got eingesetztenn Sacrament 4 ) zuerwecken vnterstehenn.
Auch ferner (.wie für handen.) jn andern artigkeln zuthun
vnterstehenn werden, jnnsonderhait 6 ) wo sie etwo anhang
vnnd handthabung wie dan leichtlich beschehen kondt 6 ),.
darzu finden vnnd erlangen 7 ), vnnd dann 8 ) diejenigen auf
diesem taill 9 ) vnbracht 10 ), verjagt ader Vortrieben weren, die
bis anher aufs hefftigst mit vnterrichtung der warhait dar¬
wider gestrebt vnnd solche vnnd dergleichen ketzerey auf
heutigst widerfochtenn habenn, dann wo die nicht vorhandenn,
wurdenn sich darnach die andern weniger schewhen vnnd
zu vorigen ketzereyen, so sie der sacrament halben erwecket
habenn, nicht mehr schedlicher jrtumb einfuhren.
Hirumb wolle die Römisch kay Mai jn der fromen konig
fusstapfenn schreitenn, so etwan vber das jüdisch volck Regirt
die jnen nichts hocher haben anligenn lassen, dann dasjenige
abzuthun, vnnd nyderzulegen was wider die gebot vnd
beuelch gotes für aynen 11 ) gotsdinst jm volck aufgericht
worden, Seind auch darumb das sie jn Sachen gotes Ehre
vnnd dinst belangend mehr auf seinen beuelch vnd gebot,
dan menschliche erfindung vnnd zusetze gesehen, von den
propheten, so zu jrenn Zeiten gewesen, aufs höchst gebreiset
die andern aber welche das nicht getan (vnnd denn falschenn
gotesdinst nicht vmbgestürtzt noch verboten haben) 12 ) heftigk-
lich gestrafft wordenn, vnnd derwegen, der gantzenn Christen-
J ) Von anderer (Brück9?) Hand korrigiert in: die Sachen.
*) Von anderer (Brücks?) Hand hinzugefügt: leider(?).
3 ) Von anderer (Brücks?) Hand gestrichen: leider.
4 ) Von anderer (Brücks?) Hand am Bande zwei unleserliche Worte
hinzugefügt.
5 ) Von anderer (Brücks?) Hand gestrichen: jnnsonderhait.
*) Von anderer (Brücks?) Hand gestrichen: wie dan leichtlich
beschehen kondt.
’J Von anderer (Brücks?) Hand hinzugefügt: wurd.
8 ) Von anderer (Brücks?) Hand korrigiert in: insunderhayt itzo(?).
9 ) Von anderer (Brücks?) Hand gestrichen: auf diesem taill.
10 ) Von anderer (Brücks?) Hand korrigiert aus: vnbericht(?).
11 ) „aynen“ gestrichen.
lS! ) „vnnd denn falschenn gotesdinst nicht vmbgestürzt noch ver¬
boten haben“ gestrichen.
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bait, auch vyber menschen seelenn, Hayl behertzigen, vnnd
sieh jDn diesenn saehenn erzaigenn, Domit got dem almech-
tigen za rechtem lobe vnnd der deatzsohen Nation za friden*)
den leuten za besserang christlicher lahre vnnd die vor-
kondigung des hailigen Eaangelij vnnd gotes worts pleiben,
die jugent getreulich dorjnnen vnterwiesen, vnnd die rechte
christliche lahr, auf die nachuolgend weldt körnen möge,
wie dan jederman schuldig ist vor dieselb zusorgen. Das
würdet anzweiuel_das höchst vnd löblichst kaiserlich werck
sein, Das jre Mat_ jn solcher jrer Hochayt jmmer thun mögen.
Dann jr kay Mat wissen genedigklich zubetrachtenn, das
diese saehenn nicht zeitliche gaeter landt ader leut sondern
ewigs haylh vnd vnhaill der seelenn vnnd gewissen belangen,
vnd wie hierjnnen gehandelt, so wirdet got am jüngstenn
gericht rechenschafft dafür fordern. Got vorleihe jrer kay.
Mat. za solcher aulgeschriben handlang genad vnnd haill
Amen.
Wenn es auch aas dem Anfänge nicht deutlich hervor¬
geht, so ist doch wohl anzunehmen, daß dieses Stück nicht
als Schluß der Einleitung, sondern als Schluß der ganzen
Augustana gedacht war. Dafür spricht doch der Charakter
des ganzen Stückes: es macht mit seinen Rekapitulationen
•durchaus den Eindruck des Abschlusses für das ganze Be¬
kenntnis und wäre als Abschluß der Einleitung wenig am
Platze. Auch die letzten Sätze und das Amen am Schluß
bestätigen dies. Vielleicht darf man daher am Anfang des
Stuckes einen Schreibfehler annehmen und statt: „Diweil
dann die kay. Mat . . . hiraus . . . zuuornemen habenn“
lesen: . . . „vernommen haben“, bei der Mangelhaftigkeit
der Abschrift gewiß keine zu gewagte Annahme! So hätten
wir in diesem Stücke wohl den bis jetzt für verloren ge¬
haltenen Schluß Melanchthons zur Augustana, von dem die
Nürnberger Gesandten bei der Übersendung der Abschrift
des lateinischen Augustana-Textes am 3. Juni an ihren Rat
berichteten: „Aber es mangelt hinten an ... dem Beschluß,
daran die sächsischen Theologi noch machen“, oder — und
das ist bei der allmählichen Entstehung der Augustana und
auch nach der Überschrift: Vngeferlicher (= „ungefährer“)
Beschluß sogar das Wahrscheinlichere — einen Entwurf für
den Schluß der Augustana zu sehen. Im Stile und der
J ) hinzugefügt-: auch.
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ganzen Haitang stimmt es völlig za seiner Einleitang. Aach
hier „erwartet Melanchthon alles vom Kaiser 4 (Kolde, Die
älteste Redaktion S. 39), ohne die Möglichkeit einer Bei¬
legung des religiösen Zwiespaltes durch ein Konzil auch
nur za erwähnen; aach hier die Verwahrung gegen die
Sakramentierer. Und da das Stück auch lediglich als Schlaft
, eines Sonderbekenntnisses Karsachsens gedacht war, so hatte
es dasselbe Schicksal wie die Einleitang: es wurde bei der
definitiven Fassang gestrichen and konnte, als offiziell nicht
mehr von Bedeutung, um so leichter abhanden kommen.
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Der Reform ationsversuch des
Gabriel Didymus in Eilenbur? nnd seine
Folgen. 1522-1525.
Neue urkundliche Nachrichten.
Von K. Pallas.
Einleitung.
Die bisher bekannten Nachrichten über das Auftreten
des ehemaligen Augustinermönches und Predigers im Witten¬
berger Kloster seines Ordens Mag. Gabriel Didymus (Zwilling)
in Eilenburg bestanden, wenn wir von den kurzen Auf¬
zeichnungen in Spalatins Annalen (bei Mencken, Scriptores
r. Germ. II, 609) und beim Pirnaiscben Mönch (ebenda S. 1472
und 1549) absehen, in der Hauptsache in den „Berichten
dreier Augenzeugen über die Vorgänge in Eilenburg, Neu¬
jahr 1522“, die Johann Karl Seidemann in seinen Er¬
läuterungen zur Reformationsgeschichte, S. 36 f., abgedruckt
hat und denen er das Schreiben des Herzogs Georg an seine
Söhne vom 10. Januar 1522 (im Auszug) beifügte, da
diesem der Entwurf zu einem durch das Auftreten des
Didymus veranlagten Mandate gegen die aus Luthers
Lehre sich ergebenden kirchlichen Neuerungen beigelegt ist.
Auch hat Seidemann a. a. 0. S. 42 f. zwei Briefe des Rates
zu Leipzig, vom 16. März und 21. März 1522, angeschlossen,
den einen an Kurfürst Friedrich und Herzog Johann, den
andern an Herzog Georg, beide Berichte Uber die Aussagen
eines wegen Teilnahme an der Eilenburger Abendmahlsfeier
am Neujahrstage 1522 auf Befehl des Herzogs Georg inhaf¬
tierten Leipziger Handlungsgehilfen. Seidemann gibt nach seiner
Gewohnheit nicht die Fundorte der von ihm veröffentlichten
Urkunden an. Doch ist der erste der drei Berichte als eine
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Kopie von der Hand des Bischöflich Meißnischen Kanzlers
Georg v. Rothschitz bezeichnet, also wohl ursprünglich im
Meißner Archiv bewahrt gewesen und nun im Dresdener
Hauptstaatsarchiv zu finden. Und ebenda dürften auch die
anderen Berichte zu finden sein, die ohne Zweifel ursprüng¬
lich für die Hand des Herzogs Georg bestimmt gewesen
sind nnd ans denen denn anch dessen Kenntnisse Uber die
Eilenbnrger Vorgänge stammten. Mit diesen hat er unter den
Mitgliedern des Nürnberger Reichsregiments lebhaft agitiert
(vgl. Virck, Des Kursächsischen Rats Hans v. d. Planitz
Berichte nsw. S. 67 und 72 f., Berichte vom 16. und
28. Januar 1522) und schließlich den Erlaß des Reichsregi-
ments-Mandats vom 20. Januar 1522 gegen die kirchlichen
Neuerungen erreicht. Die nach Planitz’ Bericht vom
Herzog gebrauchten Ausdrücke, auch die im genannten
Mandat gemachten tatsächlichen Angaben Uber vorgekommene
Einführungen wider langhergebrachte kirchliche Ordnung
und Gebrauch stimmen mit dem Wortlaute dieser Berichte
z. T. genau überein. Auch ist es z. B. nur aus den Worten
des zweiten Seidemannschen Berichts: und seind dar¬
nach zu getretten man, frauen, iunkfrauen und kinder
von zehen und eilf iaren, verständlich, wenn es im Reichs-
regiments-Mandat (dieses Archiv V [1908] S. 239) heißt:
auch dergleichen den kindern das sacrament geben.
Zu diesen Nachrichten, die wir Seidemann verdanken,
hat dann Kolde in der Zeitschrift für Kirchengeschichte V
(1881) S. 327 f. einen Bericht über „Gabriel Zwillings Um¬
triebe in Eilenburg“ hinzugefügt, den er dem Thesaurus
Baumianus der Kaiserlichen Bibliothek zu Straßburg ent¬
nommen hat. Dieser Bericht ist eine Abschrift, die Baum
von dem Original, dessen Fundort er nicht erwähnt, ge¬
nommen hat. Irrtümlich ist diesem Berichte vom Ab¬
schreiber die Überschrift gegeben: Gabriel Lonicerus quae-
nam concionatus sit in Eylenburg (manu Capitonis). Es
kann, wie Kolde richtig sagt, nur Gabijel Zwilling gemeint
sein. Wenn Kolde aber hinzufügt: Der Bericht dürfte ans
der Feder des Ulscenius oder eines anderen Wittenberger
Korrespondenten Capitos stammen (S. 327 a. a. 0., Anm. 3),
so dürften dieser Annahme berechtigte Zweifel entgegen-
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zusetzen sein. Die Briefe des Ulscenius an Capito, die wir be¬
sitzen, sind lateinisch geschrieben, und wir können uns auch
nicht denken, daß ein anderer Wittenberger Student, der an
•Capito geschrieben hätte, anders als in lateinischer Sprache
seinen Brief verfaßt hätte. Und der Bericht im Thes.
Banmianns ist deutsch geschrieben. Aber dieser Bericht
macht zudem auch gar nicht den Eindruck, als ob er einem
Briefe entnommen und etwa nur für einen der lateinischen
Sprache nicht sonderlich Kundigen übersetzt sei. Er macht
viel eher den Eindruck, als sei er von vornherein ein Ganzes
für sich gewesen. Dafür spricht der Eingang und der
Schluß des Schriftstücks. Der Eingang lautet: Etliche
punc(t)h, am nechsten heiligen ohristage im 21. und 22. ihare
czu Eylenburgk gescheen, wie volget, vorzeichnet. Und der
Schluß ist eine allgemein gehaltene Ermahnung: Wollen wir
Christum nachvolgen, so müssen wir alle von der enthe-
christlichen leher abesteen und helffen, den rechten Christen
glauben bekennen. Damit seyt Got befollen. Dies macht
vielmehr den Eindruck, als ob wir es hier mit einem für die
breiteste Öffentlichkeit bestimmten Bericht über die Vorgänge
in Eilenburg zu tun haben, der von einem Freunde der Be¬
wegung zum Zwecke der Propaganda noch während des Aufent¬
haltes des Zwillings in Eilenburg veröffentlicht ist. Denn
verfaßt ist der Bericht frühestens in der Nacht vom 29. zum
30. Dezember, da noch erwähnt wird, was am Abend
des 29. Dezember um 9 Uhr geschehen ist; und anderseits
ist über die bedeutsame Abeudmahlsfeier auf der Kapelle
bei dem Schlosse auf dem Berg bei Eilenburg am Neu¬
jahrstage 1522 noch nicht berichtet, sondern nur die Er¬
klärung des Didymus in der Predigt am 29. Dezember, eine
solche Abendmahlsfeier sub’ utraque specie halten zu wollen,
mitgeteilt. Es erscheint also sehr wohl denkbar, daß dieser
Bericht veröffentlicht ist, um auf diese Abendmahlsfeier die
allgemeine Aufmerksamkeit hinzulenken und zum Bekenner¬
mute, der dazu gehörte, sich an ihr zu beteiligen, aufzu-
Jördern. Vielleicht handelte es sich um einen der Einblatt-
dfucke, die in der Reformationszeit eine so bedeutsame
Bolle gespielt haben. Denn wenn auch Eilenburg ohne
Druckerei gewesen ist, so liegt doch Leipzig ihm so nahe;
Archiv für Reformationsgeechichte IX. 4. 23
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daß in kurzer Zeit ein solches Flugblatt von dort beschafft
werden konnte.
Zu den von Seidemann und Kolde gebrachten Berichten
ist dann in neuerer Zeit noch der in der „Neuen Zeitung“
des Thomas von der Heyde enthaltene getreten, den aus
dem im Dresdener Hauptstaatsarchiv beruhenden Original —
wohl ebenfalls die Abschrift eines Einblattdruckes — zuerst
Barge in der Zeitschrift für Kirchengeschichte Bd. 22"
S. 124 f., dann Geß, Akten und Briefe zur Kirchenpolitik
Herzog Georgs v. Sachsen I S. 261 f., und zuletzt Nie. Müller,
Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522 S. 170 f. ver¬
öffentlicht hat. In diesem Berichte aus der „Neuen Zeitung“
ist zwar auch ein kurzer Bericht über die Predigten de&
Zwilling gegeben, indem drei Sätze der „wunderlichen Dinge“,
die der Mönch gepredigt hat, angeführt sind, aber hauptsäch¬
lich kommt es dem Berichterstatter auf die Abendmahlsfeier
vom Neujahrstage an. Daß er die Wiederholung dieser Feier
am h. Dreikönigstage nicht kennt, gibt zusammengefaßt damit,,
daß er von Gabriel Didymus im Präsens berichtet: wirt dalselbs
uffm schlols enthalten, einen sehr wichtigen Anhalt für die
Zeitbestimmung dieser nicht datierten „Neuen Zeitung“.
Aber so interessant diese Berichte waren, sie mußten
für die Freunde der Reformationsgeschichte doch ein Doppeltem
vermissen lassen: einmal erfuhren wir aus ihnen nichts über
die Vorgänge in Eilenburg nach des Didymus wohl durch
das zu Wittenberg abgehaltene Generalkapitel der deutschen
Augustinerkongregation veraplaßte Abreise, von denen der
Pirnaer Mönch (a. a. 0. S. 1549 s. v. Eylenberck) be¬
richtet: . . . und erhub sich daselbst di naue uncristliche-
Luterische secta underm schucz der obirkeit, das di ein-
woner troczlich (1522) störmten di phame, der bruder haus
prediger Ordens zu Leipcz und ander pfaffenheuser, triben
di pfafheit (:alten kirchlichen brauch geflissen zu halten:)
mit gwaldiger haut aus; das richte zu der . . . münch
Gabriel usw.; wir vernahmen auch nichts über die Stellung,
die der Rat der Stadt diesem tumultuarischen Vorgehen
einzelner seiner Mitbürger gegenüber eingenommen hat,
auch nicht, was der Propst des Klosters auf dem Peters¬
berge, unter dessen Patronat die Eilenburger Pfarre stand,
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za den Angriffen auf diese Pfarre gesagt hat. Anch was
Gabriel Didymus selber za diesen Folgerangen aas seiner
Predigt gesagt hat, blieb im dankein, wie wünschenswert
auch, das za wissen, für die Charakteristik dieses in den
nächsten Wochen in Wittenberg in so bedenklicher Weise
mit seinen Predigten in den Vordergrund tretenden Mannes
erscheinen mähte. Aber was noch viel bedauerlicher
war, wir erfuhren nichts Uber die Stellung des Kurfürsten
und seiner Räte zu den Eilenburger Vorgängen. Daß die
kurfürstlichen Beamten, der Rentmeister Hans v. Taubenheim r
der Gleitsmann Michael v. d. Straßen u. a., den Didvmus
nach Eilenburg berufen und ihm dort die Möglichkeit zu
predigen verschafft hatten, auch sich bei seiner Abendmahls¬
feier in erster Linie beteiligt hatten, war bekannt. Wie
standen nun aber dazu die während der Abwesenheit des
Kurfürsten im Thüringischen in Eilenburg die Regierungs¬
geschäfte besorgenden Räte, vor allem Haugold v. Einsiedel,,
der bald nach dem Sturm auf die Pfarre nach dorthin ge¬
kommen sein mußte. Hier war der Punkt, wo diese Eilen¬
burger Angelegenheit in intimster Berührung mit der’Witten-
berger Bewegung stehen konnte, wenn nämlich das Ein¬
greifen der kurfürstlichen Räte, das in Eilenburg notwendig
geworden war, ein solches in Wittenberg zur Folge hatte.
Aber bisher hat keiner darauf geachtet, weil nähere Nach¬
richten eben fehlten. Man hatte vielmehr sein Augenmerk
ausschließlich darauf, inwiefern das Vorgehen des Didymus
in Eilenburg in Parallele zu setzen sei mit dem Vorgehen
des Karlstadt in Wittenberg, die von Didymus in seinen
Predigten vorgetragenen Gedanken, soweit man sie aus den
vorliegenden Berichten kannte, den im Kreise der Witten¬
berger Reformfreunde üblich gewordenen Anschauungen ent¬
sprächen und ebenso die Eilenburger Abendmahlsfeier am
Neujahrstage der Wittenberger vom Christtage gleichmäßig
sei. Kolde hatte in seinem Luther (H, 35) zuerst die Mög¬
lichkeit einer Verabredung des Didymus mit Karlstadt als
vorliegend erachtet. Fischer, Zur Geschichte der evan¬
gelischen Beichte, H, S. 152 f. und S. 227 (Anm. 30) sieht
diese Verabredung sich deutlich aus den Umständen er¬
geben: am 22. Dezember kündigt Karlstadt seine Absicht,
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die Messe „evangelisch“ zu halten, an, am 24. Dezember
fährt Didymus ab: offenbar habe Karlstadt Vorkehrungen
getroffen, daß möglichst gleichzeitig mit seiner evangelischen
Messe ebensolche Feiern in der Umgegend, eben in
Eilenburg und in dem in der „Zeitung aus Wittenberg“ er¬
wähnten unbekannten Dorfe, stattfänden. Aber so unaus¬
weichlich auch Fischer diese Schlußfolgerung nennt, so
scheitert sie, was Eilenburg anbelangt, schon daran, daß
Didymns ohne Zweifel, wie in den Berichten steht und er
selbst betont, von Eilenburg erfordert ist dort zu predigen.
Die aber, welche ihn erfordert haben, müssen diesen Beschluß
spätestens am 22. Dezember gefaßt haben, denn ihr Brief
mußte am 23. in Wittenberg gewesen sein, wenn Didymns,
ihrer Einladung folgend, am 24. früh von Wittenberg weg¬
fuhr, um am h. Abend in Eilenburg anzukommen. Also
ist wenigstens die Einladung an Didymns von Leuten er¬
gangen, die von Karlstadts Ankündigung nichts wußten.
Und man wird wohl, da es sich bei diesen Leuten in erster
Linie um kurfürstliche Beamte handelte, auch annehmen
dürfen, daß ihnen von dem dem Karlstadt in der kurfürst¬
lichen Räte Namen durch Christian Beyer eröffneten Verbot,
die öffentliche Messe zu ändern (Nie. Müller a. a. 0. S. 125 f.),
nichts bekannt gewesen ist. Auch bat, soviel wir aus den
Berichten ersehen können, Didymns in allen Predigten, die
er in den Weihnachtsfeiertagen in Eilenburg gehalten hat,
nicht ein einziges Mal etwas verlauten lassen, daß er selbst
die Messe verändern wolle. Er hat wohl vom Pfarrer in
der Predigt verlangt, daß er die Leute sub utraque kom¬
munizieren sollte, und hat die Gemeinde aufgefordert, sonst
der Messe fern zu bleiben. Aber seine Absicht, selbst
Messe zu halten, so wie er sie für richtig halte, hat er erst
am Sonntag nach Weihnachten ausgesprochen, und da ist
es nicht unmöglich, daß nun erst das Wittenberger Vorbild, das
inzwischen auch in Eilenburg bekannt geworden war, auf ihn
und die, die sich ihm angeschlossen haben, eingewirkt hat.
So viel ist jedenfalls klar, daß vieles an den Eilenburger
Vorgängen noch dunkel war und daß eine Ergänzung der
bisher vorhandenen Berichte nach verschiedenen Seiten hin
wünschenswert blieb. Vor allem mußte es erwünscht er-
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scheinen, neben den teils von Feinden der evangelischen
Bewegung stammenden, teils ans der Bewegung selbst hervor¬
gegangenen Berichten über das in Eilenburg Geschehene
Angaben vom Rate der Stadt Eilenburg selbst zu besitzen,
ferner ersehnte man eine Äußerung des Didymus selbst, über
dessen Vorgehen bisher immer nnr Berichte anderer Vor¬
lagen, endlich war es, um den Verlauf der Eilenburger Be¬
wegung und auch den der Wittenberger Bewegung zu ver¬
stehen, notwendig, die Maßnahmen der kurfürstlichen Räte
kennen zu lernen.
Völlig dunkel blieb bisher die Stelle im Briefe des
Christian Beyer an Einsiedel vom 25. Januar (Nie. Müller
a. a. 0. S. 174), die Didymus betrifft: Mit Gabriel ist die
sach ganz gestilt. Denn daß diese Stelle sich nicht auf die
Wittenberger Predigttätigkeit des Didymus beziehen konnte,
war schon deshalb klar, weil ja das Einschreiten gegen
diese erst nach dem 25. Januar erfolgte. Aber ebenso¬
wenig reichten unsere bisherigen Kenntnisse über das, was
Didymus in Eilenburg gepredigt und ausgeführt hatte, aus,
um Luthers Urteil in seinem Briefe an Spalatin vom
17. Januar (Enders III S. 286): Eylenburgensibus nova vel
imponuntur vel finguntur de usu sacramenti. Man konnte
ermessen, welche Bedeutung diese Absage Luthers gegen¬
über dem im Namen des Evangeliums Verkündigten und Ein¬
geführten gerade an die Adresse Spalatins, des kurfürst¬
lichen Hofpredigers, hatte, da dieser Uber die Stimmung am
Hofe wegen der Vorkommnisse in Eilenburg am besten unter¬
richtet war und vielleicht selbst Luther über diese Vor¬
kommnisse und den Eindruck, den sie auf den Kurfürsten
gemacht hatten, Mitteilung gemacht hatte. Aber um so
wünschenswerter mußte es erscheinen, über diese nova, die
den Eilenburgern auferlegt oder vorgemacht wurden, Näheres
zu erfahren.
So dürfen denn die hier mitgeteilten, bisher unbekannten
Nachrichten Uber die Eilenburger Bewegung auf einiges
Interesse der Freunde der Reformationsgeschichte rechnen.
Wenn sie auch nicht alles Dunkel aufzuhellen vermögen, so
werden sie doch nach verschiedenen Seiten hin aufklärend
wirken können.
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Es handelt sich in der Hauptsache am drei Aktenstücke
des Weimarer Ernestinischen Gesamtarchivs, die die Be¬
zeichnung tragen Reg. Ii 104 und 106 und Reg. N 47.
Das interessanteste dieser Schriftstücke ist das nicht
datierte Schreiben des Didymus „an den christlichen Rat
zu Eylburgk“, in welchem er darum bittet, gegenüber allen
dem Evangelium feindlichen Stimmen, die den vom Teufel
angezettelten Aufruhr diesem zur Last legen wollten, treu
bei der Predigt des Evangeliums, wie er sie ihnen gebracht
habe und sie sie gern von ihm angenommen hätten, zu
bleiben und entgegen der ihm gewordenen Mahnung: er
solle nicht mehr zu ihnen kommen, denn sie wollten ihn
nicht predigen lassen, dem Boten, der seinen Brief über¬
bringe, den Bescheid zu geben, daß er zu ihnen zurück-
kehren dürfe, um durch seine Predigt das Evangelium frei
zu machen von dem Vorwurf, daß es Ursach des Aufruhrs
gewesen sei. Die Art der Entwicklung der Gedanken in
diesem Schreiben läßt einen Schluß auf die anpackende
Predigtweise des Briefschreibers zu, der zur Treue gegen
die einmal erkannte evangelische Wahrheit auffordert, und
gelte es darüber Gut, Leib und Leben fahren zu lassen.
Die Gedanken, die Luther in „Eine treue Vermahnung zu
allen Christen, sich zu verhüten vor Aufruhr und Empörung“
geäußert hat und die dem Didymus gewiß bekannt gewesen
sind, da diese Schrift Luthers gerade in diesen Tagen in
Wittenberg, gedruckt wurde (der Schlußbogen trägt das
Datum des 19. Januar 1522), sind hier wiederholt: Nur die
Obrigkeit hat das Recht, gegen alles, was dem Evangelium
entgegen ist, einzuschreiten. Der einzelne darf es nicht,
das wäre Aufruhr. Er darf nur versuchen, die Obrigkeit
zu bewegen, gegen das Widerevangelische einzuschreiten;
tut sie es nicht, so hat er still zu schweigen und zu dulden.
Es ist Didymus kein Zweifel, daß „die Obersten, Fürst und
Rat einer Stadt“, die Pflicht hätten, die Verführer des Volkes
auszutreiben und den öffentlichen Mißbrauch in Messen,
Seelmessen, Brautmessen, Bruderschaften, Feiertagen usw.
abzuschaffen. Doch der Fürst fürchtet den Kaiser und der
Untertan den Fürsten. „Aber sehet darauf, daß ihT nicht
unter dem Haufen seid, welcher um zeitlicher Güter willen
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•oder um des Weibes willen Christum fahren läßt, ver¬
leugnet und nicht öffentlich bekennt.“
Es muß auffallen, daß dieses umfangreiche und für die
Denkweise der in der Wittenberger Bewegung in erster
■Linie Stehenden charakteristische Schriftstück bisher unbe¬
kannt geblieben ist. Es ist dies wohl nur damit zu er¬
klären, daß die Forscher an ihm vorübergegangen sind, weil
ihnen die Unterschrift, Gabriel Dies, anstößig war und sie
es nicht wagten, in dem sich so Unterschreibenden den
Gabriel Didymus, der sonst, soviel wir sehen, nie den
Namen Dies führt, zu erkennen. Und doch ist kein Zweifel
über die Identität der Person. Die Handschrift ist die¬
selbe, die sonstige Schriftstücke von der Hand des Didymus
zeigen, z. B. sein Brief Reg. Ii 1805 Bl. 2. Aber vor allem
ist unser Schreiben als von Didymus verfaßt dadurch sicher¬
gestellt, daß Spalatin mit seiner unverkennbaren Hand auf
■die Adresse geschrieben hat: Gabriel. 1522. Denn da wir
aus den Akten und Briefen zur Wittenberger Bewegung
wissen, daß Didymus gemeinhin mit seinem Vornamen be¬
zeichnet worden ist, so ist kein Zweifel, daß eben mit diesem
Vornamen ohne Zufügung eines anderen Namens damals
-auch kein anderer von Spalatin bezeichnet werden konnte.
Und wer hätte auch außer Didymus diesen Brief schreiben
können? Man müßte geradezu an eine Mystifikation der
Eilenburger denken, und dies verbietet die Spalatinsche Auf¬
schrift, auch gibt der Inhalt des Schreibens, das durchaus
der Situation entspricht, keine Veranlassung dazu. Wie
dieses an den Rat der Stadt Eilenburg gerichtete Schreiben
aber in die Hände Spalatins gekommen sein mag, dies zu
■erörtern, sei einer darstellenden Arbeit Vorbehalten, wo auch
dem Gedanken nachgegangen werden soll, inwiefern das
in diesem Briefe ausgedrückte Ansinnen des Didymus an
■die Eilenburger mit der erwähnten Stelle in dem Schreiben
Beyers an Einsiedel vom 25. Januar etwa in Verbindung
zu bringen sei. Nur ein Wort noch über die Datierung
des Schreibens. Daß Didymus von Wittenberg aus ge¬
schrieben hat, ist wohl nicht zu bezweifeln. Für die Zeit
der Abfassung des Schreibens ist als oberster Termin der
Tag des Tumultes und Sturmes auf die Pfarre in Eilenburg
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gegeben, -dies ist wahrscheinlich der 12. Januar, wenn nicht
die Nacht vom 11. znm 12. Januar gewesen. Denn in dem
unten zu behandelnden Schreiben des Rates an den Kur¬
fürsten vom 11. Jannar 1522 ist dieses Attentats noch nicht
Erwähnung getan, wie es hätte geschehen müssen, wenn
die Gewalttat der Pfarrstürmer sehon geschehen gewesen
wäre. Eine Subsumierung dieser Tat unter die vom Rat
in dem Briefe beklagte durch Zwillings Vorgehen erregte
„vil zwitraght und gezenke mit Worten und werken im ge¬
meinen volke u ist nicht angängig. Anderseits geht aus dem
ebenfalls unten zu besprechenden Bittgesuche der 7 Eilen¬
burger Bürger an den Kurfürst Johann vom 29. November 1525
hervor, daß die 13 Pfarrstürmer am Sonntag den 12. Januar
in gefängliche Verwahrung genommen sind. Immerhin wird
man aber gut tun, das Schreiben des Didymus nicht za
nahe an diesen Termin zu legen. Denu vor dem 13. Januar
kann kaum die Nachricht von dem Eilenburger Vorkommnis
in Wittenberg bekannt gewesen sein. Es fragt sich ja nun
freilich, ob die Worte des Schreibens: Der rumor und auf-
rur ist vor mich kommen und bin auch vormanet wurden,
ieh sal nicht mehr zu euch kommen so zu verstehen sind,
daß der Rat der Stadt gleich von vornherein ihm durch
irgendeine Vertrauensperson hat eröffnen lassen, da man
sein Vorgehen für die Veranlassung des ärgerliehen Tumultes
erachte, so wünsche man nicht, daß er etwa sich einfallen
lasse, noch einmal zu ihnen zu kommen, denn er würde nur
Ol in die Flammen gießen, oder ob Didymus an einen Be¬
kannten in Eilenburg sein Bedauern über das Vorgekommene
und seine Absicht, durch seine Predigt zur Beruhigung der
Gemüter beizutragen, ausgesprochen hat und erst auf diese
Ankündigung seines Besuches die Absage an ihn gekommen
ist. Nach der Stellung, die der Rat in seinem Briefe vom
11. Januar einnimmt, ist die erstere Möglichkeit durchaus
nicht von der Hand zu weisen. Immerhin bat die zweite
die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Dann würde aber
schon mindestens der 16. Januar herangekommen sein, ehe
Didymus die Mahnung, er solle nicht kommen, empfangen
hätte, so daß also unser Brief nicht vor dem 17. Januar
geschrieben sein dürfte. Und so erklärt sich denn auch am
Difitized
bv Google
Original from
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besten die auffällige Übereinstimmung seiner Gedanken mit
der von Luthers „Eine treue Vermahnung“. Denn dann
hat Didymus seinen Brief unter dem unmittelbaren Eindrücke
der Lektüre der ersten zwei Bogen dieser {2 1 j i Bogen starken)
Schrift gemacht, die bis dahin die Presse werden verlassen
gehabt haben.
Das Aktenstück N 47 enthält das schon erwähnte
Schreiben des Kats der Stadt Eilenburg an Kurfürst Friedrich
vom 11. Januar 1629, worin sie angesichts des Neuen, was
Unruhe und Zwitracht in die Bürgerschaft bringt, um Rat
bitten, um nach des Kurfürsten Willen leben zu können.
Dieses Schreiben ist wichtig wegen der genauen Angaben
Uber den Inhalt der Predigten des Didymus und seine
Abendmahlsfeier, die wir hier von berufener Stelle ge¬
geben finden.
Die in eben demselben Aktenstücke enthaltenen Schreiben
des Kurfürsten an Haugold von Einsiedel vom 13. Januar
und an den Propst Johannes von Kanitz auf dem Peters¬
berge vom 15. Januar sind Zeugnisse von der überaus
behutsamen und vorsichtigen Art, mit der Friedrich alle
Sachen, die an ihn herantraten, behandelte.
Im Aktenstück li 106 interessiert zunächst der Brief
des Propstes vom Petersberg an den Rat der Stadt Eilen -
bürg vom 13. Januar 1522, aus dem hervorgeht, daß der
Rat nicht gezögert hat, sofort gegen die Pfarrstürmer vorzu¬
gehen und sie zu inhaftieren. Die übrigen Schriftstücke
betreffen die Kosten der Verurteilung und des Gefängnisses
dieser Übeltäter und das weitere Verfahren gegen sie und
diejenigen, welche sich für sie, um sie ihres Gefängnisses
zu entledigen, verbürgt hatten. Dieses Verfahren hat sich,
wie wir ersehen, bis zum Ende des Jahres 1525 hingezogen,
ohne daß wir aus den uns vorliegenden Akten etwas darüber
erfahren, welche Entscheidung schließlich von dem kurfürst¬
lichen Gerichte gefällt worden ist. Wichtig ist aus der Ein¬
gabe der sieben Eilenburger Bürger an Kurfürst Johann
vom 29. November 1525 vor allem, was sie Uber Alter und
Herkunft der am Sturm auf die Pfarre beteiligten Personen
mitzuteilen haben. Aus der Eingabe des Rates von Eilen¬
burg an den Kurfürsten vom 1. Dezember 1525 nimmt außer-
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dem das unser Interesse in Ansprach, was über den Streit
der Stadt mit dem Patron ihrer Kirche wegen Besoldung
eines Predigers gesagt wird.
Die Streitigkeiten zwischen dem Rate von Eilenburg
und dem Kloster auf dem Petersberge als Inhaber der
Pfarre haben schließlich dazu geführt, daß Verhandlungen
über ein Abtreten der Pfarre an die Stadt eingeleitet sind.
Wir fügen den obgenannten Aktenstücken ein Schriftstück
bei, das in Weimar Ges. Arch., Reg. Ii Nr. 96 bewahrt ist.
Es enthält einen von einem Verwandten des Propstes vom
Petersberger Kloster, Balthasar v. Kanitz, gemachten Vor¬
schlag Uber die Bedingungen, unter denen die Stadt in
Besitz der Pfarre kommen könnte. Dieses Schriftstück ist
nicht sicher datiert. Nach Clemen, Die Einführung der
Reformation in Eilenburg (in Beiträge zur Reformations¬
geschichte III S. 40 f., eine Arbeit, die sonst für den hier
behandelten Gegenstand nicht in Betracht kommt), ist
aus Briefen des Ägidius Seitz, die dort abgedruckt sind, ge¬
folgert, daß der Rat erst 1527 in den Besitz der Pfarre
gelangt ist.
Endlich sind aus dem Aktenstücke Weimar Ges. Arch.
0 225 einige Schriftstücke mitgeteilt, die Notizen über den
Prozeß gegen die Eilenburger Pfarrstürmer aus dem Jahre
1522 (Januar und Februar) enthalten. Es sind dies das
Inserat zu den Akten, worin flugold v. Einsiedel notiert,
welche Schreiben bzw. Kopien er am 2. Februar dem Kur¬
fürsten übersandt hat (BL 3), das Schreiben Einsiedels an
den Kurfürsten vom 14. Februar (Bl. 105 f.) und das Ant¬
wortschreiben des Kurfürsten darauf vom 17. Februar
(Bl. 132 f.). Diese drei Schriftstücke werden hier nur in
den (Schluß-) Teilen veröffentlicht, welche bei ihren bis¬
herigen Publikationen im Corpus Reformatorum I S. 556 f.
und S. 558 f. und Nie. Müller, Die Wittenberger Bewegung
S. 177, 203 f. und S. 206 f., weggelassen sind. E» erscheint
gewiesen, trotzdem von diesen Schlußteilen der Schriftstücke
nur einige Sätze zu den Eilenburger Vorgängen in Beziehung
stehen, doch nicht nur diese Sätze, sondern alles bisher
nicht Veröffentlichte abdrucken zu lassen, da es für die
Politik Friedrichs d. W. und sein Verhältnis zu Einsiedel,
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auch für einzelne Fragen, wie den Streit der Stadt Belgern
mit dem Abt des Klosters Buch, von Interesse ist.
Die Schriftstücke werden im vollen Wortlaut genau
nach den Originalen, aber mit Vereinfachung der Orthographie
gegeben.
Eine Darstellung des Eilenburger Auftretens des Didymus
und dessen Folgen, wie diese sich aus diesen neu veröffent¬
lichten 1 ) Dokumenten mit Zuziehung der bisherigen Quellen
nun ergeben, wird in einem der nächsten Hefte der Zeitschrift
des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen er¬
scheinen. Auf diese Darstellung, die als Kommentar zu den
hier abgedruckten Urkunden dienen kann, sei hiermit hin¬
gewiesen.
Aktenstücke.
1. Der Bat der Stadt Eilenburg an Kurfürst Friedrich.
Eilenbnrg 1522, 11. Januar.
Weimar, Ges. Arch. Reg. N 47 (Pag. 72, C. Ni 18, 9) Bl. 2.
Original. Unterschrift: E. c. f. g. gantswillige, gehorsamen der
raedt zu Eylburgk. Adresse (Bl. 5i) wie gewöhnlich. Auf¬
schrift: Der rath zu Eyllenburgk. Bitten umb rath in den
irrungen, die sich bei inen der evangelischen lare halben
•erregen. Papiersiege] erhalten.
Durchlauchtigster, hochgebomer churfurst und herre.
Euern churfurstlichen gnaden seindt unsere gants willige,
gehorsame dienste auß schuldigen pflichten zuvoran bereidt.
Gnedigster her. Wir bitten e. c. f. g. undertheniglich wissen:
*) Während des Druckes ist mir bekannt geworden, daß Fel. Geß
im Neuen Sachs. Archiv 1911 S. 372f. Anm. 1 einen kurzen Auszug des
Briefes Gabriels an den Bat der Stadt Eilenbarg mitgeteilt hat. Wegen
der Weitschweifigkeit des Briefes hat er geglaubt, dessen ganzen Um¬
fang nicht mitteilen zu können. Er hat die Frage hinzugefügt: Ob
der Brief, der gewiß in die Zeit vor Luthers Rückkehr, wohl in die
Mitte des Februars fällt, an seine Adresse gelangt ist? Im Obigen ist
darauf hingewiesen, daß trotz der nicht zu leugnenden Weitschweifig¬
keit der ganze Brief für die Freunde der Reformationsgeschichte zur
•Charakterisierung der Predigtweise des Didymus wertvoll sei. Auch
ist oben die Frage nach der Datierung des Schreibens und nach seiner
Ankunft in die Hand des Rats von Eilenburg genauer zu beantworten
gesucht.
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nach dem sich in vielen örtheru und stethen mancherlei
zwitracht zwischen dem gemeinen volke auß der nau vor¬
genommen weiß und predigten erwachsen, dieweil wir dann>
auch einen prediger aus der hochberumbten universitet Witten-
bergk auch dermaessen bei uns von nehstem christtage bis
auf Trium Begum vorschinen gehabt, welcher die messen,
so itzo ein lange zeidt in gebrauch gehabt, alle zu bodem
zustossen und die evangelische messen nach einsetztmge
Christi zu erheben vorkundiget, zunfte, bruderschaften und
innungen vor nicht heit, kerzen anzunden, lichtlein börnen,
bethen, fasten, die heiligen tage, außgeschlossen die sontag,
zu feiern und alles, was so vor guthe werk scheinen, vor
nicht halden tbut, die freiheit eines Christen menschen, das
er an keinen tagk, zeidt ader stund mit ßeisch, putter und
keße zu essen aber nicht gebunden sein solle, erfuher wendeth,
unangesehen bebstliche ader bischöfliche einsetzung, und
alles, was von menschen ie erticht, nichts zu achten, messen,
vespern, metten und der gleich zu singen auf der cancel
öffentlich vor geschnurre gehalden, auch das volk under
beider gestalt auf vorgangnem nauen iars tage disses unden
beschriben iares comuniciret und inen das sacrament in ire
eigen hende, das zu geniessen, gegeben, daraus sich nuhn
vil zwitracht und gezenke mith worthen und werken im
gemeinen volke bei uns sich erheben; über dis alles, wohin
sich die unsern in umbligende stethe, ire narung zu suchen,
fugen, werden sie vor ketzer und ungleubigen gescholden.
Darauf die gemein nns sulchs e. c. f. g. undertheniglich zu
eröffnen und e. c. f. g. umb gnedigen und mitthetheiligem
rathe zu bitten angelanget. Dieweil wir dan disses und
grössere fals hinder e. c. f. g. gnedigen willen ethwas fur-
zuwenden nicht wissen noch wollen, ist derhalben an e. c. f. g.
unser demutigs und underthenigs bith(en), e. c. f. g. wollen
uns armen mith e. c. f. g. milden und hochloblichen rathe,
dieser Sachen nach e. c. f. g. gnedigen willen zu geleben,
gnediglicb bedenken, darinnen wir uns e. c. f. g. allezeidt in
gehorsamlicher underthenigkeidt emsiglich zu dienen emp¬
fehlen. E. c. f. g. umb gnedige anthwurth bittende. Gegeben
under unserm stadtsecret sonabents nach Epiphanie (anno)
dni. im funfzehenhunderthen und zwee und zwenzigsten iaren.
2. Johannes von Kanitz, Propst des Klosters auf dem
Petersberge, an den Bat zu Eilenbnrg. (Petersberg) 1522,
13. Januar.
Weimar, Ges. Arch. Keg. Ii 106 (Fol. 321, A 1.21) Bl. 2.
Kopie. Unterschrift: Johannes von Kanitz, probist ufm peters-
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berge. Adresse unter dem Texte: An rath zn Eyluburgk etc.
Ohne Aufschrift.
Meine willige dienst. Erbare, wolweise, günstige, lieben
herren und freunde. Ich bedanke mich höchlich euers
rlemsigen beistandes, so ir euch kegen den ubeltetern und
götlicben fride brechern, die meine pfarne bei nacht wider
Got. ehre und recht ane alle Ursachen beschedigt haben,
(erzeiget habt), gar freuntlich. Bitte dieselben in guter ver-
warung zu halten und nicht lohß zu lassen, bis solange ich
e. w. fürder ansuchen werde. Was dorrauf uncostung ergehet,
soll wol bezalt werden. Wollet euch nochmals nagkbarlich
und freuntlich erzeigen und beweisen, wie ir gethan von mir
wolt nehmen. Das wil ich sambt meinem convent umb e. w.
fruntlich vordinen. Datum am achten tage Trium Kegum
im 1522. iar.
3. Kurfürst Friedrich an Hagold von Einsiedel.
Alstedt 1522, 14. Januar.
Weimar a. a. 0. Bl. 3. Kopie. Ueberschrift: Friderich etc.
Adresse unter dem Texte: An Hawbolten von Einsiedel.
Lieber getreuer und rath. Nachdem du weist, welcher
gestalt der probst uff sand peterßberg nagst an uns ge¬
schrieben und was wir ime darauf zu antwurt geben, auch
was wir dir derhalben bevolen etc., als geben wir dir zu
erkennen, das uns nechten spat ein schrift von dem rathe
zu Eylenburgk zukomen, die sich fast mit des probst(s)
schreiben vergleicht, wie du ab inligender copien vernemen
wirdest. Weil du uns dan itzo geschrieben, wie sichs fürder
mit dießer Sachen halden wirdet, das du uns solche unver¬
halten lassen wilt, und wir nit wissen, was du mitler zeit
in berurten Sachen gehandelt hast, so haben wir der von
Eylenburgk boten anzaigen lassen, dem rathe zu vermelden,
das sie bei dir umb antwurt ansuchen solten. Das ist aus
dem bescheen, das wir hie nit gerne antwurt geben wolten,
die dem, so durch dich gehandelt, entgegen sein mocht. Wu
du nu etwas in der Sachen gebandelt und solchs dermassen
gelegen, das du demselben nach den von Eylenburgk antwurt
geben mochst; so wollest da& uff ir ansuchen thun, wu aber
nit, ine zu irem ersuchen anzaigen, du hettest uns derhalben
auch geschrieben und, wan dir antwurt wurde, so wollest
du inen unser meinung unverhalten lassen 1 ). In dem thustu
x ) Hier folgten im Texte die Worte: und wollest uns von stund,
wie es mit der Sachen gelegen und, ob du etwas darinnen gehandelt
hast, schreiben, uff das wir dir unser bedenken daranf zu erkennen
geben mugen. Diese Worte sind gestrichen.
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ans za gefallen. Datum za Alsted dinstags nach Erhardi
aDno dni. 1522.
4. Kurfürst Friedrich an Johannes von Kanitz,
Propst des Klosters auf dem Petersberge. Alstedt 1522,
15. Januar.
Weimar a. a. 0. Bl. 4. Konzept mit Korrekturen derselben
Hand, aber mit auderer Tinte. Ueberschrift: Got walds. Von
Gots gnaden Frid(erich etc.). Adresse unter dem Texte:
Probst uf sand Petersberg. Aufschrift (Bl. 4±): An brobst
uff sand Peters berg, belangend die beschwerung, so gegen
der pfar zu Eylenburg furgenomen sein sol.
Lieber andechtiger. Wir haben dein schreiben und
anzeige, was gegen der pfarre zu Ilenburg furgenomen sein
sol, empfangen und, so sich gegen euch und den eurn mud¬
williger beswerung understanden, horten wir nit gerne, nach
dem wir euch das uf nast eur schreiben angezeigt, das wir
unsern reten zu Ilenburg derhalben bevelen wolten, wie dann
bescheen, itziges euer schreiben auch zugeschickt. Bei dem
mögt ir ansuchen. Dann uns ist ie nit gemeint, das ir oder
imanz ander ubelliger weiß bestürmt werden solt 1 ). Das
wolten wir euch genediger meinung nit verhalten. Datum
zu Alsted mitwoch nach Felicis in pincis anno 1522.
l ) Die Worte: wie dann bescheen — werden solt sind für die
ursprünglich geschriebenen nnd danach gestrichenen Worte eingesetzt:
wie wir dann sind des getan. So mögt ir bei denselben ansuchung
thun, nngezweivelt, sie werden gehnrlich in die Sachen sehen. Außer¬
dem sind von derselben Hand, die Aufschrift anf Bl. 4* geschrieben
hat, an den Band die Worte gesetzt: Derhalben haben wir denselben
unsern reten, diese Worte sind aber nach reten abgebrochen. Diese
Hand ist dieselbe, die im Aktenstücke 0 225 Bl. 8 ff., Bl. 42 ff., Bl. 48
u. 49, Bl. 111 ff. geschrieben hat.
(Schluß folgt im nächsten Heft.)
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Mitteilungen.
Aus Zeitschriften. 1 )
Allgemeines. C. Bodenberg, „Kirche and Staat im
MA. und die Entstehung der sog. Landeskirchen des 15. Jahrh.“ (Vor¬
trag), zeigt, daß am Ende des MA. die Fürsten eine sichere Obergewalt
über die Kirchen und Geistlichen ihres Landes begründet hatten.
Eigentliche Landeskirchen sind darum freilich noch nicht entstanden^
da diese Kirchen in keiner Weise aus der Organisation der allgemeinen
Kirche ausgeschieden waren; gleichwohl erscheinen diese Bildungen
als notwendige Vorstufe der Landeskirchen in der Reformationszeit,
wie denn im Wesen der landesherrlichen Kirchengewalt von vornherein
der Trieb lag, über die Temporalien hinauszugehen. Schrr. V. f. Schlesw.
Holst. KG. II. Reihe V, 2 S. 129—149.
N. Paulus, „Die Anfänge des sog. Ablasses von Schuld
und Strafe“, möchte diesen Ausdruck mit Bonifaz VIII gleichsam
auf ein volkstümliches Mißverständnis zurückgeführt wissen, und
leugnet, daß gegen Ende des Mittelalters im Wesen des Ablasses eine
Wandlung stattgehabt habe. Zkath.Theol. 1912, I S. 67—96.
Eine sehr fleißige, von großer Belesenheit zeugende Abhandlung
über „die Eheauffassung des ausgehenden deutschen MA.“
veröffentlicht R. Koebner im Archiv f. Kulturgesch. 9 S. 136—198,
279—318. Seine Absicht ist, auf Grund der bezügl. zeitgenöss. Lite¬
ratur die Entwicklung der Moralbegriffe zu verfolgen, die das volks¬
tümliche, gelehrte und dichterische Denken dem Gattenverhältnis zu¬
grunde legt. Er behandelt: die Eheschließung (Frühheirat; Gattenwahl);
die Gewaltrechte des Ehemanns (eheherrliche Erziehungsgewalt; Gewalt
über Leib und Leben der Frau); endlich die Beurteilung der Frau
(Charakterwerte; geistige Wirkung der Frau; der Frauenhaß). Dabei
ist auch vielfach der Stellung der Kirche gedacht. Koebner bemüht
sich zu zeigen, daß die Auffassung der Kirche von der Frau von der
der weltlichen Gesellschaft nicht weit abwich; so möchte er auch den
Hexenhammer nicht der Kirche als solchen oder dem Dominikanerorden
zur Last legen. Seine kurzen Bemerkungen hierüber erschöpfen freilich
x ) Die Redaktion ersucht die Herren Verfasser höflichst um Zu¬
sendung einschlägiger Zeitschriftenartikel zur Anzeige an dieser Stelle.
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die Frage nicht, noch widerlegen sie die gegenteilige Auffassung
J. Hansens u. a.
Als Herausgeber des letzten der vorlutherischen Bibel-
drucke, der Halberstädter Bibel von 1522, sucht E. Breest gegen
die herrschende Annahme, die sie Ludwig Trutebul zuschreibt, Curt
Drake zu erweisen, den Begründer einer noch jetzt bestehenden Halber¬
städter Offizin (Döll); er stützt sich auf eine Angabe des Halberstädter
Generalsuperintendenten Schäffer von 1701 und die in der besagten
Bibel viel erscheinenden Buchstaben CD, die man bisher auf den Meister
der Zeichnungen gedeutet hat. ThStKr. 1912, 3 S. 478—488.
B. Clausen gibt eine zahlenmäßige Darstellung der nieder¬
deutschen Drucke im 16. Jh., aus der die bedeutsame Einwirkung der
Reformation auf die Bücherproduktion hervorleuchtet; um 1520 tritt
eine plötzliche Steigerung letzterer auf das Vielfache ein, und zwar
dauert diese Hochflut bis in den Beginn der vierziger Jahre an; es
folgt ein merklicher Niedergang bis 1575, worauf die Anzahl der
Drucke bis zum Ende des Jahrhunderts wieder dauernd steigt.
Zbl.BW. 29, 5 S. 201—209.
Grützmacher, „Beiträge zur Gesch. der Ordination in der
ev. Kirche“, findet bei Butzer eine Auffassung der Ordination, die trotz
unleugbarer Verwandtschaft mit Luther in dem Bestreben, ihr eine
besondere Weihe beizulegen, eine katholisierende Auffassung der Ordi¬
nation darstellt, wogegen bei der Reformatio Hassiae von 1526 die
„katholische“ Formel Accipe spiritum sanctum durchaus im evang.
Sinne gebraucht wird. Endlich behandelt G. die Entwicklung der Ordi¬
nation in Pommern, um zu zeigen, wie die dortige Kirche „nach der
kurzen Verirrung Knipstros“ durch Runge im Punkte der Ordination
zu durchaus lutherischen Anschauungen gelaugte. NkZ. 23, 3 S. 363
bis 379.
0. Clemen: gibt zwei Miszellen zur Ref.Gesch., 1. „Wittenberg
und Savonarola“. Lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Wittenberger
Sammeldruck von 1521 (mit 3 gegen S. gerichteten Schriften) und macht
Mitteilungen daraus; der Zweck jener Publikation bleibt freilich dunkel.
— 2. teilt CI. ein Pasquill auf den Tod Clemens’ VH. mit. (ZKG. 33, 2
S. 268—278, 278—285.)
K. Kaser, „Die Ursachen des Bauernkriegs“ — hält
gegen Wopfner und Stolze an der hergebrachten Ansicht fest, daß die
Ursachen der Erhebung wesentlich auf sozialem und wirtschaftlichem
Gebiet zu suchen seien, weniger auf dem religiösen; die Religion diene
den Bauern vielmehr als Schlagwort ihrer weltlichen Tendenzen.
„Die soziale Reform borgte von der kirchlichen die Farbe, aber nicht
den Inhalt.“ . VjSchr. f. Soz. u. Wirtsch.G. 9, 4 S. 578—588.
Ein eingehendes Referat über Wilh. Gußmann, Quellen und
Forsch, zur Gesch. des Augsburg. Glaubensbekenntnisses I, 1. 2.
(1911) erstattet Th. v. Kolde in BBK. 18, 6 S. 287—294. In dem
Hauptpunkte, der Frage der Beeinflussung der Confession dhrch die
von G. herangezogenen vorbereitenden „Ratschläge“, verhält sich v. K.
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«ehr skeptisch; er erblickt ihre Hauptbedeutung in dem, was sie über die
Zustände und Ansichten in den verschiedenen Gebieten der werdenden
Reformation erschließen lassen. „
„Neue Briefe vom Bt. zu Augsburg 1530 u bietet H. Jor¬
dan, nämlich Briefe zweier Crailsheimer, des Pfarrers A. Weiß und des
Handwerkers Caspar Schüller. Sie sind entnommen einer nener-
■dings wieder aufgefundenen Dinkelsbühler Hs., betitelt „Etliche
Batschläg, Missiven und Verträg von 1530 ff.“, die von Jordan ein¬
gehend beschrieben wird; es ist ein von dem Dinkelsbühler Bgm.
Michael Bauer hergestellter Abschriftenband, der noch viele andere
nicht' unwichtige Inedita der gleichen Epoche (z. B. eine bisher un¬
bekannte Sammlung von Tischreden Luthers) bietet. BBK. 18, 4
S. 159—180 ; 5, 210—233. Man beachte auch die eingehenden An¬
merkungen.
Aus dem Orig, der Zwickauer Batsschulbibl. teilt 0. C1 e m e n
einen Brief K. F r a n z 1 1. v. Frankreich anAlbrecht vonMainz
vom 20. November 1536 mit, der auf Beziehungen des Schreibers zum
Kurfürstenkollegium hinweist, das vielleicht gegen das Mantuaner
Konzilsprojekt gestimmt werden sollte. HVjSchr. XY, 3 S. 378 f.
N. Paulus kommt in einem, übrigens mangelhaft fundierten
Artikel „Beligionsfreiheit und Augsburger Beli-
gionsfriede“ zu dem (selbstverständlichen) Ergebnis, daß damals
keine der beiden Glaubensparteien Toleranz im modernen Sinne geübt
hat HPB11. 149 (1912) S. 356-367, 401—416.
F. Menßik teilt (aus dem Harrachschen Familienarchiv?) den
Brief eines niederösterr. Schulmeisters an einen Freund in Wien v.
J. 1607 mit, worin in beachtenswerter Weise von den Wiedertäufern,
ihrer Geschichte und Lehre die Bede ist. ZDV. f. d. Gesch. Mährens
•und Schlesiens XY (1911) S. 364-372.
W. Platzhoff zeigt die Wandlung in der Auffassung über
■den Ursprung der Bartholomäusnacht durch die Jahr¬
hunderte; die Namen Banke und Banmgarten bezeichnen den Durch¬
bruch einer objektiveren Betrachtung des Ereignisses, dqg übrigens
nur im Zusammenhang mit der internationalen Politik jener Epoche
verstanden werden kann. Außerdem weist PI. auf den Zusammenhang
hin, der zwischen der Bartholomäusnacht und der Ausbildung der
Lehre von der Volkssouveränität und dem Widerstandsrecht des Volkes
•besteht. Vergangenheit und Gegenwart 1912, 1 S. 49—57.
E. Schellbaß veröffentlicht aus vatikanischen Hss. 7 Briefe
von 1573—1575, die sich auf die Arbeiten des Laurentius Surius,
•die Unterbringung eines konvertierten jungen Dänen N i c o 1 a u s
Michaelius im Colleg. German, sowie auf die gegenrefor-
•natorischenBestrebungender Zeit beziehen. QuFPrJ. XIV,
2 S. 287-314.
Biographisches. Die HPBU. 149 (1912) S. 774-785,
-856—874 und 901—910 bringen anonyme Betrachtungen, betitelt
^Prinzipielles zur Lutherfrage“; sie knüpfen an die Beurteilung an,
Archiv für Beformatioosgeschichte. IX. 4. 24
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die Grisars „Luther“ auf protest. Seite gefunden und werfen die Frage-
auf, ob ein Katholik Luther objektiv darstellen könne, fördern sie aber
trotz mancher guten Bemerkungen nicht wesentlich, weil sich an der
entscheidenden Stelle doch stets die katholische Befangenheit wieder
einötellt. Von der Verurteilung Luthers durch den Papst heißt es, der
katholische Historiker sei verpflichtet, diese Verurteilung als objektiv
gerecht zu betrachten; das sei aber das gute Hecht des Historikers,
„da er sich für seinen kathölisch konfessionellen Standpunkt aus
wissenschaftlich vollkommen einwandfreien (!) Gründen entscheidet“^
Mit dieser Auffassung ist, fürchten wir, eine Verständigung unmöglich/
Wie tief aber das Verständnis des Vf. für den Protestantismus ist,-
geht wohl aus seiner Behauptung hervor, daß mit einer so oder so
sich darbietenden Geschichte der Reformation die konfessionelle Über¬
zeugung des Protestanten stehe oder falle (!). Folgerecht müßten also
wir Protestanten, nachdem Grisar „wissenschaftlich einwandfrei“ nach¬
gewiesen hat, daß Luthers „Abfall“ unberechtigt war, insgesamt
schleunigst zum Katholizismus zurückkehren.
In erfreulichem Gegensatz zu diesem Anonymus zeigt E. Her¬
zog, „Ein Lutherbild“, einleuchtend, wie weit Grisar im ersten.
Bde. seines „Luther“ von der vorgegebenen Objektivität entfernt
sei; es sei zumal ganz willkürlich, von vornherein den Standpunkt
der päpstlichen Infallibilität der Beurteilung von Luthers Tun zugrunde
zu legen und dessen Bruch mit dem römischen Papsttum einfach
als „Abfall von der Kirche“ zu bezeichnen. „Der Abgefallene“, hält
H. dem entgegen, „war in Luthers Augen der Papst selbst, der der
Lehre Christi und seiner Apostel widersprach“ usw. Internat, kirchl.
Zeitschr. I (1911) S. 438—443.
In Polemik gegen R. Kuhn, Verhältnis der Dezemberbibel zur
Septemberbibel (Greifsw. 1901) sucht Weber, „Zu Luthers
September- und Dezembertestament“ nachzuweisen,,
daß Luthers Verbesserungen in der zweiten Ausgabe seiner Übersetzung
des NT. (Dezembertestament) gegenüber der ersten (Septembertestarnent)
nur geringfügige gewesen, insbesondere der griechische Text nicht aufs
neue verglichen worden sei. ZKG. 33, 3 S. 399—439.
In Evang. Freiheit XII, 1 (Jan. 1912) S. 11 f. weist K. Lincke
auf das später durch den Katechismus ins Hintertreffen geschobene
„Betbüchlein“ Luthers von 1519 hin und auf die Bedeutung,
die insbesondere die darin enthaltene „kurze Form des Glaubens“ noch
für die kirchl. Liturgik der Gegenwart gewinnen könnte.
Aus einem von Luther benutzten Exemplar des Psalters in
seiner Übersetzung von 1534 (auf der ehemal. Helmstädter Univ.-Bibl/}
teilt 0. Alb recht zwei Eintragungen mit, die sich als Abschriften
lutherischer Aufzeichnungen kundgeben: ein B e i c h t g e b e t und eine
G1 o s s e zu Ps. 2 , 2. Bei diesem Anlaß spricht sich A. auch in an¬
regender Weise über das Desiderium einer wissensch. Sammlung der
Gebete Luthers aus. ZVKG. d. Prov. Sachsen 9, 1 S. 51—56.
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In der Fortführung seiner Untersuchungen über die Tisch¬
reden Luthers (vgl. oben S. 174) legt L. Cristiani die Mängel
der Sammlung Auxifabers dar. RQH. 91 Lief. 181 S. 101—135.
In HPB11. 149 (1912) S. 126—137 verbreitet sich K. Paulus
über die von Kawerau in ZKG. 32 mitgeteilten Notizen des Ägidius
von Viberbo zu Luthers Romreise (vgl. oben S. 172) als neue
wertvolle Belege der Annahme, daß L. nicht von Staupitz, sondern
von den sieben renitenten Klöstern, und zwar Ende 1510 von Erfurt
aus nach Rom gesandt worden sei, und polemisiert wider Scheeles
Ansicht (in ZKG. 32, 392).
In Beiträge z. Sächs. KG. 25 S. 1—7 reproduziert Wu 11 i g zwei
Lutherschreiben an die Grafen von Mansfeld 1542, in
denen er deren Gewalttätigkeiten scharf tadelt — als Zeichen, daß L.
kein „Fürstenknecht 44 gewesen sei.
Anknüpfend an den kürzlich von Prof. Spaeth in Philadelphia
aufgefundenen, als längst bekannt nachgewiesenen Bericht über
Luthers Lebensende sucht J. Strieder die vorhandenen
authentischen Berichte über Luthers Ausgang näher zu bestimmen und
in ihrem gegenseitigen Zusammenhang zu analysieren. Einen hohen
Wert legt er dem von B. Sepp (Zur Literatur über das Lebensende
Luthers., SA. aus Beilage der Augsburger Postzeitung vom 14. Dez.
1901) zuerst mitgeteilten, W. R. Unterzeichneten Bericht bei, als dessen
Autor er Wolfgang Roth, mansfeldischen Beamten, nachweist; dieser
Bericht, der seiner Bedeutung nach an zweiter Stelle steht (nach dem
Briefe des Jonas), hat die weitest verbreiteten Todeserzählungen be¬
einflußt. HVjSchr. XV, 3 S. 379—396.
„Lutherspuren in der neueren Volksüber¬
lieferung“ geht K. Reuschel nach (Thür. Sächs. Z. f. G. u. K. n, 1
S. 45—71). Er will an der Hand volkstümlicher Luthergeschichten
und volkstümlicher Bräuche, die sich an L. knüpfen, zeigen, wie sich
dieser und sein Werk in Sprache, Sitte und Volksdichtung widerspiegeln.
So erörtert er kurz: „L.s Name wortbildend; L. im Sprichwort;
Kinderlieder und -spräche auf L.; Martinsfeier und Martinslied; deutsche
Luthersagen; L. und das Ausland; L. nach dem Tode.“
In der Monatschr. f. Gd. u. k. K. XVH, 8 S. 245—248 veröffent¬
licht Fr. Spitta nach gleichzeitigen, der Vergessenheit anheim¬
gefallenen Drucken ein längeres Lied des Ambrosius B 1 a u r e !r
gegen die Trunksucht („von allen Vollsaufern und dollen Brüdern“).
Der Nämliche stellt ebenda S. 7—14, 40—51, 79—91 die
bisher ganz im argen liegenden Lebensumstände des Benedikt
Du eis, Musikers der Ref.Zeit und Komponisten von Kirchenliedern,
scharfsinnig fest. Ducis oder Dux. (eigentl. Herzog) scheint aus der
Gegend von Konstanz zu stammen, war bis etwa 1516 in Antwerpen,
dann kurz in England, in Wien (im Verkehr mit Grynaeus und Vadian);
hernach wegen seiner evangel. Gesinnung aus den kathol. Ländern
ausgeschlossen, tritt er zuerst 1532 in Ulm auf ufld endet 1544 als
Landpfarrer im Ulmischen.
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In NJahrbb. f. d. klass. Alt. usw. Bd. 29, 3 S. 205-215 wirft
L. Enthov^n die Frage auf, ob Erasmus Weltbürger oder Pa¬
triot gewesen sei. Er beantwortet sie, indem er an der Hand der
Briefe des E. dessen Gesinnung gegenüber seiner niederländ. Heimat,
Deutschland und Frankreich prüft, dahin, daß E. zwar für nationales
Empfinden empfänglich gewesen sei, sich aber nur dort wohlgefühlt
habe, wo wissenschaftliches Streben herrschte und in Ehren stand und
er selbst Anerkennung fand. Er war mehr Kosmopolit als Patriot.
P. Kalkoff erörtert in ZKG. 33, 2 S. 240—267 die Biographie
Kajetans aus der Feder seines langjährigen Sekretärs Giambatt.
Flavio aus Aquila (1482—1544). Es stellt sich heraus, daß Flavios
Bericht über das Augsburger Verhör Luthers nur mit Vorsicht zu
gebrauchen ist; andererseits wird Kajetans Sittenreinheit und Uneigen¬
nützigkeit von Fl. nicht ohne Grund gepriesen. Besonders gut ist
Fl. über die Zeit Hadrians unterrichtet, sein Bericht vervollständigt
das Bild der Intrigen, mit denen die Italiener diesen Papst umsponnen
hatten. Die Arbeit Flavios — zuerst ein kürzeres Gedicht, dann eine
Schilderung in Form einer Rede — erschien kurz nach Kajetans Tode
(f 1534); je einen Orig.-Druck besitzt die Bresl. Stadtbibi, und die
Bibi. Vitt. Emanuele zu Rom.
Über eine wahrscheinlich 1530 abgefaßte Streitschrift des Mün-
sterischen Humanisten und Schulmannes Johann Glandorf
{später, 1533—1534, Vorstand der evangel. Schule in M.) gegen Heinrich
Vruchter, Lehrer an der Domschule, referiert Kl. Löffler in Zvat.
G. u. A. 69, 1 S. 86-95.
Th. Hermann tritt mit gewichtigen Gründen tür die Richtig¬
keit der vielfach und noch neuerdings (von Wolkan) bestrittenen An¬
nahme Ph. Wackernagels ein, wonach der Dichter des bald in die
Gesangbücher der Lutheraner und Reformierten übergegangenen Liedes
„Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn“ der 1530 in Kufstein ver¬
brannte Täufer Georg Grünwald ist. Monatschr. f. G. u. ehr. K.
1912, 6 S. 197 f.
Die Anfänge des Fürstbischofs von Münster Johann von Hoya
<1566—1568) behandelt W. E. Schwarz in Z. vat. G. u. A. 69,
S. 14—71, und zwar seine Wahl und Bestätigung und die Einrichtung
4er neuen Verwaltung; einige archival. Urkunden sind beigegeben.
Ein Exkurs (ebendas. S. 460—462) behandelt die Gründe der Resi¬
gnation des Vorgängers Johanns, Fürstbischof Bernhard von Raesfeld 1566,
die in der Erkenntnis seiner eigenen Unzulänglichkeit bestanden
haben sollen.
Von dem frühesten Regensburger Drucker P a u 1 K o h 1, der
von 1522 bis 1531 nachweisbar ist, führt K. Schottenloher nicht
weniger als 43 Drucke auf, während bisher nur 8 nachgewiesen waren.
Kohl übernahm die eingegangene Druckereides Bambergers Joh.Pfeil;
«er begann mit Drucken zur Verherrlichung der Jungfrau Maria, druckte
dann^aber auch (was bisher unbekannt war) Lutherische Schriften,
hernach wieder, unter Einwirkung des Regensb. Konvents von 1524,
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Antilutherisches, 1525 Schriften für die Bauern, später solche wider
sie; auch amtliche Begensburger Drucke gingen aus seiner Offizin
heryor. Seit 1532 begegnet auf den Begensburger Drucken nur mehr
Pauls Sohn Hans. Zbl. Bw. 29,9 S. 406—525.
Das 4. Heft der ThStK. von 1912 weist ausschließlich Melanch-
t h o n betreffendes auf. F. C o h r s betrachtet M. in seiner Bedeutung
für den religiösen Jugendunterricht (S. 493—517); 0. Ritschl be¬
spricht die Entwicklung der Bechtfertigungsiehre M.s bis 1527 (S. 618
bis 541); P. Flemming gibt eine ansehnliche Nachlese zu Vogts
Nachweis von Melanchthonbriefen S. 541—639); 0. Clernen gibt zu
Melanchthons „Scriptum Smalcaldianum ad Beges u 1537 eine bisher
kaum beachtete Streitschrift des Cochlaeus (in Form eines Briefes an
Herzog Wilhelm von Bayern 6. Mai 1537) heraus, aus der über die
große Verbreitung der Schrift M.s usw. manches zu entnehmen ist
(S. 640—653). Den Schluß des Heftes bildet eine Anzeige der Supple¬
ments Melanchthoniana(1,1 undII, 1) von 0. Clemen (S. 654—658).
In ZVKG d.Prov. Sachsen 9, 1 S. 57—91 stellt R. Hermann
einen Vergleich an zwischen Th. Münzers „Deutsch-evangl. Messe“
von 1524 und Luthers liturgischen Schriften von 1623 („Von Ordnung
Gottesdiensts in der Gemeinde“ und „Formula missae et communionis“)
und 1526 („Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“). Er urteilt,
daß die Art, wie Münzer den römischen Gottesdienst reformiert habe,
— trotz aller Abhängigkeit von Luther — als eine berechtigte Über¬
gangsform in jener Zeit des Übergangs anerkannt werden müsse;
M.s Reform habe einem Bedürfnis entsprochen und sei daher auch
noch lange nach seinem Tode in Gebrauch gewesen.
Zwei Briefe des Wolfgang Musculus an Gereon
Sailer vom 26. und 28. April 1554 veröffentlicht Fr. B o t h in BBK-
17, 5 S. 235—241 nach Abschriften des Münchener RA.; der erste und
längere Brief ist Musculus’ ablehnende Antwort auf das ihm gemachte
Angebot der Superintendentur zu Laumgen; der zweite Brief betrifft
Rafael Sailer, Gereons Sohn.
Über den Chronisten und evangel. Prediger Neocorus (eigentl.
Johannes Adolphi), dessen Chronik eine Hauptquelle für die schleswig¬
holsteinische Reformationsgesch. bildet (geh. vor 1559, -J- 1630), handelt
ein Vortrag von H e e 8 c h, gedr. in Schrr. des V. Schlesw. Holst. KG.,
II. Reihe V, 3. S. 345—357.
Ein im Verein f. Gesch. der Stadt Nürnberg gehaltener Vortrag
von C h r. Beck über den Nürnberger Paul Pfinzing (1523 bis
1570), der sich im Dienste Karls V. und Philipps II. betätigte, mit
seiner Vaterstadt aber — nach Ausweis* seiner mit dem Rat von
1548—1558 geführten Korrespondenz — in inniger Verbindung blieb,
ist im Unterhaltungsbl. des Fränk. Kuriers Jahrg. 58 (1911) Nr. 29, 31,
33 veröffentlicht worden (vgl. 34. Jahresber. des gen. Vereins S. 7—9).
Einen Vortrag E. Reickes über „W illibaldPirkheimer
in seiner Jugend und seinen ersten Briefen“ skizziert der 34. Jahresber.
des Vereins f. G. der Stadt Nürnberg S. 26—28 (1911).
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J. W. P o d t veranstaltet einen mit einer biograph. Einleitung
und Anmerkungen versehenen Neudruck der hbllttnd. Ausgabe des
„Kleinen Corpus Doctrinae“ von Matheus Judex (oder Kickt er).
Letzterer, 1528 im Meißnischen geboren, war ein Geistesverwandter
<les Flacius Illyricus; sein C. D., 1564 zuerst hochdeutsch erschienen,
diente hernach auch den niederländischen Lutheranern als kirchliches
Lehrbuch. Der Neuausgabe liegt die in Wesel 1564 gedruckte nieder¬
ländische Redaktion zugrunde. Jaarboek der Vereeniging voor Nederl.
Luther. Kerkgeschiedenis IV (1911) S. 3—47.
0. Clemen teilt aus den Rothschen Briefsammlungen der
Zwickauer Ratsbibi. 2 Briefe von 2 Klarissinnen in Eger an
Stephan Roth in Zwickau von 1520—1521 mit, die u. a. zeigen,
daß R. den Schreiberinnen Bücher Luthers zu verschaffen sich erboten
hatte, was jene allerdings vorsichtig ablehnen. MVGD in Böhmen
-50, 4 S. 599—602.
„Weitere Beiträge zur Lebensgeschichte Martin Schallings“
(vgl. ds. Zeitschr. Bd. 8 S. 222) gibt Trenkle in BBK. 18, 4 S. 180
bis 185, und zwar auf Grund der abgedruckten Eintragungen Sch’s.
in das Trau- und das Taufregister von Vilseck, aus denen hervorgeht,
daß Sch. von 1574—1577 dort Pfarrer war.
Ein Aüfsatz von Fr. Nägelsbach, „Ein verkannter Märtyrer
der Ref. in Franken“, gibt aus Erlanger Dekanatsakten Kunde von dem
Pfarrer zu Thuisbrunn(Dekanats Greifenberg) Dietrich Solfert,
der dort das Evangelium predigte, Ende 1533 aber von dem Bischof
von Bamberg, als er sich auf bambergischem Gebiet betreten ließ, ins
Gefängnis geworfen wurde, aus dem ihn erst die Dazwischenkunft des
Mfen. Georg befreite. BAK. 18, 4 S. 145—159.
Weitere Abschnitte der „Spalatiniana“ G. Berbigs (f) von
1525—1529 reichend, bringt NkZ. 23, Heft 4—8 (vgl. oben S. 177).
„Johann Turnowski, ein Senior der Böhmischen Brüder“,
wird von Th. Wotschke im neubegründeten Jahrb. der Ev. Ver.
f. die KG. der Prov. Posen („Aus Posens kirchlicher Vergangenheit“)
Jahrg. I, S. 73—111 behandelt. Turnowski (1568—1629), der früh¬
zeitig in Genf die entscheidenden Eindrücke seines Lebens erhielt,
erscheint mehr als Schüler der Schweizer denn als Nachkomme der
alten Brüder; es veranschaulicht die Verschmelzung der Unität mit
der reformierten Kirche, in* gewissem Sinne ihr Aufgehen in diese. Den
Schluß des lehrreichen Artikels machen sieben arcbival. Beilagen, meist
Briefe Ts.
Im Trierischen Archiv XVII/XVIII, S. 55—64 macht uns
H. Reimer mit Johann Wimpheling (1533—1577), einem
kurtrierischen Staatsmann der zweiten Hälfte 16. Jahrh. bekannt, der
den Erzbischöfen, insbesondere auch bei der Unterdrückung und Fern¬
haltung des Protestantismus, an die Hand ging; u. a. ist er bei Grün¬
dung des Jesuitenkollegs in Koblenz beteiligt; außerdem hat er in die
Kölner Kämpfe zwischen Gebhard Truchseß und Ernst von Bayern zu-
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gunsten dieses erfolgreich eingegriffen. Ob er ein Verwandter des
.Humanisten Jacob W. war, läßt sich nicht nachweisen. .
Landschaftliches. Joh. S c h ö c h beginnt in Forsch, n.
Mitt. z. G. Tirols und Vorarlbergs IX, 1 S. 21—37 eine Darstellung
'der religiösen Neuerungen des 16, Jahrh. ^Vorarlberg bis 1540
und bespricht die wirtschaftliche Lage sowie die Ausbildung und das
.sittliche Leben des Klerus.
.Im Freib. Diöz. Archiv N. F, 12 (1911) S. 65—184 behandelt
K, Reinf r i ed die „Religionsveränderuugen im Landkapitel Otters-
w e i e r‘* im 16. u. 17. Jahrh.; die Veränderungen in diesen zu fünf ver¬
schiedenen Herrschaften gehörenden Gebieten erfolgen durchweg der
kirchl, Stellung der Herrschaften entsprechend, wie denn die Baden-
Badenachen Teile zwischen 1522—1634 achtmal die Religion änderten.
R, Lossen veröffentlicht aus Kop. Buch des GLA. zu Karls¬
ruhe eine um. 1495 angefertigte Beschreibung sämtlicher kur-
-pfälzischen Patronatspfränden mit Angabe ihrer Gefälle,
4er auf ihnen ruhenden Verpflichtungen und der Inhaber, eine nicht
nur für die wirtschaftliche Lage jenes Klerus kurz vor der Reformation
wertvolle, aufschlußreiche Geschichtsquelle. Freib. Diöz. Archiv N. F.
11 (1910) S. 176—258.
Einen vorreformatoriachen Visitationsbericht teilt K.. S c h o r n -
•bäum in BBE. 18, 6 S. 233—235 mit. Es handelt sich um eine von
dem Eichatädter Kanonikus Joh. Vogt 1480 im Auftrag des
Bischofs vorgenommene Visitation des ganzen Bistums.
Der Bericht liegt im bischöfl. Ordinariat Eichstädt vor und würde den
Druck nach Sch. sehr lohnen; Als Probe gibt dieser den Bericht über
-seine eigene Pfarre Alveld.
Aus dem Arenbergischen Archive in Brüssel nsw. bringt
H. Goldschmidt eine Anzahl von.Briefen über das Projekt einer
Vermählung der Prinzessin Sibylla, Tochter Wilhelms von Cleve,
mit dem kathol.. Grafen von Arenberg. Obwohl die Heirat durch
-Österreich und Bayern hintertrieben wurde, ist Sibylla doch, als einzige
unter den Töchtern Wilhelms, katholisch geworden. Beitr..z. G. d. Ndrh.
24 (1911) S. 105—118.
Eine auf Sorgfältige statistische Nachweise gestützte Studie von
K, Schumacher über die konfessionellen Verhältnisse des H er -
zogt. Berg vom Eindringen der Ref. (spezieller vom Ansgang der
-alten hrzl. Regierung 1609) bis zum Xantener Vergleich (1614) zeigt,
daß m den Zeiten der brandenburgisch-neubnrgischen Gesamtregierung
«der Protestantismus (und zwar in den gesamten Jülicher Landen) eine
wesentliche Förderung erlebte. Von 1609 bis 1614 sank im Bergischen
4ie Zahl der katholischen Gemeinden von 101 auf 74, die der
evangelischen aber stieg von 55 auf 84. Ein Schlußwort verfolgt die
Entwicklung bis 1673. Beitr. z. G. d. Ndrh. 24 (1911) S. 1—104.
Die Ansprüche der jülich-bergischen Landesregierung
-auf die Besetzung der Pfarrstellen erläutert 0. R. Redlich an dem
Rsaner Pfarrstreit von. 1535, in Beitr. z. Gesch. d. Ndrh. 24
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(1911) S. 268—270. Im Konflikt blieb gegen den Erzbischof der Herzog-
Sieger, allerdings nnr mittels Anwendung von Gewalt, wie sich aus-
den beiden archival. Beilagen (aus dem Düsseldorfer St.A.) anschaulich
ergibt
Der dritte Abschnitt von H. Rothers „Kirchengesch. der
Grafschaft Hark“ behandelt in knapper Darstellung aus guter Kennt¬
nis die Reformation, und zwar nach folgenden Gesichtspunkten: Gründe
der Ref.; ihre Einführung; Stellung der Staatsgewalt zur Ref. (bis-
1672); Organisation der reformatorischen Kirche bis 1687. Jahrb. d.
V. f. d. ev. KG. Westfalens 14 (1912) S. 1—175. .
Die Anfänge der Jesuitenmission in Köln behandelt
Therese Virnich in einem Aufsatz über ihren ersten Oberen
Leonhard Kessel (1544—1574) in Ann. hVNiederrh. 90 S. 1—37.
Aus dem Staatsarchiv zu Münster veröffentlicht Chr. Schüssler
eine etwa aus der zweiten Hälfte 16. Jahrh. stammende, im lutherischen
Geist gehaltene „Körte underweijssynge des hundristen und negen»
teynden psalmen“, die aus dem ehemal. Damenstift Herdecke stammt.
Jahrb. d. Ver. f. d. ev. KG. Westfalens 14 S. 232—235.
Einen großzügigen Überblick über die Entwicklung der hessi¬
schen Kirche unter Philipp dem Großmütigen gibt B. B e fi¬
rn ZKG. 33, 2 S. 309—345. Er betont insbesondere den beherrschenden
Einfluß, den der Landgraf ausgeübt und hebt den ParalleUsmus zwischen,
der Reichs- und kirchlichen Landespolitik Philipps hervor.
Aus dem Archive der Leipziger theologischen Fakultät
stammen einige in ZKG. 33, 3 S. 440—447 abgedruckte Stücke, die
der seither verstorbene Leipziger Theologe 0. K i r n dort aufgefnnden
hat. Sie bestehen aus einem Briefwechsel der Fakultät mit Melanch-
thon v. J. 1552 (Schreiben und Antwort), aus zwei Schreiben des Kf.
August an die Fakultät über die erste Ausgabe des Konkordienbnches-
(1581) und aus einem Schreiben des Kf. Christian an die Fakultät über
Druck und Verkauf Seineckerscher Schriften (1589).
Die Werdauer Schulverhältnisse bis in die Reformationszeit
behandelt F. Tetzner in BSKG. 25 S. 26—40 aus den Akten, mit
einigen urkundl. Beilagen.
Aus den Visitationsakten von 1539 und 1574 (in den Archiven,
zu Dresden und Magdeburg) stellt P. Schräpler in instruktiver
Weise die Nachrichten über „die Pfarr- und Küsterhäuser der alten
Ephorie Delitzsch', ihren Zustand, ihr Inventar und ihre Bau¬
last im 16. Jahrh.“ zusammen. ZVKG. Prov. Sachsen 8, 2 S. 181—208.
Den Streit zwischen den evangelischen Geistlichen Eislebena
1543 über die Reliquiae Sacramenti (d. h. was mit dem übrig bleibenden.
Abendmahlswein zu geschehen habe) behandelt auf Grund neuen
Materials (das abgedruckt wird) G. Kawerau in ZKG. 33, 2 S.286
bis 308. Der Streit spitzt sich zu der Frage zu, wie lange die Gegen¬
wart des Leibes und Blutes Christi währe; wir sehen, daß Luther und.
Melanchthon hierzu grundsätzlich verschiedene Standpunkte einnehmen;,
wie der Streit geendet, erfahren wir nicht, doch hat unzweifelhaft
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Luthers Meinung yorgewogen, wonach die Überbleibsel zu profanen
Zwecken nicht verwandt werden durften. Übrigens scheut sich L., um
nicht eine neue Scholastik erstehen zu sehen, vor präziser Beantwortung
der sich aufwerfenden Fragen.
N i k. M ü 11 e r (f) setzt in ZVKG. Prov. Sachsen VIH, 2 S. 129—180
seine Mitteilungen über die Funde in den Turmknäufen der Stadt¬
kirche za Wittenberg (vgl. ds. Zeitschr. 8 S. 418 f.) unter Beigabe
zahlreicher erläuternder Anmerkungen fort; es handelt sich um einige*
Schriftstücke von 1556 sowie Münzen und Medaillen (S. 145 ff. über die
Funde v. J. 1750).
In ZVKG. Prov. Sachsen 8, 1 S. 119—126; 8, 2 S. 225—244 und
9, 1 S. 92—114 macht G. Arndt aktenmäßige Mitteilungen über die
Pfarrbesetzung im Fürstentum Halberstadt.
In der ZhV. f. Niedersachsen 76 (1911), 4 S. 1—63 schildert
B. Stempell den Bauernkrieg auf dem E i c h s f e 1 d e nach seinen
Ursachen, seinem Verlauf, seiner Niederwerfung und den von den
Herren geübten Bepressalien, unter Heranziehung ungedruckten Mate¬
rials und Beigabe von fünf archival. Beilagen.
In ZHarzVer. 45, 3 S. 165—225 veröffentlicht Fr. Arnecke
die von 1564—1593 reichenden Aufzeichnungen des Hildesheimer
Bürgermeisters Henni Ameke, die hauptsächlich dessen politische*
Walten betreffen; auch auf die kirchlichen Verhältnisse der Stadt aber
fallen Streiflichter (z. B. S. 177).
In den Schrr. V. Schlesw. Holst. KG. II. Reihe V, 3 S. 314—344
schildert C. Rolfs in der Form eines Vortrags die Einführung der
Reformation in Dithmarschen; ebendas. S. 247—297 behandelt er
an der Hand der älteren Dithmarsischen Visitationsprotokolle Art und
Verlauf der Visitationen.
Eine bisher ungedruckte Verordnung Hz. Johanns des Älteren
von Holstein v. J. 1571 über das Kirchen-, Armen- und Schulwesen
in Rendsburg veröffentlicht W. J e n s e n in Schrr. V. f. Schlesw.
Holst. KG. II. Reihe V, 3 S. 298—313 nach Abschriften im Rathaus-
archiv.
Die Mitt. des Westpreuß. GV. 1912 Nr. 2 S. 21—23 bringen ein
Referat über den Vortrag von Frey tag über „Neue Beiträge zur
Reformationsgesch. Westpreußens“; wir können nach letzteren
jetzt sicherer die Epoche sowie den Umfang der Protestantisierung
Westpreußens bestimmen.
Aus den Protokollen des E1 b i n g e r Rats von 1604—1606 teilt
L. Neabaur Aufzeichnungen über die dortigen Mährischen Brüder
mit, die von deren innerem Leben ein anschauliches Bild geben. ZKG*
33, 3 S. 447—455.
Ausland. J. Loserth in ZhV. Steierm. 9 S. 163—179 zeigt,,
wie sich der Steiermärkische Adel i. J. 1575 der sog. Refor¬
mation Kaiser Friedrichs III. (in Wahrheit ein reichsritterschaftl.
Programm aus d. J. 1522) bedient hat, um bei Erzherzog Karl II. seine
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Forderungen auf Einschränkung des Einflusses der (katholischen) ge¬
lehrten Juristen (Doctores) in der Landesverwaltung zu begründen.
Als Beitrag zur Qesch. der Gegenref. in der Pfarre Aussee
<in Steiermark) teilt J. Nößlböck einen Bericht des dortigen Pfarrers
klathäus Molitor an die Kommissare Erzh. Ferdinands über die reli¬
giösen Verhältnisse der Pfarre sowie ein Gutachten des Verwesers zu
Aussee Math. Gärtner von 1607 aus dem Grazer Statthalterei-Archiv
mit. ZhV. Steierm. 9 S. 265—273.
. Auf ständische Beziehungen zwischen B ft hupen und Inner-
Österreich zur Zeit Ferdinands I., die eine Zusammenfassung der
Kräfte zunächst zu Zwecken der Landesverteidigung bezweckten, weist
J. Loserth hin und teilt eine Auswahl einschlägiger Akten aus dem
-Steierischen Landesarchiv (zwischen 1537 und 1556) mit. MVG.
Deutschen in Böhmen 50.1 S. 1—41.
Ebenda 60, 4 S. 594—698 druckt der Nämliche ein Schreiben
•des böhmischen Oberstburggrafen Wolf Frh. von Kreig an Herrn
Wolfgang von Stubenberg vom 8. April 1547, das die allgemeine
politische Lage Böhmens in jener Krisis illustriert, aus dem Stuben¬
berger Archiv ab.
Beiträge zur Gesch. der Ref. in Ig 1 au beginnt F. Scheuner
in ZdV. Gesch. v. Mähren und Schlesien, Bd. 15 S. 212—255, 364-372
darzubieten. Der erste Abschnitt behandelt wesentlich die Tätigkeit
des Speratns in Iglau 1522/23, der hier den Grund zum Prot ge¬
legt hat, und seine späteren Berührungen mit der Stadt; als Anlagen
folgen 11 einschlägige von Speratns ausgehende öder an ihn gerichtete
Briefe von 1523/1532.
Über „Erinnerungen an U. Z w i n g 1 i“ (Trinkgeschirre) handelt
kritisch H. Lehmann in Zwingliana 1911 Nr. 1 (Bd. II Nr. 13)
S. 387—391; G. Finsler untersucht die Verhältnisse, unter denen
H. E m s e r 1502 Basel verlassen mußte, im Hinblick auf Zwinglis
„Antibolon“ gegen Emser von 1524, wo davon die Rede ist (S. 392—398);
W. M e r z teilt ein B u 11 i n g e r betr. Dokument von 1522 (eine Nach¬
laßsache) mit (S. 399—400); FridaHumbel desgleichen das Gedicht
•eines Anonymus wider Zwingli von 1526 (S. 400—406); endlich
handelt E. Gagliärdi über eine auf der Züricher Stadtbibliothek
neugefnndene Quelle zur Zürcherischen Reformationsgesch., Auf¬
zeichnungen des Zürcher Seckeimeisters Hans Edlibach, eines Gegners
der Reformation, zu den Jahren 1528—1531 (S. 407—414).
In Zwingliana 1911 Nr. 2 (Bd. II Nr. 14) gibt G. Finsler
eine Sammlung von Epitaphien usw. auf Zwingli, nach den Verff.
alphabetisch geordnet mit Angabe der ältesten Fundorte (S. 419—433);
<t. Schultheß-Bechberg sucht den Bericht des Schweizer
Nuntius Ennio Filonardi über die Schlacht von Kappel, der
im Kardinalskolleg verlesen wurde, nach einem aus dieser Verlesung
geschöpften Briefe des Kard. Accolti an Sadoleto zu rekonstruieren;
der Bericht hat als Stimmungsbild, wie als Beispiel humanistischer
Darstellungsweise historischer Vorgänge ein gewisses Interesse (S. 434
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J)is 439). Ferner handelt W* K ö h 1 e r von einem Spottlied auf
Zwingli von 1524, von dem wir ans behördl. Akten Wissen, und hält
für möglich, das es mit dem angeblich 1526 entstandenen Lied identisch
sein könnte, daß in Zwingliana II, 13 (s. o.) veröffentlicht ist (S. 439
bis 441). Ein weiteres nngedr. Lied über Zwingli von 1533, unbe¬
kannten Vfs. teilt W. J. M e y e r aus Ms. der Bürgerbibi, zu Luzern
mit (S. 441—444); sodann erhalten wir noch aus E. Eglis Feder,
eine Biographie von Gregor Bünzli, Lehrer und Freunde Zwinglis
(S. 444—49); den Schluß bilden Miszellen, u. a. zu den Namen
Oekolampad und Myconius; für letzteren ist der deutsche
Name Müller bezeugt (S. 450).
Über die ältesten Züricher Liturgien handelt J. Bauer
in Monatssehr. f. G. u. k. K. 1912, 4 S. 116-rl24 und 6 S. 178—187;
u. a. vergleicht er die Gottesdienstordnungen Luthers und Zwinglis
mit einander; letztere sei geschlossener und nach einheitlichen Grund¬
sätzen gebildet; dem gegenüber war jene einer weiteren Ausbildung
zugänglicher und die Bewegungsfreiheit im Gebrauch war größer.
„Calvins Lehre von Gott und ihr Verhältnis zur Gotteslehre
anderer Reformatoren“ behandelt N ö s g e n in NkZ. 23, 9 S. 690—747.
Im Bull, de la Soc. de Fhist. du prot. fran$. 60 (= Ser. 5, Vol. 9,
1911) S. 404—410 verbreitet sich N. Weiß über den Widerruf, den
Francois Buffet, Karmeliterprior zu Dijon, der später in Genf
zum Protestantismus übertrat und als reformierter Pfarrer in Metz
starb, am 25. März 1580 leisten mußte, und gibt Kenntnis von einer
leider Fragment gebliebenen Aufzeichnung Buffets selbst über seine
innere Entwicklung. Ebendaselbst S. 503—508 erörtert E. Belle die
Anfänge der Reformation in Dijon, und besonders den Anteil, den
mehrere Schulmeister daran hatten. Endlich veröffentlicht ebenda
S. 509—512 R. N. Sauvage einen Brief des Jean Femagu, „procu-
reur-syndic“ von•Caen (eines Protestanten) über die Pariser Un.
ruhen vom April 1561.
Über drei Beza-Briefe vod 1571, 1572 und 1574, die die
Sociötö du Musöe de la Reformation in Genf kürzlich erworben, wird
im Bull, de la Soc. prot. fran$. vol. 60 S. 574f. berichtet. Sie behandeln
vorwiegend die französischen Ereignisse (Bartholomäusnacht usw).
Im Bull, de la Soc. de l’hist. du Prot! Fran$. 61 (1912), Heft 1
S. 13—26 gibt H. Quilgars aus den Akten eine Gesch. des Prot,
in der Sönöchaussöe Guörande (Bretagne); danach ist der Prot,
hier 1558 gepflanzt worden und hat alsbald starken Anhang gefunden,
sich auch, wennschon unter Kämpfen, bis gegen die Mitte des
17. Jahrhunderts, gehalten; die 2. Hälfte zeigt ihn im Niedergang.
Ebendas. S. 27—44 gibt E. de Parquier Auszüge aus den
Registern des Parlaments der Normandie (in Rouen) zur Gesch.
des Prot. 1562—1564; S. 45—56 behandelt P. Beuzart den Prot,
in D o u a i in der ersten Hälfte des 17. Jahrh, auf Grund beigegebener
Akten aus dem dortigen Archiv. Endlich enthält das Heft S. 87 f.
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ein Referat von P. Beuzart über das Werk von J. Desilve, Le prot.-
dans la seigneurie de Saint-Amand (prov. Tournaisis) 1562—1584 (1911)*.
Ebendort Heft 3 S. 193—203 handeln H. Patry n. N. W(eiß)
über „Fröre Nicole Maurel, Apostat Cölestin, dit „le prödicant“;-
es gilt die bisher sehr dunkeln Lehensumstände eines Mönches Nicole,
festzustellen, dör in S a i n t o n g e s für die neue Lehre tätig war und
1546 für sie den Scheiterhaufen bestieg. Ebendort S. 204—213 ediert
und erläutert P. E. Martin einen Brief Farels vom 8. März 1538
(im Genfer Staatsarchiv), der sich auf die Waldenser Piemonts bezieht;
ferner veröffentlicht M. L u t h a r d S. 213—236 aus Mss. der Toulouser
Bibi, eine Eingabe der in Anduze versammelten Reformierten
von Languedoc an die dortigen Stände von 1579, die über Ver¬
gewaltigungen von katholischer Seite klagt, mit zahlreichen Einzel¬
heiten. — Eine Übersicht über einschlägige französische Zeitschriften¬
artikel und ein Referat über ein neues Werk zur Geschichte von
Reform und Inquisition in der Franche-Comtö, von L. Febvre, gibt
N. Weiß S. 260-263, 271—272.
In einer Abhandlung „Les eveques Henriciens sous Henri VIII“
legt G. Constant den Nachdruck darauf, zu zeigen, daß die
Gardiner, Bonner, Tunstall trotz ihrer Konnivenz gegen den König
im Herzen katholisch geblieben seien. RQH. 46, Lief. 182, (1. April
1912) S. 384—423.
In seinerakad. Antrittsvorlesung „Die Bartholomäusnacht“
(abgedr. im Pr. Jahrb. 150,1, Okt. 1912, S. 52—67) behandelt W. Platz-
h o f f hauptsächlich die für die Valois vernichtenden, für Frankreich
äußerst schädlichen Folgen der Bluttat; andererseits deutet er darauf
hin, wie der zunächst in vermehrter Glut auf lodernde Glaubens¬
fanatismus schließlich doch der Durchsetzung des Toleranzgedankens
Vorschub geleistet habe.
G. Con8tant,Le mariage de Marie Tudor et de Pbi-
lippell (Rev.dipl. XXVIII, 1 S. 23—73; 2 S. 224—274) schildert
aus den Quellen (Gesandtschaftsdepeschen, Chroniken üsw.), ohne
wesentlich Neues zu bringen, die Vorgeschichte der Ehe und die Ehe¬
schließung nebst den gleichzeitigen Ereignissen in England (Wyatt).
Er urteilt, daß die den Engländern verhaßte Verbindung dem künftigen
Wirken Elisabeths und der Durchführung der Reformation wesentlich
vorgearbeitet habe.
Hatte i. J. 1911 Alfred Morel-Fatio in Möm. de l’ac. des inscr. et
belles-lettres t. 39 auf eine neue Geschichtsquelle aus der Mitte des
16, Jahrh., die Gesch. Karls V. aus der Feder seines Hoffuriers
Hugues Cousin 1 e Vieux, hingewiesen, so teilt nun in RH.
To. 110 (Annöe 37., Mai—Juni 1912 S. 57—76) Ch. Bömont den
manches Eigentümliche bringenden Abschnitt Cousins über die engli¬
schen Kämpfe von 1553 und 1554 (Kgin. Maria, Jane Grey, Th. Wyättusw.),
unter vorangehender Würdigung des Geschichtswerkes und speziell dieser
Nachrichten mit.
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A. Ferrajoli veröffentlicht ans Cod. Vat.lat. 8598 den
Bnolo della corte di LeoneX 1514—1516 (über den ich 1903
in Bd. 6 der Quellen u. Forsch, ans ital. Archiven nsw. berichtet habe).
' Seiner Angabe nach hat er das Stück schon 1895 auf gefunden; er gibt
jetzt nur den Text, die Erläuterungen sollen folgen. Arch. della Soc.
Rom. di st. p. 34 S. 363—391.
T. Pando 1 fi behandelt Giovan Matteo Giberti als
italienischen Patrioten in den Jahren 1521—1525 (G. M. G. e Tultima
difesa della libertä dTtalia: Arch. della R. Soc. Romana di st. p. vol. 34
S. 181—245), besonders seine Bemühungen, nach der Schlacht von
Pavia die Kurie im antispanischen Fahrwasser festzuhalten. Einige
Beilagen aus dem Vat. Archiv machen den Schluß. (Befremdlicher¬
weise wird pag. 181 Aleander schon z. J. 1524 als „vecchio cardinale“
bezeichnet!)
Aus der Bibi, der Reichsuniversität Leyden veröffentlicht
1. Lindeboom einen Brief des bekannten Rechtsgelehrten Francis
B a u d o u i n (Balduinus) aus der Umgebung Calvins in Genf vom
26. August 1547 an Jacques de Bourgogne, Herrn von Falais, damals
in Basel, eifrigen Anhänger der Ref., mit biographischen Erläuterungen:
Nederl. Archief voor Kerkgeschiedenis N. S. 9, 1 S. 70—81. Eben¬
daselbst S. 82—114 veröffentlicht und bespricht I. S. van Veen ver¬
schiedene Dekrete, Briefe usw. über Pfründenbesetzungen im Geldrischen
und andere geistliche Angelegenheiten von 1590—1594. — Im N.S. 9, 2
der nämlichen Zeitschrift veröffentlicht I. C. Overvoorde eine
kürzlich vom Leydener Stadtarchiv erworbene authentische Abschrift
der Akten der Dordrechter Synode von 1578 mit einer neben¬
geschriebenen Begutachtung der einzelnen Punkte durch den Leydener
Stadtrat: S. 117—149; weiter gibt S. 150—183 A. A. v a n S c h e 1 v e n
Aufschlüsse über die Originalakten des Weseler Konvents von
1568 auf Grund eines Briefes von Jo. Gysius in Dordrecht von 1639;
«endlich veröffentlicht S. 184—202 K. Heeringa Beiträge zur Gescb.
der reformierten Kirche von Schiedam aus dem Gemeindearchiv, zu¬
nächst aus den Listen der obrigkeitlichen Personen von 1563—1593,
mit Erläuterungen und Beilagen.
In Theol. Arbeiten aus d. rhein. wiss. Predigerverein N.F. 13 S. 110
bis 128 handelt P. Bockmühl über den Druckort der ersten Aus¬
gabe des Werkes „Der Leeken Wechwyser“ von Job. Anastasius Ve-
4uanus, das nach ihm zuerst im April 1554 durch Joos Lambrecht
jsu Wesel gedruckt worden ist.
Im Jahrbuch des Ev. V. für die KG. der Prov. Posen, „Aus Posens
iirchl. Vergangenheit“, Jahrg. I S. 29—73 behandelt Th. Wotschke
^,Das Hussitentum in Großpolen“, das jedoch nicht als Vorstufe des
Luthertums aufzufassen ist. Es läßt sich nach W. nicht nach weisen,
daß um 1520 utraquistischer Geist in Großpolen noch lebendig gewesen
*ei und zu Luther hingeführt habe; vielmehr spricht manches dagegen.
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Neuerscheinungen.
Quellen. Vor uns liegt der erste Band von „Luthers
Werke in Auswahl, unter Mitwirkung von Alb. Leitzmann
herausgeg. von Otto C lernen“ (Bonn, Marcus & Weber 1912;
IV, 512 S., geb. M. 5.—). Die auf vier Bände berechnete und in
erster Linie zu Seminarübungen und zum Selbststudium bestimmte
Ausgabe soll, auch in der Auswahl, den „ganzen Lüther u zeigen, ihn
allseitig als Reformator und Begründer einer neuen Kultur, als Er¬
bauungsschriftsteller, Bibelübersetzer und-erklärer, Polemiker, Satiriker
zur Geltung bringen; nur die „Initia Lutheri“ sind beiseite gelassen
und in den polemischen Schriften soll Maß gehalten werden; anderer¬
seits sollen insbesondere kirchen- und literaturgeschichtlich berühmte
Schriften und solche, die gegenwärtig und voraussichtlich auch noch
zukünftig im Vordergründe des Interesses stehen, auf genommen werden.
Die Ausgabe erhebt, indem sie sich, wie selbstverständlich, an die WA.
anlehnt, gleichwohl Anspruch auf selbständige Bedeutung, insofern sie
die dort vorgetragenen Forschungsergebnisse nie ungeprüft übernimmt,
auch in Einleitungen und Anmerkungen, besonders zu L.s früheren
Schriften, manche Ergänzung und Berichtigung bringt. — Der vor¬
liegende Band bietet 15 Schriften, die, in chronologischer Anordnung^
von der Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum von 1517
zum Praeludium de Captivitate Babylonica ecclesiae 1520 reichen.
Bürgt schon der Name des Heräusgebers dieser neuen Publikation für
eine in jeder Beziehung treffliche Leistung, so wird der erste Band
durch peinlichste Sorgfalt und Sauberkeit der Ausgabe den gehegten
Erwartungen in vollstem Maße gerecht. Allerdings hätten wir unserer¬
seits eine gewisse Modernisierung auch der deutschen Texte vor¬
gezogen; wir erkennen für eine derartige Ausgabe die Notwendigkeit
oder Ersprießlichkeit, die Originaldrucke so genau wir nur irgend
tunlich — mit Abbreviaturen usw. — zu reproduzieren, nicht an; doch
ist das natürlich Ansichtssache und wir zweifeln nicht, daß Clemen
seine Entscheidung nach reiflichster Erwägung getroffen haben wircL
„Aktenstücke zur Wittenberger Bewegung
Anfang 1522 u ediert und erläutert H. Barge. Es ist eine Aus¬
wahl von 23 Nummern aus den in unserer Zeitschrift er¬
schienenen Publikationen von Nik. Müller und Pallas. Barge beab¬
sichtigt darin das für die Beurteilung der Vorgänge entscheidende
Aktenmaterial darzubieten, wobei er auch den Einwirkungen nach¬
geht, den die Haltung des Reichsregiments und des Bischofs von
Meißen auf Friedrichs des Weisen Stellungnahme ausgeübt hat.
Leipzig, Hinrichs 1912. VI, 52 S. M. 1.50.
Von den Abschieden der 1540—1542 in der Altmark
gehaltenen ersten Generalkirchenvisitation, die namens
des Altmärk. GV. Müller und Parisius herausgeben, ist Heft 2.
des 2. Bandes (Seehausen; Kl. Neuendorf; Gardelegen) erschienen
(S. 153-256). Magdeb. 1912.
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Briefwechsel der Brüder Ambrosius und
Thomas Bleu rer 1509—1567. In Verbind, mit dem Zwingli-
Verein in Zürich hera. von der Bad. Hist. Kom., bearbeitet von T r au -
gott Schieß. Bd. III, 1549—1567. Freiburg i. Br., Vehsenfeld
1912 (XX, 936 S.) M. 30.—. — Der verheißene Schlußband der
Blaurer-Korresp. (vgl. Bd. 8 S. 185 f. ds. Zeitschr.) ist in kurzem
Abstand den beiden ersten Bänden gefolgt; in die erfordert. Mittel
. haben sich Zwingli-Verein und BHK. geteilt. Der Bd. behandelt den
Lebensabend der Brüder (Ambrosius f 1563, Thomas f 1567)^ daß
Ambrosius seinen ständigen Wohnsitz seit 1549 in der Schweiz nahm,
hat ein stärkeres Hervortreten der Schweizer unter den Korrespondenzen
unseres Bandes zur Folge; allein neben den Vorgängen in der Eid¬
genossenschaft finden doch auch die deutschen Dinge ausgiebigste
Berücksichtigung; in kirchlicher Beziehung sind es die traurige Lage
des Protestantismus in den Zeiten des Interim, die Besserung seit
1552, dann die ausbrechenden Zwistigkeiten unter den Theologen, die
die Aufmerksamkeit besonders in Anspruch nehmen^ im ganzen aber
bleibt selbst über Deutschland hinaus kein für die Reformationszeit
jener Periode bedeutungsvolles Ereignis unerwähnt. — Der Bänd, den
eine Einleitung des Herausgebers, ein Verzeichnis der Briefe nach
Briefschreibem und Adressaten und ein Namenregister bereichern,,
bringt die laufende Nummer der Briefe auf 2761; dazu kommen als
Anhänge, Beilagen und in den Anm. noch gut 300 Stück, so daß der
Gesamtertrag dieser bedeutsamen Veröffentlichung sich auf nahezu
3000 Briefe beläuft.
Untersuchungen. H. Liebmann, DeutschesLand
und Volk, nach italienischen Berichterstattern
der Reformationszeit (= Histor. Studien LXXXI; Berlin,
Ebering 1910 241 S.). Verf. will mit dieser Arbeit ebensowohl Bei¬
träge zur Kenntnis Deutschlands, wie zur italienischen Geistes¬
geschichte des 16. Jahrhunderts liefern. Was die kirchlichen Ver¬
hältnisse Deutschlands angeht, so darf man bei den durchweg
katholischen Berichterstattern — abgesehen vielleicht von den im
allgemeinen unbefangeneren Venetianern — ein Verständnis und eine
gerechte Beurteilung der Ref. kaum erwarten; um so wertvoller sind
andererseits die Nachrichten, die insbesondere die Nuntien über die
Entartung und Auflösung des alten Kirchentums darbieten.
Als Ergänzung zu. seinem schönen Aufsatz „Reich und Refor¬
mation“ (vgl. oben S. 89f.) untersucht H. von Schubert „die
Vorgeschichte der Berufung Luthers auf den
Reichstag zu Worms 1521“ (SB. der Heidelb. A. d. W., philos.-
hist. Kl., 1912, 8; Heidelb., Winter 29-S.